Entscheidungsdatum
28.12.2021Index
10/11 Vereinsrecht VersammlungsrechtNorm
VerG §29 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des Vereins AA (kurz AA), ZVR-Zahl: ***, vertreten durch Präsidentin BB, Adresse 1, I-***** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.05.2021, Zl ***, betreffend eine behördliche Vereinsauflösung nach dem Vereinsgesetz 2002 (VerG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:
Der Verein AA (der Beschwerdeführer) hat am 30.12.2020 eine Vereinserrichtungsanzeige gemäß § 11 VerG bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingebracht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.01.2021, Zahl ***, wurde der Verein mit Wirkung 14.01.2021 bescheidmäßig eingeladen, die Vereinstätigkeit aufzunehmen. Seitens der Vereinsbehörde kamen Bedenken auf, weil auf der Adresse des Vereinssitzes in X, Adresse 2, innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl an Vereinen mit derselben Zustelladresse angezeigt worden sind. Im durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde auch die Finanzpolizei mit einer Kontrolle des Vereins seitens der belangten Behörde beauftragt.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der durchgeführten Erhebungen durch die Finanzpolizei ist die belangte Behörde zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der Zustelladresse des Vereins in **** X, Adresse 2, offenbar um eine Scheinadresse für die Errichtung eines Vereins handle und da auch keine Vereinstätigkeit am Vereinssitz in X glaubhaft nachgewiesen werden konnte, ist die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass der Verein aufzulösen sei. Eine Vereinstätigkeit finde in X im angemieteten Lagerraum keinesfalls statt. Die Räumlichkeiten seien nicht geeignet, Vereinstätigkeiten abzuhalten und vereinsrelevante Tätigkeiten auszuüben und eine Kennzeichnung des Lagerraumes mit Vereinsbezug habe ebenfalls nicht vorgefunden werden können. Anderweitige Vereinstätigkeiten am Vereinssitz in X seien ebenfalls nicht bekannt.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht folgende Beschwerde mit Datum 02.06.2021 eingebracht:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesem Schreiben wird in der Vereinssache AA, betreffend den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.05.2021, mit dem schriftlich erlassenen Spruch zur Auflösung des Vereins nach § 29 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 Vereinsgesetz 2002, das Rechtsmittel der Beschwerde bei Gericht eingelegt.
Begründung:
Die Vereinsfreiheit ist ein dem Menschen zugeschriebenes Recht, welches nach dem Art. 11 Abs. 2 jedem Menschen, gleich welcher Herkunft und Nationalität, gestattet, einen Verein zu gründen, oder einem solchen beizutreten.
Die Vereinsfreiheit im Sinne des Art 12 StGG und Art. 11 EMRK gewährleistet - nach Rechtsprechung des VfGH dreierlei:
• die freie, von behördlichen Eingriffen nicht behinderte Gründung von Vereinen (GRÜNDUNGSFREIHEIT)
• deren freie Betätigung (BETÄTIGUNGSFREIHEIT)
• und das Recht des Vereins auf seinen Bestand, also darauf, dass er nicht gegen den Willen seiner Organe aufgelöst wird (BESTANDSFREIHEIT)
Trotz der Bestandsfreiheit wurde uns als Verein keine Möglichkeit von behördlicher Seite eingeräumt, die Missstände zu beheben und damit den rechtlichen Anforderungen zur Fortführung der Vereinstätigkeit zu entsprechen.
Wir sind als Verein AA, dem Förderverband CC als Fördermitglieder beigetreten, da ei uns bei der Gründung, Organisation und bei der Unieiweisung verschiedener verwaltungstechnischer Aufgaben zu Rate steht, uns hierbei fördert und unterstützt.
Die Wahl des Vereinssitzes in X lag somit zu einem großen Teil an der dortigen Unterstützung bei den Verwaltungsaufgaben, wie auch den Kooperationen und andererseits an der Nähe zu unserem Wohnsitz.
Vertragliche Vereinbarungen vor Ort sowie bauliche Veränderungen bzw. Erweiterungen der Vereinsräumlichkeiten wurden stets vom Förderverband CC übernommen. Diese lagen somit in seinem Zuständigkeitsbereich.
Da seit der Einladung zur Aufnahme der Vereinstätigkeit am 11.01.2021 bis zum ersten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y in dieser Sache, am 16.04.2021, lediglich 3 Monate vergangen sind und es zudem noch zu baulichen Veränderungen in dieser Zeit, welche noch nicht abgeschlossen wurden, gekommen ist, wurden die zu Recht in dem Schreiben der BH Y enthaltenen Mängel, wie die einer ausreichenden Kennzeichnung vor Ort u. dgl., noch nicht von uns behoben, was jedoch nach dem positiven Urteil des Gerichts umgehend nachgeholt wird.
Auch zu dem gewünschten Umfang der Tätigkeiten vor Ort ist es bisher nicht gekommen, da einerseits nur sehr wenig Zeit, seit dem positiven Bescheid zur Aufnahme der Vereinstätigkeit vergangen ist und andererseits erst-jetzt die Maßnahmen bezüglich der Covid-19 Verordnungen, gelockert werden.
Wir haben deshalb viele unserer Sitzungen online abgehalten.
Die Vermutung der BH Y, dass es sich bei unserem Vereinssitz lediglich um eine Scheinadresse handelt, kann an dieser Stelle mit Bestimmtheit zurückgewiesen werden, da allein schon die Umbaumaßnahmen vor Ort, Zeugnis der Vereinstätigkeit ist und wir als Verein inmitten der restriktiven Verordnungen und dem kurzen Bestehen des Vereins, gar nicht die Möglichkeiten hatten, den gewünschten Anforderungen Genüge zu tun.
Aus den oben genannten Gründen entspricht die mit Bescheid-der BH-Y vom 06.05.2021 entschiedene Auflösung nach § 29 iVm § 4 Abs, 2 nicht dem VerG, denn ein Verein kann nur aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt, seinen statutenmäßigen Wirkungskreis überschreitet oder überhaupt den Bedingungen seines rechtlichen Bestandes nicht mehr entspricht.
Dass nach 3 Monaten der Vereinstätigkeit und unter diesen besonderen Umständen des Vereines als Mitglied des Förderverbandes, nicht alle Bedingungen seines Bestandes restlos erfüllt wurden, ist kein ausreichender Grund, einen Verein in derartiger Weise aufzulösen. Die Vereinsfreiheit ist ein dem Menschen gegebenes Grundrecht und damit sollte ihm die Möglichkeit bzw. ein Zeitrahmen eingeräumt werden, die bestehenden Missstände zu beheben um somit den Anforderungen seines Bestandes nachzukommen.
Da uns als Verein die Möglichkeit zur Ausräumung der Missstände ausnahmslos verwehrt wurde, möchten wir wie im Folgenden unser Begehren formulieren.
Begehren:
Sehr geehrter Herr DD, liebe Leser und Zuständige des Gerichtes, wir haben nach bestem Wissen und Gewissen als Vorstandsmitglieder des Vereins gehandelt und uns an den Hilfestellungen des Verbandes, sowie den Vorgaben des Vereinsgesetzes orientiert. Wir sehen ein, dass es noch verschiedene Mängel gibt, welche es schnellstmöglich zu beheben gilt, wir bitten jedoch die Bezirkshauptmannschaft Y, sowie das Gericht, uns einen zeitlichen Rahmen einzuräumen, diese Missstände zu beheben und gegebenenfalls einen anderen, den rechtlichen Anforderungen entsprechenden Vereinssitz zu finden.“
Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Vereinsakt der belangten Behörde Einsicht genommen.
Am 21.12.2021 wurde eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Zur öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung ist als Vertreterin des beschwerdeführenden Vereins dessen Präsidentin, Frau BB, erschienen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Das Fernbleiben wurde vorab dem Landesverwaltungsgericht Tirol mitgeteilt.
In der Beschwerdeverhandlung wurden die im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahmen, Erhebungen und Schriftstücke dargetan.
Es wurden im Beschwerdeverfahren bei der belangten Behörde erhoben, dass insgesamt 21 Vereine ihren Sitz an derselben Adresse in **** X Adresse 2 haben (Mitteilung der belangten Behörde vom 05.07.2021). Die Marktgemeinde X hat mit Schreiben vom 20.09.2021 dem Landesverwaltungsgericht Tirol zu einem gleichartigen Vereinsauflösungsverfahren mitgeteilt, dass keine baurechtliche Bewilligung für einen Vereinssitz (Vereinsbüro) vorhanden sei. Im Bauakt befindet sich lediglich ein Einreichplan für die Errichtung von KFZ-Abstellräumen und eines Geräteraumes bzw Sandlagers für die (ehemalige) Tennisanlage, welche das gegenständliche Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Gebäudes Adresse 2 betreffe. Außer diesem Einreichplan liege nichts Anwendbares für das gegenständliche Lager vor. Es werde darauf hingewiesen, dass für das Gst **1 der KG X kein Bauverfahren in der Datenbank der Markgemeinde X erfasst sei. Demnach seien der Marktgemeinde X auch keine baulichen Änderungen bekannt bzw liege auch kein Antrag auf Änderung des Verwendungszweckes vor. Zum Beschwerdeakt wurde das Ergebnis eines Lokalaugenscheines der Richterin Dr.in Voppichler-Thöni vom 09.11.2021 genommen. Dieses umfasst einen Aktenvermerk und angefertigte Lichtbilder. In gleichartigen Verfahren wurden bereits Beschwerdeverhandlungen am 15.11.2021 und am 14.12.2021 durchgeführt. Im Rahmen dieser Beschwerdeverhandlungen wurde der Zeuge EE ausführlich wahrheitsbelehrt befragt. Ausdrucke dieser Verhandlungsprotokolle zu den Akten LVwG-*** und LVwG-*** wurden dem Beschwerdeakt angeschlossen. Die Marktgemeinde X hat auf Anfrage mit E-Mail vom 17.11.2021 mitgeteilt, dass betreffend den gegenständlichen Verein und weiteren namentlich angeführten Vereinen keine Veranstaltungen bei der Marktgemeinde X gemeldet worden seien. Es seien auch im Veranstaltungszentrum keine Veranstaltungen abgehalten worden. Der Bürgermeister habe keine Kenntnis von der Existenz dieser Vereine und seien ihm auch keine Veranstaltungen derselben bekannt.
Die Präsidentin des beschwerdeführenden Vereins gab im Zuge der Verhandlung auf Befragung Folgendes an:
„Ich möchte vorerst festhalten, dass ich auf das Verlesen der Zeugeneinvernahme des EE verzichte. Ich kann nur bestätigen, dass wir auch in X Adresse 2 kein Büro einrichten konnten. Ich war auch selbst nie vor Ort. Ich habe mich diesbezüglich auf den Verband verlassen. Es gab also keine Vereinstätigkeit und kein Vereinsbüro an der Adresse X Adresse 2. Das wurde leider nicht geschafft. Die Vereinsgründung war im Jänner 2021. Wir haben uns dann um einen anderen Vereinssitz bemüht und zwar sofort nach Bekanntwerden der Probleme. Wir sind dann nach Q. Wir haben dann eine Kooperation mit dem Verein FF mit der ZVR Nr *** mit Sitz in W abgeschlossen. Präsident dieses Vereines ist Herr GG mit Wohnsitz in **** V, Adresse 3. Herr GG ist auch einfaches Mitglied in unserem Verein und dient als Zustellbevollmächtigter am neuen Vereinssitz in **** V, Adresse 3. Die Verlegung des Vereinssitzes nach V wurde bei einer Generalsversammlung am 27.11.2021 in Z beschlossen. Die Generalversammlung musste coronabedingt wegen des Lockdowns in Z durchgeführt werden. Die Verlegung des Vereinssitzes von X nach V wurde bereits der Bezirkshauptmannschaft Y schriftlich mitgeteilt. Dieses Verfahren wurde mit Bescheid vom 10.12.2021 wegen des gegenständlich anhängigen Beschwerdeverfahrens ausgesetzt. Diesbezügliche Unterlagen zeige ich vor. Ich zeige weiters die Auflistung unserer Vereinsmitglieder vor. Wir haben insgesamt 114 Mitglieder. Von den insgesamt 114 Mitgliedern wohnen 102 in S, 8 in P, 3 in O und ein Mitglied in N (ein ausgewanderter deutscher Staatsbürger). Bei den Mitgliedern handelt es sich häufig um Familienmitglieder. Deshalb sind häufig auch dieselben Familiennamen aufgelistet. Weiters lege ich einen Kassabuchausdruck für das Projektjahr 2021/22 vor. Darin sind diverse Einnahmen und Ausgaben ersichtlich. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt Euro 10,00 pro Jahr und Mitglied. Weiters sind monatliche Zahlungen ersichtlich, die auf konkrete Projekte bezogen sind. Es werden auch Nachweise über die Projekte vorgelegt. Das erste Projekt betreffend den Beschluss vom 17.03.2021 betrifft ein Projekt des Aufbaues einer Jugendherberge. Das Projekt heißt „JJ“. Die Aufgabe des Vereines ist an der Projektentwicklung tätig zu sein. Das Projekt selber wurde dann im Juli von der Sozialgenossenschaft in U in die Realität umgesetzt. Die Jugendherberge hat im Juli eröffnet. Weiters wurde am 25.08.2021 ein Projekt mit dem Namen „KK“ vom Verein beschlossen. Es geht um Aktivitäten von Familien innerhalb der schwierigen Situation der Corona-Pandemie. Es geht im Wesentlichen darum, den Kindern Alternativen zu Freizeitgestaltungen beim PC, Computer usw anzubieten und sie von diesen elektronischen Medien mehr fernhalten zu können. Dieses Projekt wurde in T/Z in S umgesetzt. Eine Nutzungs-und Überlassungs-Vereinbarung für die Räumlichkeiten wurde abgeschlossen. Die diesbezügliche Vereinbarung findet sich im Akt. Viel wird auch im Freien angeboten. Dieses Projekt hat zB als Veranstaltungen einen Vereinsweihnachtsmarkt, Kekse backen, Brot backen und eine Abenteuer-Baustelle in Form einer Betriebsbesichtigung vorgesehen. Diese Veranstaltungen haben auch tatsächlich stattgefunden. Kurze Beschreibungen samt Fotos bei den Aktivitäten werden ebenfalls als Beweismittel vorgelegt. Auch die Aktivitäten Apfelverkostung, Nähprojekt, Schafprojekt und Holz-Camper fielen unter dieses Projekt. Beim Projekt Holz-Camper wurde eine mobile Vereinshütte für Jugendliche auf einem Anhänger errichtet. Zu den Fotos und zum Bericht betreffend Jugendherberge möchte ich festhalten, dass das Bauwerk nicht von uns durchgeführt wurde. Es wurde nur das Projekt begleitet und zwar beratend. Wir haben es leider noch nicht geschafft, die Veranstaltung vor Ort in P durchzuführen. Hauptsächlich weil wir die erforderlichen Räumlichkeiten nicht gehabt haben. Dies ist aber nunmehr am Vereinssitz und den Vereinsräumlichkeiten in V in R möglich und es ist auch bereits ein konkretes Permakulturprojekt in R in Planung und Ausarbeitung. Dieses soll über den Verein und mit einigen interessierten Vereinsmitgliedern in R und zwar in V am Grundstück unseres Vereinsmitgliedes GG umgesetzt werden. Im Programm haben wir auch ein Projekt betreffend gesunde Ernährung. Dies soll auch bereits im Jahre 2022 aktiv umgesetzt werden. Das Projekt betreffend die Kooperation mit dem österreichischen Partnerverein soll verstärkt umgesetzt werden. Es geht im Wesentlichen um sinnvolle Zeitgestaltung für Kinder und Familien. Jene Eltern, die ihre Kinder zu den Aktivitäten schicken, zahlen höhere Beiträge und zwar für die Projektfinanzierung. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Kassabuch. Die Projekte sind leider noch nicht auf unserer Webseite eingetragen worden. Dazu sind wir noch nicht gekommen. Mit dem Vereinssitz in X haben wir eigentlich nichts mehr zu tun. Es hat leider mit dieser Vereinsgründung in X nicht ganz funktioniert, weil wir uns darauf verlassen haben, dass dort ein Vereinssitz möglich wäre, was sich im Nachhinein nicht bestätigt hat.“
Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Aussage angeführten Schriftstücke wurden dem Verhandlungsleiter vorgelegt. Diese Schriftstücke wurden in Kopie der Verhandlungsschrift angeschlossen.
Im Rahmen der abschließenden Stellungnahme gab die Vertreterin des beschwerdeführenden Vereines noch Folgendes an:
„Ich verweise auf meine Aussage in der heutigen Verhandlung. Der Verein hat sich sehr wohl entwickelt und wurden auch Veranstaltungen durchgeführt. Der Vereinssitz in X hat sich leider als ein Fehlgriff dargestellt. Es wurde bereits mit Vereinsbeschluss der neue Vereinssitz nach V in R am Wohnsitz eines Mitgliedes des Vereins verlegt. Die Vereinssitzverlegung wurde auch bereits der Bezirkshauptmannschaft Y mitgeteilt. Neben den Vereinstätigkeiten in S, die dokumentiert wurden, wird auch bereits an der Umsetzung der Vereinstätigkeiten am neuen Vereinssitz in R gearbeitet. Es wird daher beantragt, dass der Beschwerde stattgegeben und der Verein nicht aufgelöst und die bereits getätigten Vereinsaktivitäten weiterhin fortgesetzt werden können. Eine Neugründung würde dies doch etwas erschweren.“
Einer schriftlichen Entscheidungsausfertigung wurde ausdrücklich zugestimmt. Es wurde auch ausgeführt, dass die Zustellung etwaiger Schriftstücke und Entscheidungen an den bereits namhaft gemachten Zustellbevollmächtigten LL, **** V, Adresse 3, erfolgen möge.
Aufgrund des durchgeführten Beschwerdeverfahrens wurde von der Vertreterin des beschwerdeführenden Vereins eingestanden, dass es aufgrund von Problemen mit dem Dachverein und aufgrund falscher Annahmen nicht gelang einen Vereinssitz an der ursprünglich geplanten und angegebenen Adresse in **** X, Adresse 2, zu begründen. Während des Beschwerdeverfahrens hat der Verein einen neuen Vereinssitz in **** V beim Anwesen des Mitgliedes GG gefunden. Diesbezügliche Bestätigungen wurden vorgelegt. Es wurde die Verlegung des Vereinssitzes und die damit einhergehende Statutenänderung bereits bei der belangten Behörde angezeigt. Das diesbezügliche Verfahren wurde von der belangten Behörde für die Dauer des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ausgesetzt. Auch wurden tatsächlich zwischenzeitlich durchgeführte Vereinstätigkeiten mit Berichten, Beschlussfassungsprotokollen und Fotos nachgewiesen. Auch eine Kooperationsvereinbarung mit einem in P tätigen Verein wurde abgeschlossen und sind konkrete Vereinstätigkeiten im Bundesgebiet in der Planung und Ausarbeitung. Das innerhalb des ersten Jahres die belegten Vereinsprojekte und Vereinsveranstaltungen überwiegend im grenznahen M (S) stattgefunden haben, rechtfertigt im gegenständlichen Fall noch nicht die Auflösung des vor einem Jahr angezeigten Vereins AA. Diesbezüglich wird auf diverse in P bestehende Entwicklungshilfevereine verwiesen, deren Vereinsvorhaben überwiegend in Entwicklungshilfestaaten zB in Afrika oder Asien umgesetzt werden und bei denen großteils nur die Mittelbeschaffung für die Hilfsprojekte im Bundesgebiet abgewickelt wird.
Aufgrund des durchgeführten Beschwerdeverfahrens und der Tatsache, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung heranzuziehen hat, liegen die Voraussetzungen für eine behördliche Auflösung des Vereins nach § 29 Abs 1 VerG im gegenständlichen Fall nicht vor. Es konnte im Beschwerdeverfahren nicht festgestellt werden, dass der beschwerdeführende Verein gegen Strafgesetze verstößt, seinen statutenmäßigen Wirkungsbereich überschreitet oder überhaupt den Bedingungen seines rechtlichen Bestandes nicht mehr entspricht.
Die behördliche Überwachung der zukünftigen Vereinsaktivitäten und die Überprüfung des weiteren Vorliegens der Bedingungen des rechtlichen Bestandes des Vereines AA wird hinkünftig durch die nunmehr aufgrund der Vereinssitzverlegung nach V örtlich und sachlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Villach-Land zu erfolgen haben.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und aufgezeigten rechtlichen Erwägungen war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.
II. Unzulässigkeit der Revision:
Da mit der gegenständlichen Entscheidung in ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (Versammlungs- und Vereinsfreiheit) eingegriffen wird, liegt eine Beschwerdezuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 144 Abs 1 B-VG vor. Aufgrund der Tatsache, dass gemäß Art 133 Abs 5 B-VG Rechtssachen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen die gegenständliche Entscheidung nicht zulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen die gegenständliche Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Das genannte Rechtsmittel ist von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dr. Rieser
(Richter)
Schlagworte
VereinsauflösungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.30.1557.5Zuletzt aktualisiert am
13.01.2022