TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 W205 1266511-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W205 1266511-6/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von J XXXX S XXXX V XXXX alias J XXXX S XXXX alias J XXXX J XXXX V XXXX , geb. XXXX 86, alias G XXXX S XXXX , geb. XXXX 92, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2021, Zl. 352781009/200959017, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 57 AsylG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt.“

2. Die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Zu den Vorverfahren:

Erstantrag auf internationalen Schutz:

Der Beschwerdeführer ein indischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz am 24.10.2005 gem. § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF (in der Folge AsylG 1997).

Mit Bescheid vom 30.11.2005 wies das Bundesasylamt (BAA)gem. § 7 AsylG 1997 den Asylantrag ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 für zulässig und wies den Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS).

Mit Urteil des LG XXXX vom 27.09.2006, RK 27.09.2006, wurde der Beschwerdeführer wegen § 202/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Berufungsbscheid vom 06.03.2007, zugestellt durch Hinterlegung am 09.03.2007, wies der UBAS die Berufung gegen den in Punkt 1.1.2. angeführten Bescheid des BAA gem. §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 ab, wobei im Wesentlichen der Entscheidung des BAA gefolgt wurde.

Zweitantrag:

Am 07.04.2008 brachte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft erneut einen Antrag auf internationalen Schutz gem. AsylG 2005 ein.

Mit Bescheid vom 28.04.2008 wies das BAA diesen zweiten Antrag gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den UBAS, der die Berufung mit Bescheid vom 27.05.2008 gem. § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 AsylG abwies.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des VwGH vom 03.09.2008 abgelehnt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 29.04.2011, RK 29.04.2011, wurde der Beschwerdeführer nach §§ 127 130 (1. FALL) 229/1 231/1 223/2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Drittantrag:

Am 03.05.2011 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Untersuchungshaft einen dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 10.05.2011 hob das BAA mit mündlich verkündetem (Mandats-) Bescheid den faktischen Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 AsylG auf, am 11.08.2011 wurde mit Beschluss des AsylGH festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 iVm § 41a AsylG rechtmäßig war.

Mit 22.09.2011 wies das BAA den dritten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 68 Abs. 1 AVG erneut wegen entschiedener Sache zurück. Gem. § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs am 30.09.2011 in Rechtskraft.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, vom 10.01.2012, Zl. III-128090/FrB/12, wurde gegen den Beschwerdeführer aufgrund einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbot, erlassen.

Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats (UVS) Wien, vom 29.06.2012, Zl. UVS-FRG/61/1385/2012, wurde diese Entscheidung bestätigt, wobei das Einreiseverbot mit dem Datum der Ausreise zu laufen beginnt.

Antrag gem. Art. 8 EMRK:

Am 30.09.2014 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit ausgefülltem Formularvordruck einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“, wobei gem. § 55 Abs. 1 AsylG: Aufenthaltsberechtigung plus, wenn Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt“ angekreuzt wurde.

Mit Urteil des BG XXXX vom 11.11.2014, RK 15.11.2014, wurde der Beschwerdeführer nach § 223 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Schreiben vom 10.06.2015 übermittelte das BFA die Ablehnung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK iVm der Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Eine Stellungnahme zu an den Beschwerdeführer übermittelten Fragen erfolgte nicht.

Mit Bescheid des BFA vom 15.09.2015 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG 2005 erlassen. Weiters wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückehrentscheidung betrage.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.10.2016, GZ. W191 1266511-4/2E, gem. §§ 55 und 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

Mit Urteil des LG XXXX vom 01.09.2016, RK 06.09.2016, wurde der Beschwerdeführer nach § 88 (1 u 4) 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren , verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 23.10.2019, RK 29.10.2019, wurde der Beschwerdeführer nach § 223 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 19.06.2019, RK 23.04.2020, wurde der Beschwerdeführer nach §§ 127, 128 (1) Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten, der Rest unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, verurteilt.

Mit Erkenntnis des Oberlandesgerichts Wien, GZ. 31 Bs 16/20, vom 23.04.2020, wurde der Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe nicht stattgegeben.

Mit Straferkenntnis vom 29.08.2020 der Landespolizeidirektion (LPD) Wien wurde gegen den Beschwerdeführer wegen § 37 Abs. 1 und 3 Z 1 FSG iVm § 1 Abs. 3 FPG (Inbetriebnahme eines Fahrzeuges ohne Lenkberechtigung) eine Verwaltungsstrafe von € 2.180,-- , im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Stunden verhängt. Ferner wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 218,00 zu zahlen habe.

Dem Abschluss-Bericht der LPD Wien vom 27.10.2020 an die Staatsanwaltschaft ist zu entnehmen, dass gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts der vorsätzlichen Gemeingefährdung ermittelt wurde.

Zum gegenständlichen Verfahren:

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.10.2020, übernommen am 09.10.2020, wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass mit heutigem Datum ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde und es wurde ihm die Möglichkeit gegeben binnen sieben Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch.

Mit Straferkenntnis vom 16.12.2020 der LPD Niederösterreich wurde gegen den Beschwerdeführer eine Strafe iHv € 2.500, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von neun Tagen und acht Stunden, wegen der Verletzung von § 120 Abs. 1a iVm §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 FPG (unrechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet) verhängt. Zudem wurde ihm aufgetragen, die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 250, -- zu begleichen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, II. gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen; III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist; IV. gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen; V. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG dem Beschwerdeführer eine Frist für seine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Allfällige soziale Bindungen seien erst zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem er sich seines unsicheren und illegalen Aufenthalts bewusste gewesen sein musste. Seine Hauptsozialisierung habe er in seinem Heimatland erfahren. Es würden keine Hinweise vorliegen, dass sein Verbleib in Österreich von gewichtiger Bedeutung wäre. Im Strafregister der Republik Österreich würden insgesamt sechs Verurteilungen aufscheinen. Mit den von ihm gesetzten Straftaten zeige der Beschwerdeführer wiederholt seinen Unwillen, sich an österreichische Gesetze zu halten und gehe demnach von ihm eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus. Daher erscheine ein Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren angemessen und erforderlich.

Zur Lage in Indien traf die Behörde folgende Feststellungen:

COVID-19

Letzte Änderung: 22.10.2020

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweisemit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinischen Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

•        BAMF    –        Bundesamt  für     Migration  und     Flüchtlinge  (12.10.2020):

https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnoteskw42 -2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4          ,        Zugriff 12.10.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020),https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indienwirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wir tschaftsbericht.pdf; Zugriff 21.10.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.11.2020

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der

Tagesordnung (GIZ 8.2020a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten

Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 7.2020). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund.

Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 7.2020).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020) und der und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (SATP 8.10.2020). Neben den islamistischen Terroristen tragen die

Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen.

Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur

People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen

Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 4.3.2020). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. 2020 wurden bis zum 1.11. insgesamt 511 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 1.11.2020).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Indien und Pakistan

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre

1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der

Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 12.2019; vgl. BBC 23.1.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 12.2019). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 12.2019). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14.2.2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).

Indien und China

Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020).

Zusammenstöße entlang der „Line of Actual Control (LAC)“, der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin forderten am 15.6.2020 in den ersten Vorfällen seit 45 Jahren mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner C. 2020).

Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in den letzten Monaten gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr als 3.400 Kilometer langen Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 7.2020).

Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020). Bestimmender Faktor des indischen Verhältnisses zu China ist das immer wieder auch in Rivalität mündende Neben- und Miteinander zweier alter Kulturen, die heute die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt sind. Das bilaterale Verhältnis ist von einem signifikanten Ungleichgewicht zu Gunsten Chinas gekennzeichnet (BICC 7.2020).

Indien und Bangladesch

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 8.2020a). Darüber hinaus bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 7.2020).

Indien und Sri Lanka

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis, das durch den mittlerweile beendeten Bürgerkrieg auf Sri Lanka zwischen der tamilischen Minderheit und singhalesischen Mehrheit stark beeinflusst wurde. Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 8.2020a).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in  der      Republik  Indien  (Stand:  Juni    2020),  https://www.ec oi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-

_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf;  Zugriff

15.10.2020

•        BBC - British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382 , Zugriff 22.7.2020

•        BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384 , Zugriff 29.1.2019

•        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in

Empfängerländern  deutscher  Rüstungsexporte:  Länderinformation  Indien,

http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf; Zugriff 20.10.2020

•        BPB     -        Bundeszentrale  für     politische  Bildung  (Deutschland)  (12.12.2017):  Konfliktporträt:  Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 18.3.2020

•        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html; Zugriff 6.8.2019

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025925.html , Zugriff 10.3.2020

•        FIDH – International Federation for Human Rights (23.6.2020): China/India/Pakistan: Deescalate tensions along border lines and seek peaceful resolution of disputes, 23.6.2020

https://www.fidh.org/en/region/asia/india/china-india-pakistan-de-escalate-tensions-along-border-lines-and-seek  ,

Zugriff 22.7.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/ , Zugriff 15.10.2020

•        KO       –        Kaschmir  Observer  (25.6.2020):  Indian,  Pakistani  Troops  Trade   Fire    In       North   Kashmir,

https://kashmirobserver.net/2020/06/25/indian-pakistani-troops-trade-fire-in-north-kashmir/ , Zugriff 22.7.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

•        Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201

•        SATP    -        South   Asia    Terrorism  Portal  (8.10.2020):  Data    Sheet   -.       Punjab,  Yearly  Fatalities,

https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab; Zugriff 12.10.2020

•        SATP - South Asia Terrorism Portal (1.11.2020): Data Sheet - India Yearly Fatalities: 2000- 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india; Zugriff 3.11.2020

•        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, Juli 2020

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 22.7.2020

•        SZ-     Süddeutsche  Zeitung  (26.2.2019):  Indien  bombardiert  pakistanischen  Teil    Kaschmirs,

https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509 , Zugriff 6.8.2019

•        Wagner, C. (2020). The Indian-Chinese confrontation in the Himalayas: a stress test for India’s strategic autonomy.(SWP Comment, 39/2020). Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. https://doi.org/10.18449/2020C39; Zugriff 22.10.2020

•        WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-outlimited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709 , Zugriff 6.8.2019

Rückkehr

Letzte Änderung: 23.10.2020

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden.

Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020).

Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage

in       der     Republik  Indien  (Stand:  Juni

https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asylund_a-

2020),

bschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, 15.10.2020

• ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

Zugriff

In der handschriftlichen, fristgerecht eingebrachten Beschwerde, eingelangt am 02.03.2021, brachte der Beschwerdeführer vor, er befinde sich seit fünfzehn Jahren in Österreich, besuche einen Deutschkurs A2, habe mehrere indische Freunde sowie auch seit fünf Jahren eine Lebensgefährtin zu der er eine sehr starke Bindung habe und sein weiteres Leben mit ihr verbringen wolle. In Indien würde ihn ein großes Problem mit seinem Nachbarn erwarten, dieser würde ihn umbringen wollen, er habe ihn geschlagen und beide Seiten seines Kopfes mit einem großen Messer attackiert und ihn sehr stark verletzt, weswegen er auch operiert worden sei. In Indien würden sehr viele Leute eine Waffe tragen und das Leben dort sei sehr gefährlich, zudem seien die Politik korrupt. Er wolle sich unbedingt integrieren, eine Familie gründen und sein weiteres Leben in Österreich verbringen.

Am 09.03.2021 langte eine Beschwerde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein in welcher vorgerbacht wurde, der Beschwerdeführer befinde sich seit 2005 in Österreich und habe hier auch seinen Lebensmittelpunkt. Zuletzt habe er in Wien am Wochenende als Zeitungszusteller die Zeitungsständer befüllt. Der Beschwerdeführer sei seit fünf Jahren mit einer polnischen Staatsangehörigen in einer Beziehung und habe mit dieser und deren Tochter aus einer früheren Beziehung bereits vor seiner Inhaftierung im gemeinsamen Haushalt gelebt. Die Lebensgefährtin sei in Österreich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt. Mit Urteil des LG XXXX vom 19.06.2019 sei der Beschwerdeführer nach §§ 127, 128 (1) Z 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden. In der Folge habe das BFA das gegenständliche Verfahren zur Erlassung eines Einreiseverbots und den gegenständlich bekämpften Bescheid erlassen. Die Behörde habe ein mangelhaftes Verfahren geführt, sie hätte nicht feststellen dürfen, dass der Beschwerdeführer über kein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich verfüge. Der Beschwerdeführer führe eine Lebensgemeinschaft mit einer Unionsbürgerschaft und bestehe eine vaterähnliche Beziehung zu deren Tochter, welche jedenfalls ebenso in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK falle. Die Entscheidung der Behörde sei ohne persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA erlassen worden. Dies stelle einen groben Verfahrensmangel dar, der Beschwerdeführer sei sprach- und rechtsunkundig. Im angefochtenen Bescheid werde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer Parteiengehör sowie die Möglichkeit einer Stellungnahme zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung und dem Einreiseverbot eingeräumt worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt in der Justizanstalt Simmering befunden und sei somit in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und zudem unvertreten, rechts- und sprachunkundig gewesen. Der Beschwerdeführer habe somit faktisch nicht die Möglichkeit gehabt, sein Recht auf Parteiengehör wahrzunehmen oder Einsicht in die Länderinformationen zu nehmen. Im angefochtenen Bescheid würden aktuelle Länderberichte zur Grundversorgung in Indien fehlen, hätte die Behörde aktuelle Länderberichte eingeholt, dann hätte sie feststellen müssen, dass das Gesundheitssystem in Indien nicht in der Lage sei, eine adäquate Versorgung der am Corona-Virus erkrankten Personen sicherzustellen und zu befürchten sei, dass der Virus eine weitere Verbreitung in „Nigeria“ (Anm. BVwG: !) finden werde. Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der EuGH im Urteil vom 11.06.2015, C-554/13, zur Auslegung des Begriffes der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgehalten habe, dass die bloße Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich genommen nicht geeignet sei, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zu begründen. Der belangten Behörde sei dementsprechend vorzuwerfen, dass sie in diesem Fall keine Beurteilung des Persönlichkeitsbilds des Beschwerdeführers vorgenommen und die vermeintlich vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung nicht im erforderlichen Ausmaß geprüft habe. Richtig sei zwar, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt worden sei, allerdings sei er zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, von welchen jedoch acht Monate bedingt nachgesehen worden seien, verurteilt worden. Das BFA habe jedoch die bedingte Nachsicht eines Großteils der Freiheitsstrafe nicht miteinbezogen. Der Beschwerdeführer sei sich seiner Fehler und strafrechtlichen Verstößen bewusst und bereue diese. Aufgrund des verspürten Haftübels sei auch nicht mehr anzunehmen, dass der Beschwerdeführer weitere Straftaten begehen werde. Insbesondere sei anzumerken, dass der Strafrahmen bei der Verurteilung des Beschwerdeführers nicht ausgeschöpft worden sei. Es sei daher nicht ersichtlich, wieso der Beschwerdeführer nach der Verbüßung seiner Haftstrafe weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen sollte. Jedenfalls stehe ein Einreiseverbot mit der Dauer von zehn Jahren nicht im Verhältnis zur verhängten Freiheitsstrafe.

Dem Abschluss-Bericht der LPD Wien vom 05.11.2020 ist zu entnehmen, dass gegen den Beschwerdeführer der Verdacht auf Urkundenunterdrückung bestehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der oben dargestellte Verfahrensgang.

Der Beschwerdeführer hält sich seit rechtskräftiger Abweisung seines am 24.10.2005 im Bundesgebiet gestellten Antrages auf internationalen Schutz und verfügter Ausweisung nach Indien mit – rechtkräftigem- Bescheid vom 06.03.2007 des Unabhängigen Bundesasylsenats unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, seiner Ausreiseverpflichtung nach Indien ist er bislang nicht nachgekommen, ihm wurde seither auch keine andere Aufenthaltsberechtigung zuteil.

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. In Österreich verfügt er über keinerlei verwandtschaftlichen Beziehungen. Er arbeitet auf Werkvertragsbasis, verfügt über einen Gewerbeschein und geht keiner legalen Beschäftigung nach. Er ist seit fünf Jahren in einer Beziehung mit einer in Österreich lebenden polnischen Staatsangehörigen; diese hat eine Tochter. Der Beschwerdeführer lebt mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt. Er ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer Organisation, besuchte einen Deutschkurs auf dem Niveau A2, legte allerdings kein Zertifikat vor. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet nicht österreichische Freunde.

Er ist gesund und im erwerbsfähigen Alter. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch: COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Der Beschwerdeführer gehört als gesunder junger Mann keiner Risikogruppe an, es besteht daher kein Anhaltspunkt für eine maßgebliche Gefährdung im Falle einer Rückkehr, etwa durch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Zudem besteht aktuell in Österreich auch für nicht sozialversicherte Personen die Möglichkeit einer Impfung gegen SARS-CoV-2.

Zur Lage in Indien werden die von der Behörde getroffenen Feststellungen (s.oben) zugrundgelegt.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom 27.09.2006 RK 27.09.2006

PAR 202/1 StGB

Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 27.09.2006

zu LG XXXX 27.09.2006

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 27.09.2006

LG XXXX vom 22.01.2010

02) LG XXXX vom 29.04.2011 RK 29.04.2011

PAR 127 130 (1. FALL) 229/1 231/1 223/2 StGB

Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 22.06.2011

zu LG XXXX 29.04.2011

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 22.06.2011

LG XXXX vom 15.09.2011

zu LG XXXX RK 29.04.2011

Probezeit der bedingten Nachsicht verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 11.11.2014

zu LG XXXX RK 29.04.2011

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 22.06.2011

LG XXXX vom 04.01.2017

03) BG XXXX vom 11.11.2014 RK 15.11.2014

§ 223 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 26.10.2013

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 15.11.2014

zu BG XXXX RK 15.11.2014

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 15.11.2014

BG XXXX vom 08.05.2018

04) LG XXXX vom 01.09.2016 RK 06.09.2016

§ 88 (1 u 4) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 31.12.2015

Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 06.09.2016

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 23.10.2019

05) BG XXXX vom 23.10.2019 RK 29.10.2019

§ 223 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 20.06.2019

Freiheitsstrafe 1 Monat

Vollzugsdatum 03.11.2020

06) LG XXXX vom 19.06.2019 RK 23.04.2020

§§ 127, 128 (1) Z 5 StGB

Datum der (letzten) Tat 02.09.2018

Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 23.04.2020

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 03.03.2021

XXXX vom 08.03.2021

07) LG XXXX vom 21.04.2021 RK 21.04.2021

§ 89 StGB

Datum der (letzten) Tat 20.04.2020

Geldstrafe von 60 Tags zu je 4,00 EUR (240,00 EUR) im NEF 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden (Zentrales Melderegister, Betreuungsinformationssystem und Strafregister).

Die Feststellungen zum Verfahrensgang stützen sich auf den unbestrittenen Akteninhalt.

Der Beschwerdeführer wurde mit „Parteiengehör; Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 06.10.2020 von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot informiert und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, die ihm schriftlich gestellten Fragen unter Vorlage der entsprechenden Belege zu beantworten. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach. Die Übernahme der Verständigung bestätigte der Beschwerdeführer am 09.10.2020 durch eine Unterschrift. In der Verständigung lässt sich zudem explizit Folgendes entnehmen: „Sollten Sie von der Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch machen, müssen Sie mit der Erlassung der entsprechenden Bescheide ohne ihre Weitere Anhörung rechnen.“ Dass der Beschwerdeführer in der JVA, in der er sich zum damaligen Zeitpunkt aufhielt, in seiner „Bewegungsfreiheit“ eingeschränkt gewesen wäre, ergibt sich aus der Natur der Sache, eine Einschränkung in der Rechtsvertretung lag allerdings nicht vor, auch kann keine „Sprachunkenntnis“ erkannt werden. So schrieb der Beschwerdeführer selbst eine Beschwerde auf Deutsch, gab an einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 zu besuchen und folgte nach der handschriftlichen, auf Deutsch verfassten Beschwerde, eine Beschwerde der Rechtsvertretung. Es kann also nicht erkannt werden, dass der Aufenthalt in der JVA den Beschwerdeführer an einer Beschwerdeerhebung gehindert hat bzw. es dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen wäre mit seiner Rechtsvertretung Kontakt aufzunehmen. Auch ist bezüglich des Parteiengehörs darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen ist eine handschriftliche Beschwerde abzugeben, somit wäre es ihm auch möglich gewesen eine Stellungnahme abzugeben. Es kann ihm daher nicht beigepflichtet werden, wenn es in der Beschwerde heißt, dass der Beschwerdeführer „faktisch nicht die Möglichkeit gehabt“ hätte, sein Recht auf Parteiengehör wahrzunehmen.

Im Bescheid wurden aktuelle Länderfeststellungen zu Indien angeführt, der Beschwerdeführer hatte die Möglichkeit diesen Länderfeststellungen in der Beschwerde substantiiert entgegenzutreten, wovon er in seiner handschriftlichen Beschwerde keinen Gebrauch machte. In der Beschwerde der Rechtsvertretung wurde von „Nigeria“ als Heimatland des Beschwerdeführers gesprochen, weswegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorbringen sich auf Indien bezog.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit stützen sich auf die Aktenlage sowie dem Vorbringen in den Beschwerden, zudem wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht. Vor diesem Hintergrund gelangte das BVwG auch zu der Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf COVID-19 keiner Risikogruppe angehört. Grundsätze zur Pandemie sowie die Feststellung, dass aktuell gesunde Personen (ohne die oben angeführten Vorerkrankungen) nicht zur COVID-19 - Risikogruppe zählen, und die inzwischen eröffnete Möglichkeit einer Schutzimpfung auch für nicht sozialversicherte Personen sind als notorische Tatsachen anzusehen.

Die Feststellung zur Integration ergibt sich aus der Aktenlage. Auch wenn in den Beschwerden vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer seit fünf Jahren eine Lebensgefährtin hat und in der handschriftlichen Beschwerde zudem ausgeführt wurde, dass er mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt wohnt, ist auszuführen, dass seine Lebensgefährtin an seiner Wohnadresse nicht gemeldet ist. Dies ist dem zentralen Melderegister zu entnehmen. Eine wechselseitige Abhängigkeit wurde nicht vorgebracht und ist der Aktenlage auch nicht zu entnehmen.

Die Feststellung, dass er nichtösterreichische Freunde hat, ergibt sich aus seiner handschriftlichen Beschwerde, wo er angab, mehrere indische Freunde zu haben.

Die Feststellungen zur Situation in Indien beruhen auf den vom BFA angeführten und von diesem herangezogenen, ausreichend aktuellen Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Es bestehen im Entscheidungszeitpunkt keine Anhaltspunkte, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass sich die allgemeine Lage in Indien zwischenzeitlich entscheidungswesentlich und in einer Weise verändert hätte, die von Gerichts wegen wahrzunehmen wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als gesunder, arbeitsfähiger Mann nach wie vor in der Lage ist, sich seine Existenzgrundlage im Herkunftsstaat aus Eigenem zu sichern. Anhaltspunkte für eine allfällige Gefährdung im Falle seiner Rückkehr sind weder den aktuellen Länderberichten, noch konkret dem Vorbringen zu entnehmen. In der handschriftlichen Beschwerde führte der Beschwerdeführer lediglich ein Problem mit seinem Nachbarn an, welches allerding bereits in seinen Asylverfahren als nicht glaubhaft qualifiziert wurde. Seine sonstigen Ausführungen zu Indien „in Indien tragen viele Leute eine Waffe; die Politik in Indien ist korrupt“, sind als allgemein zu qualifizieren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels)

Die Prüfung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde vom BFA in einem amtswegigen Verfahren durchgeführt.

Die entsprechenden Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

§ 55 AsylG:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 56 AsylG regelt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag.

§ 57 AsylG lautet:

„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

Der das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln regelnde § 58 AsylG normiert auszugsweise Folgendes:

„Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

….

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

….“

Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß §°57 Asylgesetz“ nicht erteilt werde. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass mit dem Abspruch offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 normierte Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, welcher Aufenthaltstitel von Amts wegen zu prüfen ist, gemeint ist. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG von Amts wegen nur zu prüfen ist, wenn eine Rückkehrentscheidung aufgrund des §§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (vgl. § 58 Abs. 2 AsylG), was im Beschwerdefall aber nicht erfolgt ist (siehe unten), die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG hat nicht amtswegig, sondern nur auf begründeten Antrag zu erfolgen.

Zu Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung):

§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(…..)

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

Der mit „Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ übertitelte § 10 AsylG lautet in seinem Absatz 2 wie folgt:

㤠10.

…..

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.“

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dieser sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

§ 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtige

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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