TE Lvwg Beschluss 2021/12/27 LVwG-M-49/001-2021

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Veröffentlicht am 27.12.2021
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Entscheidungsdatum

27.12.2021

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §28 Abs6

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Maßnahmenbeschwerde des Herrn A und der B GmbH, beide vertreten durch C, Rechtsanwälte in ***, betreffend des Betretens des Grundstückes *** in *** und die Entnahme von Bodenproben auf der Liegenschaft durch Beamte des LKA Niederösterreich am 7.7.2021 ab 17:25 Uhr, den

BESCHLUSS

gefasst:

1.       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.

2.       Gemäß § 35 Absatz 1 und 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 Ziffer 3, 4 und 5 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwandersatz (Vorlage-, Schriftsatz, Verhandlung) in der Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstigen Zwang zu leisten.

3.       Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Begründung:

Gang des Verfahrens

Mit Schriftsatz vom 18. August 2021 brachte der Beschwerdeführer die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde ein und brachte im Wesentlichen vor, dass am 7.7.2021 durch Betreten seines Grundstücks zum Zwecke der Entnahme einer Bodenprobe ohne gerichtlich bewilligte Anordnung der Durchsuchung oder Sicherstellung und ohne sein Wissen, geschweige denn ein Einverständnis, ein AuVBZ stattfand. Der Beschwerdeführer sei nicht vor Ort gewesen. Er sei erst nachher von seinen Angestellten über diese Tatsache informiert worden. Am 7.7.2021 um 14:27 Uhr habe eine Polizistin einen Angestellten telefonisch informiert, dass sie um ca. 16:30 Uhr mit einem Kollegen vorbeikommen werde und eine Bodenprobe im Gewächshaus in *** entnommen werde. Sie habe sich erkundigt ob zu diesem Zeitpunkt noch jemand anwesend sei. Um 17:25 Uhr seien die Beamten dann erschienen und kündigten an jetzt eine Bodenprobe zu entnehmen. Der Beschwerdeführer sei zu diesem Zeitpunkt im Ausland gewesen und sei nicht informiert worden. Angestellte seien die gesamte Zeit vom Betreten bis zum Verlassen des Grundstückes durch die Beamten anwesend gewesen. Die Beamtin hätte wissen müssen, dass sie nur mit gerichtlicher Bewilligung das Grundstück betreten durfte. Eine solche habe nicht vorgelegen.

Vorgelegt wurde vom Beschwerdeführer die Anordnung der Durchsuchung/Sicherstellung des gegenständlichen Grundstücks sowie des Bewilligungsbeschlusses des Landesgerichts ***. Dieser ist befristet bis 30.4.2021.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 11.10.2021, fortgesetzt am 16.11.2021, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt in der Beweis erhoben wurde durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und der Zeugen D, E, F, G, sowie durch Verlesung des Verwaltungsaktes.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen wie folgt:

Am 7.7.2021 gegen 14:30 Uhr rief die Beamtin D bei dem Unternehmen B GmbH an, um einen Termin für eine Bodenprobenentnahme am selben Tag zu vereinbaren. Dazu wurde sie mit dem Zeugen F verbunden. Dieser organisierte – da der Beschwerdeführer im Ausland war -, dass die Beamten und der Sachverständige am 7.7.2021 gegen 17:15 Uhr auf die von der B GmbH angemieteten Liegenschaft gelassen wurde und stellte er auch sicher, dass während dieser Amtshandlung stets ein Angestellter dabei war. Außerdem seien die Glashäuser nur zum Teil mit einem betonierten Boden versehen, was zu einem Eintrag von Spritzmittel oder Dünger in den Boden führen könne, was ebenfalls zu untersuchen sei.

Die Staatsanwaltschaft *** führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren. Im Zuge dieses Verfahrens fand am 27.4.2021 eine Hausdurchsuchung statt.

Mit Schreiben vom 4.5.2021 erteilte die Staatsanwaltschaft *** den Sachverständigen H die Ergänzung seines Gutachtensauftrages mit. Dieser lautete:

„In der Strafsache gegen B GmbH u.a. wegen §§ 83, 85; 176 ff StGB wird aufgrund der Erhebungsergebnisse der durchgeführten Hausdurchsuchung am 27.4.2021 und zwar insbesondere aufgrund der Feststellung, dass aus der Produktionsanlage an mehreren Stellen Rohrleitungen ins Freie münden, welche offensichtlich Abwässer in den Vorfluter ableiten, was zu einer Beeinträchtigung der Umwelt führen kann, eine Ergänzung zum Gutachtensauftrag erteilt. Außerdem sind die Glashäuser nur zum Teil mit einem betonierten Boden versehen, was zu einem Eintrag von Spritzmittel oder Dünger in den Boden führen kann, was ebenfalls zu untersuchen ist.

Aufgrund der Feststellungen steht der Verdacht im Raum, dass es im Betrieb am Standort ***, *** zu einer Beeinträchtigung der Umwelt im Sinne des § 180 i.e. § 181 StGB gekommen sei und es möge der Sachverständige insbesondere eine Kontamination des Bodens in den Gewächshäusern sowie Ableitungen aus dem Betrieb untersuchen, bewerten und begutachten. Es darf darauf hingewiesen werden, dass Ihre Gebührenwarnung (Mail vom 29.4.2021) sowie ihr Antrag auf Fristerstreckung genehmigt wurden.“

Die Staatsanwaltschaft beauftragte die Entnahme der Bodenproben im Ergänzungsauftrag des Gutachters und wurde diese auch telefonisch vorab mit den Beamten besprochen und die Beamten entsprechend angewiesen die Bodenproben durch den Sachverständigen zu entnehmen.

Der festgestellte Sachverhalt basiert auf folgender Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen Gründen sich sowohl auf die vom Beschwerdeführer als auch von der belangten Behörde vorgelegten Dokumenten und Vorbringen. Betreffend den Ablauf der Entnahme der Bodenproben sind die Vorbringen als unstrittig anzusehen. Die Zeugin G hat in der Verhandlung klar dargelegt, dass die Staatsanwaltschaft *** die belangte Behörde angewiesen hat die Entnahme der Bodenproben zu überwachen und zu organisieren. Dabei stützte sich die Staatsanwaltschaft *** auf die Ergänzung des Gutachtensauftrages und die Notwendigkeit der Ziehung von Bodenproben zur Prüfung der Tatvorwürfe.

Rechtlich folgt:

Für die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bei Maßnahmenbeschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist im Zusammenhang mit einer gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich angeordneten Hausdurchsuchung seit der Aufhebung der Wortfolge "Kriminalpolizei oder" in § 106 Abs. 1 StPO durch den Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 19.991/2015, BGBl. I Nr. 85/2015) wiederum die bereits bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes maßgeblich (VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017).

Gemäß dieser Rechtsprechung liegt die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Demgegenüber können Akte von Verwaltungsbehörden, die in Durchführung richterlicher Befehle gesetzt werden, gemäß herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht dem Bereich der Hoheitsverwaltung zugeordnet werden. Vielmehr sind der richterliche Befehl und dessen tatsächliche Ausführung, auch wenn diese durch Verwaltungsorgane vorgenommen wird, als Einheit zu sehen. Demgemäß sind die auf Grund eines richterlichen Befehls von Verwaltungsorganen vorgenommenen Akte zur Durchführung dieses Befehles - solange die Verwaltungsorgane den ihnen durch den richterlichen Befehl gestellten Ermächtigungsrahmen nicht überschreiten - funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen. Im Fall einer offenkundigen Überschreitung des richterlichen Befehls liegt hingegen insoweit ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor (VwGH 23.09.1998, 97/01/1084).

Für die Zuständigkeit zur Behandlung einer Maßnahmenbeschwerde ist alleine maßgeblich, ob es zu einer Überschreitung der gerichtlichen Anordnung im Sinne eines Exzesses gekommen ist. Von einem Exzess kann (in diesem Sinn) nur bei Maßnahmen gesprochen werden, die ihrem Inhalt und Umfang nach in der gerichtlichen Anordnung keine Deckung mehr finden. Ausgangspunkt einer entsprechenden Beurteilung ist der Wortlaut des richterlichen Befehls (VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017 mwN).

Die Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen eine Hausdurchsuchung erfolgte, sind keine vor dem Verwaltungsgericht selbstständig bekämpfbaren Maßnahmen. Bei einer auf Grund eines richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchung ist auch die Vorgangsweise bei Durchsetzung des Hausdurchsuchungsbefehls dem Gericht zuzurechnen. Auch wird die rechtliche Zurechnung des Vollzugshandelns zur Justizgewalt nicht schon dadurch unterbrochen, dass im Vollzug des richterlichen Befehls Gesetzwidrigkeiten hinsichtlich der bei einem Akt zu wahrenden Förmlichkeiten unterlaufen (VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017).

Im gegenständlichen Fall rügt der Beschwerdeführer, dass er nicht persönlich bei der Erdprobenentnahme anwesend sein konnte. Bei der persönlichen Anwesenheit oder der Anwesenheit von Vertrauenspersonen im Rahmen einer Hausdurchsuchung – dies gilt auch bei der Entnahme einer Bodenprobe - handelt es sich gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch um derartige Modalitäten, die nicht im Wege einer Maßnahmenbeschwerde aufgegriffen werden können, zumal die Vorgangsweise bezüglich des Hausdurchsuchungsbefehls dem Gericht zuzurechnen ist (VwGH 23.09.1998, 97/01/1084 zu §§ 141 und 142 StPO idF BGBl 631/1975; vgl. auch VfSlg 11.783/1988). Die Beiziehung einer Person des Vertrauens gemäß § 121 Abs. 2 StPO idgF ist vielmehr ein Recht, dass im Rahmen eines Einspruchs gemäß § 106 Abs. 1 Z 2 geltend zu machen ist (vgl. Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 Rz 24 (Stand 13.11.2017, rdb.at); Fuchs, Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren, ÖJZ 2007/77, 895).

Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers war daher nicht geeignet, einen Exzess im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen.

Die Durchführung der Entnahme der Bodenproben erweist sich als Sicherstellung gemäß § 110 StPO. Gemäß § 110 Abs. 1 lit. 1 ist die Sicherstellung zulässig, wenn sie aus Beweisgründen erforderlich scheint. Gemäß Abs. 2 leg. Cit. Ist die Sicherstellung von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

Genau dies ist im vorliegenden Fall passiert. Die Staatsanwaltschaft *** hat durch die Staatsanwältin G die Sicherstellung in Form der Entnahme von Bodenproben angeordnet. Diese Anordnung wurde durch die Polizei mit dem Sachverständigen durchgeführt. Eine Überschreitung (Exzess) der Anordnung der Staatsanwaltschaft konnte in der Verhandlung nicht ermittelt werden, vielmehr erfolgte die Bodenprobenentnahme genauso wie von der Staatsanwaltschaft gewünscht. Gegen diese Maßnahme steht dem Beschwerdeführer das Rechtsmittel des Einspruches wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) zur Verfügung. Es liegen daher keine vor dem Verwaltungsgericht selbstständig bekämpfbaren Maßnahmen vor, sodass die Beschwerde zurückzuweisen war. Zusammenfassend waren die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, einen Exzess im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war.

Zum Ausspruch über den Aufwandersatz:

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs.2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs.3).

Daher war die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer unterliegende Partei. Aufwandsersatz ist nur auf Antrag der Partei zu leisten. Ein solcher Antrag wurde im Zuge der Verhandlung gestellt. Dabei wurde zur Recht Aufwandersatz für die Vorlage und die Verhandlung in der Höhe von 887,20 Euro geltend gemacht. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers von den Kosten abzusehen, da die Staatsanwaltschaft *** das Verfahren hätte vermeiden können durch die Bekanntgabe, dass sie die Entnahme der Bodenproben angeordnet hat, konnte nicht gefolgt werden, da in diesem Verfahren die belangte Behörde das Landespolizeidirektion Niederösterreich war und dieser die Handlungen der Staatsanwaltschaft *** nicht zugerechnet werden können.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Hausdurchsuchung; Bodenproben; Zurückweisung;

Anmerkung

Berichtigungsbeschluss des LVwG NÖ vom 25.01.2022 zu GZ LVwG-M-49/004-2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.49.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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