Entscheidungsdatum
17.12.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
EpidemieG 1950 §6 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 04.08.2021, Zahl ***, betreffend einer Absonderung nach dem EpiG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist Pflegedienstleiterin des Wohn- & Pflegeheims Z. Am 14.07.2021 hat die CC GmbH eine im Rahmen des Mitarbeiterscreenings dieses Heims entnommene Probe der Beschwerdeführerin mit dem Verdacht auf die Deltamutation positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Daher wurde sie von der Bezirkshauptmannschaft Z mit Mandatsbescheid vom 15.07.2021, Zahl ***, gemäß § 57 AVG iVm §§ 6 Abs 1 und 7 Abs 1 und 1a EpiG iVm §§ 1, 2 und 4 5 der Verordnung RGBl Nr 39/1915 idF BGBl II Nr 21/2020, bis zum Ablauf des 24.07.2021 an ihrem Wohnsitz abgesondert. Es wurde ausgesprochen, dass sie ihre Unterkunft nur unter bestimmten Voraussetzungen – etwa bei medizinischer Notwendigkeit – verlassen darf. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass eine Vorstellung gegen diesen Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs 2 AVG keine aufschiebende Wirkung hat und die Absonderung sofort vollstreckbar ist.
Mit E-Mail vom 17.07.2021 hat der ärztliche Direktor des A.ö. Bezirkskrankenhauses Z, DD, der Bezirkshauptmannschaft Z unter anderem mitgeteilt, dass er der Beschwerdeführerin am 15.07.2021 angeboten habe, sich erneut testen zu lassen. Am 16.07.2021 hat sich die an ihrem Wohnsitz abgesonderte Beschwerdeführerin im A.ö. Bezirkskrankenhauses Z daher mittels eines Antigen- und PCR-Test nachtesten lassen. Der Abstrich wurde sowohl von der CC GmbH als auch vom Institut für Virologie der Medizinischen Universität Y negativ befundet. Die Antikörper wurden mit 1.457 IU/ml bestimmt.
Mit E-Mail vom 20.07.2021 hat DD der Behörde unter anderem mitgeteilt, dass das Bezirkskrankenhaus Z und das Labor des Instituts für Virologie der Universität Y davon ausgingen, dass der Test vom 14.07.2021 eindeutig falsch-positiv sei. Mögliche Ursache sei eine Kontamination, eine Verwechslung oder eine mögliche falsche Auswertung der Probe. Die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführerin nur eine kurzfristige Infektion gehabt habe, sei als unwahrscheinlichster Fall zu betrachten. Die Beschwerdeführerin habe nämlich im Vergleich mit ihren Kontaktpersonen den mit Abstand höchsten Antikörperwert aufgewiesen und sämtliche Testergebnisse vom 16.07.2021 seien negativ ausgefallen. Überdies müssten Labore für Sequenzierungen oder Teilsequenzierungen über entsprechende Akkreditierungen bzw ISO-Zertifizierungen verfügen, weshalb nur berechtigten Laboren Verdachtsäußerungen auf Virusvarianten zustünden.
Mit Schreiben vom 20.07.2021 hat die Beschwerdeführerin eine Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 15.07.2021 erhoben und zusammengefasst vorgebracht, dass sie nicht infiziert sei. Sie sei bereits vor längerer Zeit an COVID-19 erkrankt und doppelt geimpft. Sie habe sich am 16.07.2021 selbst im Bezirkskrankenhaus Z einem weiteren Antigen- und PCR-Test unterzogen. Die diesbezügliche PCR-Befundung der CC GmbH und des Instituts für Virologie der Universität Y seien negativ gewesen. Der CC GmbH würde die notwendige Akkreditierung und ISO-Zertifizierung für Sequenzierungen oder Teilsequenzierungen fehlen, weshalb aus dem Testergebnis vom 14.07.2021 nicht auf eine Virusmutation geschlossen werden dürfe. Der Test vom 14.07.2021 sei jedenfalls „falsch-positiv“.
Mit dem nunmehr angefochtenen Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 04.08.2021, Zahl ***, wurde der Mandatsbescheid vom 15.07.2021 bestätigt. Im Wesentlichen hat sich die Behörde dabei auf die Amtsärztin EE gestützt, nach der die Befundung des PCR-Abstrichs vom 14.07.2021 zweifellos hochpositiv mit dem Verdacht auf die Deltamutation gewesen sei. Zwei weitere Nachtestungen der Probe hätten zum selben Ergebnis geführt. Eine Verwechselung der Probe sei von der CC GmbH ausgeschlossen worden. Auch die Beschwerdeführerin selbst habe gegenüber der Amtsärztin die ordnungsgemäße Abstrichnahme am 14.07.2021 geschildert und eine Probenverwechslung ausgeschlossen.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 06.09.2021 eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und beantragt, den angefochtenen Vorstellungsbescheid dahingehend abzuändern, dass der Mandatsbescheid vom 15.07.2021 ersatzlos behoben wird. Zusammengefasst hat sie vorgebracht, dass sich die Behörde nicht mit ihrer Argumentation in der Vorstellung auseinandergesetzt habe.
Am 01.12.2021 hat das Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, die Amtsärztin FF als medizinische Amtssachverständige einvernommen und im Anschluss das vorliegende Erkenntnis mündlich verkündet. Am 10.12.2021 hat die Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs 2a VwGVG eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung beantragt.
II. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Pflegedienstleiterin des Wohn- & Pflegeheims Z. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 11.11.2020, Zl ***, wurde sie aufgrund eines positiven Testergebnisses auf SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) ein erstes Mal abgesondert. Am 14.01.2021 und 04.02.2021 wurde sie mit dem Vakzin BioNTech/Pfizer gegen COVID-19 (coronavirus disease 2019) geimpft.
Am 14.07.2021 hat die CC GmbH eine im Rahmen des Mitarbeiterscreenings des Wohn- & Pflegeheims entnommene Probe der Beschwerdeführerin mittels der PCR-Methode (polymerase chain reaction) erneut positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Der Befund hat auf die Virusmutation B.1.617.2 (Variante Delta) hingewiesen. Aufgrund dieses Befundes hat die Bezirkshauptmannschaft Z die Beschwerdeführerin mit Mandatsbescheid vom 15.07.2021 bis zum Ablauf des 24.07.2021 an ihrem Wohnsitz abgesondert.
Am 16.07.2021 hat sich die an ihrem Wohnsitz abgesonderte Beschwerdeführerin im A.ö. Bezirkskrankenhauses Z erneut auf SARS-CoV-2 testen lassen. Sowohl ein Antigen-Schnelltest als auch ein PCR-Schnelltest waren negativ. Die Probe wurde zudem von der CC GmbH und dem Institut für Virologie der Medizinischen Universität Y mittels der PCR-Methode negativ befundet. Ein Antikörpertest hat 1.457 IU/ml ergeben.
Die CC GmbH ist nicht in der Liste „Akkreditierung Austria-Akkreditierte medizinische Laboratorien für die Analyse des SARS-CoV-2 Virus via PCR-V01-20210719“ des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort vom 19.07.2021 angeführt. Es handelt sich dabei um eine Liste akkreditierter Labore für Einreisetestungen.
Aufgrund der positiven Testung vom 14.07.2021 hat sich im Absonderungszeitpunkt auch unter Berücksichtigung der negativen Nachtestung vom 16.07.2021 ein hinreichender Ansteckungsverdacht ergeben, der die Absonderung zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 – insbesondere zur Verhinderung der Ausbreitung der besorgniserregenden Immunescape-Virusvariante und zum Schutz der vulnerablen Arbeitsstätte der Beschwerdeführerin – erforderlich gemacht hat. Die Absonderungsbehörde konnte diesen Ansteckungsverdacht unabhängig davon feststellen, ob bzw welche Akkreditierungen und Zertifizierungen die CC GmbH aufgewiesen hat.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zunächst aus den im Behördenakt einliegenden Bescheiden und dem Befund der CC GmbH vom 14.07.2021 sowie aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden vom 16.07.2021 der CC GmbH, des Instituts für Virologie der Medizinischen Universität Y, der Auswertung der Schnelltests, dem Elektronischen Impfpass der Beschwerdeführerin und der Akkreditierungsliste des Wirtschaftsministeriums (OZl 7). Das Vorliegen dieser Bescheide, Tests und Befunde sowie der Impfstatus der Beschwerdeführerin und die Akkreditierungsliste sind unstrittig. Strittig ist hingegen, ob es sich beim Befund der CC GmbH vom 14.07.2021 um ein „falsch-positives“ Testergebnis handelt und, ob alleine aufgrund dieses Befundes von einem derart hohen Ansteckungsrisiko auszugehen war, dass die Absonderung der Beschwerdeführerin zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 erforderlich war.
Dazu hat das Landesverwaltungsgericht zunächst eine schriftliche Stellungnahme der behördlich beigezogenen Amtsärztin EE vom 29.09.2021 eingeholt (OZl 4). Demnach liege dem Absonderungsbescheid ein positives PCR-Ergebnis der CC GmbH mit einem PFU-Wert von 422,75 zugrunde. Dieser PFU-Wert habe für eine hohe Infektiosität gesprochen. Zudem sei das Resultat mit der Deltamutation vereinbar gewesen. Da die erste Absonderung vom November 2020 bereits mehr als 6 Monate zurückgelegen sei, sei sie nicht mehr zu berücksichtigen gewesen und sei behördlich keine weitere PCR-Testung nach 48 Stunden mehr zu veranlassen gewesen. Die selbstveranlasste Nachtestung im Bezirkskrankenhaus habe deshalb auch zu keiner Änderung der Einschätzung der Infektiosität geführt. Die Impfung sei bezüglich der Nachtestung nicht zu berücksichtigen gewesen, da der Verdacht auf eine besorgniserregende Immunescape-Variante bestanden habe. Generell habe die Impfung bei positiv getesteten Personen zu keiner Befreiung von der Absonderung geführt. Auch etwaige neutralisierende Antikörper hätten zu keiner Änderung der Beurteilung geführt.
Das Landesverwaltungsgericht hat weiters eine schriftliche Stellungnahme der belangten Behörde vom 10.10.2021 eingeholt (OZl 6), wonach der zweite negative Test nichts an der Infektiosität ändere. Es habe im Zuge der Abarbeitung der Covid-19-Fälle öfters bemerkt werden können, dass die Infektiosität schwanke und negative und positive Befunde an aufeinanderfolgenden Tagen vorliegen könnten. Dabei habe sich die Abarbeitung an den vom Gesundheitsministerium veröffentlichten Vorgangsweisen orientiert, die regelmäßig überarbeitet und angepasst würden. Eine Gefährdung durch die positiv getestete Beschwerdeführerin habe nicht ausgeschlossen werden können. Daher sei die Absonderung ausgesprochen bzw aufrechterhalten worden. Hinzu komme, dass die von privater Seite „empfohlene“ und in weiterer Folge augenscheinlich durchgeführte Testung nicht dem (einschlägigen) Standard der ersten Testung entsprochen habe und somit nicht vergleichbar und bei der Beurteilung nicht zu berücksichtigen gewesen sei. Zur Unterstreichung ihrer Argumentation hat die Behörde die anonymisierte Testreihe einer Person vorgelegt, die am 22.01.2021 positiv, am 25.01.2021 negativ und am 27.01.2021 wieder positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden sei.
Am 01.12.2021 hat das Landesverwaltungsgericht schließlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt (Verhandlungsschrift OZl 8) und die Amtsärztin FF als medizinische Amtssachverständige einvernommen. Sie hat schlüssig und nachvollziehbar erläutert, dass sich der positive Test vom 14.07.2021 aufgrund des langen Zeitraums nicht auf die erste Infektion des Jahres 2020 zurückführen lasse. Auch aus dem Impfstatus der Beschwerdeführerin könne nicht auf ein falsch-positives Testergebnis geschlossen werden, da es bereits nach wenigen Monaten zu Impfdurchbrüchen und auch zu Genesungsdurchbrüchen kommen könne. Es sei auch bekannt, dass Infektionen bei geimpften Personen zu kürzeren und geringeren Virenlasten führen könnten. Aus medizinischer Sicht sei es daher durchaus plausibel, dass die Beschwerdeführerin zwei Tage nach dem positiven Test vom 14.07.2021 negativ getestet wurde. Möglich wäre aber auch, dass der Test vom 14.07.2021 falsch-positiv und der Test vom 16.07.2021 falsch-negativ gewesen ist. Zwar spreche die doppelte Befundung vom 16.07.2021 für eine hohe Wahrscheinlichkeit eines richtigen Befundes, jedoch bestehe auch die Möglichkeit einer fehlerhaften Probenentnahme. Es lasse sich im Nachhinein nicht mehr feststellen, ob mit den jeweiligen Abstrichen ausreichende Proben entnommen wurden.
Dazu komme, dass sich aus dem Befund vom 14.07.2021 der Verdacht auf das Vorliegen der Delta-Variante B.1.617.2 ergeben habe. Es sei daher mit besonderer Vorsicht vorzugehen gewesen, um die Ausbreitung dieser damals neuen Mutation zu verhindern. Zwar sei keine Sequenzierung und damit kein endgültiger Nachweis der Mutation erfolgt, dies hätte jedoch ein bis zwei Wochen gedauert. Erschwerend komme dazu, dass die betroffene Person in einem Pflegeheim und damit in einem hoch vulnerablen Bereich gearbeitet habe und daher besondere Vorsicht notwendig gewesen sei. Aus medizinischer Sicht sei jedenfalls im Absonderungszeitpunkt alleine aufgrund der positiven Testung vom 14.07.2021 von einem relevanten Ansteckungsrisiko auszugehen gewesen. Daran habe auch die Nachtestung vom 16.07.2021 nichts geändert.
Die Amtssachverständige hat weiters ausgeführt, dass ihr die CC GmbH bekannt sei und, dass diese seit vielen Jahren einschlägige Befundungen durchführe. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass PCR-Testungen durch dieses Labor nicht den wissenschaftlichen Standards entsprechen und eine erhöhte Fehlerquote aufweisen würden. Aus medizinischer Sicht spreche nichts gegen die Befundung durch dieses Labor.
Diesen gutachterlichen Ausführungen der Amtsärztin ist die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlichen Ebene entgegengetreten. Zwar hat sie hinsichtlich der Testung vom 14.07.2021 eine Kontamination, eine Verwechslung und eine falsche Auswertung der Probe in den Raum gestellt, jedoch handelt es sich dabei nur um unsubstantiierte Vermutungen ohne stichhaltigen Anhaltspunkt. Auf der anderen Seite liegt der Befund eines amtsbekannten Labors vor, den zwei medizinische Amtssachverständige für ausreichend plausibel erachten, um darauf einen ernsten Ansteckungsverdacht zu stützen.
Dabei ist aber festzuhalten, dass keine Feststellung darüber getroffen wurde, ob das Testergebnis vom 14.07.2021 in einer ex post Betrachtung tatsächlich richtig war und, ob das Labor alle formalen Voraussetzungen zur Durchführung von PCR-Tests und Sequenzierungen eingehalten hat. Das Landesverwaltungsgericht hat nur festgestellt, dass anhand einer ex ante Betrachtung im Absonderungszeitpunkt alleine aufgrund des Vorliegens eines plausiblen positiven PCR-Tests auf einen hinreichenden Ansteckungsverdacht geschlossen werden konnte, der die Absonderung trotz negativer Nachtestung zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 erforderlich gemacht hat. Diese Feststellung wird dadurch bestärkt, dass die Ausbreitung einer besorgniserregenden Immunescape-Variante unterbunden werden sollte und, dass dem Schutz der vulnerablen Arbeitsstätte der Beschwerdeführerin besondere Bedeutung zugekommen ist.
IV. Rechtslage:
Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 105/2021:
„Anzeigepflichtige Krankheiten
§ 1. (1) Der Anzeigepflicht unterliegen:
(…)
(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann, wenn dies aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt oder auf Grund internationaler Verpflichtungen erforderlich ist, durch Verordnung weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterwerfen oder bestehende Meldepflichten erweitern.
(…)
Einleitung von Vorkehrungen bei Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten.
§ 6. (1) Über jeden Fall einer anzeigepflichtigen Krankheit sowie über jeden Verdachtsfall einer solchen Krankheit sind, neben den nach § 5 etwa erforderlichen Erhebungen, ohne Verzug die zur Verhütung der Weiterverbreitung der betreffenden Krankheit notwendigen Vorkehrungen im Sinne der folgenden Bestimmungen für die Dauer der Ansteckungsgefahr zu treffen.
(…)
Absonderung Kranker.
§ 7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.
(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann.“
Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II Nr 15/2020:
„Auf Grund des § 1 Abs. 2 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2018, wird verordnet:
Der Anzeigepflicht nach dem Epidemiegesetz 1950 unterliegen Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an 2019-nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“).“
Verordnung des Ministers des Innern im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom 22.02.1915 betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen,
RGBl Nr 39/1915 idF BGBl II Nr 21/2020:
„§ 1.
Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer anzeigepflichtigen Krankheit (§ 1 des Gesetzes vom 14. April 1913, R. G. Bl. Nr. 67, und Artikel I des Bundesgesetzes vom 3. Dezember 1925, B. G. Bl. Nr. 449) können gegenüber kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen Maßnahmen zum Zwecke der räumlichen Absonderung oder anderweitiger bestimmter Verkehrsbeschränkungen verfügt werden.
Als krank gelten jene Personen, bei denen die Krankheit bereits festgestellt ist, als krankheitsverdächtig solche, die Erscheinungen zeigen, die das Vorhandensein der Krankheit vermuten lassen, als ansteckungsverdächtig solche, die zwar keine Krankheitserscheinungen aufweisen, bei denen jedoch bakteriologisch nachgewiesen ist, daß sie als Träger des Krankheitskeimes anzusehen sind, oder bei denen sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, daß sie der Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können.
§ 2.
Die Absonderung oder Verkehrsbeschränkung der Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen hat auf die Dauer der Ansteckungsgefahr derart zu erfolgen, daß eine Weiterverbreitung der Krankheit hintangehalten wird.
Die Absonderung besteht in der Unterbringung der im Absatze 1 erwähnten Personen in gesonderten Räumen.
(…)
§ 4.
(…)
Bei Masern oder Infektion mit 2019-nCoV (“2019 neuartiges Coronavirus„) sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen.
(…)
§ 5.
Bei Ansteckungsverdächtigen sind jene der in § 2 bezeichneten Maßnahmen anzuwenden, die fallweise nach dem Gutachten des im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes erforderlich sind.“
Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl Nr 684/1988, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 2/2008:
„Artikel 6
(1) Jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.“
V. Erwägungen:
Vorweg wird klargestellt, dass mit BGBl I Nr 183/2021 ein neuer verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz für Absonderungen im EpiG geschaffen wurde. Für Absonderungen sieht der neue § 7a EpiG nunmehr eine „Gesamtbeschwerde“ nach dem Vorbild des § 22a BFA-VG vor. Eine Vorstellung gemäß § 57 AVG gegen einen Mandatsbescheid – wie sie dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrunde liegt – ist hingegen nicht mehr vorgesehen. Nach der Übergangsbestimmung des § 50 Abs 26 EpiG sind allerdings Beschwerdeverfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 183/2021 bereits vor dem Landesverwaltungsgericht anhängig waren, nach der alten Rechtslage vor dem BGBl I Nr 183/2021 weiterzuführen.
Zur Rechtslage vor dem BGBl I Nr 183/2021 ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10.03.2021, G 380/2020-18 ua, kundgemacht mit BGBl I Nr 64/2021, erkannt hat, dass § 7 Abs 1a zweiter Satz EpiG idF BGBl I Nr 64/2016, als verfassungswidrig aufgehoben wird. Somit hat nicht das Bezirksgericht, sondern das Landesverwaltungsgericht über die Rechtsmäßigkeit der vorliegenden Absonderung zu entscheiden. Anzuwenden ist dabei aber die alte Rechtslage vor dem BGBl I Nr 183/2021.
Die Beschwerdeführerin hat gemäß Art 6 PersFrSchG das Recht, dass ein Gericht oder eine andere unabhängige Behörde binnen einer Woche über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entscheidet und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung anordnet. Zumal das vorliegende Rechtsmittel aber erst am 06.09.2021 und somit erst nach der Beendigung der Absonderung am 24.07.2021 eingebracht wurde, hat für das Landesverwaltungsgericht von vorneherein keine einwöchige Entscheidungsfrist nach Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG bestanden.
Für die bekämpfte Absonderung ist entscheidend, dass gemäß §§ 6 Abs 1 und 7 Abs 1a EpiG bereits bei ansteckungsverdächtigen Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können, sofern eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Gemäß § 1 der Verordnung RGBl Nr 39/1915 idF BGBl II Nr 21/2020 gelten nicht nur Personen als ansteckungsverdächtig, bei denen Krankheitskeime nachgewiesen wurden, sondern auch Personen, bei denen sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, dass sie der Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können. Für das Vorliegen eines Ansteckungsverdachtes ist jedenfalls kein gesicherter Ansteckungsnachweis erforderlich.
Die aufgezeigten Zweifel am Testergebnis vom 14.07.2021 verhelfen der Beschwerdeführerin somit nicht zum Erfolg. Es kommt im vorliegenden Verfahren nicht darauf an, ob sie in einer ex post Betrachtung tatsächlich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert war oder gar an COVID-19 erkrankt ist. Für die Rechtmäßigkeit der Absonderung ist nur entscheidend, dass im Absonderungszeitpunkt erfahrungsgemäß schon allein aufgrund des Vorliegens einer plausiblen positiven SARS-CoV-2-Testung zu befürchten war, dass ein ernstes Ansteckungsrisiko und damit die Gefahr einer weiteren Ausbreitung bestanden hat. Daher kann für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, ob sich das Testergebnis vom 14.07.2021 im Nachhinein möglicherweise als falsch herausstellen sollte. Es ist auch nicht relevant, ob eine nachträgliche Sequenzierung den Verdacht des Vorliegens einer Virusmutation bestätigt hätte. Schon allein im Hinblick auf den Zeitbedarf einer derartigen Sequenzierung hätte mit der Absonderung nicht auf einen endgültigen Nachweis gewartet werden dürfen.
Es ist unerheblich, ob die CC GmbH in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Akkreditierungsliste aufscheint. Zum einen handelt es sich dabei bloß um eine Liste für Einreisetestungen des (für Absonderungen ohnehin unzuständigen) Wirtschaftsministeriums. Zum anderen ist die Akkreditierung oder Zertifizierung eines Labors keine zwingende Voraussetzung dafür, dass dessen Befunde in einem behördlichen oder gerichtlichen Beweisverfahren verwertet werden. Nach § 46 AVG kommt als Beweismittel nämlich alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel).
Zur Auffassung, wonach es nur berechtigten Laboren zustünde, Verdachtsäußerungen auf Virusvarianten zu tätigen, ist klarzustellen, dass vor österreichischen Behörden und Verwaltungsgerichten jeder Beteiligte berechtigt ist, einen Verdacht zu äußern. Auch der CC GmbH steht es zu, der Behörde Befundberichte vorzulegen und einen Verdacht zu äußern. Aber selbst wenn die CC GmbH aus formalen Gründen nicht berechtigt wäre, PCR-Tests durchzuführen, würde sich für das vorliegende Verfahren nichts ändern. Ein durch eine Rechtsverletzung zu Stande gekommenes Beweismittel dürfte nämlich nur dann nicht verwertet werden, wenn die Verwertung gesetzlich verboten wäre oder im Widerspruch zu jenen Zwecken stünde, denen die verletzte Rechtsvorschrift zu dienen bestimmt ist (VwGH 26.06.2001, 2001/04/0076).
Das Labor der CC GmbH ist der beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen bekannt. Es haben sich im Ermittlungsverfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass die Befundungen durch dieses Labor nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechend könnten oder zu überdurchschnittlich vielen fehlerhaften Ergebnissen führen würden. Unabhängig von einer Akkreditierung oder Zertifizierung hat die Amtssachverständige den vom Labor festgestellten Infektions- und Mutationsverdacht für plausibel erachtet. Der Befund vom 14.07.2021 ist daher für die Feststellung ausreichend, dass im Absonderungszeitpunkt zumindest der ernste Verdacht einer Infektion und einer Virusmutation bestanden hat. Für die vorliegende Entscheidung kann somit dahingestellt bleiben, welche formalen Kriterien das gegenständliche Labor aufgewiesen hat.
Gemäß § 5 der Verordnung RGBl Nr 39/1915 idF BGBl II Nr 21/2020 sind bei Ansteckungsverdächtigen jene Maßnahmen des § 2 anzuwenden, die aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens erforderlich sind. Nach § 2 hat die Absonderung von Ansteckungsverdächtigen auf die Dauer der Ansteckungsgefahr derart zu erfolgen, dass eine Weiterverbreitung der Krankheit hintangehalten wird. Die Absonderung besteht in der Unterbringung in gesonderten Räumen. Gemäß § 4 sind bei Infektionen mit SARS-CoV-2 Krankheitsverdächtige abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen.
Im vorliegenden Fall hat es die beigezogene Amtsärztin für erforderlich erachtet, die Beschwerdeführerin zur Unterbindung weiterer Infektionsketten und insbesondere zum Schutz ihres vulnerablen Arbeitsplatzes in häuslicher Quarantäne abzusondern. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf den klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen. Da die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl VwGH 30.08.2019, Ra 2019/17/0035).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
AbsonderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.2387.10Zuletzt aktualisiert am
12.01.2022