Entscheidungsdatum
16.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W205 2230664-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1992, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.04.2020, Zl. 1262377600/200244875, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsbürger, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.03.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der am selben Tag (03.03.2020) von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, in XXXX , Indien geboren zu sein. Er sei ledig und spreche Punjabi und schlecht Englisch. Er gehöre der Religion der Sikh und der Volksgruppe der Jat an. Zu seiner Ausbildung führte er aus, er habe zehn Jahre die Grundschule, zwei Jahre ein College und drei Jahre die Uni für Landwirtschaft besucht. Gearbeitet habe er als Landwirt. In Österreich habe er keine Familienangehörigen, sein Vater und seine Mutter würden in Indien wohnen. Den Entschluss zur Ausreise habe er vor ca. sechs Monaten gefasst, er sei im Jänner 2020 mit dem Flugzeug nach Russland geflogen und über unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Er habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht oder ein Visum beantragt, er wisse aber nicht, ob der Schlepper ein Visum besorgt habe. Ein bestimmtes Reiseziel habe er nicht gehabt. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, es habe Grundstücksstreitigkeiten mit dem Verkäufer gegeben, er sei von dem Verkäufer bedroht worden. Der Staat kümmere sich nicht darum aber es gebe ein Verfahren. Das Verfahren sei beim Höchstgericht und er werde, laut seinem Anwalt, das Grundstück nach ca. eineinhalb Jahren bekommen. Dann wolle er wieder zurück. Das seien alle und seine einzigen Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr sei sein Leben in Gefahr, er habe Angst, dass man ihm eine fingierte Anzeige anhänge.
Dem Schreiben des BFA vom 12.03.2020 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer freiwillig auf Leistungen der Grundversorgung verzichtete.
Am 13.03.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Rechtsberaters und eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte insbesondere wie folgt aus:
„(…)
LA: Wo sind Sie derzeit wohnhaft?
VP: In Wien.
LA: Sie sind verpflichtet der Behörde Ihren Aufenthaltsort, Ihre Anschrift und deren
allfällige Änderungen sofort bekanntzugeben, sich längstens binnen drei Tagen
bei der Meldebehörde anzumelden. Was sagen Sie dazu?
VP: Ok.
LA: Sie wurden wegen einer Abwesenheit von 48 h aus der BS abgemeldet. Was
sagen Sie dazu?
VP: Darüber wusste ich nichts.
LA: Wer ist Ihr Unterkunftgeber?
VP: Ein Freund.
LA: Wie heißt Ihr Freund?
VP: XXXX .
LA: Wer wohnt an dieser Meldeadresse?
VP: Insgesamt sind wir 4 Personen. Nachgefragt sind das alles Freunde, XXXX lebt auch dort.
LA: Wie finanzieren Sie die Miete?
VP: Ich zahle keine Miete, er ist mein Freund.
LA: Sind Sie in Besitz von Mitteln?
VP: Nein.
LA: Gehen Sie derzeit einer Beschäftigung nach?
VP: Nein.
Dem AW wird eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens
gegeben und Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme mitgeteilt.
LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?
VP: Gut.
LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht? Möchten Sie Ergänzungen zu Ihrer am 03.03.2020 durchgeführten Erstbefragung tätigen?
VP: Ich habe die Wahrheit gesagt, ich möchte keine Ergänzungen machen.
LA: Verfügen Sie über Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?
VP: Derzeit nicht, aber ich könnte mir aus Indien welche beschaffen.
Anm.: Der AW wird darauf hingewiesen alles in die Wege zu leiten um sich die Dokumente zu beschaffen.
LA: Haben Sie Beweismittel oder sonstige Schriftstücke die Sie vorlegen können?
VP: Nein, alles was ich hatte ist in Indien.
LA: Welche Schule haben Sie besucht oder Haben Sie eine Ausbildung absolviert? Wenn ja, wie lange und in welcher Art?
VP: Ich ging 12 Jahr lang in die Grundschule und danach habe ich ein Bachelorstundium abgeschlossen. Nachgefragt habe ich Landwirtschaft studiert.
LA: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt?
VP: Ich habe als Landwirt gearbeitet.
LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z.B. Häuser, Grund? Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?
VP:Meine Familie hat mehrere Felder, Grundstücke und ein Haus. Nachgefragt sind diese Besitztümer im Punjab, in XXXX (Stadt).
LA: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?
VP: Nein.
LA: Geben Sie die letzte Adresse aus Ihrem Heimatland an!
VP: In XXXX .
LA: Können Sie eine genaue Adresse angeben?
VP: Es gibt eine Umgebungsnummer, es gibt dort auch ein Spital. XXXX XXXX , XXXX (Stadt), Punjab (Provinz). Nachgefragt habe ich dort mit meiner Familie in einem Haus gelebt.
LA: Haben Sie Angehörige in Ihrem Heimatland? Wenn ja, welche und wo halten sich diese auf?
VP: Meine gesamten Verwandten. Nachgefragt leben meine Eltern in Indien, Geschwister habe ich keine.
LA: Haben Sie Kontakt zu Ihren Angehörigen?
VP: Ja.
LA: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt?
VP: Gestern.
LA: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?
VP: Mein Vater ja, ich nicht.
LA: Sind Sie arbeitsfähig?
VP: Ja.
LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen?
VP: Nein.
L: Sprechen Sie Deutsch?
A: Ein wenig ja.
LA: Haben Sie Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich? Wie oft sehen Sie diese?
VP: Nein.
LA: Leben Sie mit jemand in Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft? Wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft!
VP: Nein.
LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte schildern Sie möglichst konkret und detailliert!
VP: Ich habe Probleme wegen unseres Hauses. Ich werde ca. 1 Jahr noch brauchen bis ich nach Indien zurückkehren kann, das heißt bis dahin sollten die Probleme gelöst werden. Außerdem ist mein Vater politisch engagiert, wir werden deshalb mit schrägen Augen angeschaut. Wir sind unbeliebt da sich mein Vater der Politik widmet. Ich bin sein einziger Sohn. Mein Vater hat Angst, dass ich getötet werde, er sagte mir, dass ich ins Ausland gehen soll damit ich dort gefahrlos leben kann. Mein Vater ist gerade dabei unsere Grundstücke zu verkaufen, sobald sie verkauft sind hoffe ich, dass die Probleme gelöst werden.
LA: Sind das alle Fluchtgründe bzw. jene Gründe weshalb Sie Ihr Heimatland verlassen haben?
VP: Ja das ist der Grund warum ich geflüchtet bin.
LA: Können Sie die Grundstücksprobleme näher beschreiben?
VP: Unsere Grundstücke haben viel an Wert zugenommen, unsere Gegner haben ein Auge auf unsere Grundstücke geworfen, sie haben es in Besitz genommen. Als mein Vater zur Polizei ging wurde uns nicht geholfen, sie wissen ja wie die Polizei in Indien ist, sie ist korrupt.
LA: Wer sind Ihre „Gegner“?
VP: Sie leben in der Stadt, sie haben gute Beziehungen zu politischen Führern.
LA: Zu welchen politischen Führern?
VP: Mit den Führern die an der Macht sind, sie kennen viele Leute.
LA: Welche Führer sind an der Macht?
VP: Mit XXXX XXXX .
LA: Mit sind noch jemandem?
VP: Nein.
LA: Sie haben von Führern gesprochen!
VP: Er ist der mächtigste, sie haben auch mit anderen Kontakt, aber er ist die Hauptperson.
LA: Welcher Partei gehört er an?
VP: Der Kongress Partei.
LA: Welche Stellung hat XXXX XXXX ?
VP: Er ist der XXXX , er ist ein Minister in Punjab.
LA: Wie heißen Ihre Gegner?
VP: XXXX und XXXX , das sind 2 Brüder.
LA: Kennen Sie diese Personen?
VP: Ja.
LA: Wie sind die Grundstücksprobleme nun entstanden?
VP: Die Grundstücke gehören uns, sie nehmen sie in Besitz.
LA: Wie nehmen sie die Grundstücke in Besitz?
VP: Sie fälschen Dokumente und geben an das die Grundstücke ihnen gehören, die Behörden helfen ihnen dabei.
LA: Hatten Sie mit diesen Personen persönliche Probleme?
VP: Ja einige Male.
LA: Erzählen Sie davon!
VP: Es war so, dass sie auf unser Grundstück kamen und einen Zaun errichten wollten, dabei habe ich ihnen gesagt warum sie das tun, dass das mein Grundstück ist. Sie behaupteten, dass die Grundstücke uns gehörten aber nun in ihrem Besitz sind.
LA: Weiter!
VP: Danach kam die Polizei, sie sagten weder meinen Gegnern noch mir etwas, sie sagten nur, dass das Gericht über den Besitz der Grundstücke entscheiden wird.
LA: Was ist dann passiert?
VP: Dann wurde ein Verfahren eingeleitet.
LA: Was ist mit diesem Verfahren?
VP: Das Verfahren läuft noch.
LA: Weshalb sahen Sie die die Notwendigkeit Ihr Heimatland zu verlassen, wenn
das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist?
VP: Weil ich mit dem Tod bedroht wurde.
LA: Weshalb haben Sie das bis dato nicht erwähnt?
VP: Ich habe es vergessen.
LA: Sie haben vergessen mit dem Tod bedroht worden zu sein?
VP: Ja, ich dachte sie stellen mir Fragen und ich antworte darauf.
LA: Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Behörden, durch Nachfragen derartige Details zu erfragen. Ich habe Sie zu Beginn darauf hingewiesen sich Zeit zu nehmen, Ihre Fluchtgründe konkret und detailliert zu schildern!
VP: Ok.
LA: Wann und von wem wurden Sie mit dem Tod bedroht?
VP: Die Brüder bedrohten mir 2-3 Mal mit dem Tod.
LA: 2 oder 3 Mal?
VP: 3 Mal.
LA: Erzählen Sie mir von dem 1. Mal
VP: Die 1. Bedrohung fand indirekt statt, ich habe von Leuten erfahren, dass die Brüder herumerzählen, dass sie mich töten werden, wenn ich weiterhin für die Grundstücke kämpfe.
LA: Wann war das?
VP: Im Juni oder Juli 2019.
LA: Von wem haben Sie das erfahren?
VP: Sie haben einen Mann zu uns nach Hause geschickt.
LA: Sie haben vorhin gesagt, von Leuten erfahren zu haben, dass die Brüder das herumerzählen!
VP: Ja, wir haben es von Leuten erfahren.
LA: Sie haben soeben angegeben ein Mann wäre zu Ihnen nach Hause gekommen!
VP: Ja, zuerst haben wir es von Leuten erfahren und dann ist ein Mann zu uns nach Hause gekommen.
LA: Von welchen Leuten haben Sie das erfahren?
VP: Diejenigen die in der Nähe von uns wohnen.
LA: Erzählen Sie von dem Mann der zu Ihnen nach Hause geschickt worden ist!
VP: Der Mann kam zu uns nach Hause und fragte ob wir nichts gehört haben, dass die 2 Brüder mich töten möchten. Wir haben uns danach informiert und haben bestätigt bekommen, dass sie das schon vielen Leuten erzählt haben.
LA: Sie haben vorhin angegeben es schon gewusst zu haben weil die Leute es Ihnen zuerst erzählt haben.
VP: Ja haben sie.
LA: Weshalb mussten Sie sich dann darüber nochmals informieren?
VP: Um es bestätigt zu bekommen.
LA: Wer war dieser Mann?
VP: Das war einer der in der Nähe von uns gewohnt hat.
LA: Wer hat ihn nun geschickt?
VP: Die 2.
LA: Weshalb?
VP: Um die Bedrohung auszusprechen, er sagte wir sollen das Verfahren zurückziehen.
LA: Erzählen Sie von der 2. Bedrohung!
VP: Da habe ich auch die Bedrohung von Leuten erfahren, es war wieder eine indirekte Bedrohung. Ich hatte Angst daraufhin.
LA: Wie haben Sie das erfahren?
VP: Von den Leuten.
LA: Wie ist das abgelaufen?
VP: Als ich draußen war wurde es mir gesagt.
LA: Erzählen Sie von der 3. Bedrohung!
VP: Das 3. Mal habe ich auf der Landwirtschaft gearbeitet, da habe ich es ebenso von einer dritten Person erfahren.
LA: Das bedeutet Sie wurden niemals von diesen Leuten bedroht?
VP: Persönlich, nur beim ersten Mal als es zum Streit kam.
LA: Wann soll das stattgefunden haben, sie haben gesagt die Bedrohung von Leuten erfahren zu haben!
VP: Ich meine das erste Mal, als die Polizei gekommen ist.
LA: Sie haben vorhin nichts von einer Bedrohung beim ersten Treffen angegeben!
VP: Ja ich wurde erst danach bedroht.
LA: Das bedeutet sie wurden niemals persönlich von diesen Leuten bedroht?
VP: Nein.
LA: Sie hatten also nur 1 Mal persönlichen Kontakt mit diesen Leuten?
VP: Ja.
LA: Wie geht es Ihren Eltern?
VP: Gut.
LA: Sie haben zu Beginn der Befragung angegeben aufgrund des politischen Engagements Ihres Vaters von anderen „mit schrägen Augen“ angesehen zu werden. Können Sie das näher beschreiben?
VP: Es ist ja klar, dass wenn es mehrere Parteien gibt, es auch mal zu Streitigkeiten zwischen den Parteien kommt.
LA: Wie sind Sie darin nun persönlich involviert?
VP: Wir haben einen Anwalt eingeschaltet, der uns bei dem Grundstückstreit hilft. Wie bereits erwähnt haben die 2 Brüder guten Kontakt zu hohen Führern.
LA: Haben Sie aufgrund des politischen Engagements Ihres Vaters nun persönliche Probleme?
VP: Nein ein persönliches Problem diesbezüglich habe ich nicht. Ich habe nur ein Problem aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten.
LA: Woher kennen Sie Ihre Gegner, die Brüder?
VP: Vom Dorf, alle kennen sie. Sie haben ein Grundstückshandel.
LA: Weshalb sollten diese Leute Ihr Grundstück einfach so in Besitz nehmen?
VP: Das weiß ich nicht, dass werden die 2 besser wissen.
LA: Haben Sie nicht nachgefragt, einmal versucht mit diesen Leuten zu reden, was dahinter steckt?
VP: Doch, ich habe ja versucht mit ihnen zu sprechen und das Problem zu lösen, aber danach kam es ja zu diesen Bedrohungen und die Grundstücke wurden in Besitz genommen.
LA: Wie haben Sie versucht das Problem zu lösen?
VP: Wir haben 4-5 Leute zu ihnen nach Hause geschickt und sie gebeten darüber zu sprechen.
LA: Warum haben Sie das bis jetzt nicht angegeben?
VP: Ich wurde nicht danach gefragt.
LA: Wann war das?
VP: Im März 2019.
LA: Wann ist es zum ersten Aufeinandertreffen zwischen Ihnen und Ihren Gegnern gekommen, von dem Sie vorhin erzählt haben?
VP: 2018 glaube ich, im Jänner gab es dann Streitigkeiten. Nachgefragt war das erste Treffen war 2018, das war damals als sie unsere Grundstücke in Besitz genommen haben, das war im Jänner 2019.
LA: Das war jenes Treffen zu welchem die Polizei dann hinzugezogen wurde?
VP: Nein, ich habe sie persönlich getroffen, Angesicht zu Angesicht. 2 Mal haben wir einige Leute zu ihnen geschickt damit das Problem gelöst wird, beim dritten Mal musste die Polizei kommen.
LA: Sie haben vorhin angegeben, dass diese Leute auf Ihr Grundstück gekommen sind und einen Zaun errichten wollten, dann ist die Polizei gekommen!
VP: Das ist erst später passiert.
LA: Was ist also als erstes passiert?
VP: Es war so, dass die Grundstücke zuerst von diesen Personen gekauft worden sind, dann haben wir sie abgekauft und seitdem gibt es das Problem. Weil die Grundstücke viel an Wert gewonnen haben.
LA: Sie haben vorhin angegeben lediglich 1 Mal auf diese Leute getroffen zu sein. Ihre Angaben sind völlig widersprüchlich!
VP: Die Grundstücke wurden abgekauft, aber persönlich getroffen habe ich sie als das Problem stattgefunden hat. 2 Mal haben wir einige Leute zu ihnen geschickt damit das Problem gelöst wird, beim dritten Mal musste die Polizei kommen.
Vorh.: Sie behaupten unglaubwürdiger Weise bloß Verfolgung seitens „privater Dritter“. Entsprechend den Länderfeststellungen des BFA sind indische Sicherheitsbehörden bei derartigen Bedrohungen schutzfähig und schutzwillig. Was sagen Sie dazu?
VP: Aber wir werden dort nicht geschützt, sonst wäre ich nicht hier. Mein Leben ist dort in Gefahr, ich wurde mit dem Tod bedroht. Warum sollte ich mein Land verlassen, wenn ich dort in Sicherheit wäre.
LA: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?
VP: Bei einer Rückkehr ist alles möglich, ich könnte getötet werden.
LA: Ihnen wurden vorab die Länderfeststellungen zu Indien ausgefolgt. Haben Sie eine schriftliche Stellungnahme vorbereitet?
VP: Nein, aber ich habe Dokumente bezüglich des Grundstücksstreits, aber in Indien. Ich könnte sie aber beschaffen.
Anm.: Dem AW wird eine Frist bis 16.03.2020 eingeräumt um vorerst Kopien dieser Unterlagen zu beschaffen.
VP: Ist es möglich die Frist zu verlängern, da die Unterlagen beim Anwalt sind und es heute schon spät ist.
LA: Möchten Sie dennoch zur Lage in Ihrem Heimatland eine Stellungnahme abgeben?
VP: Nein, alles was ich gesagt habe entspricht der Wahrheit.
LA: Was werden Sie tun, wenn Ihr Asylantrag negativ beschieden wird? Sind Sie bereit freiwillig zurückzukehren?
VP: Zur Zeit kann ich nicht nach Indien zurückkehren. 1 Jahr lang habe ich Probleme.
LA: Was sollte sich nach diesem Jahr ändern?
VP: Dass die Grundstücke vielleicht wieder rechtmäßig uns gehören und das Problem so gelöst ist.
LA: Sie haben behauptet mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weshalb sollte sich das durch ein Gerichtsurteil ändern?
VP: Es geht ja nur um die Grundstücke, ich weiß nicht was auf mich zukommen könnte. Ich habe Angst davor.
[…]“
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.04.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde eine 14 Tage Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG gewährt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer auf die Dauer von zwei Jahren ein befristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt VII).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in Indien einer konkreten asylrelevanten Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt gewesen sei oder ihm eine solche Verfolgung im Falle einer Rückkehr drohe. Es habe auch sonst keine asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen festgestellt werden können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers habe sich als unglaubhaft erwiesen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise ergebe sich aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 55 FPG. Da der Beschwerdeführer konkret nicht in der Lage sei, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen, sei das Einreiseverbot zu verhängen gewesen. Die Behörde ztaf zur aktuellen Covid-19-Pandemie zu ihrem Entscheidungszeitpunkt aktuelle Feststellungen, die Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Lage in Indien lauten auszugsweise wie folgt:
„Politische Lage
Letzte Änderung: 30.03.2020
Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 28.2.2020; vgl. AA 19.7.2019). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).
Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 19.7.2019). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 19.7.2019). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 11.2019a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 2.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 2.2020a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 19.7.2019).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020).Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt GIZ 11.2019a).
Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 19.7.2019).
Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindu-nationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 11.2019a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindu-nationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).
Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 12.2019). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 11.2019a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 12.2019).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 11.2019a).
Quellen:
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-AA - Auswärtiges Amt (11.2019b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 16.1.2020
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Sicherheitslage
Letzte Änderung: 30.03.2020
Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 11.2019a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 12.2020).
Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer, Anm.) (GIZ 11.2019a), die das staatliche Gewaltmonopol gebietsweise infrage stellen (AA 19.7.2019). Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Morden und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 8.2019).
Erhebungen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an. Angaben zu Folge haben Rebellen illegale Steuern erhoben, Lebensmittel und Unterkünfte beschlagnahmt und sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen beteiligt. Zehntausende von Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 19.7.2019).
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2.2.Regionale Problemzone Punjab
Letzte Änderung: 30.03.2020
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 8.2019).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, die militante Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge werden Militante der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen West Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 8.2019). Im Punjab haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 11.3.2020; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere durch Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 8.2019).
Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Niedrigkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 8.2019).
Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana weiterhin ein Problem dar (USDOS 11.3.2020).
Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 8.2019).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 25 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt in Punjab. Im Jahr 2017 wurden 8 Personen durch Terrorakte getötet, 2018 waren es 3 Todesopfer und im Jahr 2019 wurden durch terroristische Gewalt 2 Todesopfer registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 15.3.2020).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (8 12.2019).
Quellen:
-BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018
-MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018
-ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (8.2019): Asylländerbericht Indien
-SATP - South Asia Terrorism Portal (15.3.2020): Datasheet – Punjab, Data View, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 17.3.2020
-USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020
-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004219.html, Zugriff 13.8.2019
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3.Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 30.03.2020
In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 19.7.2019). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 19.7.2019).
Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 4.3.2020). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 8.2019).
Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums vom September 2018 hat ergeben, dass von insgesamt 1.079 Planstellen an den 24 Obergerichten des Landes 42714 Stellen nicht besetzt waren (USDOS 13.3.201811.3.2020). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 18.9.2019). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft, was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung, vor Gericht häufig nicht frei aussagen (AA 18.9.2018).
Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 4.3.2020). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei mit der Todesstrafe bedrohten Delikten, soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 19.7.2019).
In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 19.7.2019).
Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit („National Security Act“, 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit („Jammu and Kashmir Public Safety Act“, 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind nicht bekannt. (AA 19.7.2019).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischem Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es ist nicht unüblich, dass Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationales Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 19.7.2019).
Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des „Unlawful Activities Prevention Act (UAPA)“, und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.3.201911.3.2020). Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 11.3.2020).
Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein. Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 8.2019).
Indische Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse („Public Interest Litigation petitions“, PIL) bei jedem Gericht einreichen, oder beim Obersten Bundesgericht, dem „Supreme Court“ einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern (CM 2.8.2017).
Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 4.3.2020).
Quellen:
-AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
-CM – Citizen Matters (2.8.2017): A guide to filing a Public Interest Litigation (PIL), http://citizenmatters.in/a-guide-to-filing-a-public-interest-litigation-pil-4539, Zugriff 13.8.2019
-Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025925.html, Zugriff 9.3.2020
-ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (8.2019): Asylländerbericht Indien
-USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 30.03.2020
Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 12.2019) und untersteht den Bundesstaaten (AA 19.7.2019). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und die Bundesstaaten übergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 12.2019).
Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 12.2019; vgl. FH 4.3.2020). Es gab zwar Ermittlungen und Verfolgungen von Einzelfällen, aber eine unzureichende Durchsetzung wie auch ein Mangel an ausgebildeten Polizeibeamten tragen zu einer geringen Effizienz bei (USDOS 11.3.2020). Es mangelt nach wie vor an Verantwortlichkeit für Misshandlung durch die Polizei und an der Durchsetzung von Polizeireformen (HRW 14.1.2020).
Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die „Beschützerin der Nation“, aber nur im militärischen Sinne (BICC 12.2019). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 19.7.2019; vgl. BICC 12.2019). Paramilitärischen Einheiten werden als Teil der Streitkräfte, vor allem bei internen Konflikten eingesetzt, so in Jammu und Kaschmir sowie in den nordöstlichen Bundesstaaten. Bei diesen Einsätzen kommt es oft zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen (BICC 12.2019).
Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der „Armed Forces Special Powers Act“ (AFSPA) zur Aufrechterhaltung von „Recht und Ordnung“ herangezogen (USDOS 11.3.2020). Das Gesetz gibt den Sicherheitskräften in „Unruhegebieten“ weitgehende Befugnisse zum Gebrauch von Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl (AA 19.7.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen im Zusammenhang mit Aufständen oder Terrorismus festzuhalten (USDOS 11.3.2020). Den Sicherheitskräften wird weitgehende Immunität gewährt (AA 19.7.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020).
Im Juli 2016 ließ das Oberste Gericht in einem Zwischenurteil zum AFSPA in Manipur erste Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes erkennen. Der Schutz der Menschenrechte sei auch unter