TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/28 L506 2240161-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2021
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Entscheidungsdatum

28.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L506 2188934-1/25E

L506 2188936-1/21E

L506 2240161-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerden der XXXX , geb. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Iran (BF1), vertreten durch RA Dr. Blum, des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran (BF2), vertreten durch RA Dr. Blum und der XXXX , geb. XXXX (BF3), StA Iran, vertreten durch die Mutter, XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch RA Dr. Blum, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX sowie vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2021 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin XXXX (nachfolgend: BF1), eine iranische Staatsangehörige, stellte am XXXX nach legaler Ausreise aus dem Iran und illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet gemeinsam mit ihrem Mann XXXX , iranischer Staatsangehöriger (nachfolgend BF2) einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 30.10.2015 gab die BF1 als Grund für ihre Ausreise an, sie habe Schwierigkeiten mit der Familie und dem Staat bekommen, da sie und ihr Mann vom Islam zum Christentum gewechselt seien. Sie seien dafür nach Armenien gereist, jedoch von dort wieder in den Iran geschickt worden, wo bei Konversion die Todesstrafe drohe. Aus diesem Grund hätten Sie den Iran verlassen. Im Rückkehrfall befürchte sie die Verhängung der Todesstrafe. Wenn man den Iran verlasse, werde man getötet und trachte ihnen außerdem die Familie nach dem Leben.

Der BF2 gab anlässlich der Erstbefragung am 30.10.2015 als Grund für seine Ausreise an, er habe sich vor 20 Tagen zur Ausreise entschlossen, da seine Frau und er nicht mehr dem Islam hätten angehören wollen und sie zum Christentum gewechselt hätten. Aus diesem Grund hätten sie Probleme mit ihren Familien und den Behörden bekommen. Sie seien dann zuerst nach Armenien gegangen, da sie geglaubt hätten, dort ihre neue Religion leben zu können; sie seien allerdings wieder in den Iran zurückgeschickt worden. Danach seien sie in die Türkei geflogen. Im Iran drohe ihnen die Todesstrafe. Im Rückkehrfall drohe wegen der Konversion die Todesstrafe und seien sie außerdem von ihrer Familie verstoßen worden.

3. Am 31.08.2017 erfolgte die Einvernahme der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) eingangs derer die BF1 einen Personalausweis und eine Heiratsurkunde vorlegte. Sie sei mit ihrer Familie in Kontakt und gehe es dieser gut. Die BF1 erklärte, Christin zu sein und am XXXX die Taufe empfangen zu haben. Sie bekenne sich zum protestantischen Glaubenszweig und habe sie auch schon versucht, andere Personen vom Christentum zu überzeugen. Der BF1 wurden im weiteren Fragen zum Islam und zum Christentum gestellt.

Sie habe über den TV-Sender Mohabat und Pfarrer Edwin Saleh, der in Kanada lebe, viele Informationen über das Christentum erhalten und habe sie im Jahr 2015 beschlossen, die Religion zu wechseln. Sie habe im Iran auch gebetet. In Österreich besuche sie die XXXX -Kirche und sei jeden Sonntag beim Gottesdienst dabei; am Dienstag sei Gebetsstunde und am Donnerstag besuche sie Kurse zum Lehren, wie man Gottesdiener werden und das Christentum verkünden könne. Die BF beschrieb ihre Taufe und erklärte auch, einen Taufvorbereitungskurs besucht zu haben.

Sie habe den Iran verlassen, da sie dort mit dem Tod bedroht worden sei; sechs Monate vor der Ausreise habe sie sich gemeinsam mit ihrem Mann für das Christentum entschieden und seien im August 2015 nach Armenien gefahren, um sich taufen zu lassen, wovon ihnen aber in Armenien wegen möglicher Sanktionen im Iran abgeraten worden sei; während des dortigen einwöchigen Aufenthaltes habe sich ihr Mann ein Kreuz auf den Arm tätowieren lassen. Auch ihre Mutter sei mitgereist. Einen Monat nach der Rückreise in den Iran hätten sie ihren Schwager eingeladen, dieser habe die Tätowierung ihres Mannes kritisiert; es sei zu einem Streit gekommen, im Zuge dessen ihr Mann gesagt habe, dass sie Christen geworden seien. Die BF habe den Streit schlichen wollen, doch habe sie der Schwager mit einem Messer attackiert. Sie sei geflüchtet und ihr Mann sei ihr nachgelaufen und hätten sie sich zur Mutter der BF begeben. Sie habe gewusst, dass ihr Schwager, der auch in Teheran lebe, für die Sepah arbeite und seine Drohungen ernst genommen; dieser habe gedroht, sie umzubringen oder zerstückeln zu lassen. Nach zwei Tagen habe der Bruder der BF ein Flugticket besorgt und sie seien in die Türkei gereist. Über Nachfragen gab die BF an, zwar nicht von staatlicher Seite bedroht worden zu sein, jedoch arbeite ihr Schwager für die Regierung. Ihre eigene Familie sei der Ansicht, dass ihre Religion ihre Privatsache sei; die Verwandten ihres Mannes würden sie jedoch wegen der neuen Religion als Schweine bezeichnen.

Der BF2 erklärte in seiner Einvernahme am selben Tag, seine Frau sei vor ca. drei Jahren zum Christentum gewechselt. Er habe am 16.10.2015 den Iran verlassen und sei 20 Tage später in Österreich gewesen. Auch er sei wie seine Frau vor drei Jahren zum Christentum gewechselt. Hinsichtlich der an ihn gerichteten Fragen zum Christentum gab der BF2 an, sich nicht so gut wie ein Pfarrer auszukennen, da er ein Neuling sei. Er habe am Satellitenprogramm zwei christliche Programme angesehen, wo immer über Freude und Liebe und ein ruhiges Leben gesprochen worden sei und habe er genau vor drei Jahren den Entschluss gefasst, seine Religion zu wechseln. Er habe im Iran an einer Hauskirche teilgenommen. Er habe von einer Freundin seiner Frau namens XXXX davon erfahren und habe sie in Wahrheit diese zum Christentum gebracht. Aufgrund des Interesses für das Christentum seien sie am 08.08.2015 nach Armenien gereist, seine Schwiegermutter sei auch dabei gewesen. Sie hätten sich in einer Kirche wegen der Taufe erkundigt, wovon man ihnen jedoch abgeraten habe, da sie diesbezüglich im Iran Probleme bekommen könnten. Nach einwöchigem Aufenthalt seien sie in den Iran zurückgereist. Nach ein bis zwei Monaten hätten sie Gäste eingeladen, sie hätten sich unterhalten. Er wolle noch erwähnen, dass er sich in Armenien ein Kreuz auf die Schulter habe tätowieren lassen. Während er mit seinem Bruder Spaß gemacht habe, habe dieser das Kreuz gesehen und ihn danach gefragt, woraufhin er seinem Bruder XXXX mitgeteilt habe, dass er sich für eine andere Religion entschieden habe. Es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen im Zuge derer ihn sein Bruder mit einem Messer habe verletzen wollen. Seine Frau sei aus Angst als erste davongelaufen und er sei ihr gefolgt. Er habe gewusst, dass er seinem Bruder, der bei der Sepah sei, nicht lange davonlaufen könne, weshalb sie sich zur Ausreise entschlossen hätten. Der BF2 erklärte, sich in Österreich für den protestantischen Glaubenszweig entschieden zu haben und sei er auch getauft worden. Er habe nur zu seinem Bruder Kontakt, dieser sei Jurist und mische sich nicht in seine Angelegenheiten; seine Konversion sei in der Familie geblieben und geheim. Im weiteren wurden dem BF2 Fragen zum Christentum gestellt.

Über Nachfragen gab der BF 2 an, zwei Tage nach dem Vorfall vom Bruder angerufen worden zu sein und habe dieser gesagt, er werde sie entweder der Regierung übergeben oder er werde sie selbst töten.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin 1 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte zu den geltend gemachten Ausreisegründen der BF1 zusammengefasst fest, dass diese nicht glaubhaft seien; ferner habe die behauptete Konversion zum Christentum nicht festgestellt werden können.

Die Angaben der BF seien widersprüchlich; so habe sie in der Erstbefragung angegeben, aufgrund von Problemen mit der Familie und dem Staat nach Armenien gereist zu sein, wohingegen sie in der behördlichen Einvernahme erklärt habe, wegen der Taufe nach Armenien gereist zu sein; die in der Erstbefragung angegebenen Probleme habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sondern habe die BF Probleme erst nach der Rückkehr aus Armenien ins Treffen geführt. Auch habe die BF anlässlich der Erstbefragung angegeben, von Armenien in den Iran zurückgeschickt worden zu sein, in der Einvernahme habe die BF jedoch eine freiwillige Rückreise in den Iran angegeben, wofür auch spreche, dass der BF die beabsichtigte Taufe abgeraten worden sei. Auch sei nicht glaubwürdig, dass die BF vor ihrer Ausreise nach Armenien Probleme gehabt habe.

Ferner habe die BF und ihr Gatte hinsichtlich der Tätowierung des Gatten unterschiedliche Angaben gemacht. Während die BF angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der Mann der BF nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei. Auch die Bedrohung durch den Schwager sei nicht glaubwürdig, da die BF nicht angeben habe können, wie sie habe entkommen können und seien die diesbezüglichen Schilderungen der BF vage und unkonkret.

Ferner habe der Mann der BF1 im Gegensatz zu dieser angegeben, sein Bruder habe ihn mit dem Messer verletzen wollen. Auch dass die BF und ihr Mann einem militärisch ausgebildeten Mann entwischen habe können, sei nicht plausibel und seien die BF und ihr Mann bei den Schwiegereltern leicht auffindbar gewesen. Auch die angegebene Hinwendung der BF zum Christentum sei im Lichte ihrer Angaben nicht nachvollziehbar.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt IV. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für die Beschwerdeführerin1 keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers 2 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte zu den geltend gemachten Ausreisegründen des BF2 zusammengefasst fest, dass diese nicht glaubhaft seien; ferner habe die behauptete Konversion zum Christentum nicht festgestellt werden können.

Die Angaben des BF seien widersprüchlich; so habe er in der Erstbefragung angegeben, aufgrund von Problemen mit der Familie und dem Staat nach Armenien gereist zu sein, wohingegen er in der behördlichen Einvernahme erklärt habe, wegen der Taufe nach Armenien gereist zu sein; die in der Erstbefragung angegebenen Probleme habe er zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sondern habe der BF Probleme erst nach der Rückkehr aus Armenien ins Treffen geführt. Auch habe der BF anlässlich der Erstbefragung angegeben, von Armenien in den Iran zurückgeschickt worden zu sein, in der Einvernahme habe der BF jedoch eine freiwillige Rückreise in den Iran angegeben, wofür auch spreche, dass dem BF die beabsichtigte Taufe abgeraten worden sei. Auch sei nicht glaubwürdig, dass der BF vor seiner Ausreise nach Armenien Probleme gehabt habe.

Ferner habe der BF und seine Frau hinsichtlich seiner Tätowierung unterschiedliche Angaben gemacht. Während die Frau des BF angegeben habe, der Schwager habe die Tätowierung gesehen, als sich ihr Mann umgezogen habe, habe der BF nicht von einem Umziehen gesprochen, sondern davon, dass seine Tätowierung unter dem Ärmel seines Shirts ‚herausgeblitzt‘ sei. Auch die Bedrohung durch den Schwager sei nicht glaubwürdig, da der BF nicht angeben habe können, wie er habe entkommen können und seien die diesbezüglichen Schilderungen des BF vage und unkonkret.

Auch habe die Frau des BF im Gegensatz zu diesem angegeben, sein Bruder habe sie mit dem Messer verletzen wollen, wohingegen er eine Verletzungsabsicht auf seine Person bezogen genannt habe. Auch dass der BF und seine Frau einem militärisch ausgebildeten Mann entwischen haben können, sei nicht plausibel. Ferner seien der BF und seine Frau bei den Eltern des BF leicht auffindbar gewesen. Auch die angegebene Hinwendung des BF zum Christentum sei im Lichte seiner Angaben nicht nachvollziehbar.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt IV. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

5. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF1 und der BF2 mit Schriftsatz vom 07.03.2018 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz Folge gegeben und dieser der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Beschwerdeführerin gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid betreffend die gegen die Beschwerdeführerin gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben werde

-) allenfalls die Unzulässigkeit der Abschiebung der BF festzustellen

-) in eventu zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen

-) den Bescheid aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen

6. Gegenständliche Beschwerden langte samt bezug habendem Verwaltungsakt am 12.03.2018 in der hg. Gerichtsabteilung ein.

7. Am 27.08.2019 langte hg. eine Meldung des SPK XXXX vom 13.08.2019 ein, wonach die BF1 wegen des Deliktes der Entwendung verdächtig sei.

8. Am 22.01.2021 langte hg. die Kopie einer Geburtsurkunde hinsichtlich der in Österreich geborenen Tochter der BF1 und des BF2 (BF3), eine Religionsaustrittserklärung vom 01.03.2018 hinsichtlich BF1 und BF2, eine Taufbestätigung vom 12.06.2016 die BF1 und den BF2 betreffend und weitere Integrationsunterlagen die BF1 und den BF2 betreffend ein.

9. Am 02.03.2021 langte hg. der Bescheid des BFA die BF3 betreffend ein, für welche zuvor am 28.12.2020 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden und welcher mit Bescheid des BFA vom XXXX abgewiesen worden war. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (BF3) auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.)

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).

Gem. § 16 Abs 3 BFA-VG ist diese Entscheidung nicht der Rechtskraft zugänglich und wurde daher dem BVwG vorgelegt.

10. Am 09.03.2021 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die BF1, der BF2 und das BFA geladen wurden.

11. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

12. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF, der Bescheidinhalte sowie des Inhaltes der gegen die Bescheide des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Familienverfahren
§ 34 AsylG 2005 lautet:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Wer als Familienangehöriger im Sinne dieser Bestimmung gilt, findet sich in §2 Abs 1 Z 22 AsylG.

Hinsichtlich der verheirateten BF1 und BF2 und des gemeinsamen Kindes (BF3) liegt im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Familienverfahren iSd §34 Abs 5 AsylG vor und wird das Verfahren der Beschwerdeführer daher in einem geführt.

2.       Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer 1-3 wird festgestellt:

Die Beschwerdeführer 1-3 sind iranische Staatsangehörige, und Angehörige der Volksgruppe der Perser.

Die Identität der Beschwerdeführer 1-3 steht fest.

Die Beschwerdeführer 1-2 stammen aus XXXX im Iran, die Beschwerdeführerin 3 wurde in Österreich geboren und wurde für diese am XXXX ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die Beschwerdeführer 1-2 reisten legal aus dem Iran aus und illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zur Beschwerdeführerin 1:

Im Iran hat die Beschwerdeführerin zwölf Jahre die Grundschule besucht, Bauarchitektur studiert und im Anschluss bis zu ihrer Ausreise in einem Büro gearbeitet und zusammen mit dem Beschwerdeführer 2 in XXXX gelebt.

Die Beschwerdeführerin ist mit dem Beschwerdeführer 2 verheiratet und hat mit diesem gemeinsam das in Österreich geborene Kind XXXX .

Die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder der Beschwerdeführerin leben im Iran und steht sie zu sämtlichen Angehörigen ihrer Herkunftsfamilie in regelmäßigem telefonischem Kontakt.

Die Beschwerdeführerin verfügt über partielle, oberflächliche Kenntnisse des christlichen Glaubens, besucht Gottesdienste im XXXX , und wurde am XXXX in der XXXX getauft, nachdem sie einen Taufvorbereitungskurs besucht hatte.

Dass sich die Beschwerdeführerin ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt und sich dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser für sie identitätsstiftend ist, kann nicht festgestellt werden.

Bei der behaupteten Konversion der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen A2-Deutschkurs besucht und die Prüfung absolviert und spricht gebrochen deutsch. Sie lebt von der staatlichen Grundversorgung.

Zum Beschwerdeführer 2

Der Beschwerdeführer, der im Iran zwölf Jahre die Grundschule besucht hat, hat vor der Ausreise als Taxifahrer gearbeitet und zusammen mit der Beschwerdeführerin 1, mit der er verheiratet ist, in XXXX gelebt. Zu seiner Herkunftsfamilie steht er nicht in Kontakt.

Der Beschwerdeführer verfügt über wenige, oberflächliche Kenntnisse des christlichen Glaubens, besucht Gottesdienste im XXXX , und wurde am XXXX in der XXXX getauft, nachdem er einen Taufvorbereitungskurs besucht hatte.

Dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt und sich dem christlichen Glauben zugewandt hat und dieser für ihn identitätsstiftend ist, kann nicht festgestellt werden.

Bei der behaupteten Konversion des Beschwerdeführers handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Der Beschwerdeführer hat den A1 Kurs besucht, eine Prüfung abgelegt und spricht gebrochen deutsch.

Zur Beschwerdeführerin 3

Diese ist nicht getauft und wurde am XXXX in Österreich geboren. Eigene Asylgründe wurden für sie nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Zu den Beschwerdeführern 1-3

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer 1 und 2 in ihrem Heimatstaat Iran sich dem Christentum zugewandt und eine Hauskirche besucht haben und in diesem Zusammenhang vom Bruder des Beschwerdeführers 2, einem Sepah Angehörigen, bedroht wurden oder pro futuro daraus resultierenden Problemen im Iran ausgesetzt sein werden.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer 1-3 Gefahr liefen, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer 1-3 im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden oder als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wären.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer 1-3 in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich haben die Beschwerdeführer 1-3 keine Verwandten oder sonstigen nahen Bezugspersonen. Sie haben die A1 Integrationsprüfung absolviert, verfügen über rudimentäre Deutschkenntnisse, sind kein Mitglied in einem Verein und leben von der staatlichen Grundversorgung.

Im Strafregisterauszug scheinen keine Verurteilungen der Beschwerdeführer auf und sind diese unbescholten.

Die Beschwerdeführer sind gesund.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer verfügen zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer 1-3 in den Iran festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der

12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wieder gewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und

137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen

„unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (4.3.2020a): Politisches Portrait, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450, Zugriff 7.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (4.3.2020b): Steckbrief, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394, Zugriff 7.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran, https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961, Zugriff 7.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 7.4.2020

GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 7.4.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 7.4.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 19.06.2020

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie

von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch- irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020

EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise- fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Verbotene Organisationen

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

AI – Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International's written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February –22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english.pdf, Zugriff 4.5.2020

AI – Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1435509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf, Zugriff 4.5.2020

DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of- ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 4.5.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahedin Orga- nisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI)

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO,

„iranische Volksmudschahedin“) gilt in Iran als Terrororganisation, und wird für die Ermordung von

17.000 Iranern verantwortlich gemacht (ÖB Teheran 9.2017; vgl. Global Security o.D., SFH 20.7.2018). Verbindungen zur MEK gelten in Iran als „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 10.2019). Im Exil in Frankreich hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Telepolis 18.1.2019).

Die linksgerichtete MEK wurde in den 1960er Jahren mit der Intention gegründet, den Schah von Persien zu stürzen. Die MEK unterstützte während der iranischen Revolution Ayatollah Khomeini. Die Organisation wurde Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran ins Exil in den Irak vertrieben, nachdem sie gegen Khomeini opponiert hatte. Die MEK wird für verschiedene Anschläge verantwortlich gemacht und hatte als Verbündete der irakischen Seite am ersten Golfkrieg zwischen 1980 bis 1988 teilgenommen. Im Jahr 1987 gründete die Organisation einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army (NLA) und führte ab 1988 von der 60 Kilometer von Bagdad entfernten Basis Ashraf ausgehend bewaffnete Operationen durch. In diesem Zeitraum exekutierten die iranischen Behörden hunderte bis tausende MEK-Mitglieder, welche als Feinde der Nation und Verräter bezeichnet wurden. Die Organisation wurde von einer Reihe von Staaten offiziell als terroristische Organisation eingestuft, darunter von den USA, der EU und Großbritannien. Im Jahr 2003 hat sich die MEK entwaffnet und den Verzicht auf Gewalt verkündet. In den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurde die MEK in Großbritannien, in der EU und in den USA von der Liste der terroristischen Organisationen entfernt (SFH 20.7.2018). Die MEK-Mitglieder in Irak ließen sich ab 2011 im Rahmen einer von UNHCR unterstützten Umsiedlung mehrheitlich in Albanien nieder. Im September 2016 sollen die letzten Volksmudschahedin ihr Lager in Irak verlassen haben (SFH 20.7.2018; vgl. Guardian 9.11.2018). Mittlerweile sind viele von ihnen in die EU und USA weitergereist (Guardian 9.11.2018).

Experten sind sich einig, dass die Volksmudschahedin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016; vgl. Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018; vgl. Arab News 22.1.2018).

Die MEK konzentriert sich mittlerweile auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Inwieweit die MEK von der iranischen Bevölkerung unterstützt wird, ist umstritten. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik, die iranische Regierung und deren Sicherheitsapparat zu stürzen. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen (ACCORD 7.2015). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung und international präsent ist, aber sie genießt in Iran selbst aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung (ÖB Teheran 10.2019).

Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch misshandeln würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten, angewendet. Solche Vorwürfe werden von der MEK kategorisch zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).

Quellen:

ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord- iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 5.5.2020

Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a ‘new day’, http://www.arabnews.com/node/1274381, Zugriff 5.5.2020

DW – Deutsche Welle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien, http://www.dw.com/de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961, Zugriff 5.5.2020

Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm, Zugriff 5.5.2020The Guardian (9.11.2018): Terrorists, cultists – or champions of Iranian democracy? The wild wild story of the MEK, https://www.theguardian.com/news/2018/nov/09/mek-iran-revolution-regime- trump-rajavi, Zugriff 5.5.2020

Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime’s Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising, https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com_content&view=article&id=32380:iran-regime- s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during-the-uprising&catid=4:iran- general&Itemid=109, Zugriff 5.5.2020

ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426070/5818_1520415893_iran-oeb-bericht-2017-09.docx, Zugriff 5.5.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 5.5.2020

SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (20.7.2018): Iran: Rückkehr von Personen mit Verbindungen zu den Volksmudschahedin(PMOI), https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/iran/180720- irn-gefaehrdung-pmoi.pdf, Zugriff 5.5.2020

Telepolis (18.1.2019): Was verbindet die Volksmudschahedin mit der rechten spanischen Vox- Partei?, https://www.heise.de/tp/features/Was-verbindet-die-Volksmudschahedin-mit-der-rechten- spanischen-Vox-Partei-4281979.html, Zugriff 5.5.2020

PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdis- tan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Letzte Änderung: 19.06.2020

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität (BMI 2015; vgl. ACCORD 7.2015, DIS 7.2.2020), und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen zwischen 1.000 (JF 15.1.2018) und

3.000 Kämpfern (BMI 2015). Ein großer Teil der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.; vgl. CRS 6.2.2020).

Die PJAK ist zwischen einem Militärflügel, den ostkurdischen Verteidigungskräften (YRK), und dem politischen Flügel, der Demokratischen und Freien Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR), aufgeteilt. Wie bei anderen PKK-Zweigen versucht die Gruppe angeblich, mit allen Iranern zusammenzuarbeiten, aber in der Praxis ist ihre Mitgliedschaft fast ausschließlich kurdisch. Während der militärische Flügel in den Kandil-Bergen stationiert ist, ist der politische Zweig in Europa und Irak ansässig (JF 15.1.2018) und operiert in Iran im Untergrund (DIS 7.2.2020). Der militärische Arm der PJAK führte von Anfang der 2000er Jahre bis 2011 eine sporadische Aufstandskampagne auf niedriger Ebene im Iran durch. Dabei wurden Dutzende iranische Sicherheitskräfte getötet, hauptsächlich bei Operationen in und um Städte mit kurdischer Mehrheit wie Urmia und Mariwan. 2011 erklärte die PJAK einen [brüchigen] Waffenstillstand. Der Zusammenbruch des syrischen Staates eröffnete der PKK und ihren Mitgliedsgruppen neue Möglichkeiten und es wurden Kämpfer nach Syrien geschickt. Dies wurde ab 2014 verstärkt, da die von der YPG [syrischer Ableger der PKK] gehaltenen Gebiete zunehmend von den von der Türkei unterstützten Streitkräften der Freien Syrischen Armee (FSA) und von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS), insbesondere bei der Belagerung von Kobane, unter Druck gesetzt wurden. Trotz des zunehmenden Engagements der PJAK in Syrien gab die Gruppe ihren Waffenstillstand mit dem Iran im Jahr 2015 auf, vor allem, um von der weit verbreiteten Empörung und den Protesten gegen die Tötung einer kurdischen Frau durch die iranischen Sicherheitskräfte in Mahabad zu profitieren. Dies führte dazu, dass die Gruppe die Angriffe auf iranische Truppen wieder aufnahm, was zu verstärkter Gewalt zwischen PJAK und der iranischen Regierung führte und im August 2015 ihren Höhepunkt mit einem PJAK-Angriff in Mariwan erreichte, bei dem Berichten zufolge 20 Mitglieder des iranischen Revolutionsgarde-Korps (IRGC) getötet wurden. Die Regierung reagierte mit der Hinrichtung inhaftierter kurdischer Aktivisten (JF 15.1.2018).

Die PJAK liefert sich somit seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 26.2.2020). In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2019). Zusammenstöße der PJAK mit iranischen Sicherheitskräften wurden auch 2019 berichtet (Kurdistan24 5.8.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran,

ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord- iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 4.5.2020

BMI – Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion - Language - Politics,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res-publicae-the-kurds-2015.pdf, Zugriff 4.5.2020

BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti- project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

CRS – Congressional Research Service (6.2.2020): Iran: Internal Politics and U.S. Policy and Options, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL32048.pdf, Zugriff 4.5.2020

DIS – Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 4.5.2020

JF – Jamestown Foundation (15.1.2018): Party for Free Life in Kurdistan: The PKK’s Iranian Wing Bides Its Time, Terrorism Monitor Volume: 16 Issue: 1, https://jamestown.org/program/party- free-life-kurdistan-pkks-iranian-wing-bides-time/, Zugriff 4.5.2020

Kurdistan24 (5.8.2019): PKK-affiliate group reports deaths from recent clash with Iran Guards, https://www.kurdistan24.net/en/news/406728f5-dfd2-4e2b-b71c-de07c86c6646, Zugriff 4.5.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

TRAC – Terrorism Research & Analysis Consortium (o.D.): Party of Free Life of Kurdistan (PJAK), https://www.trackingterrorism.org/group/party-free-life-kurdistan-pjak, Zugriff 4.5.2020

Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Orga- nization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)

Letzte Änderung: 19.06.202

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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