TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/8 W168 1261281-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2021
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Entscheidungsdatum

08.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W168 1261281 - 2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. Georgien, vertreten durch Mag. Susanne Singer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zahl 313171404/200124748, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I - III. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. – VII. wird stattgegeben und diese Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein georgischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützt unberechtigter Einreise am 27.11.2004 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 20.05.2005 wurde der Asylantrag des BF abgewiesen und der BF wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

3. Am 04.09.2008 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

4. Mit Bescheid des BAA vom 07.01.2009, 08 08.129-BAS, wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde dem BF bis zum 15.02.2009 erteilt.

Begründend für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde explizit durch das BAA festgehalten, dass dem Sohn des BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden sei, sodass der BF denselben Schutz zu gewähren sei.

5. Am 16.06.2015 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“.

6. Mit Aktenvermerk vom 03.02.2020 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) angemerkt, dass sich aus einer Meldung der RD Oberösterreich Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass der subsidiär Schutzberechtigte eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

7. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 11.05.2020, XXXX , wurde der BF wegen §§ 12 2. Fall StGB; § 127 StGB; 128 Abs. 1 Z 5 StGB; § 129 Abs. 2 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

8. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA wurde vom BF zur Sicherheitslage in Georgien befragt ausgeführt, dass dieser bereits vor 16 Jahren aus Georgien ausgereist sei und die gegenwärtige Lage daher nicht beurteilen könne. Zur Frage, ob er im österreichischen Bundesgebiet Familienangehörige habe, gab der BF zu Protokoll, dass er eine Ehefrau habe, mit der er eine Lebensgemeinschaft führe, sowie ein Kind habe. Seine Lebensgefährtin beziehe eine Pension. In Georgien habe der BF familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Eltern und seines Bruders und der BF stehe mit diesen erwähnten Angehörigen auch in regelmäßigen Kontakt. Auf Nachfrage, weshalb er seit dem Jahr 2013 keine Verlängerung für seine befristete Aufenthaltsberechtigung beantragt habe, erwiderte der BF, dass er es nicht mehr für notwendig erachtet habe, da er bereits einen anderen Aufenthaltstitel gehabt habe. Dem BF wurde daraufhin mitgeteilt, dass der subsidiäre Schutz ihm ausschließlich wegen seines Kindes zuerkannt worden sei. Befragt, wie sich der Kontakt zu seiner Frau und seinem Sohn gestalte, gab der BF zu Protokoll, dass sie zusammenleben und täglich telefonieren würden. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach wie vor vorliegen würden, brachte der BF vor, dass die Gründe tatsächlich nicht mehr gegeben seien. Nachgefragt, wann er letztmalig bei seinen Verwandten in Georgien zu Besuch gewesen sei, antwortete der BF, dass er sich in den Jahren 2016 bzw. 2017 etwa zwei Monate in Tiflis aufgehalten habe. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat hätte er Probleme, sein bisheriges Leben fortzusetzen. In Österreich sei er fünf Jahre in der Logistikabteilung einer Firma tätig gewesen. Er befinde sich derzeit wegen seiner Mittäterschaft an einem Einbruch in der Justizanstalt.

9. Am 03.07.2020 führte die Lebensgefährtin des BF im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BFA aus, dass sie und der BF bereits seit 15 Jahren ein Paar seien und zusammenleben würden. Ihr Lebensgefährte befinde sich derzeit in der Justizanstalt, sie habe ihn aufgrund von Panikattacken jedoch seit Februar 2020 nicht mehr besucht, telefoniere mit diesem jedoch täglich. Befragt, wie sich die Beziehung zum BF gestalte, führte die Lebensgefährtin des BF an, dass der BF immer für sie da gewesen sei und jeder Mensch Fehler mache. Die Beziehung zwischen dem BF und seinem Sohn sei sehr gut und der BF sei für seinen Sohn immer eine Bezugsperson gewesen. Zur Frage, ob etwas gegen die Aufenthaltsbeendigung des BF spreche, entgegnete sie, dass sie mit dem BF auch weiterhin ein Familienleben führen wolle.

10. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.07.2020, Zl. 313171404/200124748, wurde dem BF der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiärer Schutzberechtigter wurde entzogen. (Spruchpunkt II.) Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen wird (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF den Status als subsidiär Schutzberechtigter ausschließlich aufgrund der Familienzugehörigkeit zu seinem Sohn zuerkannt bekommen habe. Der subsidiäre Schutzstatus des Sohnes des BF sei von seiner Mutter erstreckt bzw. abgeleitet worden, die den subsidiären Schutz aufgrund individueller Gründe erhalten habe. Sowohl der subsidiäre Schutzstatus des Sohnes als auch der Lebensgefährtin des BF seien mit Bescheiden des BFA vom 07.08.2019 aberkannt worden. Da dem BF niemals aufgrund eigener, individueller Zuerkennungsgründe ein Schutzstatus zuerkannt worden sei und jene Bezugspersonen, von welchen seinerzeit sein Schutzstatus „abgeleitet“ worden sei, nicht mehr über einen solchen verfügen würden, sei die Beibehaltung seines Schutzstatus nicht weiter gerechtfertigt. Dem BF werde daher der zuerkannte Status des subsidiären Schutzberechtigten aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen.

11. Gegen diesen Bescheid brachte der BF durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 14.08.2020 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde insbesondere zusammenfassend vorgebracht, dass hinsichtlich der Rückkehrentscheidung das Familienleben des BF zu seinem Sohn, sowie seiner Lebensgefährtin zu berücksichtigen sei. Der gemeinsame Sohn sei immer im Familienverband betreut und erzogen worden und stelle der BF für seinen Sohn eine wichtige Bezugsperson dar. Eine Aufenthaltsbeendigung des Vaters hätte für diesen massive Veränderungen in seinem Alltag zur Folge und seien die Auswirkungen auf die Situation des Sohnes jedenfalls im Sinne des Kindeswohles zu berücksichtigen. Hinzu komme die Tatsache, dass die Lebensgefährtin des BF in regelmäßiger fachärztlich – psychiatrischer auch stationärer Behandlung stehe und Hilfe, sowie Unterstützung benötige, um ihren Alltag bewältigen zu können. Der BF sei vor seiner Inhaftierung im Landesklinikum tätig gewesen und habe mit seinem Einkommen immer wesentlich zum Familieneinkommen beitragen können. Der BF nehme eine unverzichtbar wichtige Position in der Versorgung, Betreuung, Pflege und Erziehung wahr und komme seiner wichtigen Funktion als Vater sehr gut nach. Er sei zudem seiner Lebensgefährtin eine große emotionale und wirtschaftliche Stütze. Beantragt wurde sowohl die Einvernahme der Lebensgefährtin als auch die Einvernahme des Sohnes des BF. Eine Trennung des BF von diesen würde in Abwägung des öffentlichen Interesses mit den persönlichen Interessen des BF, insb. denen des MJ Sohnes des BF, insgesamt einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte darstellen. Betreffend des BF wäre aufgrund seines nunmehrigen privaten Verhältnisse eine positive Zukunftsprognose zu erstellen.

12. Am 19.08.2020 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz AsylG.

Mit Bescheid des BFA vom 31.08.2020 wurde der Antrag des BF auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 19.08.2020 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Dem Bescheid wurde zugrunde gelegt, dass der subsidiäre Schutzstatus des Sohnes des BF von seiner Mutter abgeleitet worden sei, was dem Bescheid des BAA vom 11.08.2006 zu entnehmen sei. Der Lebensgefährtin des BF wurde subsidiärer Schutz aus individuellen Gründen zuerkannt. Sowohl der subsidiäre Schutz des Sohnes des BF als auch jener seiner Lebensgefährtin seien mit Bescheiden des BFA vom 07.08.2019 aberkannt worden. Diese Entscheidungen seien mit 06.09.2019 in Rechtskraft erwachsen.

13. Mit Urkundenvorlage vom 01.12.2020 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ein Dienstvertrag über die Aufnahme als Produktionshilfskraft in Vorlage gebracht.

14. Dem BF wurde den BF seitens des in der Beschwerde insbesondere vorgebrachten besonderen Notwendigkeit eines Verbleibens des BF im Bundesgebiet durch das BVwG Parteiengehör eingeräumt und diesen wurde die Möglichkeit geboten insbesondere ergänzende Ausführungen betreffend der in der Beschwerdeschrift erstatteten Notwendigkeit eines Verbleibens des BF im Bundesgebiet bezogen auf die angeführte Erkrankung der Lebensgefährtin des BF und der Auswirkungen einer Außerlandesbringung betreffend des minderjährigen Sohnes des BF, dessen Kindeswohls, der Frage ob das Familienleben auch in Georgien fortgesetzt werden könnt, hinsichtlich von weiteren Ausführungen betreffend der Erstellung einer validen Zukunftsprognose übermittelt.

15. Mit Stellungnahme vom 23.03.2021 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF unter Übermittlung von zahlreichen Bescheinigungsmitteln zusammenfassend ausgeführt, dass der BF seit seiner Haftentlassung in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und seinem Sohn lebe. Es bestehe ein intensives Familienleben und unterstütze der BF seine Ehefrau im Haushalt und bei der Erziehung des gemeinsamen Sohnes tatkräftig. Zum Sohn bestehe ein sehr enges Verhältnis. Der psychische Zustand der Ehegattin des BF sei nach wie vor sehr schlecht und befinde sie sich diesbezüglich in ständiger fachärztlicher Behandlung. Durch die letzte Verhaftung habe der BF gesehen, in welch prekäre Lage seine Ehefrau und sein Sohn dadurch gekommen seien. Der BF wolle seinen Sohn nie mehr einer derart belastenden Situation aussetzen und sei ihm alles daran gelegen, in Zukunft immer für seinen Sohn und seine Gattin da zu sein. Dies sei eine wesentliche Änderung, die den BF seit der Verbüßung in Haft geprägt habe und könne bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, dass ihn das an der Verhinderung weiterer Straftaten hindern werde. Dem BF sei es nach seiner Haftentlassung gelungen, wieder eine Arbeit zu finden und habe einen strukturierten Alltag mit Einbindung in den Arbeitsmarkt. Er könne mit seinem Einkommen für seine Frau und seinen Sohn sorgen. Den aktuellen Befundberichten sei zu entnehmen, dass die Ehegattin aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung im Alltag bei der Erziehung und Betreuung des vierzehnjährigen Sohnes angewiesen sei. Die Lebensgefährtin als auch das Kind des BVF wären in Österreich fest verankert, eine Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsland der Lebensgefährtin, als auch in Georgien sei undenkbar. Es wäre für den Sohn des BF dort unmöglich, die Schule fortzusetzen und dort eine Arbeit zu finden. Zudem sei es schwer vorstellbar, dass sie dort ihre dringend notwendige Therapie fortsetzen könnte. Zudem gebe es in Österreich einen großen Freundeskreis, Bekanntenkreis und Freundeskreis wie die Geschwister der Ehegattin, welche die Familie hier unterstützen könnte. Die Lebensgefährtin als auch das minderjährige Kind des BF würden wie auch der BF über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügen. Der Stellungnahme wurden ein handschriftliches Schreiben des Sohnes des BF, eine Stellungnahme einer klinischen und Gesundheitspsychologin vom 08.03.2021 über die regelmäßige psychotherapeutische Behandlung der Ehefrau des BF seit Jänner 2016 wegen der Diagnosen „posttraumatische Belastungsstörung, Angststörung“ beigeführt war. Weiters wurden eine Teilnahmebestätigung vom 13.11.2015 über die Teilnahme des BF am Projekt „EDV Modular“ vom 19.10.2015-13.11.2015, eine Kopie des Behindertenpasses sowie eines Aufenthaltstitels der Ehefrau des BF, eine Kopie des Aufenthaltstitels des Sohn des BF, ein handschriftliches Empfehlungsschreiben, ein Zeugnis der Windhager Handelsgesellschaft vom 16.01.2012 über eine Beschäftigung des BF vom 02.06.2009-09.12.2011 als Kommissionierer und Staplerfahrer, ein Dienstzeugnis vom 07.04.2016 über eine Beschäftigung des BF vom 02.07.2014-18.12.2014 bzw. vom 25.03.2015-30.09.2015 als Lagerarbeiter, ein Zeitungsartikel, eine Bestätigung eines Geschäftsführers einer Personalmanagement GmbH vom 01.03.2021 über eine Beschäftigung als Produktionsmitarbeiter seit dem 06.10.2020 (unbefristetes Dienstverhältnis), eine Kopie eines „Bachelor Diploma“ der „Agricultural University of Georgia“, eine fachärztliche Stellungnahme einer Fachärztin für Psychiatrie vom 08.03.2021 über die fachärztlich-psychiatrische Behandlung der Ehefrau des BF seit dem Jahr 2014 in Verbindung mit vier stationären Rehabilitationsaufenthalten, eine Teilnahmebestätigung der Fort- und Weiterbildungsakademie des BF, ein Empfehlungsschreiben der Schwester der Ehefrau des BF vom 06.03.2021, zwei weitere Empfehlungsschreiben, ein ÖSD Diplom vom 27.11.2012 über ein befriedigend bestandenes B1 Zertifikat, eine Lohn/Gehaltsabrechnung des BF für Jänner sowie Februar 2021 über eine Tätigkeit als Produktionshilfskraft (Nettolohn: 1.849,48 bzw. 1.588,98), ein handschriftliches Schreiben der Ehefrau des BF, ein Dienstzeugnis der Personalabteilung vom 25.10.2018, eine Kopie eines Kranführerausweises sowie eines Führerscheins des BF, ein Zeugnis vom 03.03.2014 über eine Tätigkeit des BF als Handelsangestellter vom 02.04.2012-28.02.2014 und ein Zertifikat vom 29.01.2010 über die Ablegung der Prüfung „Deutsch“ am 29.01.2010 in Vorlage gebracht.

16. Mit Dokumentenvorlage des gewillkürten Vertreters vom 07.05.2021 wurde dem BVwG ein Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung übermittelt, wonach dem minderjährigen Kind des BF, sowie dessen Lebensgefährtin bescheidmäßig die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft binnen 2 Jahren zugesichert wurde, sofern diese die Entlassung aus den bisherigen Staatsverbänden binnen 2 Jahren nachweisen.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger Georgiens, wurde in Gori geboren und besuchte 11 Jahre lang die Schule. Er hat Bachelor Studium an einer Agraruniversität in Georgien absolviert. Er hat im Herkunftsstaat keinen Beruf erlernt und nicht gearbeitet.

Im Heimatland leben nach wie vor die Eltern und der Bruder des BF und der BF steht mit diesen in regelmäßigen Kontakt.

Der BF ist gesund, arbeitsfähig und leidet unter keinen lebensbedrohlich schweren physischen oder psychischen Erkrankungen.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich nicht unbescholten.

1.2 Zum Verfahrensgang:

Der BF war zunächst nach unberechtigter Einreise in das Bundesgebiet ab November 2004 als Asylwerber aufhältig und wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 20.05.2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Am 04.09.2008 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und war seit Jänner 2009 als subsidiär Schutzberechtigter mit einer bis zum 15.02.2009 von seinem Sohn abgeleiteten, befristeten Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet aufhältig, die zuletzt bis zum 15.02.2014 verlängert wurde.

Am 06.07.2015 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU und dem BF wurde am 09.07.2015 eine bis zum 08.07.2020 gültige „Daueraufenthalt- EU“ Karte ausgestellt.

Dem BF wurde mit Bescheid des BAA vom 07.01.2009 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.02.2009 erteilt, da seinem Sohn mit Bescheid des BAA vom 11.08.2006, 06 08-278-BAS, der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt wurde, sodass auch er denselben Schutz erhalten hat. Der subsidiäre Schutzstatus wurde von der Lebensgefährtin des BF auf den gemeinsamen Sohn erstreckt. Weitere Gründe wurden in die Erwägungen des Zuerkennungsbescheides nicht einbezogen.

Mit den Bescheiden des BFA vom 07.08.2019, Zl. (1) 190488722, (2) 190488617 wurde dem Sohn bzw. der Lebensgefährtin des BF der subsidiäre Schutz gemäß § 9 AsylG aberkannt. Diese Bescheide erwuchsen am 06.09.2019 in Rechtskraft. Das BFA hat im angefochtenen Bescheid daher richtig dargelegt, dass dem BF, dem nicht aufgrund individueller, persönlicher Umstände subsidiärer Schutz gewährt wurde, durch die Aberkennung des subsidiären Schutzes seines Sohnes mit Bescheid vom 07.08.2019, Zl. (1) 190488722, nunmehr der Status des subsidiär Schutzberechtigten auch abzuerkennen ist und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung ebenfalls zu entziehen ist. Das BFA hat insgesamt zu Recht erkannt, dass sich in einer Gesamtsicht jene Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, nachhaltig und wesentlich geändert haben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16.07.2020, Zl. 313171404/200124748, wurde dem BF der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiärer Schutzberechtigter wurde entzogen. (Spruchpunkt II.) Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen wird (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt VII.).

Am 19.08.2020 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz AsylG.

Mit Bescheid des BFA vom 31.08.2020 wurde der Antrag des BF auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 19.08.2020 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Dem Bescheid wurde zugrunde gelegt, dass der subsidiäre Schutzstatus des Sohnes des BF von seiner Mutter abgeleitet worden sei, was dem Bescheid des BAA vom 11.08.2006 zu entnehmen sei. Der Lebensgefährtin des BF wurde subsidiärer Schutz aus individuellen Gründen zuerkannt. Sowohl der subsidiäre Schutz des Sohnes des BF als auch jener seiner Lebensgefährtin sind mit Bescheiden des BFA vom 07.08.2019 aberkannt worden und diese Entscheidungen sind mit 06.09.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdevorlage gegen die Abweisung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde am 02.10.2020 eingebracht und langte am 09.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.3: Zum Beschwerdegegenstand:

Im Bundesgebiet befinden sich die Lebensgefährtin des BF, als auch dessen minderjähriger Sohn.

Diesen Bezugspersonen wurde der zuvor zuerkannte subsidiäre Schutz mit Bescheiden des BFA vom 06.09.2019 rechtskräftig aberkannt.

Dem BF wurde nicht aufgrund individueller Schutzgründe, sondern ausschließlich abgeleitet von Schutzstatus der Bezugspersonen ein subsidiärer Schutz zuerkannt.

Der BF erfüllt unter Berücksichtigung der aktuellen Situation in Georgien, sowie auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse, dies auch unter besonderer Berücksichtigung der gegenwärtigen Lage aufgrund der weltweiten Corona 19 Pandemie, gegenwärtig nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus eigenen Gründen, bzw. bedarf dieser keines subsidiären Schutzes in Österreich.

Das BFA hat insgesamt zu Recht erkannt, dass sich aufgrund der rechtskräftigen Aberkennung des subsidiären Schutzes in Bezug auf die relevanten Bezugspersonen auch für den BF in einer Gesamtsicht jene Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, verfahrensrelevant nachhaltig und wesentlich geändert haben.

Das BFA hat dem BF zu Recht den mit Bescheid vom 07.01.2009 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. §9 Abs. 1 Z1 AsylG aberkannt, sowie die mit Bescheid vom 07.01.2019 befristet erteilte Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter gem. §9 Abs. 4 AsylG entzogen.

Der BF erfüllt nicht die Voraussetzungen betreffend die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gem. §57 AsylG.

Eine Abschiebung und Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat Georgien stellt aufgrund der dortigen allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte dar.

Eine Abschiebung und Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat Georgien stellt gegenwärtig in Abwägung des persönlichen Interesses des BF am Verbleib in Österreich, unter Berücksichtigung dessen privater Situation im Bundesgebiet, in dem sich die krankheitsbedingt frühpensionierte Lebensgefährtin des BF, sowie dessen minderjähriger Sohn aufhalten, unter besonderer weiter Berücksichtigung des Kindeswohls, sowie auch in Abwägung des hohen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremden und Asylwesens und der Wahrung der öffentliche Ordnung und Sicherheit, hierzu auch unter expliziter Berücksichtigung der durch den BF im Bundesgebiet verübten Straftaten, zum aktuellen Zeitpunkt einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

1.3.    Zur Integration des BF im Bundesgebiet

In Österreich leben die Lebensgefährtin und der Sohn des BF, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde. Dem minderjährigen Sohn des BF, einem kosovarischen Staatsbürger, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.08.2006, 06 08-378-BAS, der Status des subsidiären Schutzberechtigten zuerkennt. Mit Bescheid des BFA vom 07.08.2019, Zl. 480340802/190488722, wurde dem Sohn des BF dieser Status wieder aberkannt. Dieser Bescheid erwuchs mit 06.09.2019 in Rechtskraft. Der Sohn ist das leibliche Kind des BF und besucht die Neue Mittelschule. Der Sohn des BF hält sich nunmehr ebenfalls mit einem von 15.06.2019-14.06.2024 gültigen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ in Österreich auf. Die Lebensgefährtin hält sich nach Aberkennung des subsidiären Schutzes ebenfalls mit einem von 15.06.2016 bis zum 14.06.2021 gültigen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ in Österreich auf. Der BF ist seit 15 Jahren mit seiner Lebensgefährtin zusammen und hat mit dieser einen gemeinsamen 14-jährigen Sohn. Es bestand seit dem Jahr 2005 ein gemeinsamer Haushalt mit der Lebensgefährtin und nach der Geburt des Sohnes auch mit dem gemeinsamen Sohn, der lediglich durch die Inhaftierung des BF von 16.01.2020-16.11.2020 unterbrochen wurde. Der BF ist seinem Sohn gegenüber zum Unterhalt verpflichtet.

Es ist aufgrund des Umstandes, dass der BF eine enge Bindung zu seinem in Österreich zum Daueraufenthalt berechtigten Sohn und seiner Lebensgefährtin hat sowie auch aufgrund der Länge seines Aufenthalts seit mehr als 16 Jahren in Österreich (durchgehender legaler Aufenthalt seit 2009), bei einer Außerlandesbringung von einem schwerwiegenden Eingriff in das Familienleben auszugehen.

Der BF hat einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 absolviert und war vor seiner Inhaftierung fünf Jahre in einer Logistikabteilung beschäftigt. Er war vom 02.06.2009-09.12.2011 als Kommissionierer und Staplerfahrer bei der Windhager Handelsgesellschaft tätig und war vom 02.07.2014-18.12.2014 bzw. vom 25.03.2015-30.09.2015 als Lagerarbeiter tätig.

Der BF ist nunmehr seit dem 06.10.2020 als Produktionshilfskraft bei der Firm, Top-Job Personalmanagement beschäftigt. Er hat Deutschkenntnisse und eine Prüfung auf dem Niveau B1 absolviert und an einem EDV Modular bzw. an der Veranstaltung „Datenschutz“ bzw. „Datensicherheit“ teilgenommen. Es kann jedenfalls nicht erkannt werden, dass der BF seinen 16-jährigen Aufenthalt in Österreich gar nicht genutzt hat, um sich beruflich zu integrieren. Der BF ist legal in Österreich aufhältig und selbsterhaltungsfähig und selbst unter Berücksichtigung der Straftaten des BF überwiegen aufgrund des 16jährigen Aufenthalts sowie des Naheverhältnisses zu seinem Sohn die persönlichen Interessen des BF in Österreich. Es liegt daher im gegenständlicher Fall ein unzulässiger Eingriff in Art. 8 EMRK vor.
1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Politische Lage

Letzte Änderung am 16.3.2020

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 10.3.2020).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 10.3.2020).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die übernächsten, 2024 stattfindenden Wahlen beschlossen (KP 23.11.2019a; vgl. RFE/RL 28.11.2019). Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bereits bei der für Oktober 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollten (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019). Die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit zur Abänderung des Wahlgesetzes für die Wahl 2020 kam infolge des parlamentarischen Abstimmungsverhaltens der Regierungspartei „Georgischer Traum“ nicht zustande (KP 23.11.2019a, vgl. NZZ 20.11.2019).

Als Reaktion demonstrierten ab Mitte November zeitweise Tausende im Zentrum von Tiflis. Die Polizei löste die Blockade des Parlamentsgebäudes am 18.11.2019 unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern auf und nahm etliche Demonstranten fest (RFE/RL 28.11.2019, NZZ 20.11.2019, JAMNews 20.11.2019, KP 23.11.2019a). Bei neuerlichen Demonstrationen am 25.11.2019 waren rund 30 Menschen festgenommen worden, nachdem die Protestierenden versucht hatten die Eingänge des Parlamentsgebäudes zu blockieren (ZO 26.11.2019). Dies wiederholte sich am 28.11.2019 (RFE/RL 28.11.2019).

Zu Beginn des Jahres 2020 kam es zu Verhandlungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien, wobei im März 2020 ein Kompromiss erzielt werden konnte. Bei den kommenden Wahlen im Oktober 2020 werden 120 Abgeordnete über proportionale Parteilisten und 30 Abgeordnete über das Mehrheitswahlsystem (Wahlkreise mit einem einzigen Mandat) gewählt werden. Die Wahlhürde für die Verhältniswahl wird auf 1% der Stimmen festgelegt. Es wird ein Begrenzungsmechanismus eingeführt, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40 % der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. 30 Wahlkreise werden definiert, deren Abweichung von der durchschnittlichen Größe der Wahlkreise nicht mehr als 15 % beträgt. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020).

Quellen:

?        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

?        civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https://civil.ge/archives/341385, Zugriff 9.3.2020

?        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

?        JAMnews (20.11.2019): Protests in Tbilisi continue after dispersal – demonstrators plan to disrupt parliament, https://jam-news.net/protests-in-tbilisi-continue-after-dispersal-demonstrators-plan-to-disrupt-parliament/, Zugriff 22.11.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

?        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

?        KP – Kaukasische Post (23.11.2019a): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078, Zugriff 17.1.2020

?        KP – Kaukasische Post (23.11.2019b): Welches Wahlrecht für Georgien?, http://www.kaukasische-post.com/?p=3075, Zugriff 17.1.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (20.11.2019): Georgiens Politiker manövrieren sich in eine Sackgasse, https://www.nzz.ch/international/georgien-proteste-nach-gebrochenem-versprechen-ld.1522982, Zugriff 22.11.2019

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliament-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html, Zugriff 2.12.2019RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

?        Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

?        Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

?        ZO – Zeit Online (26.11.2019): Zahlreiche Festnahmen bei regierungskritischen Protesten, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/georgien-tbilissi-proteste-wahlsystem-reform, Zugriff 2.12.2019

Sicherheitslage

Letzte Änderung am 12.9.2019

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung am 16.3.2020

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 19.10.2019).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 10.3.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

•        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

•        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung am 16.3.2020

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für die Durchsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation der Strafverfolgung und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitsdienste und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, der für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (USDOS 11.3.2020).

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. NGOs fordern jedoch eine organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium (AA 19.10.2019).

Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt (USDOS 11.3.2020) und Straffreiheit bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 14.1.2020; vgl. USDOS 11.3.202013.3.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Das 2018 geschaffene Büro der staatlichen Inspektoren (State Inspector‘s Office) nahm seine Arbeit am 1.11.2019 auf (HRW 14.1.2020). Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

•        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Georgia, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/georgia, Zugriff 17.1.2020

•        PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

•        SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung am 5.2.2020

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte sind explizit in eigenen Verfassungsartikeln aufgeführt. Mit dem Büro des Public Defenders (Ombudsperson), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, sodass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 19.10.2019)

Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in konkrete Richtungen vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen. Allerdings steht der Staat nach wie vor vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gleichstellung aller zu gewährleisten. Die Gesetzgebung hat sich 2018 für konkret gefährdete Gruppen nicht verbessert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind von Ungleichheit betroffen. Die LGBTI-Gemeinschaft ist mit außergewöhnlicher Aggression und Diskriminierung konfrontiert. Der Staat unternimmt keine wirksamen Schritte, um das Bewusstsein in der Gesellschaft diesbezüglich zu verbessern (HRC 2019). Der unabhängige Ermittlungsmechanismus, der Überschreitungen von Amtsbefugnissen objektiv untersuchen soll, war 2018 noch nicht geschaffen (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019). Die Justiz erfüllte 2018 nicht die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Verfahrensrechte für Opfer haben sich nicht verbessert (HRC 2019). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 14.1.2020).

Im Jahr 2018 wurden die Grundrechte von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit mehrfach verletzt. Beobachtet wurde auch die Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Strafverfolgungsbehörden (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444206.html, Zugriff 26.8.2019

?        HRC – Human Rights Center (2019): Annual Report, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Georgia, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/georgia, Zugriff 17.1.2020

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung am 16.3.2020

Die Medienlandschaft ist dynamisch und pluralistisch, aber auch polarisiert. Rechtliche Auseinandersetzungen um den Besitz von Fernsehsendern schüren weiterhin die politische Kontroverse über eine mögliche politische Einmischung in den Medienpluralismus und die Justiz (EC 30.1.2019, vgl. RWB 2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor. Die Bürger können dieses Recht im Allgemeinen frei ausüben, obwohl es Vorwürfe gibt, die Regierung schütze die Freiheiten zuweilen nicht ausreichend. Im Laufe des Jahres 2019 äußerten Journalisten, NGOs und die internationale Gemeinschaft Bedenken hinsichtlich des Umfelds für den Medienpluralismus. Einige Medien und NGOs äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Lage der Medien und den politischen Einfluss. Straftaten gegen Medienschaffende, Bürgerreporter und Medienunternehmen sind selten. Bei den Protesten im Juni 2019 wurden einige Journalisten verletzt und einzelne NGOs geben an, dass Journalisten von der Polizei gezielt angegriffen wurden (USDOS 11.3.2020).

Die Bürger genießen im allgemeinen Meinungsfreiheit, auch in der Online-Kommunikation. Allerdings haben Watchdog-Gruppen in den letzten Jahren Bedenken geäußert, dass verschiedene sicherheitsrelevante Gesetze die staatlichen Behörden befähigen, Überwachung und Datenerfassung ohne eine angemessene unabhängige Aufsicht vorzunehmen (FH 10.3.2020, vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Reformen der letzten Jahre haben die Transparenz des Medienbesitzes und den Pluralismus des Satellitenfernsehens verbessert, aber die Eigentümer bestimmen immer noch häufig die redaktionellen Inhalte. Gewalt gegen Journalisten kommt seltener vor, obwohl häufig von Drohungen berichtet wird. Laut „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Georgien im „World Press Freedom Index 2019“ auf Platz 60 von 180 Ländern und verbesserte sich um einen Rang im Vergleich zu 2018 (RWB 2019).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

?        RWB – Reporter Without Border (2019): Georgia - Pluralist but not yet independent, Media independence, the final frontier; https://rsf.org/en/georgia, Zugriff 26.8.2019

?        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung am 16.3.2020

Es gibt weder formelle noch informelle Einschränkungen oder Eingriffe der Regierung in die Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit (BTI 1.2018). Die politische Opposition kann ungehindert agieren und die bestehende Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen (AA 19.10.2019). Es gibt jedoch vereinzelt Berichte darüber, dass Regierungsvertreter und deren Unterstützer Angehörige der Opposition, Mitarbeiter der Zentral- und Kommunalverwaltung sowie Lehrer und Gewerkschaftsmitglieder durch Überwachungsmaßnahmen und angedrohte oder tatsächliche Entlassungen unter Druck gesetzt hätten (BAMF 11.2018).

Menschenrechtsorganisationen äußerten sich besorgt über die gesetzlichen Bestimmungen, darunter die Verpflichtung, dass politische Parteien und andere Organisationen den lokalen Behörden fünf Tage im Voraus mitteilen müssen, wenn sie sich in einem öffentlichen Bereich versammeln wollen, wodurch spontane Demonstrationen ausgeschlossen werden (USDOS 11.3.2020).

Illegale Beschränkungen bei der Errichtung von temporären Aufbauten während Demonstrationen und die ineffektive Kontrolle von Gegendemonstrationen durch Strafverfolgungsbeamte sind die Hauptprobleme bei der Verwirklichung der Versammlungsfreiheit. Im Zusammenhang mit der Verwirklichung der Vereinigungsfreiheit, verursachen die Versuche der staatlichen Institutionen, die Aktivitäten der NGOs zu diskreditieren, Probleme (PD 2.4.2019).

Die Regierung hat die Gesetze, die die Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer vorsehen und gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung verbieten, nicht wirksam durchgesetzt. Die Verletzungen der Arbeitnehmerrechte bleiben bestehen. Es gibt keine wirksamen Strafen oder Rechtsbehelfe für willkürlich entlassene Mitarbeiter. Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsrechte sind mit langen Verzögerungen verbunden (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.2018): Information des BAMF – Länderanalyse Georgien - Länderreport 5, http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Herkunftslaenderinformationen/georgien-laenderreport-2018-11.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 26.8.2019

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

?        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020


Religionsfreiheit

Letzte Änderung am 16.3.2020

In Bezug auf die Religionsfreiheit sind die Wiederherstellung von historischem Eigentum, Verstöße im Bildungsbereich, ein ungleiches Umfeld und eine ineffektive und unangemessene Reaktion auf Straftaten, die aufgrund religiöser Intoleranz begangen werden, seit Jahren ein Problem (PD 2.4.2019).

Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses oder die Behinderung der Religionsausübung sind unter Strafe gestellt. Ein Religionsrat beim Büro der Ombudsperson mit Vertretern von 22 religiösen Organisationen fördert Austausch, Aktivitäten und Integration der verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Die georgisch-orthodoxe Kirche besitzt eine privilegierte Stellung, aber auch andere religiöse Organisationen erhalten staatliche Förderung. Angehörige religiöser Minderheiten müssen jedoch mit Intoleranz und Nachteilen im gesellschaftlichen und beruflichen Leben rechnen, z.B. bei der Besetzung öffentlicher Ämter in verschieden Regionen (AA 19.10.2020).

Die Verfassung sieht völlige Religionsfreiheit, Trennung von Kirche und Staat und Gleichheit für alle ungeachtet der Religion vor. Sie verbietet Verfolgung aufgrund der Religion. Gesetze und Richtlinien gewähren der Georgisch-Orthodoxen Kirche (GOK) jedoch Privilegien, die keiner anderen religiösen Gruppe gewährt werden (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 10.3.2020). Im Juli 2018 erklärte das Verfassungsgericht jedoch sowohl die Steuer- als auch die Vermögensvorteile der GOK für verfassungswidrig und verlangte eine Gesetzeskorrektur bis zum 31.12.2018 (USDOS 21.6.2019, vgl. civil.ge 4.7.2018), ansonsten wären die betroffenen Gesetzesabschnitte als ungültig zu betrachten (civil.ge 4.7.2018). Das Parlament ergriff allerdings keine Maßnahmen, das Recht auf Gleichstellung religiöser Organisationen zu gewährleisten und ließ die Frist verstreichen. Die verfassungswidrigen Rechtsnormen wurden deshalb am 31.12.2018 für ungültig erklärt (TDI 19.5.2019).

NGOs berichten weiterhin über einen Mangel an effektiven Ermittlungen zu Verbrechen, die durch religiösen Hass motiviert waren, doch habe sich die Qualität der Ermittlungen verbessert. Laut dem Büro der Ombudsperson wurden 2018 19 Fälle von Gewalt aufgrund religiöser Intoleranz gemeldet, verglichen mit fünf Fällen 2017. Einige NGOs und religiöse Minderheitengruppen berichten weiterhin über Widerstand nationaler und lokaler Behörden gegen den Bau von Gebäuden für religiöse Zwecke durch religiöse Minderheitengruppen. Es gibt Berichte über Vandalismus gegen Einrichtungen religiöser Minderheiten. Vertreter von Minderheitengruppen berichten über die weit verbreitete gesellschaftliche Überzeugung, dass religiöse Minderheitengruppen eine Bedrohung für die GOK und die kulturellen Werte des Landes darstellen. Die NGO Media Development Foundation (MDF) dokumentierte 2018 mindestens 140 Fälle von religiös intoleranten Äußerungen in nationalen Medien, gegenüber 92 im Jahr davor. (USDOS 21.6.2019). Religiöse Minderheiten - darunter Zeugen Jehovas, Baptisten, Pfingstler und Muslime - haben von Diskriminierung und Feindseligkeit, auch seitens georgisch-orthodoxer Priester und Anhänger berichtet, und dass sie vom Staat unzureichend geschützt werden (FH 10.3.2020).

Quellen

?        AA – Auswä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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