Entscheidungsdatum
18.11.2021Norm
WRG 1959 §50Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Hofrat Mag. Wallner über die Beschwerde der Marktgemeinde ***, vertreten durch A, Rechtsanwälte OG, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 30.01.2017, Zl. ***, betreffend Instandhaltungsauftrag nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Absatz 1 und Absatz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 30.01.2017, ***, ersatzlos aufgehoben.
2. Eine Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt erteilte mit Bescheid vom 12.09.1975 der Gemeinde *** die wasserrechtliche Bewilligung für die Teilregulierung der *** im Ortsgebiet von *** in einem bestimmten Flusskilometerabschnitt. Diesen Bescheid änderte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt mit Bescheid vom 05.03.1979 dahingehend gemäß § 68 Abs. 2 AVG ab, dass die Bewilligung zur Teilregulierung hinsichtlich der Ausdehnung eingeschränkt wurde. Schließlich schränkte die belangte Behörde auch diesen Bescheid mit dem Bescheid vom 12.07.1983 dahingehend ein, dass die wasserrechtliche Bewilligung zur Teilregulierung der *** nunmehr nur von der Autobahnbrücke bis zur Brücke im Zuge der *** gemäß § 41 WRG 1959 erteilt wird. Mit Bescheid vom 25.07.1983 erfolgte dann noch eine Berichtigung des Bescheides vom 12.07.1983. Alle Bescheide wurden rechtskräftig.
Von der belangten Behörde wurde das Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 10.02.2016 eingeholt, in dem dieser ausführte, dass den eingereichten Unterlagen zu entnehmen sei, dass die Bewilligung von der Brücke „***“ flussabwärts bis oberhalb des *** und rechtsufrig im Bereich des *** bis zur Autobahnbrücke wasserrechtlich bewilligt worden sei. Weiters hielt er fest, dass höhere Bepflanzungen den Ausführungsunterlagen nicht zu entnehmen seien, sondern aufgrund einer hydraulischen Nachrechnung sich ergäbe, dass in der Bewilligung kein höherer Bewuchs wie etwa Bäume oder Sträucher enthalten seien.
Mit Bescheid vom 30.01.2017 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt der Marktgemeinde ***, vertreten durch A, Rechtsanwälte OG, ***, ***, einen gewässerpolizeilichen Instandhaltungsauftrag gemäß § 50 Abs. 1 WRG 1959 zur Durchführung diverser Maßnahmen. Die Behörde trug der Marktgemeinde bis spätestens 20.04.2017 die Durchführung folgender Maßnahmen auf:
„1. Entfernung der auf den Schutzdämmen befindlichen beidufrigen Pappeln samt deren bei der Dammkrone herausragenden Wurzeln auf dem Grundstück Nr. ***, KG *** (im Eigentum der Republik Österreich, Land- und Forstwirtschaftsverwaltung Wasserbau, Öffentliches Wassergut), im Bereich:
• Linksufrig von Fluss km *** bis Fluss km *** sowie
• Rechtsufrig von Fluss km *** bis Fluss km ***,
entsprechend dem beiliegenden Lageplan.
2. Entfernung des auf beiden Seiten der Bachböschung (= Bereich vom Gewässer bis zur Dammkrone) situierten Strauchbewuchses auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***), im Bereich:
• Linksufrig von Fluss km *** bis Fluss km *** sowie
• Rechtsufrig von Fluss km *** bis Fluss km ***,
entsprechend dem beiliegenden Lageplan.
3. Die Maßnahmen sind im Einvernehmen mit der Abteilung Wasserbau –
Regionalstelle *** - *** (***) des Amtes der NÖ Landesregierung (Tel.-Nr. ***) durchzuführen.“
Dagegen erhob die Marktgemeinde ***, rechtsanwaltlich vertreten, fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass die nun zu entfernende Bepflanzung bereits zum Zeitpunkt der Kollaudierung der Hochwasserschutzdämme mit Bescheid vom 16.07.1987 vorhanden und der Behörde bekannt gewesen sei. Bei den Bäumen und Sträuchern handle es sich daher um den konsensgemäßen Bestand. Wenn nun die Behörde der Ansicht sei, eine solche Bepflanzung sei nicht Stand der Technik und beeinträchtige die Standsicherheit des Dammes, so sei deren Entfernung nach § 21a allenfalls aufzutragen. Die Behörde würde sich betreffend Konsenslosigkeit der Bepflanzung auf die Ausführungsunterlagen beziehen, welche die Bepflanzung nicht erwähnen würden. Dass die Bepflanzung mit der Wasserbauabteilung des Landes akkordiert gewesen sei, werde von der belangten Behörde nicht behandelt. Bei der Frage, ob eine Bepflanzung vom Konsens umfasst sei, handle es sich um eine Rechtsfrage und nicht um eine vom Sachverständigen abzuklärende Fragestellung. Abgesehen davon würden die Ausführungen im angefochtenen Bescheid auf den Seiten 11 und 12 nicht auf sachverständiger Beurteilung beruhen. Es sei zumindest kein entsprechendes Gutachten zum Parteiengehör übermittelt worden und finde sich im angefochtenen Bescheid auch kein Hinweis auf eine solche Begutachtung. Die Behauptung, es liege kein konsensgemäßer Zustand vor, sei daher unrichtig.
Der von der belangten Behörde erteilte Auftrag gehe davon aus, dass die Pappeln gefällt und nur die bei der Dammkrone herausragenden Wurzeln entfernt werden sollten, die übrigen Wurzeln im Damm könnten verbleiben. Dies sei jedoch kontraproduktiv, da nach der Fällung die absterbenden Wurzeln gefährliche Wegigkeiten verursachen würden. Es könne daher nur ein Neuaufbau des Dammkörpers erfolgen. Aus der angeschlossenen wasserbautechnischen Stellungnahme vom 12.03.2017 würde sich ergeben, dass die beauftragte Entfernung des Baumbewuchses technisch und wirtschaftlich nur im Zusammenhalt mit der Umsetzung des bereits wasserrechtlich bewilligten Hochwasserschutzprojektes möglich sei. Eine vorzeitige Entfernung der Pappeln wäre wirtschaftlich unverhältnismäßig. Die festgesetzte Frist bis 20.04.2017 sei jedenfalls zu kurz bemessen. Es werde ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die Marktgemeinde *** Inhaberin der wasserrechtlichen Bewilligung für die Hochwasserschutzdämme sei und sei offenbar nicht geprüft worden, ob die Bewilligung nicht mittlerweile auf den Wasserverband *** übergegangen sei. Diesfalls wäre der Wasserverband Adressat von wasserpolizeilichen Aufträgen. Beantragt werde, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich holte im Zuge des Beschwerdeverfahrens die forstfachliche Stellungnahme vom 20.02.2018 ein sowie Befund und Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik vom 23.02.2018 und eine weitere forstfachliche Stellungnahme vom 02.03.2018. Diese Ermittlungsergebnisse wurden der Beschwerdeführerin nachweislich mit der Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung zugeschickt.
Die Beschwerdeführerin nahm dazu mit Schreiben vom 10.04.2018 Stellung und brachte vor, dass die Erfüllung des gewässerpolizeilichen Auftrages einen Aufwand von mehr als € 200.000,-- verursachen würde. Es könne im Zuge der Umsetzung des wasserrechtlich mit Bescheid vom 16.3.2012 bewilligten Hochwasserschutzprojektes die Entfernung des Baumbewuchses samt Wurzeln durchgeführt werden und wäre dies im Herbst 2019 möglich. Es solle daher die Frist für die Entfernung nicht mit 6 Monaten, sondern mit 3 Jahren festgesetzt werden. Schließlich würde auch kein dringliches öffentliches Interesse ersichtlich sein, welches ein Zuwarten bis zum Jahr 2019 nicht gestatten würde. Die Maßnahmen seien unverhältnismäßig. Der Auftrag hätte richtigerweise an den Wasserverband *** gerichtet werden müssen, da die Bewilligung auf diesen mittlerweile übergegangen sei.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies daraufhin mit Erkenntnis vom 16. April 2018, LVwG-AV-336/001-2017, die Beschwerde als unbegründet ab, wobei der Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides vom 30.01.2017 hinsichtlich einer Beseitigung der Wurzelstöcke von im Bereich der Dammböschungen befindlichen Pappeln ergänzt wurde und betreffend die Entfernung auf den Uferböschungen, der Bäume mit Biberbissspuren, der übrigen Bäume auf der Dammkrone und schließlich aller Wurzelstöcke und Wurzeln im Hochwasserschutzdamm gesonderte Entfernungsfristen festgelegt wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hob dieses Erkenntnis mit seinem Erkenntnis vom
23. Juli 2018, ***, auf Grund der Revision der Marktgemeinde ***, rechtsanwaltlich wie im Beschwerdeverfahren vertreten, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. In der Begründung des Erkenntnisses führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass nach ständiger Rechtsprechung Bewilligungen nach § 41 WRG 1959 kein Wasserbenutzungsrecht verleihen würden und die Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, es handle sich um ein der Revisionswerberin persönlich erteiltes Wasserbenutzungsrecht, inhaltlich rechtswidrig sei. Auf Wasseranlagen, die nicht der Wasserbenutzung dienten, fände § 50 Abs. 6 WRG 1959 Anwendung. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hätte sich in Folge unrichtiger Rechtsansicht mit der Frage des Vorliegens von rechtsgültigen Verpflichtungen anderer nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 nicht befasst, deren mögliches Bestehen von der Revisionswerberin durch Hinweis auf Auflage 7 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 12. September 1975 ins Treffen geführt worden sei. Dazu würden Feststellungen und rechtliche Schlussfolgerungen fehlen. Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung eines wasserpolizeilichen Auftrags hielt das Höchstgericht in seiner Begründung fest, dass es sich bei dieser Frage um eine objektive Zumutbarkeit im Sinne einer Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und „Erfolg“ handle. Es würde sich unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit des Auftrages die Frage stellen, ob nicht in Anbetracht des ohnedies geplanten Neubaus des Dammkörpers mit der Umsetzung des Auftrages noch zugewartet werden könne, weil die Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen ein derart massiver Eingriff in die Dammstruktur wäre, dass ein Neubau des Dammes erforderlich werden könne. Zu diesem Thema hätte die Revisionswerberin auf ein mit Bescheid vom 16. März 2012 bewilligtes Hochwasserschutzprojekt verwiesen und damit die objektive Zumutbarkeit in Zweifel gezogen.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt dazu weiters fest, dass Feststellungen zum Inhalt der Bewilligung vom 16. März 2012, insbesondere zur Frage, ob dem bewilligten Projekt ein Neubau der Anlage zugrunde liege, und ob das Vorhaben tatsächlich im nächsten Jahr in Angriff genommen werden solle, fehlen würden. Indizien für den mangelnden Umsetzungswillen seien vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht genannt worden.
Eine akute Gefährdungssituation wäre im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ein taugliches Argument gewesen, das Nichtzuwarten bis zur Umsetzung des bewilligten Hochwasserschutzprojektes zu begründen. In Bezug auf die Bäume mit Biberbissspuren bestünde, durch die Beweisergebnisse gedeckt, akuter Schlägerungsbedarf. Schließlich führte der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung seines Erkenntnisses vom 23. Juli 2018 aus, dass die Frage der Aufrechterhaltung des Abflussprofiles und jene, welche Effekte eine Vertiefung des Profils im Sinne einer Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes in diesem Bereich hätte, näher zu prüfen gewesen wäre.
Im fortgesetzten Beschwerdeverfahren gab die belangte Behörde auf schriftliche Anfrage des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich eine Stellungnahme vom 01. Oktober 2018 ab. Darin führte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt aus, dass es keine weiteren rechtsgültigen Verpflichtungen anderer Personen für den Bereich der gegenständlichen Schutzdammböschungen gäbe. Abschließend teilte die Behörde mit, dass offenbar die Schlägerung der Pappeln vollständig durchgeführt worden sei, eine Überprüfung durch einen Amtssachverständigen wäre aber noch nicht erfolgt.
Zu dieser Stellungnahme gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme. Gleichzeitig erfolgte die Aufforderung, allenfalls vorhandene rechtsgültige Verpflichtungen anderer Personen für die Instandhaltung der gegenständlichen Dämme dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorzulegen.
Die Beschwerdeführerin erstattete daraufhin mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 eine Stellungnahme unter gleichzeitiger Vorlage von Beilagen (Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 28. September 2016 betreffend Satzungsänderungsgenehmigung, Satzung des Wasserverbandes ***, Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 12. September 1975 und Verhandlungsschrift dieser Behörde vom 07. März 1972). Die Beschwerdeführerin wies in der Stellungnahme auf die genehmigte Satzung des Wasserverbandes hin, wonach für den Verband unter anderem die Verpflichtung zu Erhaltungsmaßnahmen an der *** bestünde. Weiters würde sich diese Verpflichtung des Wasserverbandes auch aus dem Bescheid vom 12. September 1975 in Verbindung mit der Verhandlungsschrift vom 07. März 1972 ergeben. Es hätte daher der Verband allfällig erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Abschließend teilte die Revisionswerberin mit, sämtliche Pappeln innerhalb der gesetzten dreimonatigen Frist entfernt zu haben, die Wurzeln und Wurzelstöcke seien aber nicht entfernt.
Mit Schreiben vom 18.10.2018 legte die Beschwerdeführerin weitere Unterlagen vor (Schreiben der NÖ Landesregierung vom 20.06.2018, Aktennotiz vom 11.10.2018) und brachte vor, dass die Einreichunterlagen und das Detailprojekt für das Hochwasserschutzprojekt entlang der *** bis spätestens 21. Dezember 2018 von der Beschwerdeführerin zu erstellen seien und würde sich eine zeitnahe Projektrealisierung auch aus der Aktennotiz ergeben.
Daraufhin befasste das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den wasserbautechnischen Amtssachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zu gestellten Beweisthemen. Dieser Amtssachverständige erstattete dann das Gutachten vom 31. Jänner 2019, in dem der Amtssachverständige ausführte, dass im betroffenen Bereich alle Bäume und Sträucher entfernt worden, die Wurzeln aber noch vorhanden seien. (Näheres zum Inhalt des Gutachtens folgt in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung unten.)
Dieses Gutachten wurde den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs mit der Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen nachweislich am 20.02.2019 zugestellt. Dazu langte keine Stellungnahme ein.
Das neuerlich in der Sache erlassene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Ersatzerkenntnis) vom 22.03.2019, LVwG-AV-336/006-2017, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.10.2021 auf. In den Entscheidungsgründen führte das Höchstgericht aus, dass sich aus der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergäbe, dass eine rechtsgültige Verpflichtung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes auf deren wasserbehördlich genehmigte Satzung gestützt werden könne, wobei es jedoch auf die im Einzelfall getroffene Regelung und deren Kontext ankomme. Weiters meinte das Höchstgericht, dass die Satzung des Wasserverbandes *** als Verbandszweck die Durchführung von u.a. Räumungs- und Erhaltungsmaßnahmen an der *** und an Nebengerinnen, bei denen der Verband oder seine Mitgliedsgemeinden aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung verpflichtet seien, regle. Es knüpfe diese Satzung anders als jene im Erkenntnis vom 24.05.2007, ***, nicht nur an eine eigene wasserrechtliche Verpflichtung des Verbandes an, sondern schließe ausdrücklich Verpflichtungen der Mitgliedsgemeinden aufgrund von diesen erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen ein. Eine solche Satzungsbestimmung sei daher geeignet, eine Instandhaltungspflicht nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 des Wasserverbandes vorrangig zu jener der Wasserberechtigten anzunehmen. Ein im Wasserrecht verwurzelter öffentlich-rechtlicher Titel führe dazu, dass die Wasserrechtsbehörde den aus diesem Titel Verpflichteten zur Instandhaltung heranzuziehen hätte. Die wasserbehördlich genehmigte Satzung des Wasserverbandes mit dem darin festgeschriebenen Verbandszweck stelle keinen Privatrechtstitel, sondern eine im Wasserrecht verwurzelte öffentlich-rechtliche Übernahme der Instandhaltungsverpflichtungen seiner Mitglieder durch den Wasserverband, sofern dies darin vorgesehen wäre, dar. Dies führe dazu, dass die Wasserrechtsbehörde eine solche Instandhaltungsverpflichtung – wenn sie in der Satzung nicht etwa nur fakultativ als „Kann“-Bestimmung geregelt wäre – als vorrangige „rechtsgültige Verpflichtung eines anderen“ iSd § 50 Abs. 1, allenfalls in Verbindung mit Abs. 6, des WRG 1959 unmittelbar dem Wasserverband gegenüber geltend zu machen hätte. Der Wasserverband hätte somit die wasserrechtlichen Instandhaltungsverpflichtungen seiner Mitgliedsgemeinden wirksam übernommen.
Folgender Sachverhalt wird anhand der vorliegenden und klaren Aktenlage als erwiesen festgestellt:
Die Marktgemeinde *** hat eine wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 41 WRG 1959 für eine Teilregulierung der *** im Ortsgebiet von *** mit Bescheid vom 16. März 2012 erhalten. Diesem Bescheid liegt auch der Neubau der gegenständlichen auf beiden Seiten der *** hergestellten Hochwasserschutzdämme zugrunde. Die Dämme befinden sich auf dem Grundstück ***, KG ***. Angrenzend an die Dämme befinden sich Grundstücke im Wohngebiet. Es sind Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich, da in Folge von Wurzeln und Wurzelstöcken von Bäumen und Sträuchern im Dammkörper die Gefahr von Durchsickerungen besteht. Die Bäume und Sträucher sind bereits entfernt.
Es existiert eine rechtsgültige Verpflichtung des Wasserverbandes ***, zur Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen an den gegenständlichen Dämmen. Diese ergibt sich aus § 2 seiner wasserbehördlich genehmigten Satzung.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:
Durch die Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 22.03.2019 ist die Beschwerdesache wieder offen.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht
selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die für gegenständlichen Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:
„§ 50. (1) Sofern keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen, haben die Wasserberechtigten ihre
Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle, künstlichen Gerinne, Wasseransammlungen
sowie sonstigen Vorrichtungen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand und, wenn dieser nicht
erweislich ist, derart zu erhalten und zu bedienen, daß keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder
Rechte stattfindet. Ebenso obliegt den Wasserberechtigten die Instandhaltung der Gewässerstrecken im
unmittelbaren Anlagenbereich.
(2) Nachteilige Wirkungen ihrer Anlagen (Abs. 1) auf andere Gewässerstrecken haben die Wasserberechtigten durch entsprechende Maßnahmen zu beheben. Bestehen bereits Schutz- oder Regulierungsbauten, so haben die Wasserberechtigten die Mehrkosten ihrer Instandhaltung zu tragen.
....
(6) Auf Wasseranlagen, die nicht der Wasserbenutzung dienen, finden die vorstehenden Bestimmungen dem Sinne nach Anwendung. Der Eigentümer einer solchen Wasseranlage hat diese mangels ausdrücklicher Verpflichtung nur insoweit zu erhalten, als es zur Verhütung von Schäden notwendig ist, die durch den Verfall der Anlage entstehen können. Wird durch die Erhaltung der Anlage fremdes Eigentum gegen Wassergefahren geschützt, findet § 42 Abs. 2 sinngemäß Anwendung.
...
§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von
der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten
a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,
b) …
...“
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.01.2017 werden der Beschwerdeführerin diverse Maßnahmen zur Instandhaltung des wasserrechtlich bewilligten Hochwasserschutzdammes auf beiden Seiten der *** im Ortsgebiet von *** in einem bestimmten Flusskilometerabschnitt auferlegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Satzung des Wasserverbandes ***, welche wasserbehördlich genehmigt wurde, als rechtsgültige Verpflichtung dieses Verbandes iSd § 50 Abs. 1 WRG 1959, welcher aufgrund § 50 Abs. 6 WRG 1959 sinngemäß auf gegenständliche Anlage anzuwenden ist, beurteilt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21.10.2021, ***, auch ausgesprochen, dass der Wasserverband die wasserrechtlichen Instandhaltungsverpflichtungen seiner Mitgliedsgemeinden wirksam übernommen hätte und die Satzung eine im Wasserrecht verwurzelte öffentlich-rechtliche Übernahme dieser Verpflichtungen darstelle. Im gegenständlichen Fall hätte die Wasserrechtsbehörde diese Instandhaltungsverpflichtung unmittelbar dem Wasserverband gegenüber geltend zu machen.
Es ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht möglich, erstmals eine Person als Adressaten eines wasserpolizeilichen Auftrages heranzuziehen (vgl. etwa VwGH vom 25.07.2002, 98/07/0073). Dies zeigt auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in gegenständlicher Sache vom 21.10.2021, ***, auf.
Es war daher der angefochtene Instandhaltungsauftrag vom 30.01.2017, welcher ein gewässerpolizeilicher Auftrag ist und der Beschwerdeführerin Marktgemeinde *** gegenüber erlassen wurde, ersatzlos aufzuheben.
Als Adressat eines in dieser Sache allenfalls noch zu erlassenden Instandhaltungsauftrages kommt der Wasserverband *** in Betracht.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß
§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Nach § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Eine Revision nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Entscheidung weicht weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche oder liegt eine nicht einheitliche Rechtsprechung vor.
Schlagworte
Umweltrecht; Wasserrecht; gewässerpolizeilicher Auftrag; Instandhaltungsauftrag; Adressat;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.336.009.2017Zuletzt aktualisiert am
12.01.2022