Entscheidungsdatum
21.04.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W168 2240228-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX alias XXXX , geb.: XXXX , StA Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2021, Zl: 1021517808/210063746, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der BF hat erstmals am 28.04.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Dabei gab dieser an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren worden und Staatsangehöriger von Georgien zu sein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BAA AZ 03 12.138 – BAI vom 07.08.2003 gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gem. § 8 AsylG für zulässig erklärt.
Mit Schriftsatz vom 24.08.2003 legte der BF Berufung gegen diese Entscheidung des BAA ein.
Mit Bescheid des UBAS Zl. 241.060/0-VII/43/03 vom 14.05.2004 wurde die Berufung gegen den Bescheid des BAA vom 07.08.2003 gem. § 7 AsylG abgewiesen. Gem. § 8 AsylG iVm § 57 FG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig ist. Nach Zustellung am 21.05.2004 erwuchs dieser Bescheid in Rechtskraft am 22.05.2004.
Am 05.08.2004 langte beim VwGH Ihre Beschwerde gegen die Entscheidung des UBAS vom 14.05.2004 ein. Mit Beschluss des VwGH Zl. AW 2004/20/0202-3, vom 09.08.2004 wurde dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Erkenntnis des VwGH Zl. 2006/19/0387-7 vom 26.09.2007 wurde Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Ansonsten wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Laut Abschlussbericht der Polizei Innsbruck GZ: B6/22674/2008, vom 26.06.2008 wurde der BF der gefährlichen Drohung verdächtigt.
Am 15.03.2009 wurden der BF auf der PI XXXX gem. § 127 StGB (Ladendiebstahl am 13.03.2009) erkennungsdienstlich behandelt.
Mit Schriftsatz vom 19.05.2009 stellte der BF beim Bundesasylamt Außenstelle XXXX einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung.
Am 03.11.2009 wurden der BF erneut gem. § 127 StGB wegen Ladendiebstahls auf der PI XXXX Innere Stadt erkennungsdienstlich behandelt.
Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion XXXX vom 15.03.2010 wurde dem BAA mitgeteilt, dass der BF von Interpol XXXX mit den Personalien XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, identifiziert worden ist.
Mit Schreiben von IOM vom 27.07.2010 wurde mitgeteilt, dass der BF am 23.07.2010 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist ist.
Am 29.07.2010 wurde das Asylverfahren gem. § 31 Abs. 3 AsylG 1997 von Seiten des AGH (Zl. D15 241060-0/2008/22E) als gegenstandslos abgelegt.
Am 13.06.2014 wurde der BF im Zuge einer routinemäßigen Kontrolle in einem internationalen Linienbus in Tirol aufgegriffen. Der BF wies sich dabei mit einem abgelaufenen deutschen Asyldokument aus. Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass dieser bereits in Polen, Deutschland und der Schweiz einen Asylantrag gestellt hatte. Der BF wurden gem. § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG festgenommen. In der Folge stellte der BF am selben Tag erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, dabei gab dieser an XXXX zu heißen, am XXXX geboren worden und Staatsangehöriger von Georgien zu sein. Als Antragsgrund wurde angegeben, dass der BF mit der Politik in Georgien Probleme hätte, er von der georgischen Polizei geschlagen worden sei und bei einer Rückkehr nach Georgien wahrscheinlich ins Gefängnis kommen würde. Diese Fluchtgründe seien dem BF schon immer bekannt gewesen.
Mit Bescheid des BFA Zl. 1021517808 – 14708909 vom 29.08.2014 wurde der Antrag vom 13.06.2014 gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gem. § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung nach Deutschland angeordnet. Diese Entscheidung erwuchs am 04.09.2014 in I. Instanz in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 02.10.2014 wurde von Seiten des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt, dass der BF sich am 22.09.2014 freiwillig nach Deutschland überstellt habe.
Der BF ist erneut – laut eigenen Angaben - am 25.07.2019 legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hielt sich im Anschluss an die Einreise im österreichischen Bundesgebiet auf.
Lt. Bericht der PI XXXX Fremdenpolizei vom 13.01.2021 wurden der BF am selben Tag in 6020 XXXX von Beamten der o.a. Dienststelle einer Kontrolle unterzogen und festgestellt, dass sich dieser rechtswidrig in Österreich aufhält. In der Folge wurde der BF noch am selben Tag gem. den Bestimmungen des FPG festgenommen und ins PAZ XXXX verbracht.
Mit Bescheid des BFA Zl. 1021517808/210053856 vom 14.01.2021 wurde gem. § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Am 15.01.2021 stellte der BF im Stande der Schubhaft gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gaben dieser an den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren sowie Staatsbürger von Georgien zu sein.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass ihm gedroht worden sei, dass er entweder ins Gefängnis müsse oder stark verletzt werden würde.
Am 28.01.2021 wurden Sie im AHZ Vordernberg vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West im Zulassungsverfahren niederschriftlich einvernommen und führte dabei an, dass er unter Hepatitis C, Bluthochdruck und Kopfschmerzen sowie Schlafmangel leide. Zudem habe er Cremen gegen Schwellungen sowie rote Punkte erhalten und befürchte, an einer Infektion zu leiden. Auf die Frage, seit wann er an den genannten Beschwerden leide, führte der BF an, dass er bereits seit ungefähr fünf Jahren an Hepatitis C leide und seit sieben bzw. acht Jahren Bluthochdruck habe. Kopfschmerzen und Schlafmangel habe er ebenfalls bereits mehrere Jahre. Wegen seinen Füßen sei er auch im Krankenhaus gewesen. Seine Atemprobleme hätten sich nach seiner Einreise in Österreich verschlechtert. Wegen einem Knoten im Hals sei er in Spitalbehandlung gewesen und habe ein Antibiotikum verschrieben bekommen. Zur Frage, wie seine Beschwerden bisher behandelt worden seien, erwiderte der BF, dass er gegen Hepatitis C noch nie eine Behandlung gehabt habe. Seine Mutter habe ihn in Georgien wegen seines Bluthochdruckes behandelt, in Österreich sei es noch zu keinen Behandlungen gekommen. In Österreich sei er wegen Problemen mit seinen Füßen sowie wegen seiner Atemprobleme behandelt worden. Die Frage, ob er wegen Hepatitis C und seinem hohen Blutdruck bereits beim Arzt gewesen sei, wurde vom BF verneint. Seine Atemprobleme bzw. seine Füße seien jedoch stationär behandelt worden. Befragt, ob er derzeit irgendwelche Medikamente einnehme, erklärte der BF, dass er Schlaftabletten einnehme und ein Inhalationsgerät wegen seiner Atemprobleme bekommen habe.
Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er in XXXX geboren worden sei und im Herkunftsstaat elf Jahre die Grundschule besucht habe. Die Universität habe er ebenfalls abgeschlossen. Er habe Jura studiert. Befragt, welcher Tätigkeit er bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat nachgegangen sei, brachte der BF vor, dass er ein Sachverständiger für Wahlen gewesen sei. Zudem habe er von 2016-2018 auch als Politiker für die Partei „Georgischer Traum“ gearbeitet. Auf Nachfrage, was da seine Aufgabe gewesen sei, führte der BF an, dass er als Kontrollperson bei Wahlen fungiert habe. Zur Frage, was seine Aufgabe als Politiker gewesen sei, entgegnete der BF, dass er Befragungen bezüglich des Wählerverhaltens der Bevölkerung durchgeführt habe. Nachgefragt führte der BF an, dass er im Zuge dieser Tätigkeiten etwa 300-400 Lari im Monat verdient habe und die Partei „georgischer Traum“ sein Arbeitgeber gewesen sei. Bei den Wahlen habe er dann zusätzlich 200 Lari pro Wahl dazubekommen. Zur Frage, welcher Tätigkeit er außerhalb seines Herkunftsstaates bei seinen Aufenthalten in Österreich nachgegangen sei, replizierte der BF, dass er in XXXX als Putzkraft sowie als Gärtner tätig gewesen sei. Überdies sei er in den Jahren 2018 sowie 2019 weiteren Gelegenheitsjobs nachgegangen. In Österreich oder in der EU habe er nur Freunde, aber keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandte. In Innsbruck habe er Freunde, die ihn ab und zu auch finanziell unterstützt hätten. Er wolle zu seinen Freunden aber keine weiteren, konkreten Angaben tätigen. Zu seinen Familienangehörigen in Georgien befragt, erklärte der BF, dass er im Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Mutter sowie seines Kindes habe. Die Frage, ob er über Barmittel verfüge, wurde vom BF verneint. Befragt, wie er seinen Aufenthalt in Österreich bislang finanziert habe, entgegnete der BF, dass er nebenbei gearbeitet habe und seine Freunde ihn finanziell unterstützt hätten. Er sei am 25.07.2019 in Österreich eingereist. Auf die Frage, was er bislang gearbeitet habe, erklärte der BF, dass er alle Gelegenheitsarbeiten durchgeführt habe, die er gefunden habe. Während der COVID Zeit habe er sich dann in Quarantäne befunden. Die Frage, ob er sich in Grundversorgung befunden habe, wurde vom BF verneint. Auf die Frage, ob er bereits vorbestraft sei, gab der BF an, dass es in Innsbruck zu einem Vorfall mit einer Prosituierten gekommen sei, die vor ihm weggelaufen sei und er diese verfolgt habe. In Georgien sei er nicht vorbestraft gewesen, in Österreich sei er lediglich einen Tag inhaftiert gewesen.
Die Fragen, ob er in seinem Herkunftsland Probleme mit seiner Religion oder mit seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt habe, wurden vom BF verneint. Er sei jedoch politisch tätig gewesen und habe Probleme mit dem Militär und diversen Parteien gehabt. Auf die Frage, ob er in Georgien aufgrund der Verfolgung durch Dritte Probleme gehabt habe, führte der BF aus, dass er in Georgien bei Wahlen aktiv gewesen sei und er deshalb auch von diversen Leuten aufgefordert worden sei, seine Tätigkeit zu beenden. Es habe sich bei den Leuten, die an ihn herangetreten seien, um Straßenburschen gehandelt, die bezahlt worden seien, ihn einzuschüchtern. Es sei zu Streitereien, Gewalteinwirkungen sowie Bedrohungen gekommen. Überdies hätten diese Burschen Steine auf ein höheres Parteimitglied geworfen und es sei im Zuge von Gewalttaten zu zahlreichen Verletzungen gekommen. Der BF habe im Zuge eines Vorfalles auch mit einem Messer attackiert worden, woraufhin auch sein Kopf verletzt worden sei und sein Bein gebrochen worden sei. Befragt, wieso er den Herkunftsstaat verlassen habe, erwiderte der BF, dass er bedroht worden sei und befürchte, dass diese Drohungen von der Opposition initiiert worden seien, da es 2020 Präsidentenwahlen in Georgien gegeben habe. Er sei auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er das Land verlassen müsse und sich vor Konsequenzen in Acht nehmen müsse. Es seien jedenfalls irgendwelche Personen an ihn herangetreten, die ihn dazu aufgefordert hätten, das Land zu verlassen. Der BF habe in Georgien bereits viele Geschehnisse erlebt und sei sich sicher, dass die erwähnten Personen ihn auch ins Gefängnis hätten schicken können. Da er ein ruhiges Leben wolle und es in georgischen Gefängnissen zu weiteren lebensbedrohlichen Situationen kommen könne, habe er das Land verlassen. Ansonsten habe er keine weiteren Fluchtgründe. In Österreich fühle er sich sicher. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde dem BF eine Inhaftierung drohen.
Zur Frage, ob er noch Kontakt zu seiner Mutter sowie seinem Kind habe, erklärte der BF, dass er derzeit mit diesen keinen Kontakt habe, aber vor seiner Inhaftierung mit diesen in Kontakt gestanden sei. Sein Kind sei an COVID-19 erkrankt gewesen und seine Mutter sei wegen ihres Bluthochdruckes bereits mehrmals operiert worden. Befragt, wann die Drohungen begonnen hätten, erwiderte der BF, dass er erstmals nach dem Regierungswechsel im Jahr 2018 bedroht worden sei, als er mit dem Messer attackiert worden sei. Er sei oftmals angegriffen worden, die genaue Anzahl von Vorfällen wisse er nicht mehr. Nachgefragt, was im Zuge der Angriffe genau passiert sei, gab der BF zu Protokoll, dass er zuvor bereits gewarnt worden sei und es aufgrund einer prozentuellen Fehlberechnung zu einem zweiten Teil der durchgeführten Wahlen gekommen sei und er attackiert sowie im Krankenhaus gelandet sei. Auf Aufforderung, den Zwischenfall genau zu schildern, brachte der BF vor, dass ihn auf dem Heimweg von der Wahl einige Männer angesprochen hätten, die in der Dunkelheit mit ihm reden hätten wollen. Daraufhin hätten sie ihm gesagt, dass er bereits zuvor mehrmals darauf hingewiesen worden sei, seine politische Tätigkeit aufzugeben, er seine Arbeit jedoch dennoch fortgesetzt habe, woraufhin der unbekannte Mann ihn geschlagen und mit einem Messer verletzt habe. Zur Frage, was in weiterer Folge passiert sei, replizierte der BF, dass ihn die Rettung ins Krankenhaus gebracht habe und er von den Unbekannten zuvor gewarnt worden sei, nichts über den Vorfall bekanntzugeben. Befragt, wann er das letzte Mal bedroht worden sei, entgegnete der BF, dass dies ihm Jahr 2019 gewesen sei, er das genaue Datum jedoch nicht mehr wisse. Es sei mehrmals gewesen, genau könne er sich aber nicht mehr erinnern. Auf die Frage, was bei den Bedrohungen genau geschehen sei, erwiderte der BF, dass die Männer aggressiv gewesen seien und ihn beleidigt sowie bedroht hätten. Auf Nachfrage, wie die Warnungen, die er zuvor geschildert habe, genau ausgesehen hätten, replizierte der BF, dass er attackiert worden sei und dabei sein Bein gebrochen worden sei, wobei man ihm erklärt habe, dass ihm dasselbe wieder passieren würde und er deswegen ins Gefängnis kommen würde.
Da er sich in Innsbruck in der Psychiatrie befunden habe, sei ihm bewusst, dass er sich an bestimmte Dinge nicht mehr erinnern könne. Nachgefragt, wann er genau im Krankenhaus in Innsbruck gewesen sei, gab der BF an, dass er in der Psychiatrie schlecht behandelt worden sei, da er laut Begründung aggressiv gewesen sei. Die Sozialarbeiter seien von seinem Anblick schockiert gewesen. Er sei im Oktober 2019 in die Psychiatrie gekommen, wie er genau ins Krankenhaus gekommen sei, wisse er jedoch nicht. Er habe keine Feinde gehabt und könne sich an bestimmte Vorgänge nicht erinnern. Er habe nunmehr Probleme mit dem Gedächtnis und könne sich nur an eine Person im Krankenhaus erinnern, die ihm Spritzen verabreicht habe. Da er sich gegen die Spritzen gewehrt habe, habe ihn das Security Personal festgehalten und er sei in weiterer Folge gefesselt worden. Nach seiner Entlassung habe man ihm einen Brief mitgegeben, den er nunmehr jedoch nicht mehr finden könne.
Zur Frage, wann er die Warnungen in Georgien bekommen habe bzw. was im Zuge dieser Warnungen genau geschehen sei, brachte der BF vor, dass es 2016 zu einzelnen Warnungen gekommen sei, die sich im Jahr 2018 (August oder September) jedoch gesteigert hätten. Man habe ihn unter Drohungen dazu aufgefordert, seine Arbeit aufzugeben und nicht mehr im politischen Bereich tätig zu sein. Auf Aufforderung, die Geschehnisse genauer zu schildern, erklärte der BF, dass er bereits viel erzählt habe und nunmehr schon das dritte Mal befragt werde. Auf die Frage, wer bzw. wie viele Personen gekommen seien und was diese genau gemacht hätten, erklärte der BF, dass es manchmal zwei und gelegentlich drei gewesen seien, wie viele sich genau im Auto befunden hätten, könne er jedoch nicht angeben. An ihn seien jedenfalls immer zwei Personen herangetreten. Im Jahr 2018 sei er an seinem Geburtstag mit einem Messer attackiert worden, der Vorfall, im Zuge dessen sein Bein verletzt worden sei, sei etwas später gewesen. Er sei im Krankenhaus operiert worden und nach der OP noch ungefähr zwei weitere Tage im Krankenhaus geblieben. Anschließend habe er für etwa drei Monate nicht mehr gehen können. Nachgefragt, wie es dazu gekommen sei, dass sein Bein gebrochen worden sei, brachte der BF vor, dass ein Mann ihm das Bein gezielt gebrochen habe. Zur Frage, wie er dann ins Krankenhaus gekommen sei, gab der BF an, dass ein Freund von ihm die Rettung kontaktiert habe. Auf weitere Nachfrage, wie es denn zu einer Rauferei gekommen sei, entgegnete der BF, dass er eine Person gewesen sei, die immer alles erledigt habe, was zu tun gewesen sei und ihn die Opposition deswegen beseitigen habe wollen. Auf Vorhalt, wie er zu dieser Ansicht kommen würde, erwiderte der BF, dass die Opposition eben verlangt habe, dass er seine Arbeit niederlege, weshalb er auch sagen könne, dass ihn die Opposition aus dem Weg räumen wolle. Auf die Frage, welche Probleme er mit dem Militär in Georgien gehabt habe, replizierte der BF, dass er sich dem Militär nicht anschließen habe wollen. Auf die weitere Frage, wer die Leute konkret seien, von denen er angebe, sich bedroht zu fühlen, erklärte der BF, dass es sich dabei um die Opposition bzw. die Leute von Saakashvili handle. Die Frage, ob er die Bedrohungen jemals bei der georgischen Polizei angezeigt habe, wurde vom BF verneint. Er hätte große Probleme bekommen, wenn er sich an die Polizei oder sonstige Organisationen gewandt hätte. Befragt, wieso er glaube, ins Gefängnis zu kommen, führte der BF an, dass die Opposition alles machen könne. Er wisse nicht, ob es in Georgien einen Haftbefehl gegen seine Person gebe. Der BF gehe nicht davon aus, dass es gegen ihn eine Anzeige gebe. Auf Vorhalt, weshalb er nicht direkt nach seiner Einreise im Juli 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, wenn er seinen Schilderungen zufolge tatsächlich verfolgt und bedroht worden sei, brachte der BF vor, dass er offizielle Sachen nicht durchführen habe wollen, da er gewollt habe, dass sein Name geheim bleibe.
Am 25.02.2021 langte bei der Behörde eine Verständigung über eine Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Innsbruck ein. Mitgeteilt wurde, dass gegen den BF wegen § 83 StGB Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben worden ist.
Mit Bescheid vom 03.03.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 15.01.2021 gem. §3 Abs.1 iVm § 2 Abs.1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen. Mit demselben Bescheid wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs.1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen und wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs.2 Ziffer 2 FPG erlassen und gem.§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF nach Georgien gem. § 46 FPG zulässig sei.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF in seinen bisher in Österreich geführten Asylverfahren dreimal andere Personalien angegeben habe, weshalb seine persönliche Glaubwürdigkeit erheblich erschüttert worden sei. Auch in Bezug auf die Schilderung seines Vorbringens werde angemerkt, dass der BF seine Fluchtgründe und die Begleitumstände nur sehr oberflächlich und vage angeführt habe. Es erscheine nicht nachvollziehbar, dass der BF zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz bereits im Juli 2019 nach Österreich eingereist sei, jedoch keinen Asylantrag gestellt habe, zumal der BF gegenständlichen Antrag erst gestellt habe, nachdem er im Zuge einer Kontrolle festgenommen und über ihn die Schubhaft angeordnet worden sei. Die Nachfrage, ob der BF die Bedrohungen in Georgien jemals bei der Polizei angezeigt habe, sei von diesen verneint worden. Bezüglich seiner Antragsgründe sei festzuhalten, dass die Präsidentenwahlen in Georgien im Jahr 2018 am 28. Oktober und der zweite Wahlgang am 28. November stattgefunden hätten. Er selbst sei dann im Juni 2019 ausgereist, wobei er in der Einvernahme am 28.01.2021 angegeben habe, dass es im Jahr 2020 in Georgien Präsidentenwahlen gegeben habe und er da nicht mehr dabei sein habe wollen. Diese Präsidentenwahlen hätten aber schon im Jahr 2018 stattgefunden, im Jahr 2020 hätten jedoch Parlamentswahlen in Georgien stattgefunden. Hätte der BF tatsächlich, wie von Ihnen am 28.01.2021 angegeben, als Sachverständiger für Wahlen und als Politiker in der Partei „Georgischer Traum“ von 2016 bis 2018 gearbeitet, dann hätte er sicherlich gewusst, dass in Georgien die Präsidentenwahlen im Jahr 2018 und im Jahr 2020 Parlamentswahlen stattgefunden hätten, weshalb die Angaben des BF zu seiner politischen Tätigkeit in Georgien nicht glaubwürdig seien. Auch habe er angegeben, dass es im Jahr 2018 einen Regierungswechsel gegeben habe, richtig sei jedoch, dass dieser Regierungswechsel bereits nach den Wahlen im Jahr 2012 stattgefunden habe. In Zusammenschau des angegebenen Sachverhaltes könnten die vom BF im gegenständlichen Verfahren vorgebrachten Antragsgründe nicht als glaubwürdig erachtet werden. Insgesamt ergebe sich aus dem Vorbringen des BF keine Verfolgung aus einem in der GFK genannten Gründe.
Darüber hinaus wurde der Beschwerde gegen diese Entscheidung gem. § 18 Abs.1 Ziffer1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
Gegen die Entscheidung des BFA vom 03.03.2021 wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass das BFA ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Zudem habe das BFA dem Bescheid mit Feststellungsmängeln belastet indem es nicht ausreichend klar festgestellt hätte, ob der vorgebrachte Sachverhalt zu einer asylrelevanten individuellen Verfolgung des BF im Herkunftsstaat führe. Die Behörde hätte keine Ermittlungen zum Sachverhalt durchgeführt, bzw. wäre der Bescheid oberflächlich und der Sachverhalt wäre überhaupt nicht mit den Ermittlungsergebnissen und Länderberichten abgeglichen worden. Auf dieser Grundlage hätte die Behörde überhaupt keine Entscheidung über den Schutzbedarf des BF treffen können. Die Behörde hätte sich zudem auf mangelhafte Länderfeststellungen gestützt, bzw. diesbezüglich eine selektive Auswertung der Länderberichte vorgenommen. Die Behörde hätte insgesamt eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen, hätte weitere Ermittlungen vornehmen müssen. Auch hätte die Behörde keine Fragen gestellt oder auf Konkretisierung gedrängt, obwohl sie dazu verpflichtet wäre. Zudem hätte die Behörde auch die tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten des BF im Herkunftsstaat konkret bezogen auf den BF beurteilen müssen und die tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten prüfen müssen. So hätte der BF dargelegt, dass dieser in Georgien noch nie behandelt worden wäre, bzw. sich seine Mutter um seine Versorgung gekümmert hätte. Auch hätte die Behörde dabei die für eine solche Behandlung erforderlichen finanziellen Mittel für die Beschaffung von Medikamenten, das soziale Netzwerkt, sowie die Distanzen zu Behandlungszentren berücksichtigen müssen. Bei einer Rückkehr wäre der BF gem. Art. 2 und Art. 3 EMRK einer maßgeblichen Verletzung seiner Rechte ausgesetzt, wonach diesem ein subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre. Der BF würde versuchen zu lernen, soweit es sein psychischer Zustand erlauben würde, sich zu integrieren. Der BF würde sich seit fast 2 Jahren im Bundesgebiet befinden und hätte hier zahlreiche Freunde und Bekannt, bzw. ein großes Interesse an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens. Die Rückkehrentscheidung hätte sohin für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen, bzw. hätte die Behörde dem BF daher gem. §58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung plus von Amts wegen zu erteilen gehabt. Es wurden in Folge die Anträge gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den gegenständlichen Bescheid zu beheben und dem BF gem. §3 Asyl, bzw. subs. Schutz gem. §8 AsylG zuzuerkennen, festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre, dem BF eine AB Plus zu erteilen, bzw. in eventu festzustellen, dass der BF die Voraussetzungen für die Erteilung einer AB besonderer Schutz gem. §57 AsylG erfüllt, oder den Bescheid zur Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen. Ergänzend wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gestellt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.03.2021, W168 2240228-2/4Z, wurde der Beschwerde gemäß §18 Abs. 5 BFA – VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 15.02.2021 wurden bezüglich den BF ein Entlassungsbrief der Universitätskliniken Innsbruck vom 07.10.2020 mit der Hauptdiagnose „gemischter Fußinfekt beidseitig“ sowie den weiteren Diagnosen „Aspirationspneumonie, C2-Abusus, Nikotin Abusus, Hepatitis-C Antikörper positiv, RNA negativ“ unter Anordnung einer medikamentösen Therapie sowie einer Lokaltherapie, Laborbefunde, Röntgenergebnisse, eine HA Ambulanzkarte mit der Beurteilung: Psoriasis im Vorfußbereich mit Empfehlung eines Fußbades, einer Fettsalbe und einer weiteren Pflege, Laborbefunde, ein Notfallbericht der Universitätskliniken Innsbruck vom 24.10.2019 mit der Hauptdiagnose: „Intoxikation“ sowie einer angeordneten Medikation, ein Notfallbericht vom 25.10.2020 mit der Diagnose „Mischintoxikation“ bzw. den Vorerkrankungen „gemischter Fußinfekt beidseitig“, Aspirationspneumonie, C-Abusus, Nikotin Abusus, Hepatitis-C Antikörper positiv, RNA negativ, weitere Laborergebnisse, ein Dekurs der Universitätskliniken Innsbruck vom 29.10.2020 über den Zustand des BF nach einer Mischintoxikation am 25.10.2020 und einer aus diesem Grund indizierten antibiotischen Therapie, einem Entlassungsbrief der Universitätskliniken Innsbruck vom 03.11.2020 über einen stationären Aufenthalt vom 28.10.2020-03.11.2020 mit den Entlassungsdiagnosen „Aspirationspneumonie bei Mischintoxikation, Psoriasis vulgaris Vorfuß beidseitig, arterielle Hyperthonie, Steatosis hepatis, gemischten Fußinfekt beidseits, Aspirationspneumonie, C2- Abusus, Nikotinabusus, Hepatitis C Antikörper positiv, RNA negativ unter Anordnung einer entsprechenden Medikation sowie Kontrollen, weitere Laborbefunde, ein ärztlicher Entlassungsbrief der Universitätskliniken Innsbruck vom 28.10.2020 über einen stationären Aufenthalt vom 25.10.2020-28.10.2020 mit der Entlassungsdiagnose: Aspirationspneumonie bei Mischintoxikation bzw. den Zusatzdiagnosen C2-Abusus, Nikotin-Abusus, gemischter Fußinfekt, Hepatitis C-AK pos., (RNA negativ) unter Anordnung einer empfohlenen Medikation, ein Notfallbericht vom 08.01.2021 mit den Diagnosen: Aspirationspneumonie, C2-Abusus, Nikotin-Abusus, Hepatitis C Antikörper positiv, RNA negativ, ein ärztlicher Entlassungsbrief vom 29.10.2019 über einen stationären Aufenthalt vom 24.10.2019-29.10.2019 mit den Diagnosen „respiratorische Insuffizienz einer Aspirationspneumonie“ sowie „C2-Intoxikation bei Alkoholabhängigkeitssyndrom“ unter Empfehlung einer Medikation, Laborbefunde, ein Patientenbericht einer Universitätsklinik für Innere Medizin vom 11.09.2020 mit der Arbeitsdiagnose bei Aufnahme „Intoxikation“, ein ambulanter Arztbrief der Universitätskliniken Innsbruck vom 03.01.2020 mit der Diagnose „Omalgie rechts“, ein Dekurs der Universitätsklinik Innsbruck vom 25.12.2019, ein psychiatrischer Konsiliarbericht der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 26.10.2019 mit den relevanten somatischen Diagnosen: Intoxikation mit Methadon, Aspirationspneumonie, ein psychiatrischer Konsiliarbefund der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 30.10.2019 mit der relevanten somatischen Diagnose „Aspirationspneumonie nach Intoxikation mit Methadon“, ein psychiatrischer Konsiliarbericht der Tirol Kliniken vom 28.10.2020 mit den Diagnosen „Buprenorphinintoxikation, im Sinne eines Rausches“, Nikotinabusus, Alkoholabusus“, Kontrolle bei Bedarf sowie einer empfohlenen Medikation und mehrere Karteiblätter in Vorlage gebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zum Vorverfahren und dem Verfahrensablauf
Der BF reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte bereits am 28.04.2003 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der BF reiste am 23.07.2010 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus. Das Asylverfahren wurde daraufhin als gegenstandslos abgelegt.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 13.06.2014 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA Zl. 1021517808 – 14708909 vom 29.08.2014 wurde der Antrag vom 13.06.2014 gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gem. § 61 Abs. 1 FPG wurde die Außerlandesbringung nach Deutschland angeordnet. Diese Entscheidung erwuchs am 04.09.2014 in I. Instanz in Rechtskraft.
Der BF ist seinen eigenen Angaben zufolge legal am 25.07.2019 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und der BF hielt sich in Folge nach Ablauf der legalen Aufenthaltsdauer unberechtigt bis zum Aufgriff im Zuge einer Kontrolle am 13.01.2021 im Bundesgebiet auf.
Am 15.01.2021 stellte der BF im Stande der Schubhaft gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des BFA Zl. 1021517808/210053856 vom 14.01.2021 wurde gem. § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
1.2. Zur Person des BF
Der BF, ein georgischer Staatsbürger, gehört der Volksgruppe der Georgier an und ist christlichen Glaubens. Seine Identität steht nicht fest. Dieser hat in mehreren Asylverfahren jeweils unterschiedliche Identitäten angegeben.
Der BF ist seinen Angaben zufolge in XXXX geboren und aufgewachsen, hat dort 11 Jahre die Grundschule besucht, hat seinen Angaben zufolge dort an der Universität Jura studiert, das Studium abgeschlossen und gibt dies als seine Berufsausbildung an.
Die Mutter des BF und seine Tochter leben in Georgien.
Im Bundesgebiet ging der BF keiner Erwerbstätigkeit nach. Ehrenamtlich hat er sich weder in einem Verein noch bei einer anderen Organisation engagiert. Eine besondere soziale Integration in Österreich hat der BF nicht dargetan. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
Das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses des BF zu Personen im Bundesgebiet ist ausreichend begründet nicht dargelegt worden.
Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration des BF während des insgesamt nur kurzen verfahrensbedingten Aufenthaltes in Österreich kann in casu insgesamt nicht festgestellt werden.
Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des BF im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.
Eine Außerlandesbringung und Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat Georgien stellt diesbezüglich keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar.
Der BF war wegen einem Fußinfekt in ärztlicher Behandlung und erhielt die Diagnosen Aspirationspneumonie, C2-Abusus, Nikotin Abusus, Hepatitis-C, Psoriasis vulgaris Vorfuß beidseitig, arterielle Hyperthonie, Steatosis hepatis (Fettleber), Omalgie rechts (Schulterschmerz). Aufgrund seines Alkohol- und Nikotinabusus erlitt der BF eine Vergiftung und wurde deswegen sowie weiterer psychischer Beschwerden in einer Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik behandelt.
Dass der BF sich gegenwärtig in einer durchgehenden stationären Behandlung befinden würde wurde nicht vorgebracht. Dass der BF gegenwärtig besondere Medikamente oder Therapien unbedingt im Bundesgebiet benötigen würde, insbesondere solche, die in Georgien nicht erhältlich wären, wurde ausreichend begründet nicht ausgeführt. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Georgien jeglicher Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt werden würde. Das Vorliegen von aktuell vorliegenden verfahrensrelevant schweren psychischen oder physischen Erkrankungen, bzw. die unmittelbare Notwendigkeit des Erhalts von Therapien oder Medikamenten, die dem BF insbesondere in seinem Herkunftsstaat nicht zugänglich wären, wurde insgesamt begründet nicht dargelegt, bzw. ist ein Vorliegen von dieserart verfahrensrelevanten lebensbedrohlichen Erkrankungen des BF auch aus dem vorliegenden Verwaltungsakt insgesamt nicht zu erschließen und ein allfällig hierauf bezogenes Vorbringen wurde ausreichend begründet auch in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt. Eine Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat stellt diesbezüglich keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte dar.
Dass der BF aufgrund dieser Beschwerden oder auch in Hinblick auf die gegenwärtige weltweite Corona – 19 Pandemie im Herkunftsstaat Georgien einer im Vergleich zu Österreich erhöhten Gefährdung ausgesetzt wäre, wurde ausreichend begründet nicht aufgezeigt. Ein effektiver Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung ist in Georgien aufgrund der Länderfeststellungen vorhanden und dem BF auch faktisch zugänglich.
1.3. Zu den Fluchtgründen des BF
Es kann nicht festgestellt werden, bzw. hat der BF nicht glaubhaft machen können, dass er seinen Herkunftsstaat Georgien aufgrund einer glaubhaften, ihn unmittelbar persönlich und konkret betreffenden Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF wegen seiner politischen Tätigkeit für die Partei „Georgischer Traum“ in Georgien bedroht wurde.
Es wird dem Verfahren ebenfalls nicht zugrunde gelegt, dass der BF als Sachverständiger für Wahlen und als Politiker in der Partei „Georgischer Traum“ von 2016 bis 2018 tätig war.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevant bedroht wäre.
1.4. Zur Situation im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Bei einer Rückkehr nach Georgien besteht für den BF als Mann im berufsfähigen Alter, der unter keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet und der über familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat verfügt, ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf, dies auch unter besonderer Berücksichtigung seiner persönlichen Eigenschaften, keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft der BF im Herkunftsstaat auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Der BF ist in Georgien geboren und aufgewachsen, hat dort 11 Jahre die Grundschule besucht, eine Universität absolviert und sich in weiterer Folge auch seinen Lebensunterhalt bestritten.
Seine Mutter und seine Tochter leben in Georgien.
Der BF ist aufgrund der allgemeinen Sicherheit – als auch Versorgungssituation, dies auch unter Berücksichtigung der gegenwärtig weltweiten Corona 19 Pandemie und der diesbezüglichen auch medizinischen Versorgungslage in Georgien, bei einer Rückkehr keiner verfahrensrelevanten Gefährdung gem. Art. 3 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt.
Eine Rückkehr des BF nach Georgien ist unter Berücksichtigung seiner persönlichen Eigenschaften in Zusammenschau mit der aktuellen Lage im Herkunftsstaat, somit insgesamt möglich und auch zumutbar.
1.5) Zu dem sonstigen Vorbringen in der Beschwerdeschrift
Die belangte Behörde hat ein insgesamt mängelfreies, ordnungsgemäßes und das Vorbringen des BF vollinhaltlich und abschließend erfassendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar, sowie konkret auf den Einzelfall bezogen rechtskonform, sowie unter Zugrundelegung von unzweifelhaften Länderfeststellungen den Herkunftsstaat des BF betreffend abgeklärt und vorgenommen. Die gegenständlich angefochtene Entscheidung wurde insgesamt rechtskonform, nachvollziehbar und zutreffend getroffen.
Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine insgesamt verfahrenswesentlich ausreichend und substantiiert begründeten, bzw. keine nicht dem Neuerungsverbot unterliegenden und damit zulässigen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung grundsätzlich in Frage zu stellen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die gegenständliche Entscheidung im zeitlichen Nahebereich der erstinstanzlichen Entscheidung getroffen, konnte die gegenständliche Entscheidung sich vollinhaltlich auf das ordnungsgemäß vorgenommene erstinstanzliche Ermittlungsverfahren stützend, sowie die tragenden Würdigungen des BFA zu Gänze übernehmend abschließend vornehmen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Verfahren unterbleiben.
1.6. Zur aktuellen Lage in Georgien: (gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)
Letzte Änderung: 01.12.2020
Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche zu Georgien die Situation in den separatistischen Landesteilen Abchasien und Südossetien nicht ein.
1. COVID-19
Letzte Änderung: 01.12.2020
Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg der positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020; vgl. WOM 30.11.2020). COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 30.11.2020a).
Tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen werden von der Regierung auf der Webseite https://stopcov.ge/en/ veröffentlicht (StopCoV.ge o.D.).
Aufgrund der steigenden Zahlen wurden mit Wirkung vom 28.11.2020 unter anderem folgende Beschränkungen landesweit, vorerst bis 31.1.2021, in Kraft gesetzt: Während der nächtlichen Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr sind öffentliche und private Verkehrsbewegungen, einschließlich zu Fuß gehen, sowie der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht gestattet. Der öffentliche Überlandverkehr einschließlich Bahn, Bus und Kleinbus ist ganztägig eingestellt. Reisen in Kleinfahrzeugen (einschließlich Taxis) sind – außerhalb der nächtlichen Ausgangssperre - zulässig. Es herrscht eine Tragepflicht von Gesichtsmasken im Freien sowie in allen geschlossenen öffentlichen Räumen. Personen über 70 Jahren wird empfohlen, zu Hause zu bleiben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Für die Großstädte Tiflis, Batumi, Kutaissi, Rustawi, Poti, Sugdidi und Telawi sowie die Wintersportorte Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia gelten zusätzlich u.A. folgende Einschränkungen: Der innerstädtische öffentliche Verkehr ist vollständig eingestellt. Geschäfte sind geschlossen, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Hygieneprodukten und Kiosken für Printmedien. Agrarmärkte, Schönheitssalons, Friseurläden und Zentren für ästhetische Medizin sind weiterhin in Betrieb. Kindergärten sind geschlossen, Schulen und Universitäten bieten ausschließlich Fernlehre an (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Für die Periode Neujahr-Weihnachten (24.12.2020 bis 15.1.2021) werden einzelne Beschränkungen gelockert (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Die Einschränkungen von Linienflügen nach Georgien wurden mit 1.11.2020 gelockert, seither sind auch wieder Linienflüge nach Tiflis ex Wien erlaubt (GCAA 21.10.2020). Diese Flüge werden Stand Ende November 2020 einmal wöchentlich von Georgian Airways durchgeführt (F24 30.11.2020; vgl. VIE 30.11.2020)
Bei der Einreise aus dem Ausland müssen sich georgische Staatsangehörige sowie ihre Familienangehörigen für 8 Tage in Selbstisolation begeben, wenn sie an der Grenzübertrittsstelle einen negativen PCR-Test nicht älter als 72 Stunden vorweisen können. Sollte ein solcher Test nicht vorgewiesen werden, wird eine obligatorische Quarantäne verhängt (MoF o.D.; vgl. StopCoV.ge o.D.) und die Person wird in eine Quarantänezone verbracht (StopCoV.ge o.D.). In den Wintersportorten Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia werden Hotels ausschließlich als Quarantäne- oder COVID-Unterkünfte betrieben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).
Quellen:
? Agenda.ge (26.11.2020): Georgian gov’t introduces further coronavirus restrictions until Jan. 31, https://agenda.ge/en/news/2020/3722, Zugriff 30.11.2020
? CW - Caucasus Watch (27.11.2020): Council of Europe reports on Abkhazia and Tskhinvali, https://caucasuswatch.de/news/3289.html, Zugriff 30.11.2020
? Eurasianet (18.9.2020): Georgia experiences its first wave of COVID-19, https://eurasianet.org/georgia-experiences-its-first-wave-of-covid-19, Zugriff 30.11.2020
? F24 – Flightradar24 (30.11.2020): TBS/UGTB Tbilisi International Airport, Georgia - Routes Tbilisi, https://www.flightradar24.com/data/airports/tbs/routes, Zugriff 30.11.2020
? GCAA – Georgian Civil Aviation Agency (21.10.2020): News and Statements - 21 Oct.'20 | Information for Passengers, http://www.gcaa.ge/eng/news.php?id=6285, Zugriff 30.11.2020
? Jam News (16.10.2020): Georgia: coronavirus patients from the other side of territorial conflict, https://jam-news.net/coronavirus-georgia-treatment-abkhazia-south-ossetia/, Zugriff 30.11.2020
? MoF – Ministry of Foreign Affairs of Georgia (o.D.): Regulations for Crossing the Georgian Border in connection with the COVID-19 pandemic, https://mfa.gov.ge/MainNav/CoVID-19-sakitkhebi/sazgvris-kvetis-regulaciebi.aspx?fbclid=IwAR0PQsqZ2jc22Etm9gyMDFzetGwWktKodcpXUVW4Op1HEZImKTEXi4SyUbU&lang=en-US%20%20, Zugriff 30.11.2020
? StopCoV.ge (o.D.): Prevention of Coronavirus Spread in Georgia, https://stopcov.ge/en/, Zugriff 30.11.2020
? USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020a): COVID-19 Information for Georgia (November 30), https://ge.usembassy.gov/covid-19-information-on-georgia/, Zugriff 30.11.2020
? USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020b): Measures to control the spread of COVID-19 in Georgia, https://ge.usembassy.gov/u-s-citizen-services/measures-to-control-the-spread-of-covid-19-in-georgia/, Zugriff 30.11.2020
? VIE – Flughafen Wien-Schwechat / Vienna International Airport (30.11.2020): Routes - Vienna International Airport (VIE), http://tracker.flightview.com/customersetup/viennaairport/routemapper/, Zugriff 30.11.2020
? WOM – Worldometer (30.11.2020): Coronavirus – Georgia, https://www.worldometers.info/coronavirus/country/georgia/, Zugriff 30.11.2020
2. Politische Lage
Letzte Änderung: 01.12.2020
In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 10.3.2020).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 10.3.2020).
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).
Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 über Parteienlisten und 30 über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden. Bei den Wahlen 2016 wurden noch 72 Direktmandate vergeben (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vgl. RFE/RL 28.11.2019).
Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1% der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40% der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020; vgl. KP 11.4.2020).
Bei den trotz COVID-Panedmie am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48% der Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60% der Mandate (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9% der Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP 26.11.2020); vgl. Jam 26.11.2020.
Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Gemäß OSZE waren die Parlamentswahlen kompetitiv und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weit verbreitete Vorwürfe von der Ausübung von Druck auf die Wähler und der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Wahlvorganges unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen und die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE/ODIHR 1.11.2020).
In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums sich bei einer Wahlbeteiligung von 26% durchsetzen konnten (KP 26.11.2020); vgl. Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planen aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020, Jam 26.11.2020).
Laut Gesetz muss die Zentrale Wahlkommission bis spätestens 19. Dezember 2020 das endgültige Wahlergebnisse bekannt geben und das neue Parlament muss spätestens zehn Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse zusammentreten. Die 90 Abgeordneten der Regierungspartei sind ausreichend, damit das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann - um Gesetze zu verabschieden, die Abgeordneten auf die Parlamentsausschüsse zu verteilen und eine Regierung zu ernennen. Das Parlament wird jedoch nicht in der Lage sein, die Verfassung zu ändern oder die Präsidentin abzusetzen (Jam 26.11.2020).
Stand Ende November 2020 ist es weder durch die Intervention von US-Botschafter Kelly Degnan noch durch andere internationale Moderatoren gelungen, die politische Krise in Georgien zu lösen und die Opposition davon zu überzeugen, den Parlamentsboykott aufzugeben. Im Extremfall könnte die politische Krise nur durch vorgezogene Neuwahlen im Frühling 2021 gelöst werden (Jam 26.11.2020).
Quellen:
? civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https://civil.ge/archives/341385, Zugriff 9.3.2020
? CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019
? DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019
? EN – Euronews (2.11.2020): Georgia's ruling party wins parliamentary vote, opposition calls for protests, https://www.euronews.com/2020/10/31/georgia-s-ruling-party-claims-victory-in-parliamentary-vote, Zugriff 30.11.2020
? Eurasianet (27.11.2020): Georgian politics still deadlocked after runoff polls, https://eurasianet.org/georgian-politics-still-deadlocked-after-runoff-polls, Zugriff 30.11.2020
? FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019
? FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020
? Jam News (26.11.2020): Georgia: can a single-party parliament function?, https://jam-news.net/georgia-can-a-single-party-parliament-work-function/, Zugriff 30.11.2020
? KP – Kaukasische Post (11.4.2020): Neues Wahlrecht mit Virus infiziert?, in: Kaukasische Post Ausgabe März 2020, Seiten 1,2.
? KP – Kaukasische Post (23.11.2019): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078, Zugriff 17.1.2020
? KP – Kaukasische Post (26.11.2020): Alle Wahlen wieder, in: Kaukasische Post Ausgabe Oktober/November 2020. Seiten 1,2.
? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (1.11.2020): International Election Observation Mission Georgia – Parliamentary Elections, 31 October 2020 – Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/a/d/469005.pdf, Zugriff 30.11.2020
? OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (29.11.2018): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019
? RFE/RL – Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliament-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html, Zugriff 2.12.2019
? Standard, der (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019
3. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 02.09.2020
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. (EDA 23.3.202013.8.2019; vgl. BMEIA 13.5.2020). Die Kriminalität ist gering (MSZ 25.5.2020; vgl. EDA 23.3.2020).
Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).
Quellen:
? BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten der Republik Österreich (13.5.2020): Reiseinformation Georgien, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/georgien/, Zugriff 10.6.2020
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019
? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 23.3.2020
? MSZ – Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej (25.5.2020): Informacje dla podró?uj?cych – Gruzja, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/gruzja, Zugriff 10.6.2020
4. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 02.09.2020
Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).
Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 19.10.2019).
Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 10.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über di