TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/27 W195 2215117-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2021
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Entscheidungsdatum

27.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W195 2215117-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX StA. Bangladesch, vertreten durch Embacher Neugschwendtner Rechtsanwälte, 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, IFA: XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.09.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein volljähriger Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 27.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF, zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, sein Vater sei in der politischen Partei Jamaat-E-Islami (JI) gewesen und von der regierenden Partei, der Awami League, angezeigt und ein Haftbefehl erlassen worden. Er habe gehört, dass auch er – der BF – als Sohn seines Vaters ebenfalls angezeigt worden sei und habe deshalb die Flucht ergriffen. Im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch fürchte er um sein Leben. Als Geburtsdatum gab er den XXXX an.

I.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) hatte Zweifel an der Minderjährigkeit des BF und ordnete eine Altersfeststellung an. Am 15.05.2015 wurde das medizinische Sachverständigengutachten an das BFA übermittelt und darin festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Asylantragstellung von einem Mindestalter von 19,58 Jahren ausgegangen werden könne und das errechnete fiktive Geburtsdatum der XXXX sei.

I.3. Am 09.06.2015 wurde der BF vom BFA niederschriftlich einvernommen und gab zunächst an, nicht in medizinischer Behandlung zu stehen und keine Medikamente einzunehmen. Er sei ledig und habe in der EU bzw. in Österreich keine Verwandten. Befragt nach seiner derzeitigen Beschäftigung, gab der BF an, er arbeite im Lager in der Kantine. Er besuche einen Deutschkurs und sei nicht Mitglied in einem Verein.

I.4. Mit Untersuchungsbericht vom 21.07.2015 stellte das Bundeskriminalamt fest, dass die vom BF vorgelegte Geburtsurkunde ein Nachahmungsprodukt (Reproduktion bzw. Totalfälschung) darstellt.

I.5. Am 14.10.2015 langte eine Anzeige gegen den BF wegen des Verdachts der Urkundenfälschung beim BFA ein. In der beigefügten Beschuldigteneinvernahme vom 11.09.2015, sagte der BF aus, dass es ihm leidtue. Die Urkunde habe er in Bangladesch ausstellen lassen. Sie habe nichts gekostet, nur für den Postweg habe er 1.500 Taka bezahlt. Sein richtiges Geburtsdatum sei der XXXX . Er habe in XXXX einen Mann kennengelernt, der ihm gesagt hätte, dass er als junger Mensch eher in die Schule gehen könne und auch andere Vorteile haben würde. Dieser Mann habe auch alles organisiert und ihm dann die Geburtsurkunde übergeben.

I.6. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 22.03.2016, GZ XXXX , wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger Wien mit der Obsorge für den BF betraut. Im Beschluss wurde der XXXX als Geburtsdatum angegeben und dementsprechend von der Minderjährigkeit des BF ausgegangen. Mit Erledigung vom 27.06.2016, XXXX , wurde das Pflegsschaftsverfahren des BF wegen Volljährigkeit eingestellt.

I.7. Am 07.06.2016 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt und gab der BF an der Volksgruppe der Bengalen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam anzugehören. Er sei ledig und habe keine Kinder. In Bangladesch habe er acht Jahre lang die Schule besucht, fünf Jahre Grundschule und drei Jahre Mittelschule. Eine Berufsausbildung habe er nicht absolviert, sondern sei nur in der Politik involviert gewesen. Er habe überwiegend von seinen Eltern gelebt, hin und wieder habe er ein Taschengeld von seiner Partei, der Jamaat-E-Islami (JI) bekommen. Er sei dort Mitglied gewesen und habe Spenden gesammelt, Parteibücher an Schüler verteilt und versucht Leute anzuwerben. Nachgefragt, gab er an, keine Votar Card zu besitzen, weil er minderjährig gewesen sei.

Befragt, ob er jemals Probleme mit heimatlichen Behörde hatte, gab der BF an, die Polizei hätte zwei- bis dreimal versucht ihn festzunehmen. Sowohl die Angehörigen seiner eigenen Partei als auch der Gegenpartei hätten versucht ihn zu erwischen. Jede von diesen drei Gruppierungen hätte ihn getötet, wenn sie ihn erwischt hätten. Diese Probleme hätten Anfang 2011 begonnen. Seine Familie habe er das letzte Mal im März 2011 gesehen, Bangladesch habe er am 01.03.2015 verlassen. Er telefoniere alle vier bis fünf Monate mit seiner Familie, es gehe ihnen gut, sie würden aber immer wieder Anrufe bekommen und danach gefragt werden, wo der BF sich aufhalte. Zwischen März 2011 und seiner Ausreise habe er sich an verschiedenen Orten in Bangladesch versteckt gehalten und zwar sei er 2011 etwa sechs Monate in XXXX , etwa vier Monate in XXXX und etwa vier Monate in XXXX gewesen. Zuletzt sei er in der Ortschaft XXXX im Bezirk XXXX gewesen. Er sei meistens nur in den vier Wänden gewesen.

Es gebe zwei Anzeigen gegen ihn in Bangladesch, ob ein Haftbefehl vorliege, wisse er nicht. Beide Anzeigen seien politisch motiviert und werde er fälschlicherweise beschuldigt. Eine Anzeige sei am 07.12.2012 erstattet worden und werde darin behauptet, er habe an einer Versammlung teilgenommen und dort terroristische Anschläge geplant. Die zweite Anzeige sei am 01.06.2011 erstattet worden und werde ihm darin ein Raubüberfall vorgeworfen.

Befragt zu seinen Fluchtgründen, erklärte der BF, er habe einmal 20.000 Taka an Spendengeldern gesammelt und an einen Parteikollegen weitergegeben. Dieser habe das Geld aber nicht an die Partei weitergegeben, aber da die Partei von dem Geld gewusst habe, sei er beschuldigt worden, das Geld veruntreut zu haben. Er sei ihm immer wieder gesagt worden, da er der Partei Geld schulde, müsse er an Anschlägen teilnehmen, wie zum Beispiel Bomben auf die Polizei oder Parteigegner werfen. Er habe dann Abstand zur Partei genommen. Er sei damals auch von der Polizei, seinen Parteikollegen und Parteigegner attackiert worden und seien diese maskiert gewesen.

In der Stadt XXXX habe er gehört, dass mehrere Leute in Zivil einen Passanten gefragt hätten, wo er sich aufhalte und habe ihm dieser Passant später auch gesagt, dass er von Leuten in Zivil gesucht werde. Er habe dann gleich die Flucht ergriffen. Näher befragt, erklärte der BF, dieser Passant heiße XXXX und er kenne ihn vom Parteibüro.

Nachdem er seine Parteitätigkeit beendet habe, sei er in der Ortschaft XXXX in der Nacht unterwegs nach XXXX gewesen und hätten mehrere maskierte Personen, die Eisenstangen und andere Waffen gehabt hätten, versucht ihn zu attackieren. Er habe aber flüchten können. Hierzu näher befragt, gab der BF an, dies sei im Jahr 2010 vorgefallen und seien auch zwei Parteikollegen dabei gewesen. Die Angreifer seien Anhänger der gegnerischen Partei gewesen. Nach diesem Vorfall sei er auch zwei- bis dreimal von seinen eigenen Parteileuten attackiert worden. Nachgefragt, wer seine Gegenpartei sei, erklärte der BF, damals sei es die Awami League gewesen, hin und wieder auch Mitglieder der BNP.

2011 hätten seine Probleme angefangen und sei er in diesem Jahr auch attackiert wurde. Zuletzt sei er im Jahr 2012, nach der Versammlung am 07.12.2012, angegriffen worden. Zwischen 2012 und 2015 sei er gesucht worden und habe sich deshalb versteckt gehalten. In dieser Zeit habe ihm, während seines Aufenthalts in XXXX jemand gesagt, dass man ihn gesehen habe und habe er daraufhin die Stadt verlassen. Als er sich bei einem Bekannten aufgehalten habe, hätten Menschen dort nach ihm gesucht und nach ihm gefragt. Er habe deshalb immer wieder seinen Aufenthaltsort gewechselt.

Konkret befragt, ob er jemals persönlich bedroht wurde, gab der BF an, man habe ihn in der Nacht attackiert und versucht ihn zu erwischen, aber so persönlich nicht.

Seit der Einreise in Österreich halte er sich hier durchgehend auf. Er gehe in die Gastgewerbeschule und bekomme finanzielle Unterstützung von der Caritas. Er sei auch Mitglied im Verein „you-are-welcome“. Aus Österreich unterstütze er seine Partei nicht mehr, denn er würde sich dadurch selbst gefährden.

I.8. Am 13.06.2016 machte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation. In der Anfragebeantwortung vom 09.09.2016 führte die Staatendokumentation aus, dass es laut Vertrauensanwalt der XXXX keine Anzeige gegen den BF gibt und man auch nichts von einem Haftbefehl gegen ihn wisse. Der Bruder des Antragstellers habe angegeben, dass es zwei Fälle gegen ihn gebe und die Polizei bei ihnen zu Hause nach dem BF gesucht hätte. Die Familie des BF lebe noch an der genannten Adresse. Laut Einheimischen sei der BF bei keiner politischen Partei gewesen, laut Bruder des BF sei er Mitglied von Shibir (den Studentenflügel der Jamat-E-Islam) gewesen. Es gebe in den verschiedenen Gesetzen und auch in den Verfassungen von Shibir und der Jamat-E-Islam keine Hinweise auf ein Mindestalter für die Parteimitgliedschaft. Idealerweise habe ein Minderjähriger keine Möglichkeit Parteimitglied zu werden. In Wirklichkeit rekrutiere Shibir tatsächlich Minderjährige und beginne die Rekrutierung ab einem sehr frühen Alter.

I.9. Am 02.05.2018 machte das BFA eine weitere Anfrage an die Staatendokumentation, hinsichtlich der vorgelegten Anzeigen des BF. Mit der Anfragebeantwortung vom 27.11.2018 wurde mitgeteilt, dass kein Haftbefehl gegen den BF vorliege, er nicht polizeilich gesucht werde und ihm bei seiner Rückkehr nach Bangladesch keine Bestrafung drohe, da er keine der beklagten Parteien sei. Die Vor-Ort-Recherche habe ergeben, dass der Name des BF in der von ihm vorgelegten Kopie fälschlicherweise hinzugefügt worden sei. Der Vertrauensanwalt erachte das Zertifikat der Jamaat-e-Islami als Fälschung. Es habe am 07.12.2012, und nicht wie vom BF behauptet am 07.07.2012, einen Angriff auf eine Polizeistation in der Barisal Division stattgefunden. Hierzu sei ein Gerichtsverfahren angängig, von den insgesamt 69 Angeklagten seien nur wenige verhaftet worden, viele würden noch immer polizeilich gesucht werden.

I.10. Am 02.05.2018 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt, im Zuge derer er zunächst angab, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Es habe sich seit der letzten Einvernahme nichts geändert, nur, dass er von Jamaat-e-Islami, der Awami League, der Bangladesch National Party (BNP) und der Polizei gesucht werde. Er werde gesucht, weil er ein enger Mitarbeiter der Jamaat-e-Islami gewesen sei, Geld kassiert und viele Leute für Widerstandsbewegungen organisiert habe. Das Hauptziel sei es gewesen die Polizei zu bombardieren und Angriffe mit großen Metallstangen auszuüben. Er habe das aber nicht machen wollen, denn er habe kein islamistischer Terrorist werden wollen. Er habe ab und zu Kontakt zu seiner Familie, das letzte Mal letzten Monat.

Näher zu den Vorfällen befragt gab der BF an, die Polizei würde kommen und Durchsuchungen machen, um ihn zu finden. Selbst jetzt werde noch nach ihm gesucht.

Nochmals zu den Anzeigen befragt, erklärte der BF, er und seine Partei seien am 07.07.2012 auf die Straße gegangen und hätten Anschläge verübt. Seine Parteileute hätten auf die Polizisten geschossen und zwei seien verletzt worden. Dann sei es zu einer Anzeige gekommen und er befinde sich seitdem auf der Flucht. Wegen der Sache mit den 20.000 Taka (siehe erste Einvernahme) habe man in unter Druck gesetzt und er habe flüchten müssen. Zu seiner Parteimitgliedschaft befragt, gab der BF an, er sei von 2010 bis 2015 Mitglied und von 2010 bis 2013 ein enger Mitarbeiter der Partei gewesen.

In Österreich mache er eine Lehre als Koch. Er sei „single“ und habe keine Kinder.

Vorgelegt wurden: diverse Fotos des BF, Zwischenzeugnis des Hotel Intercontinental vom 24.08.2018, Jahreszeugnisse für die Schuljahre 2016/17 und 2017/18, Schulnachricht für das Schuljahr 2016/17, österreichischer Schulausweis, Lehrvertrag vom 11.07.2016, Bestätigungen für unverbindliche Übungen der Berufsschule für Gastgewerbe, Vereinsbestätigung you-are-welcome vom 25.04.2018, Empfehlungsschreiben der Berufsschule für Gastgewerbe vom 27.04.2018, Schulungsbestätigung vom 30.01.2017.

I.11. Am 09.01.2019 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt, im Zuge derer der BF zunächst angab, gesund zu sein, nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen und keine Medikamente zu nehmen. Auf Vorhalt, dass die übermittelten Falldokumente nicht mit den Originalakten überstimmen würden und seine vorgelegten Dokumente somit als Fälschung angesehen werden, erklärte der BF, die von ihm vorgelegten Dokumente seien seines Wissens nach Original, wo er namentlich genannt werde. Außerdem sei vor den Wahlen noch ein weiteres Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Derzeit gebe es die Jamaat-e-Islam nicht mehr und wenn man einer Recherche nachgehe, werde das keiner preisgeben. Seine Eltern und sein Bruder seien nach wie vor in Bangladesch aufhältig und bestehe alle zwei bis drei Monate Kontakt. In Bezug auf sein Privat- und Familienleben habe sich nichts geändert.

Befragt ob er noch etwas angeben wolle, erklärte der BF, ein parteilicher Anhänger habe gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet, um ihn zu finden und ihn in ein terroristisches Strafverfahren verwickelt. Die Anzeige sei am 26.12.2018 von einem Herrn XXXX erstattet worden, den er von der Jamaat-e-Islam kenne und sei er alleine beschuldigt. Dieser Mann habe ihn auch früher schon gesucht, aber nicht gefunden.

I.12. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.01.2019, IFA: XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass sämtliche vom BF im Verfahren vorgelegte Beweismittel als nicht authentisch anzusehen seien und seine Angaben im Rahmen der Beweiswürdigung grundsätzlich als unwahr erachtet würden. Das BFA gelange zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft sei, dass dem BF im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Es sei nicht ersichtlich, dass der BF im Falle der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte, da eine Gefährdungslage nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Eine aktuelle Bedrohung des BF im Herkunftsland könne daher nicht erkannt werden. Zudem stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor. Ein schützenswertes Familienleben in Österreich liege nicht vor und seien auch keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration rechtfertigen würden.

I.13. Mit Schriftsatz vom 13.02.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch Embacher Neugschwendtner RA vertretenen – BF wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhalts zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des behaupteten Sachverhalts wurde inhaltlich ausgeführt, dass die getroffenen Länderfeststellungen keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung darstellen würden, da sich die Auseinandersetzung mit der Jamaat-e-Islami Partei in zwei Sätzen erschöpfe. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht nicht ausreichend wahrgenommen und einen individuellen Abgleich der Länderfeststellungen mit dem Vorbringen des BF unterlassen. Sie habe kaum Länderfeststellungen bezüglich des zentralen Punktes des Fluchtvorbringens getroffen. Zudem sei eine innerstaatliche Fluchtalternative zu benennen, wozu die belangte Behörde nicht in der Lage sei. Die belangte Behörde berufe sich auf einen Vertrauensanwalt, benenne diesen aber nicht genauer und lege auch nicht dar, wie dieser zu den Informationen gekommen sei. Es werde auch nicht begründet, warum die Angaben des Bruders des BF nicht für glaubhaft gehalten werden. Die belangte Behörde begründe auch nicht, wieso den neu vorgelegten Beweismitteln keine Beweiskraft zukomme. Der BF habe sehr gute Deutschkenntnisse und bereits eine fixe Stellenzusage als Koch. Er habe auch einen beträchtlichen Kreis an österreichischen Freunden. Die Bindung an seinen Herkunftsstaat sei als gering anzusehen.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen; falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht wurden, diese amtswegig aufzugreifen; den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, in eventu, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt wird; den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung behoben, die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung festgestellt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird; in eventu, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen; in eventu, die Frist für die freiwillige Ausreise zu verlängern.

I.14. Mit Schreiben vom 25.02.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.15. Mit Urkundenvorlage vom 22.10.2019 legte der BF das Zeugnis der Lehrabschlussprüfung vom 27.08.2019, das Zeugnis der Integrationsprüfung vom 19.07.2019, einen Dienstvertrag vom 07.10.2019 und die Beschäftigungsbewilligung des AMS vom 27.09.2019 vor. Aufgeführt wurde weiters, dass der BF selbsterhaltungsfähig und als vollständig integriert anzusehen sei. Eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erweise sich als auf Dauer unzulässig.

I.16. Am 10.01.2020 wurde ein Dolmetscher mit der Übersetzung der Anzeige vom 26.12.2018 ins Deutsche beauftragt. Am 02.03.2020 langte die beauftragte Übersetzung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.17. Mit Urkundenvorlage vom 25.11.2020 wurde die Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung des BF bis 19.09.2021 vorgelegt und mitgeteilt, dass der BF weiterhin bei der XXXX beschäftigt sei.

I.18. Mit Schreiben vom 03.09.2021 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und dem BF damit auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand Juni 2021) zu Bangladesch übermittelt

I.19. Mit Urkundenvorlage vom 17.09.2021 wurde zum Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit und der intensiven privaten Bindungen des BF Folgendes eingebracht: Zwischenzeugnis und Beförderung durch den Arbeitgeber vom 09.09.2021 und Juli 2021, Gehaltsabrechnungen Juni bis August 2021, XXXX vom 23.08.2021, vier Empfehlungsschreiben, Lichtbilder, Auflistung von Freizeitaktivitäten, Empfehlungsschreiben der Berufsschule für Gastgewerbe, Zertifikat XXXX Wohnbestätigung vom 15.09.2021, Vorschreibungen XXXX Juli bis Oktober 2021, Vertragsbestätigung XXXX vom 21.04.2018.

I.20. Am 24.09.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs der Beschwerdeverhandlung wurde dem BFV ein aktueller Auszug vom 24.09.2021 über die Jamaat E Islam (Wikipedia) ausgehändigt.

Der BF ist gesund. Die Eltern und ein Bruder des BF sowie zahlreiche Verwandte mütterlicherseits und Väterlicherseits leben in Bangladesch. Es würde ihnen finanziell durchschnittlich gehen. Er habe zu ihnen ein- bis zweimal jährlich Kontakt.

In Bangladesch sei er „mit drei oder vier Jahren“ in die Schule gekommen, habe fünf Jahre die Grundschule, danach die „highschool“ besucht; er habe die Schulausbildung dann abgebrochen, die müsste ungefähr 2008 gewesen sein. Gearbeitet habe er in Bangladesch nicht.

In Österreich leben keine Verwandten des BF. Er habe keine Kinder und keine Beziehung.

Nach seinem Geburtsdatum befragt meinte der BF, er sei am 21.02.1997 geboren. Ein Unbekannter habe ihm geraten 1999 als Geburtsjahr anzugeben, wobei das BFA einen Test gemacht habe und den 27.10.1995 als Geburtsdatum feststellte.

Zu seinen Deutschkenntnissen führte der BF aus, dass er mittlerweile das Niveau B1 (zertifiziert) erreicht habe. Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG konnte der BF zeigen, dass eine Konversation in deutscher Sprache gut möglich war.

Der BF habe die Berufsschule absolviert und arbeite ´derzeit als Koch in einem Hotel, er sei „Demichef“ und verdiene ca € 1.950,- brutto. Er habe eine Wohnung gemietet, in der er allein wohne (ca 40 qm zu € 260 monatlich). Der BF habe viele österreichische Freunde und sei Mitglied in einem Verein, der Flüchtlinge unterstütze.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er Mitglied einer politischen Partei, der JI, gewesen sei. Nachgefragt führte der BF aus, er sei auch „Funktionär“ gewesen, konkret „Mitgliedersekretär“ (BVwG VS 18).

In Bangladesch habe er „Politik gemacht“, „von 2009 bis 2010“. An das genaue Datum könne er sich nicht erinnern (BVwG VS 6). Im weiteren Verlauf der Beschwerdeverhandlung gab der BF widersprüchlich an, er sei „von 2008 bis 2012“ bei der JI gewesen (BVwG VS 14; anders VS 9: „von 2006 bis 2012“).

Gegen den BF gäbe es drei Anzeigen: vom 01.06.2011, vom 07.12.2012 und vom 26.12.2018.

Die Anzeige vom 01.06.2011 sei eine „Raubanzeige“, in der er namentlich „hineinfingiert“ wurde. Die Polizei habe ihn gesucht, er konnte nicht zu Hause schlafen und habe er den Distrikt verlassen. Gefragt, ob er damals noch in der Schule war, meinte der BF – widersprüchlich zu anderen Angaben – dass es ziemlich „am Ende“ der Schulausbildung gewesen sei (BVwG VS 11).

Gefragt, wieso der BF nicht von der Polizei gefunden wurde, gab er zu Protokoll, dass er „wegen seiner politischen Arbeit kaum nach Hause gekommen sei, nur nachts. Er sei „immer draußen“ gewesen, in der Ortschaft mit ca 10.000 Einwohnern. Manchmal sei auch zu anderen Dörfern gegangen (BVwG VS 12).

Gegen die Anzeige vom 01.06.2011 habe sich der BF nicht gewehrt, auch nicht mit einem Anwalt.

Die zweite Anzeige sei vom 07.12.2012. Es sei um eine Versammlung wegen der Anklage gegen den Parteiführer, welcher als Kriegsverbrecher beschuldigt wurde, gegangen, bei welcher verschiedene Waffen im Einsatz waren; der BF sei aktiv dabei gewesen und habe ein scharfes Messer mit sich geführt (BVwG VS 13). Er hätte „mit meinen Leuten aus der Gruppe angegriffen werden können“. Ein Polizist sei ermordet, einige verletzt worden.

Gegen den BF sei „wegen Mordes“ Anzeige erstattet worden und werde der BF als Beschuldigter geführt.

Der BF sei jedoch nie festgenommen worden. Er habe seine Ortschaft verlassen und sei in Bangladesch an verschiedensten Orten gewesen. In dieser Zeit habe ihm sein Vater Geld gegeben. Sein Anwalt habe versucht das Verfahren abzuschließen, aber es sei bisher nicht gelungen.

Die oppositionelle BNP habe ihn verfolgt, weil die BNP ein schlechtes Verhältnis zur JI gehabt habe.

Bei der Anzeige vom 26.12.2018 ginge es um Geldangelegenheiten. Es sei dies, so der BF „eine echte Anzeige“, die auch inhaltlich richtig sei. Die Anzeige sei eingebracht worden nachdem der BF bereits in Österreich aufhältig war, sein Bruder habe ihn informiert.

Inhaltich geht es in der Anzeige, welche vom BVwG einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt worden war, um einen „Kredit über 120.000 Taka“, den der BF genommen habe und nicht zurückzahlte. XXXX , ebenfalls ein Mitglied der JI und in der Parteihierarchie als „stellvertretender Vorsitzender“ über den BF, sei der Geldgeber gewesen und habe der BF „im Jahr 2011“ das Geld erhalten, um Parteiarbeit zu finanzieren. Da er das Geld aber nicht zurückzahlte, habe XXXX ihn angezeigt. Da die Partei jedoch nicht mehr existiere wisse der BF nicht, was er für die Partei arbeiten sollte. Mit dieser Anzeige solle, so der BF, er gezwungen werden, weiter für die Partei zu arbeiten. Darauf hingewiesen, dass es nicht logisch wäre, weil er ja wegen der Anzeige verhaftet werden würde und nicht für die Partei arbeiten könnte, meinte der BF lediglich, man wolle, dass er entweder verhaftet werde oder für die Partei Bomben werfen solle.

Selbst der BFV hatte zu diesem Vorbringen keine weiteren Fragen an den BF.

Falls er nach Bangladesch zurückkehren müsste, würde den BF Polizeihaft oder Gefängnis erwarten. Er hätte keine Sicherheit.

Zu den Länderberichten – einschließlich des Berichtes zur Jamaat e Islam – gaben weder der BFV noch der BF eine Stellungnahme ab

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig (AS 31, 173). Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 31 sowie bei der XXXX ).

Mittels einer sachverständigen Volljährigkeitsbeurteilung wurde als fiktives Geburtsdatum des BF der XXXX errechnet (AS 82). Der BF gab nach Vorhalt, dass es sich bei der zunächst vorgelegten Geburtsurkunde, mit dem Geburtsdatum XXXX , um eine Fälschung handelt, an, sein „richtiges“ Geburtsdatum sei der XXXX (AS 165).

Der BF ist im Ort XXXX , Bezirk XXXX , Distrikt XXXX geboren (AS 31, 167) und lebte bis zu seiner Ausreise aus Bangladesch an verschiedenen Orten, wie XXXX , XXXX , XXXX und XXXX (AS 169). Er hat in seinem Herkunftsland acht Jahre die Schule besucht, eine Berufsausbildung machte er nicht (AS 171).

In Bangladesch halten sich seine Eltern und sein Bruder auf (AS 167). Zu seiner Familie besteht aufrechter und regelmäßiger Kontakt, nämlich alle zwei bis drei Monate (AS 401; widersprüchlich ein- bis zweimal pro Jahr, BVwG).

Der BF ist am 26.03.2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hält sich seither durchgehend hier auf.

Der BF besuchte in Österreich die Berufsschule für Gastgewerbe und hat die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Koch am 27.08.2019 bestanden. Er war seit 01.07.2016 als Lehrling beschäftigt, arbeitet nunmehr als Koch („Demichef“) und verdient laut Dienstvertrag ca € 1.950,- .

Der BF ist Mitglied eines Vereines, der sich um Flüchtlinge kümmert. Der BF hat österreichische Bekannte und Freunde und nimmt am kulturellen und sozialen Leben in Österreich teil.

Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat Deutschprüfungen über das Niveau B1 abgeschlossen und verfügt über ausreichend gute Deutschkenntnisse. Er hat die Integrationsprüfung abgeschlossen und auch weitere Kurse und Schulungen im Rahmen seiner Berufstätigkeit in Österreich besucht.

Der BF hat keine Kinder, keine Verwandten und keine Beziehung in Österreich (AS 167, 341).

Der BF ist gesund und arbeitsfähig (AS 339, 400).

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsland aus politischen Gründen von Anhängern der Regierungspartei Awami League, oder der Oppositionspartei Jamaat-E-Islam bzw. von der oppositionellen BNP oder der Polizei verfolgt wird.

Festgestellt wird, dass der BF in Bangladesch nie inhaftiert war.

Festgestellt wird, dass sich aus dem Bericht des Vertrauensanwalts ergibt, dass dieser eine Betätigung des BF für die Jamaat-E-Islami nicht bestätigten konnte und das vorgelegte Zertifikat als Fälschung erachtet. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass der BF Mitglied der Partei Jamaat-E-Islam war.

Festgestellt wird, dass der BF angibt, von der regierenden Awami League sowie der oppositionellen BNP als auch seiner angeblich eigenen Partei, der Jamaat-E-Islami, verfolgt zu werden. Gleichzeitig hält er fest, dass er in den Jahren 2011 bis 2015 Mitglied der Jamaat-E-Islami war und bezeichnete sich im Zeitraum 2011 bis 2013 als enger Mitarbeiter. Im Jahr 2010 hätten bewaffnete maskierte „Anhänger der Gegenpartei“ ihn in der Nacht versucht zu attackieren. Auch von seinen eigenen Parteileuten sei er zwei- oder dreimal attackiert worden.

Festgestellt wird, dass es unglaubwürdig ist, dass der BF sowohl von regierenden als auch oppositionellen Parteien, einschließlich seiner eigenen Partei, gleichzeitig verfolgt wird.

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, gegen ihn bestünden drei Verfahren, eine Anzeige vom 01.06.2011, eine vom 07.12.2012 und eine vom 26.12.2018, wobei er die letzte Anzeige erstmalig in der dritten Einvernahme vor dem BFA am 09.01.2019 erwähnte und vorlegte.

Festgestellt wird, dass sich hinsichtlich der Anzeigen vom 01.06.2011 und vom 07.12.2012, durch Vor-Ort-Recherchen eines Vertrauensanwalts beim, auf den Anzeigen genannten Gerichts, ergeben hat, dass der Name des BF im dortigen Anklageprotokoll nicht aufscheint. Bei der beglaubigten Kopie, die der BF vorgelegt hat, handelt es sich um eine Verfälschung, da der Name des BF hinzugefügt worden ist.

Festgestellt wird, dass der BF in der Anzeige 26.12.2018 (Anzeige wegen Betruges und Untreue) zwar namentlich genannt wird, aber sich zumindest ein, in der Anzeige genannter Vorfall auf einen Zeitpunkt bezieht, an dem sich der BF bereits nachweislich in Österreich aufgehalten hat. Der erste Vorfall fand laut Anzeige am 10.05.2012 statt und ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger den BF erst sechs Jahre später erstmalig anzeigen sollte.

Festgestellt wird, dass es unglaubwürdig ist, dass der angebliche Geldgeber im Jahr 2011 oder 2012 – der BF war damals zumindest 12 Jahre, maximal 16 Jahre alt - einen Geldbetrag von 120.000,- Taka hätte geben sollen, um „Parteiarbeit“ zu finanzieren (laut Länderbericht beträgt die Mindestpension in Bangladesch 500 Taka monatlich, ein Betrag von 120.000 Taka wäre ein Betrag, der für 20 Pensionsjahre gereicht hätte), und dies vom BF „zurückzuzahlen“ wäre.

Festgestellt wird, dass der BF sich weder gegen die angeblichen Attacken durch Parteikollegen nicht einmal mit einer Anzeige zur Wehr setzte, noch gegen die versuchte Attacke von maskierten, damit unerkannten, bewaffneten „Anhängern der Gegenpartei“ im Jahr 2010.

Festgestellt wird, dass dem BF gegebenenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht. Festgestellt wird, dass dem BF in Bangladesch bei einer Rückkehr keine staatliche Verfolgung droht.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19

Letzte Änderung: 08.06.2021

Der Regierung wird vorgeworfen, dass die Vorbereitung auf die Viruserkrankung im Inland inadäquat gewesen sind. COVID-19-Testungen waren zunächst nur in der Hauptstadt Dhaka möglich gewesen. Anfang April 2020 nahmen Diagnostikeinrichtungen am Rajshahi Medical College und am Cox's Bazar Medical College ihre Tätigkeiten auf und testen seitdem Bewohner ihrer jeweiligen Regionen auf eine Infektion mit COVID-19. Mit Ende März 2020 erließ die Regierung weitreichende Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das Transportwesen, Einkaufsmöglichkeiten, behördliche Dienste und anderes wurden auf das nötigste reduziert. Von den erlassenen Kontakt- und Arbeitsbeschränkungen ist ein Großteil der bangladeschischen Bevölkerung betroffen. Viele stehen dadurch vor unmittelbar existenzbedrohenden finanziellen Risiken. Viele Großaufträge beispielsweise im Bereich der Textilindustrie wurden zurückgezogen. Diese Maßnahmen bedeuteten einen Wegfall der Einkommensgrundlage von 4,1 Millionen Textilarbeitern, die zu den Geringverdienern in Bangladesch zählen. Einige Textilfabriken stellten jedoch ihre Produktion teilweise auf die Herstellung von Atemschutzmasken und Schutzanzügen um. Lokale Initiativen von einkommensstärkeren Personen versuchen, die Grundversorgung von einkommensschwächeren Familien durch die Verteilung von Lebensmitteln in den jeweiligen Anwohnergebieten aufrecht zu erhalten. Auch die Regierung hat erste staatliche Entlastungsprogramme in die Wege geleitet. Darunter Programme zur finanziellen Unterstützung der in der Landwirtschaft Tätigen oder für Personen, die in extremer Armut leben (GIZ 11.2020; vgl. ÖB 9.2020). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Millionen Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Millionen rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Der durch die Regierung verhängte umfassende Lockdown war de facto jedoch immer brüchig und wurde einmal mehr und einmal weniger eingehalten. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Angesichts der historisch niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsversorgung im Land erwiesen sich die Einrichtungen als unzureichend, schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet, um die Krise zu bewältigen (AI 7.4.2021). Die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen. Landesweit sind etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar. Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020b).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens aufgrund des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs dar. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

COVID-19 erhöht Risiken im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und setzen Frauen und Kinder zusätzlichen Bedrohungen aus (iMMAP 3.2021).

Die Behörden gehen gegen Journalisten und Medien vor, die kritisch über die Reaktion der Regierung auf die COVID-19-Pandemie berichten (HRW 20.5.2021; vgl. AI 19.5.2021). Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen ausgesetzt (ÖB 9.2020). Eine Überwachung von Personen, die "Gerüchte" über die Covid-19-Pandemie verbreiten könnten, wird verstärkt, die Medienzensur verschärft (HRW 20.5.2021).

Nachdem die Zahl der Neuinfektionen im April 2021 Tagen stark angestiegen, wurden die Anfang April 2021 eingeführten Abriegelungsmaßnahmen, die auch die Schließung von Geschäften beinhaltet, aufgrund der sich verschlechternden Situation weiter verschärft (BAMF 12.4.2021).

Das Außenministerium des Landes bestätigt Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Massenimpfprogrammes wegen einem Fehlen an den dafür notwendigen Impfstoff-Dosen. Bisher hat Bangladesch erst 7 Millionen Dosen (darüber hinaus schenkte Indien 3,2 Millionen Dosen separat) einer vertraglich mit Indien vereinbarten Menge von 30 Millionen Dosen des vom Serum Institute of India hergestellten Oxford AstraZeneca-Impfstoffs erhalten (AnAg 22.5.2021).

Um eine Übertragung von den als ansteckender eingestuften Varianten des COVID-19-Virus aus Indien zu verhindern, wurden Flüge abgesagt und Grenzen geschlossen (TG 5.5.2021).

Quellen:

?        AnAg – Anadolu Agency (22.5.2021): Bangladesh extends border lockdown with India, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-extends-border-lockdown-with-india/2251062, Zugriff 25.5.2021

?        AI – Amnesty International (19.5.2021): Bangladesh: Rozina Islam must not be punished for her journalistic work, Zugriff 19.5.2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2051859.html, Zugriff 1.6.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bangladesh 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048635.html, Zugriff 18.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.5.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 17.5.2021

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest [Deutschland] (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch: Bangladesh (20.5.2021): Arrest of Journalist Investigating Corruption, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052025.html, Zugriff 1.6.2021

?        iMMAP – Information Management and Mine Action Programs (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (3.2021): COVID-19 Situation Analysis , https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iMMAP_COVID-19_Bangladesh_Analysis%20Report_032021.pdf, Zugriff 17.5.2021ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        TG – The Guardian (5.5.2021): India’s neighbours close borders as Covid wave spreads across region, https://www.theguardian.com/world/2021/may/05/indias-neighbours-close-borders-as-covid-wave-spreads-across-region, Zugriff 25.5.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Unabhängigkeit und der Übergang zur Demokratie brachten ein Einparteiensystem, mehrere Militärputsche (1975 und 1982), zwei Übergangsregierungen, Ausnahmezustände und Machtkämpfe zwischen den beiden großen Parteien, der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami-Liga (AL). Die beiden Parteien regieren Bangladesch seit 1991 abwechselnd (OMCT 7.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch. Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 30.3.2021; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der BNP und der AL als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit um die Führung des Landes konkurriert haben. Unterstützt werden die beiden Parteien von einem kleinen Kreis von Beratern (FH 3.3.2021). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitzen (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019). Diese waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a). Die rivalisierenden Parteien AL und BNP dominieren die Politik und schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten für diejenigen ein, die parteiinterne Strukturen oder Hierarchien in Frage stellen oder alternative Parteien oder politische Gruppierungen gründen wollen, Animositäten zwischen den Parteispitzen von AL und BNP die sich bis in die Kader der unteren Ebenen ziehen, haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (FH 3.3.2021).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses (FIDH 29.12.2018). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit diese auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 28.5.2021)

?        FIDH - International Federation for Human Rights (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        OMCT – World Organisation Against Torture (7.2019): Cycle of Fear - Combating Impunity for Torture and Strengthening the Rule of Law in Bangladesh, https://www.omct.org/files/2019/07/25475/cycleoffear_bangladesh_report_omct.pdf, Zugriff 1.6.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048142.html, Zugriff 28.5.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 08.06.2021

Die Sicherheitslage in Bangladesch ist volatil und kann sich kurzfristig deutlich verschlechtern (EDA 27.5.201; vgl. DFAT 22.8.2019). Zwischen religiösen beziehungsweise ethnischen Gemeinschaften bestehen latente Spannungen, die sich teilweise ohne grosse Vorwarnung in lokalen, gewaltsamen Zusammenstössen entladen können (EDA 27.5.2021). Terroristische Anschläge islamistischer Extremistengruppen verfügen über ein Gefährdungspotential gegenüber dem Staat (DFAT 22.8.2019). 2017 kam es im Land zu mehreren Selbstmordattentaten (SATP 26.5.2021a). Der "Islamische Staat" ruft zu weiteren Attentaten auf (BMEIA 27.5.2021).

Die Regierungen Bangladeschs stehen vor der Herausforderung, mit extremistischen islamistischen Gruppen umzugehen, die Gewalt gegen eine Vielzahl von staatlichen und zivilen Zielen planen oder ausführen können. Von den Behörden wurde auf solche Angriffe stets robust reagiert. Wichtige militante Gruppen wurden verboten und Hunderte von Kämpfern verhaftet. Menschenrechtsgruppen berichten, dass Sicherheitsoperationen gegen militante Gruppen zu einer hohen Zahl von außergerichtlichen Tötungen führen (DFAT 22.8.2019).

Es wird davon ausgegangen, dass Operationen gegen terroristische Gruppen, zusammen mit der sich allmählich verbessernden Koordination der Regierung bei der Terrorismusbekämpfung, die Fähigkeiten militanter Gruppen verringert haben. Trotzdem kann das Risiko weiterer Anschläge nicht ausgeschlossen werden (DFAT 22.8.2019). Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 99 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2020 wurden 88 solcher Vorfälle, bis zum 26.5.2021 wurden insgesamt 35 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 28.5.2021b).

Bangladesch hat seine Ansprüche an den Seegrenzen zu Myanmar und Indien an den Internationalen Seegerichtshof herangetragen; der Besuch des indischen Premierministers Singh im September 2011 in Bangladesch führte zur Unterzeichnung eines Protokolls zum Landgrenzenabkommen zwischen Indien und Bangladesch von 1974, das die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht abgegrenzte Gebiete und den Austausch von territorialen Enklaven vorsah, aber nie umgesetzt wurde (CIA 4.5.2021). An der Grenze zu Indien kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden dabei Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren oder sich im Nahbereich der Grenze befinden (DT 22.12.2020).

Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen, insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt (EDA 27.5.2021; vgl. CIA 4.5.2021). Die Rohingya werden von den Behörden Bangladeschs als zusätzlichen Sicherheitsbedrohung in Cox's Bazar mit möglichen Auswirkungen auf kommunale Gewalt, Menschenschmuggel, Drogen- und Menschenhandel und einhergehenden möglichen Radikalisierungen wahrgenommen (DFAT 22.8.2019). Durch die myanmarischen Grenzbehörden wurde eine 200 km langer Drahtsperranlage, der illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll, errichtet (CIA 24.5.2021).

Potential für Bedrohungen mit Bezug auf die Sicherheitslage haben ebeno politisch motivierte Gewalt (insbesondere im Vorfeld von Wahlen) (DFAT 22.8.2019). Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil der Gewalt im Land verantwortlich. Die Animositäten zwischen den beiden Parteien sowie zwischen den Kadern der unteren Ebenen haben zu andauernder politischer Gewalt beigetragen (HRW 13.1.2021; vgl. ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 3.3.2021). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018). Im Jahr 2020 wurden 73 Tote und 2.883 Verletzte aufgrund politischer Gewalt sowie 2.339 Verletzte bei innerparteilichen Zusammenstößen registriert. Gewaltsame politische Proteste und wahlbezogene Gewalt hielten auch 2020 an (HRW 13.1.2021; vgl. ODHIKAR 25.1.2021).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene "Studentenorganisationen". Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Es kommt zu Fällen krimineller Gewalt, sowie zu sporadische Zusammenstößen in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern wegen Landbesitz und -nutzung (DFAT 22.8.2019). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden und sich in gewalttätige Auseinandersetzungen entladen (UKFCO 27.5.2021; vgl. AA 28.7.2020, AI 1.4.2021). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie etwa Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AI – Amnesty International (1.4.2021): Bangladesh authorities must conduct prompt, thorough, impartial, and independent investigations into the death of protesters and respect people’s right to peaceful assembly, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048271.html, Zugriff 27.4.2021

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (27.5.2021) (Unverändert gültig seit: 26.05.2021): Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) – Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 27.5.2021

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2021): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/, Zugriff 28.5.2021

?        DT – DhakaTribune (22.12.2020): Bangladesh sees highest border deaths in 10 years, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/2020/12/22/bangladesh-sees-highest-border-deaths-in-10-years, Zugriff 25.5.2021

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (27.05.2021) (publiziert am 14.08.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 27.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048581.html, Zugriff 19.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043519.html, Zugriff 28.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht zu Bangladesch,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2052061/BANG_%C3%96B_BERICHT_2020_09.pdf, Zugriff 28.5.2021

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?        SATP – South Asia Terrorism Portal (26.5.2021b): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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