TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/30 W159 2236169-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2021
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Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W159 2236169-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINISKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina gegen die Spruchpunkte I. II., III., IV. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2020, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Im Zuge einer Fahrzeugkontrolle in XXXX am 18.09.2020 konnte sich der Beschwerdeführer nicht ausweisen. Er gab an, ein slowakisches Visum zu haben und alle paar Tage zu seiner Freundin nach Österreich zu kommen, wobei unter der von ihm angegebenen Adresse niemand mit dem Namen der Freundin im Zentralen Melderegister gefunden wurde.

Am 19.09.2020 wurde er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien zur Abklärung des Aufenthaltsstatus und Erlassung einer allfälligen Rückkehrentscheidung niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er mit seinem bosnischen Reisepass und Personalausweis nach Österreich eingereist sei, seine Dokumente jedoch verloren habe und auf der bosnischen Botschaft niemand erreicht habe. Er habe mit seiner Freundin auch ein gemeinsames Kind. Eine Verwandte seiner Freundin habe ihm und seiner Freundin namens XXXX die Wohnung überlassen. Sie hätten auch ein gemeinsames Kind mit dem Namen XXXX , geboren XXXX . Er habe schon 2018 und 2019 für ein paar Monate in Österreich gearbeitet und habe hier wieder arbeiten wollen. Auch seine Freundin fahre mit dem Kind immer wieder hin und her. Befragt, wie er zu dem bei der Meldebehörde vorgewiesenen bulgarischen Personalausweis gekommen ist, gab er an, dass er nicht gewusst habe, dass dieser gefälscht gewesen sei, aber als er dies erfahren habe, habe er ihn sofort weggeworfen. Er sei überwiegend in der Slowakei aufhältig und habe nur ein paar Tage in Österreich bleiben wollen. In der Slowakei arbeite er auch schwarz. Er habe noch eine weitere Freundin in Österreich. In Bosnien habe er eine Tante und in Belgrad würden seine Cousins leben. Außerdem habe er noch ein uneheliches Kind in Bosnien. Sein Familienstand sei ledig. Er habe niemals einen Aufenthaltstitel für Österreich oder ein Visum für die EU besessen. Er habe 900 Euro Bargeld, das er in der Slowakei verdient habe, aber seine Geldbörse sei ihm auch gestohlen worden. In Österreich verfüge er auch über keine Kranken- und Unfallversicherung. In Bosnien und Herzegowina werde er weder strafrechtlich noch politisch verfolgt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2020, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt II. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt III. die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina für zulässig erklärt, unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, unter Spruchpunkt V. eine Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und unter Spruchpunkt VI. ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges wurde insbesondere festgehalten, dass der Beschwerdeführer über keine Dokumente verfüge, die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich bzw. im Schengenraum habe er nicht belegen können. Er habe in Österreich illegal gearbeitet und sei überdies mittellos. Weiters wurden Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. In der Beweiswürdigung wurde insbesondere auf den Akteninhalt verwiesen. Zu Spruchpunkt I. wurde rechtlich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Angaben hinsichtlich des Vorliegen seines Sachverhaltes, der unter § 57 AsylG zu subsumieren wäre, gemacht habe und daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen sei. Zu Spruchpunkt II. wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer ledig sei und Vater von zwei minderjährigen Kindern. Ein Sohn lebe bei der Ex-Freundin in Bosnien. Er habe in Österreich illegal gearbeitet, was er in der Einvernahme vom 19.09.2020 auch zugegeben habe und bestehe ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Schwarzarbeit. Es bestünde daher kein schützenswertes Privatleben in Österreich. Weiters habe er sich illegal hier aufgehalten und gäbe es auch keine Hinweise auf eine Integration des Beschwerdeführers in Österreich, wenn er auch strafrechtlich unbescholten sei. Seine Familienangehörigen lebten vielmehr in Bosnien. Es sei daher insgesamt eine Rückkehrentscheidung zulässig und kein Aufenthaltstitel zu gewähren gewesen.

Zu Spruchpunkt III. wurde insbesondere ausgeführt, dass sich weder aus dem Vorbringen noch aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergäbe. Außerdem stünde einer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen. Es sei diese daher als zulässig zu bezeichnen. Da die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, war der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und daher auch keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren (Spruchpunkt IV. und V.).

Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot) wurde insbesondere damit begründet, dass der Beschwerdeführer weder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachweisen habe können und überdies bei einer Beschäftigung betreten worden sei, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz hätte nicht ausüben dürfen, zumal er selbst zugegeben habe in Österreich schwarz gearbeitet zu haben. Des Weiteren sei er auch als mittellos anzusehen. Dadurch habe her seinen Willen zur Nichtbeachtung der österreichischen Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht. In Österreich bestünden weder familiäre noch berufliche Bindungen und müsse daher insbesondere wegen des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Schwarzarbeit mit einem Einreiseverbot vorgegangen werden, welches sich auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU Rückführungsrichtlinie beziehe.

Nach Vollmachtsvorlage des Rechtsanwaltes XXXX erhob dieser im Namen des Beschwerdeführers gegen den angefochtenen Bescheid Beschwerde und beantragte auch ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. In der Beschwerde wurde behauptet, dass der Beschwerdeführer bulgarischer Staatsbürger sei und daher EU-Bürger und aus diesem Grunde kein Drittstaatsangehöriger sei und sei daher der gesamte Bescheid rechtswidrig. Eine etwaige bosnische Staatsbürgerschaft sei hingegen irrelevant, weil zwischen Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft zu unterscheiden sei, wozu deutsche völkerrechtliche Literatur älteren Datums zitiert wurde. Auch dürfe die Behörde die serbische Staatsangehörigkeit (?) nicht forcieren. Schließlich sei auch die Annahme der Behörde, dass der Beschwerdeführer wegen illegaler Arbeit keinen rechtmäßigen Unterhalt erwirtschaften könne, unzutreffend.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2020 wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben, sowie der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Nach Richterwechsel wurde der Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters mit Schreiben vom 25.05.2021 aufgefordert, innerhalb einer Frist von 4 Wochen im Hinblick auf die Beschwerdebehauptung, bulgarischer Staatsangehöriger zu sein, einen bulgarischen Staatsbürgerschaftsnachweis oder eine Bestätigung der bulgarischen Botschaft vorzulegen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte daraufhin für den 21.09.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, welche dem Beschwerdeführer rechtswirksam zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Rechtsanwalt XXXX am 04.08.2021 zugestellt wurde. Daraufhin teilte der Vertreter mit Schreiben vom 05.08.2021 mit, dass das Vollmachtsverhältnis beendet sei. Eine in der Folge per E-Mail von der Referentin des Leiters der Gerichtsabteilung gestellten Frage, ob die Ladung an den Beschwerdeführer weiteregeleitet wurde, wozu der Beschwerdeführervertreter verpflichtet war, ist ebenfalls unbeantwortet geblieben. Zu der Beschwerdeverhandlung am 21.09.2021 ließ sich die Behörde entschuldigen. Trotz Zuwarten für eine Zeit von 15 Minuten ist der Beschwerdeführer nicht erschienen und hat sich auch in keiner Weise für das Nichterscheinen entschuldig. Festgehalten wurde weiters, dass der Beschwerdeführer über keine aktuelle Meldung in Österreich (mehr) verfügt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina. Er ist zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach Österreich eingereist und offenbar wieder ausgereist. Eigenen Angaben zufolge ist er mehrfach zwischen Bosnien, der Slowakei und Österreich hin und her gereist. Er hat zu keinem Zeitpunkt über einen Aufenthaltstitel oder eine Beschäftigungsbewilligung in Österreich verfügt. Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich. Es ist auch keine Integration feststellbar. Er hat in Österreich ebenso wie in der Slowakei „schwarz“ gearbeitet. Es gibt keine Hinweise auf eine schwere Erkrankung des Beschwerdeführers. Er verfügt über kein Vermögen in Österreich und hatte auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung auch kein Bargeld bei sich. Eine Tante lebt in Bosnien und Herzegowina, wo auch ein unehelicher Sohn bei seiner Ex-Freundin wohnt. Er wird in Bosnien und Herzegowina weder von staatlicher Seite noch von Privaten verfolgt. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Zu Bosnien und Herzegowina wird folgendes festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 27.07.2021

Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BuH) wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. BuH besteht aus zwei flächenmäßig nahezu gleich großen, weitgehend autonomen Gebietskörperschaften, genannt Entitäten: Die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation BuH (51% des Territoriums, ca. 63% der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS) (49% des Territoriums, ca. 35% der Gesamt-bevölkerung). Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die Föderation BuH gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als kollektives Staatsoberhaupt des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von vier Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle acht Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der Föderation BuH kommen zusammen auf über 150 Ministerien (AA 5.4.2021). Der Staat wird von einem dreiköpfigen Präsidium geführt, das aus jeweils einem Kroaten, einem Serben und einem Muslim (Bosniaken) besteht, die sich nach acht Monaten im Vorsitz abwechseln. Die drei Mitglieder des Präsidiums werden alle vier Jahre direkt gewählt. Die Legislative liegt beim Zwei-Kammern-Parlament (Skupstina). Die 42 Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden vom Volk für vier Jahre direkt gewählt (28 Föderation Bosnien und Herzegowina, 14 Serbische Republik). Die Mitglieder der Kammer der Völker werden von den Parlamenten der Teilstaaten gewählt (zehn Föderation Bosnien und Herzegowina, fünf Serbische Republik). Jeder der zwei Teilstaaten hat eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament. In der Föderation Bosnien-Herzegowina besteht das Parlament aus zwei Kammern (Abgeordnetenhaus/ 98 Sitze und Kammer der Völker/ 58 Sitze). Ebenso in der Serbischen Republik: Nationalversammlung/ 83 Sitze und Rat der Völker/ 28 Sitze. Der jeweilige Präsident wird vom Parlament gewählt (Länder-Lexikon o.D.). Mit der Entscheidung des Lenkungsausschusses (Stearing Board) des Friedensimplementierungsrats (PIC) für Bosnien und Herzegowina ist der erfahrene CSU-Politiker, Christian Schmidt, mit der Funktion des Hohen Representanten (HR) betraut worden. Dieser hat die Aufgabe, den Friedensvertrag von Dayton, der den blutigen Bosnienkrieg (1992-1995) beendete, zu überwachen und den politisch-zivilen Teil des Abkommens zu implementieren. Durch die ständigen Blockaden vor allem seitens der bosnischen Serben und bosnischen Kroaten ist der bosnische Staat heute praktisch funktionsunfähig und zeigt kaum Fortschritte auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie. Schon seit Jahren versucht Moskau eine Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) zu erreichen, was die Krise in Bosnien in absehbarer Weise noch vergrößern und das Bestehen dieses Staates gefährden würde (DW 7.6.2021). Die in ihren jeweilige Volksgruppen dominierenden National-Parteien haben bei den Kommunalwahlen in BuH empfindliche Niederlagen einstecken müssen. In der Hauptstadt Sarajevo verlor die muslimisch-bosniakische Regierungspartei SDA mehrere Stadtteile an ein links-liberales Oppositionsbündnis. Im serbischen Landesteil, der RS, verlor die Regierungspartei SNSD des serbischen Präsidentschaftsmitglieds Milorad Dodik die Bürgermeisterwahl in der Regionshauptstadt Banja Luka. Bosnische Medien werteten die Wahlergebnisse als Beginn eines möglichen Wandels. Sie schrieben sie auch dem Versagen der National-Parteien bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zu, von der BuH besonders hart betroffen ist. So gab es etwa Korruption im Zusammenhang mit dem Kauf medizinischer Geräte (DW 16.11.2020).

Bosnien und Herzegowina muss im Einklang mit den einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2019 die 14 Schlüsselprioritäten umsetzen, die in der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom Mai 2019 zum Antrag des Landes auf EU-Mitgliedschaft genannt wurden. Die Stellungnahme ist ein umfassender Fahrplan für tiefgreifende Reformen in den Bereichen Demokratie/Funktionsweise der staatlichen Verwaltung, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte sowie öffentliche Verwaltung. Bosnien und Herzegowina muss seinen rechtlichen und institutionellen Rahmen - wo erforderlich auch auf Verfassungsebene - grundlegend verbessern, um den Anforderungen für die EU-Mitgliedschaft gerecht zu werden. Die Erfüllung der 14 Schlüsselprioritäten wird es dem Land ermöglichen, Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen. Im Juli 2020 verabschiedeten alle Regierungsebenen den strategischen Rahmen für die Reform der öffentlichen Verwaltung, was zur Umsetzung der Schlüsselpriorität 14 beitrug. Nun müssen alle Regierungsebenen den entsprechenden Aktionsplan annehmen. Bosnien und Herzegowina hat im September 2020 die überarbeitete nationale Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen angenommen, und damit einen Beitrag zur Schlüsselpriorität 5 geleistet. Ferner sind Vorbereitungen für die Tagungen des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses im Gange. Bosnien und Herzegowina muss auch bei den anderen Schlüsselprioritäten Fortschritte erzielen (VB 7.5.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• AA - Auswärtiges Amt (30.11.2020a): Bosnien und Herzegowina, Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bosnienundherzegowina-node/bosnien-und-herzegowina/207680 , Zugriff 26.4.2021

• DW - Deutsche Welle Gastkolumne (7.6.2021): Christian Schmidt - der richtige Mann für Bosnienund Herzegowina, https://www.dw.com/de/gastkolumne-christian-schmidt-der-richtige-mann-f%C3%Bcr-bosnien-und-herzegowina/a-57803671 , Zugriff 5.7.2021

• Länder-Lexikon (o.D.): Bosnien-Herzegowina, https://www.laender-lexikon.de/Bosnien-Herzegowina , Zugriff 27.7.2021

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 27.07.2021

Sowohl die politische Situation als auch die allgemeine Konfliktlage in der Region bleiben auch 25 Jahre nach Kriegsende angespannt. Zwischen Bosnien und Herzegowina (BuH) und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz- und Territorialfragen, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der Adria. Ebenso gibt es zwischen BuH und Serbien Territorialstreitigkeiten entlang des Flusses Drina. Im Rahmen der EUFOR Mission Operation Althea, die 2004 mit dem Ende von SFOR die Überwachung des Dayton-Abkommens übernahm, sind derzeit 600 Soldaten aus 19 Staaten stationiert. Die OSZE-Mission in BuH ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsent und operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken. Darüber hinaus hat die Mission zum Ziel, die bosnische Regierung beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, einer funktionierenden Zivilgesellschaft und einem guten Regierungssystem zu unterstützen (BICC 1.2021). In einem Non-Paper, das Anfang 2021 aufgetaucht ist und angeblich von slowenischem Premier Janša stammt, wird vorgeschlagen, die gesamte Nachkriegsordnung in Südosteuropa zu zerstören und neue Grenzen nach ethnischen Kriterien zu ziehen, also genau das zu machen, was in den 1990er-Jahren zu den Kriegen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina geführt hat. Insbesondere in Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, eines Staats, der laut dem Non-Paper zerstückelt und zerstört werden soll - genauso wie es die Kriegstreiber in den 1990ern versuchten -, reagierte man heftig auf das slowenische Papier, zumal Slowenien bisher immer als enger Freund von Bosnien-Herzegowina galt (DS 15.4.2021). Das Non-Paper schlägt die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas, jenes serbisch-kroatisch-muslimischen Staates vor, den der französische Staatspräsident Emmanuel Macron einmal als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet hat. Die Republika Srpska solle Serbien zugeschlagen werden, die vornehmlich kroatischen Gebiete der Herzegowina Kroatien. Der muslimisch dominierte Rumpfstaat könne zwischen der EU und der Anbindung an die Türkei wählen. Die Fantasterei über die Schaffung eines Großserbiens, Großkroatiens und Großalbaniens ist auch die Folge der arroganten Gleichgültigkeit in Brüssel nach dem Verlust der EU-Perspektive für die sechs sogenannten Westbalkan-Staaten (DS 27.4.2021).

Quellen:

• BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit,LänderinformationenBosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien-Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021

• DS - Der Standard (15.4.2021): International Europa Slowenien, Geleaktes Papier, Grenzen nachEthnien: Slowenischer Vorschlag verstört den Balkan, https://www.derstandard.at/story/2000125883075/grenzen-nach-ethnien-slowenischer-vorschlag-verstoert-den-balkan , Zugriff 16.4.2021

• DS - Der Standard (27.4.2021): Kolumne, Paul Lendvai, Die „tickende Zeitbombe“ auf dem Balkan, https://www.derstandard.at/story/2000126164069/die-tickende-zeitbombe-auf-dem-balkan ;Zugriff 27.4.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 14.07.2021

Die Staatsverfassung sieht das Recht auf ein faires Verfahren in Zivil- und Strafsachen vor, während die Verfassungen der Entitäten ein unabhängiges Justizwesen vorsehen. Dennoch beeinflussen politische Parteien und die Akteure des organisierten Verbrechens die Justiz sowohl auf Staats- als auch auf Entitätsebene in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden versäumen es bisweilen, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlichen Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Die Ineffizienz der Gerichte untergräbt die Rechtsstaatlichkeit, indem sie die Inanspruchnahme von Zivilurteilen weniger effektiv macht. In mehreren Fällen stellte das Verfassungsgericht Verstöße gegen das Recht auf einen Abschluss des Verfahrens innerhalb einer angemessenen Frist fest. Die Nichteinhaltung von Gerichtsentscheidungen durch die Regierung veranlasste die Beschwerdeführer, den EGMR anzurufen. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, die Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 30.3.2021). Im Jahr 2020 wurden im Bereich Justiz keine Fortschritte erzielt. Die Behinderung von Justizreformen durch politische Akteure und innerhalb der Justiz sowie das schlechte Funktionieren der Justiz untergraben die Ausübung der Rechte der Bürger und den Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität (EK 10.2020). Im September 2020 verabschiedete der Ministerrat von BuH die im Mai 2018 vorgelegte, lang verzögerte überarbeitete nationale Strategie zur Bearbeitung von Kriegsverbrechen. Die Strategie zielt darauf ab, Fälle von Kriegsverbrechen effizient vom Staat an Gerichte der unteren Ebene zu verteilen, um den Rückstau an Fällen zu beseitigen. Die NGO TRIAL International äußerte die Sorge, dass im Jahr 2020, 25 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen immer noch geleugnet oder bagatellisiert werden. Nach Angaben der OSZE waren im August 2020 243 Kriegsverbrecherprozesse gegen 483 Angeklagte vor allen Gerichten in BuH anhängig. Zwischen Januar und Juli 2020 fällten die Gerichte in BuH in 11 Fällen erstinstanzliche Urteile; 12 der 19 Angeklagten wurden verurteilt. Im gleichen Zeitraum fällten bosnische Gerichte in sechs Fällen rechtskräftige Urteile, fünf von neun Angeklagten wurden verurteilt und in zwei Fällen endete das Verfahren mit dem Tod des Angeklagten (HRW 13.1.2021). In zwei unterschiedlichen Fällen wurden gegen zwei bosnische Staatsbürger, die im Zuge der Rückkehraktionen Ende 2019 aus Syrien nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben wurden, entsprechende Urteile wegen der Teilnahme an Kriegshandlungen in Syrien oder im Irak und Mitgliedschaft bei ISIS vom Staatsgericht ausgesprochen. Im ersten Fall wurde ein 22-jähriger Bosnier, der als Minderjähriger mit seiner Familie nach Syrien und Irak verzogen war, rechtskräftig zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Im zweiten Fall wurde ein 27-jähriger Bosnier wegen Teilnahme an Kriegshandlungen und Anstiftung zum Terrorismus durch Propagandavideos erstinstanzlich zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Sakib MAHMULJIN, der ehemalige Kommandant der Dritten Kompanie der Armee der Republik BuH, wo ein Teil auch die „El Mujahidin“ Sektion war, wurde vom zuständigen Gericht in Sarajevo wegen Kriegsverbrechen, begangen 1995 gegen serbische Kriegsgefangene und Zivilisten in der Gegend von Zavidovici und Vozuca in Zentralbosnien, zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt (VB7.5.2021).

Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BuH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxisvon Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis oft nur auf dem Papier angewandt werden. Sippenhaft wird nicht praktiziert (AA 5.4.2021). Die von den zuständigen Stellen in Bosnien und Herzegowina erarbeiteten Gesetzesänderungen für Richter und Staatsanwälte, die im sogenannten höchstrichterlichen und staatsanwaltschaftlichem Gremium (High Judicial and Prosecutorial Council - HJPC) zusammengefasst sind, sollen für eine transparente Umsetzung von Regelungen im Zusammenhang mit Interessenskonflikt, Transparenz bei Bestellungen und Ernennungen, Disziplinarrecht und ?Prozeduren für Staatsanwälte und Richter in BuH sorgen. Die „Venedig Kommission“ des Europarats und deren Mitglieder üben deutliche Kritik an der Vorlage und verweisen darauf, dass trotz bereits mehrfach geübter Kritik essenzielle Änderungen ausgeblieben sind und dies einer bewussten Verweigerung gleichkommt, da bereits 2014 auf notwendige Anpassungen im Sinne der Annäherung an die EU - Richtlinien hingewiesen wurde (VB 6.5.2021). Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von „Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person“ an Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u.a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 7.5.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• EK - Europäische Kommission (6.10.2020): Bosnia and Herzegovina 2020 Report [SWD(2020)350 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2040142/bosnia_and_herzegovina_report_2020.pdf ,

Zugriff 26.4.2021

• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043526.html , Zugriff 26.4.2021

• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices:

Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (6.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 27.07.2021

Auch im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe bosnisch-herzegowinischen Verfassung nieder: Auf Gesamtstaatsebene existiert neben der dem deutschen BKA vergleichbaren Polizeibehörde SIPA (u. a. zuständig für Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität und Korruption) die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u. a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der Föderation BuH existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Föderation erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der RS übt die Gesamtpolizei hingegen auch Aufsicht über die sechs regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Br?ko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten. Daneben besteht ein gesamtstaatlicher, sowohl In- als auch Auslandsaktivitäten abdeckender Geheimdienst (OSA), der aus der Zusammenlegung der früher existierenden beiden Entitätsgeheimdienste entstanden ist. Seit 2006 steht er formal unter parlamentarischer Kontrolle, allerdings ist das zuständige parlamentarische Komitee schon seit Längerem wegen politischer Streitigkeiten nicht mehr zusammengetreten. Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u. a. in Hinblick auf die NATO-Annäherung Bosnien und Herzegowinas). Mit Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes und des Wehrdienstgesetzes (beide 2005) wurde mit den bewaffneten Streitkräften (Oruzane Snage Bosne i Herzegowine - OSBIH) eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebene Truppenteile der drei konstituierenden Volksgruppen ab Brigadeebene aufwärts wurden abgeschafft, die Wehrpflicht ebenfalls. Alle Staatsbürger unter 40 Jahren, darunter auch Frauen, haben Zugang zu den Streitkräften (AA 5.4.2021).

Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt. Erfolge bestehen darin, dass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt (BICC 1.2021). Ein von Österreich angeführtes Konsortium mit Kroatien als Junior Partner wurde im Jänner 2021 mit der Durchführung des Twinning-Projektes „EU 4 Fight against Cybercrime in BiH“ betraut. Aufgrund der aktuellen Lage betreffend die Pandemie ist der Beginn des Projekts (vorgesehen für März 2021) zumindest bis Mai 2021 verschoben worden (VB 7.5.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien-Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 27.07.2021

Die Verfassung von Bosnien und Herzegowina schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. Das Land ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäische Folterverhütungskonvention gebunden. Bosnien und Herzegowina hat 2003 vorbehaltlos die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention anerkannt. Folter ist in Bosnien und Herzegowina strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, CPT) überprüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen. Die letzte Überprüfung fand im Juni 2019 statt, ein Bericht liegt noch nicht vor. Es kommt nach Angaben des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma (AA 5.4.2021). Das Gesetz verbietet derartige Praktiken. Es gab zwar keine Berichte, dass Regierungsbeamte solche Maßnahmen anwandten, aber auch keine konkreten Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte die in den Vorjahren berichtete Praxis der schweren Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen beendet hätten. Das Land hat keine Institution als nationalen Mechanismus zur Verhinderung von Folter und Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen gemäß dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe benannt (USDOS 30.3.2021). In Bezug auf Folter und Misshandlung erhielt der Ombudsmann im Jahr 2019 129 Beschwerden, gegenüber 144 im Jahr 2018. Berichte über Misshandlungen von Verdächtigen und Gefangenen in Polizeistationen und Hafteinrichtungen werden nur langsam bearbeitet und nur wenige Beamte werden bestraft. Im August 2019 verurteilte der UN-Ausschuss gegen Folter auf eine Petition von Opfern sexueller Kriegsgewalt hin die Praxis der Anwendung von Verjährungsfristen bei Entschädigungsansprüchen und forderte Bosnien und Herzegowina auf, ein wirksames Entschädigungssystem auf nationaler Ebene zu schaffen, um Folteropfern eine angemessene und gerechte Entschädigung zu gewähren. Die Gesetzgebung zum Strafvollzug ist weder landesweit ausreichend harmonisiert noch vollständig an europäische und internationale Standards angeglichen (EK 6.10.2020).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• EK - Europäische Kommission (6.10.2020): Bosnia and Herzegovina 2020 Report [SWD(2020) 350 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2040142/bosnia_and_herzegovina_report_2020.pdf ,

Zugriff 26.4.2021

• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 27.07.2021

Gemäß der Verfassung müssen die Behörden mit allen Menschenrechtsorganisationen zusammenarbeiten, die über ein Mandat des VN-Sicherheitsrats verfügen. Nach dem Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden sind auch die Entitäten zur Unterstützung aller im Bereich der Menschenrechte tätigen internationalen Organisationen und NGOs verpflichtet. Es gibt keine Hinweise auf systematische Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Dennoch bleibt die Verbesserung der menschenrechtlichen Lage in Bosnien und Herzegowina eine wichtige Voraussetzung für die EU-Annäherung des Landes (AA 5.4.2021). Sehr problematisch ist das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügte Wahlrecht, das Minderheiten keine ausreichende Vertretung garantiert. Auch Teile der Verfassung, die stellenweise nur einen provisorischen Charakter haben, sind aus Sicht des Gerichtshofs kritisch. Trotz Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes und sich daraus ergebender Fortschritte bei der Bekämpfung der Diskriminierung, verdeutlichen beispielsweise die allgemeine Segregation und Diskriminierung in öffentlichen Schulen dieses grundlegende Problem, dass das Zusammenleben zukünftiger Generationen weiterhin erschweren wird. Defizite bestehen weiterhin bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der gesellschaftlichen Versöhnung. Bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen treten weiterhin Mängel auf (BICC 1.2021). Eine Beschränkung der Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition durch den Staat und seine Organe erfolgt grundsätzlich nicht. Allerdings hat die Regierung der Republika Srpska mehrfach angekündigt, ein Gesetz in das Parlament einzubringen, welches alle Politiker einschließlich der Opposition unter strenger Strafandrohung verpflichten würde, in den bosnischherzegowinischen Gesamtstaatsorganisationen ausschließlich die von der Regierung Republika Srpska vorgegebene Linie zu vertreten (AA 5.4.2021).

Die Vereinigungsfreiheit wird durch die bosnisch-herzegowinische Verfassung sowie durch beide Entitätsverfassungen gewährleistet. Vereine und Stiftungen können auf Gesamtstaats Entitäts- oder Kantonsebene registriert werden. Das Verfahren kann allerdings langwierig und kompliziert sein. Die Regierung der Republika Srpska hat eine Gesetzesinitiative angekündigt, die NROs und politische Stiftungen einer Meldepflicht von ausländischer finanzieller Unterstützung auferlegen soll und dem Ziel der Überwachung von aus dem Ausland finanzierten Aktivitäten dient (AA 5.4.2021). Die Versammlungsfreiheit ist formal nicht eingeschränkt, jedoch entsprechen die einzelnen Gesetze zur Versammlungsfreiheit in den Entitäten und Kantonen nicht vollumfänglich europäischen Standards. In der Republika Srpska konnten Versuche beobachtet werden, Demonstranten durch unverhältnismäßiges Vorgehen durch die Polizei oder Ankündigungen von restriktiven Gesetzesvorhaben einzuschüchtern. Dazu zählen bspw. das Vorgehen der Polizei gegen die Protestbewegung „Gerechtigkeit für David“ um den Jahreswechsel 2018/2019 oder der mittlerweile zurückgezogene Gesetzesentwurf, der das Stören von Amtspersonen durch Filmen bspw. bei Demonstrationen unter Strafe stellen sollte (AA 5.4.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien- Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien -Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung: 28.07.2021

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial und Strom ist landesweit sichergestellt. Insgesamt ist der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung dennoch niedrig. Die durchschnittliche Rentenhöhe von 195 Euro in der Republika Srpska und ca. 240 Euro in der Föderation ist ohne die in ländlichen Gebieten, nicht jedoch in den Städten mögliche Subsistenzwirtschaft für eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln für eine Einzelperson nicht ausreichend (AA 5.4.2021).

Nach vorläufigen Daten wird für 2020 ein gegenüber den Vorjahren deutlicher Einbruch der Wirtschaft um etwa minus 5% erwartet. Lediglich die erwartete Zunahme des Konsums der öffentlichen Hand (Prognose 2,3%) zur Gegensteuerung zur Krise dürfte positiv zur Wirtschaftsentwicklung beitragen. Dies ist der höchste Rückgang seit Beendigung des Konfliktes Mitte der 90iger Jahre. Hemmende Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind generell die politische Unsicherheit, mangelnde Transparenz und Rechtssicherheit, komplexe Bürokratie sowie die ungünstige demographische Entwicklung aufgrund hoher Auswanderung, insbesondere jüngere und besser ausgebildeter Arbeitskräfte, welche zu einer Bevölkerungsabnahme führt. Letztere dürfte sich Post-Covid-19 noch beschleunigen (WKO 4.5.2021). Der Rohstoffreichtum des Landes (Eisenerz, Bauxit, Barit, Magnesit, Gips, Kohle, Silber usw.) bildete die Basis für den metallverarbeitenden Sektor. Die Metallindustrie hat daher eine lange Tradition und ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige im Land. Es werden sowohl komplette Maschinen und Anlagen gebaut, als auch Teile und Komponenten, welche vor allem für den Export immer mehr an Bedeutung gewinnen. Für die Automobilindustrie werden KFZ-Komponenten und - Zubehör hergestellt. Die Lebensmittelindustrie in Bosnien und Herzegowina ist zwar keine traditionelle Säule der bosnisch-herzegowinischen Wirtschaft, jedoch hat die Branche gemeinsam mit der Landwirtschaft einen noch immer relativ hohen Anteil am BIP von 8,47%, sowie eine erhebliche Beteiligung an den Exporten Bosnien und Herzegowinas von 8,69%. Bosnien und Herzegowina ist derzeit von Lebensmittelimporten abhängig. 2017 wurden Nahrungsmittel im Gesamtwert von 1,45 Mrd. Euro importiert. Hauptlieferländer sind Serbien, Kroatien, Deutschland und Italien. Bosnien und Herzegowina hat im Verhältnis zu anderen Ländern der Region bereits einen relativ hohen Anteil erneuerbarer Energieträger in Bezug auf den Bruttoendverbrauch. Dies ist das Ergebnis der Verwendung der Wasserkraft im Strombereich sowie der Biomasse im Wärmebereich. Die wichtigsten Energiequellen Bosnien und Herzegowinas sind bisher Kohle und Wasser (WKO 4.5.2021).

Der Verband unabhängiger Gewerkschaften von BiH (SSSBiH) gab bekannt, dass der Warenkorb im April 2021 2.083,56 KM (ca. 1.065,00 €) ausmachte, während der Durchschnittslohn in der Föderation BuH 951,00 KM (ca. 486,10 €) betrug (SSSBiH 4.2021). In der Föderation BuH betrug die Mindestpension im März 2021 382,18 KM (ca. 195,35 €) und die höchste Pension 2.174,48 KM (ca. 1.111,50 €) (FZMIO-PIO 4.2021). In Republika Srpska betrug die Durchschnittspension im April 2021 405,52 KM (ca. 207,30 €), bzw. 597,14 KM (ca. 305,20 €) bei einer vollen Versicherungsdauer von 40 Jahren. Die Mindestpension in gleichem Monat betrug 415,82 KM (ca. 212,60 €) und die höchste Pension 2.138,64 KM (ca. 1.093,20 €) (Fond PIO RS 5.2021).

Laut Angaben des bosnischen Arbeitsamts waren veröffentlichte im Jänner 2021 seine jährlichen Daten, welche belegen, dass am 30.11.2020 413.254 Personen in BuH arbeitslos waren, was einen Anstieg von 2,96% im Vergleich zum Vorjahr aufweist. Im Jänner 2021 betrug die Zahl derarbeitslosen Personen 415.027. Der Prozentsatz der arbeitslosen Frauen beträgt wie im Vorjahr 57,02%, das sind 235.633 Frauen. Laut dem bosnischen Arbeitsamt ist die wachsende Arbeitslosenrate der verringerten Wirtschaftsaktivität geschuldet, welche durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufen wurde. Die Arbeitslosenzahl in BuH erhöhte sich seit Beginn der Pandemie um 10.366 Personen (2,57%) (VB 7.5.2021). Die Gesetzgebung in BuH garantiert Sozialhilfe. Über die Empfänger und die Höhe der Unterstützungsgelder wird im Einzelfall entschieden. Die Höhe der jeweiligen Unterstützung (z.B. monatliche Geldbeträge) bzw. Qualität der Einrichtungen für Unterbringung, falls notwendig, hängt auch von den Möglichkeiten der jeweiligen administrativen Einheit (z.B. Kanton) ab. Weiters besteht die Möglichkeit, dass örtliche NGOs (kirchliche, humanitäre etc.) verschiedene Hilfeleistungen für Bedürftige zur Verfügung stellen. Das Gesetz über den Sozialschutz der Entität Republika Srpska (RS) regelt die Höhe der Beträge und Zulagen in diesem Bereich. Primär verwirklichen das Recht auf diese Leistungen arbeitsunfähige Personen, die keine eigenen/anderen Einkünfte haben. Die Höhe der Beträge werden als Prozentsätze des Durchschnittsgehaltes in der Republika Srpska vom Vorjahr berechnet z.B. für eine Einzelperson 15% von diesem Betrag (Durchschnittsgehaltes), für einen Zweipersonenhaushalt 20% usw. Für den Distrikt Brcko waren zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Info keine aktuellen Informationen verfügbar., außer, dass Sozialhilfe natürlich gewährt wird. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese aktuellen Werte ändern werden, bevor es in Bosnien und Herzegowina zum wirtschaftlichen Aufschwung kommt (VB 7.5.2021).

Die Höhe der Sozialhilfe ist nicht einheitlich geregelt. In der Föderation Bosnien und Herzegowina beträgt sie 20% des Durchschnittslohns im jeweiligen Monat, in der Republika Srpska 15% des Durchschnittslohns. Sie kann jedoch oftmals nicht ausgezahlt werden. Laut dem Zentrum ziviler Initiativen leben 20% der Bevölkerung in absoluter Armut (AA 5.4.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• Fond PIO RS (Pensionsversicherungsfonds der Republika Srpska) (5. 2021): Penzija za april 2021.(Höhe der Pensionen im April 2021), http://www.fondpiors.org/2021/05/07/%d0%9f%d0%b5%d0%bd%d0%b7%d0%b8%d1%98%d0%b0-%d0%b7%d0%b0-%d0%b0%d0%bf%d1%80%d0%b8%d0%bb-2021/?lng=lat , Zugriff 10.5.2021

• FZMIO-PIO (Pensionsversicherungsfonds der Föderation BiH) (4.2021): Penzije za mart 2021. (Höhe der Pensionen im März 2021), http://www.fzmiopio.ba/index.php?option=com_content&view=article&id=467%3Apenzije-za-mart-6-aprila&catid=35%3Anovosti&Itemid=64&lang=ba , Zugriff 10.5.2021

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

• WKO - Die Wirtschaftskammer Österreich (4.5.2021): Außenwirtschaft, Die bosnisch-herzegowinische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-bosnisch-herzegowinische-wirtschaft.html#heading_ausfuehrliche_informationen , Zugriff 10.5.2021

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 28.07.2021

Die medizinische Versorgung im Land ist mit EU-Standards noch nicht zu vergleichen und ist oft bezüglich technischer Ausstattung, hygienischen Verhältnissen und fachlicher Ausbildung problematisch (AA 27.4.2021b). Eine breite medizinische Versorgung ist nur in den Krankenhäusern der größeren Städte gewährleistet (EDA 10.5.2021). Die ärztliche Versorgung – gemessen an der Anzahl der ÄrztInnen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl - ist in allen Ländern der Region mit am schlechtesten in Europa. Während in der Europäischen Union 369 ÄrztInnen auf 100.000 EinwohnerInnen kommen, sind es in Bosnien-Herzegowina 188 (FBW 8.2.2021). Korruption in Bosnien und Herzegowina trifft auch auf das Gesundheitswesen zu. Grundsätzlich sind alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldete Personen gesetzlich krankenversichert.

Das Krankenversicherungsgesetz der Föderation deckt aber nur Rückkehrer ab, die bereits vor ihrer Ausreise krankenversichert waren. Alle Vorschulkinder, Schüler bis 18 Jahre, Kinder von 15 bis 18 Jahren, die keine weitere Ausbildung machen, Studenten bis 26 Jahre, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose sowie alle Personen ab 65 Jahren sind krankenversichert. Der für viele Gesundheitsleistungen zu erbringende Eigenanteil an den Kosten kann zu einer eingeschränkten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen führen. Nach Schätzungen des Helsinki-Komitees haben etwa 60% der Bevölkerung, darunter auch Kinder, keinen Zugang zu einer regelmäßigen Gesundheitsvorsorge. Das Krankenversicherungswesen liegt in der Föderation Bosnien und Herzegowina bei den Kantonalverwaltungen und der Entitätsverwaltung, in der Republika Srpska auf Entitätsebene bei einem Versicherungsfonds. Das Gesundheitssystem gliedert sich in drei Bereiche (AA 5.4.2021).

Der primäre Gesundheitsschutz umfasst medizinische Vorsorge, Notfallmedizin, Schul- und Arbeitsmedizin, Vorsorge für Mutter und Kind, hausärztliche, allgemeinärztliche und zahnärztliche Behandlung sowie Arzneimittelversorgung. Er wird durch sog. Gesundheitshäuser, Erste-Hilfe-Stationen (i. d. R. angegliedert an Ambulanzen und Krankenhäuser), Zahnarztpraxen und Apotheken sichergestellt. Sekundärer (fachärztlich-konsultativer) Gesundheitsschutz umfasst Diagnostik, Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen in Fällen, in denen keine stationäre Behandlung notwendig ist. Er wird durch Gesundheitshäuser, ärztliche Privatpraxen und Krankenhäuser sichergestellt. Im tertiären Bereich findet man alle medizinischen Anwendungen in stationären Einrichtungen, also in Krankenhäusern und Kliniken, die überwiegend staatlich organisiert und finanziert sind. Es gibt über 300 Ambulanzen, die jeweils zwischen 2.000 und 10.000 Einwohner versorgen. Grundsätzlich existiert in jeder größeren Gemeinde (ca. 120) ein Gesundheitshaus, das eine medizinische Versorgung für 20.000 bis 50.000 Einwohner sicherstellen soll. Es existieren fünf klinische Zentren (drei in der Föderation BuH und zwei in der RS) in den größten Städten des Landes, hinzukommen landesweit 20 staatliche (Kantonal-)Krankenhäuser. Dazu kommen diverse private Krankenhäuser, Poli- und Fachkliniken. In größeren Städten gibt es eine wachsende Zahl an privatärztlichen Praxen und Kliniken (AA 5.4.2021).

Rehabilitationsmaßnahmen können nur in Fojnica, Gra?anica, Tuzla, Olovo (Föderation) und in Slatina (Laktaši) und Tesli?, beide in der Republika Srpska, durchgeführt werden. Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen wie z. B. Krankengymnastik sind privat in vielen größeren Orten möglich. Insgesamt sind viele - insbesondere staatliche - medizinische Einrichtungen, vor allem außerhalb von Sarajevo, in einem schlechten Zustand. Ärzte und Pflegepersonal wandern zunehmend ins Ausland ab, vorwiegend nach Deutschland. Die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens ist vorwiegend wegen ineffizienten Mitteleinsatzes unzureichend. Aufgrund fehlender Medikamente sind einige Behandlungen (HIV- und Krebserkrankungen, Hepatitis B/C, Versorgung nach Organtransplantationen und anderen schwerwiegenden operativen Eingriffen, bei frühgeburtlichen Komplikationen, etc.) nur in eingeschränktem Umfang durchführbar.

Während Herzoperationen bei Erwachsenen weitestgehend erfolgreich durchgeführt werden können, erfolgen herzchirurgische Eingriffe an Minderjährigen mangels Kinderherzchirurgen nur in seltenen Fällen. Die Bedingungen für die Behandlung von Dialysepatienten haben sich verbessert, sind aber immer noch nicht ausreichend, um eine reibungslose Behandlung aller Dialysepatienten sicherzustellen (AA 5.4.2021).

Gängige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Krankenversicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt. Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet. Sie können auf dem Importweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden. Die Insulinversorgung, die ausschließlich gegen Rezeptvorlage und kostenlos in Apotheken erfolgt, ist grundsätzlich gewährleistet (AA 5.4.2021).

Die schlechte Haushaltslage erschwert die Versorgung von Pflegefällen. Zur Behandlung psychisch Kranker und traumatisierter Personen fehlt es weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten und an klinischen Psychologen und Sozialarbeitern. Therapien beschränken sich überwiegend auf Medikamentengaben. Nur einige wenige NGOs bieten psychosoziale Behandlung in Form von Gesprächs- und Selbsthilfegruppen und Beschäftigungsinitiativen an. Eine adäquate Therapie Traumatisierter ist weiterhin nur unzureichend möglich. Die Behandlung von Opfern sexueller Gewalt ist zwar grundsätzlich möglich, es fehlt jedoch auch hier an personellen und materiellen Kapazitäten (AA 5.4.2021).

Alle zurückkehrenden BuH Staatsbürger, haben das Recht auf Krankenversicherung und können dieses Recht über das Amt für das öffentliche Gesundheitswesen unter den nachstehend beschriebenen Bedingungen erwirken: In der Föderation BuH erhält man eine Krankenversicherung, wenn man sich innerhalb von 30 Tagen nach der Rückkehr aus dem Ausland beim Arbeitsamt meldet. Die weiteren Meldungen beim Arbeitsamt erfolgen einmal innerhalb von 60 Tagen und dürfen nicht versäumt werden, da sonst das Recht auf Krankenversicherung erlischt. In der Republika Srpska und im Distrikt Brcko BuH erhält man eine Krankenversicherung, wenn man sich nach der Rückkehr aus dem Ausland beim Arbeitsamt meldet. Die Meldungen beim Arbeitsamt erfolgen einmal innerhalb von 60 Tagen und dürfen nicht versäumt werden. Anmeldungsprozedur: Nachdem man sich beim Arbeitsamt gemeldet hat, füllt dieses die Anmeldung für die Krankenversicherung aus, welche dann beim nach dem Wohnort zuständigen Finanzamt eingereicht wird (auch vom Arbeitsamt). Die angemeldete Person wendet sich an das Amt für Gesundheitsversicherung, wo die Krankenversichertenkarte ausgestellt wird (VB 7.5.2021).

Laut der Statistik von Our World in Data wurden in Bosnien-Herzegowina erst knapp 1,6% der Bevölkerung geimpft. In Bosnien-Herzegowina ist mit 4,3% die Sterblichkeitsrate laut der Johns-Hopkins-Universität zudem höher als in jedem anderen Land in Europa. Angesichts der extrem hohen Fallzahlen und der Überbelegung der Spitäler kam es zu einem akuten Mangel an Sauerstoff für die Beatmung von Covid-19-Erkrankten (DS 4.5.2021) (s.a Kapitel 2 / COVID-19).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.5.2021): Reisehinweise für Bosnien und Herzegowina, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bosnien-und-herzegowina/reisehinweise-fuerbosnienundherzegowina.html#par_textimage_6 , Zugriff 10.5.2021

• DS - Der Standard (4.5.2021): International Europa Bosnien-Herzegowina, Pandemie, Erste heißersehnte Impfdosen der EU auf den Balkan geliefert, https://www.derstandard.at/story/2000126383110/erste-heissersehnte-impfdosen-der-eu-auf-den-balkan-geliefert , Zugriff 5.5.2021

• FBW - Flüchtlingsrat Baden-Württemberg (8.2.2021): Abschiebungen in die Westbalkan-Region während der Covid-19-Pandemie, https://fluechtlingsrat-bw.de/wp-content/uploads/2021/02/2020-02-Abschiebungen-in-die-Westbalkan-Region-waehrend-der-Covid-19-Pandemie.pdf, Zugriff 10.5.2021• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

Rückkehr

Letzte Änderung: 28.07.2021

Die Situation für Rückkehrer, die während des Balkankriegs aus dem Land flohen, hat sich verbessert. Ist die ursprünglich verlassene Wohnung beziehbar, ist eine Registrierung nur an diesem Ort möglich. Bei Zerstörung oder Besetzung der Wohnung erfolgt die Registrierung anderweitig, in der Föderation Bosnien und Herzegowina in dem Kanton, der dem Vorkriegswohnort am nächsten liegt. Wer über kein Identitätsdokument verfügt, muss ein solches beantragen. Zum Teil wird hierfür eine Reihe von Dokumenten verlangt (z. B. Wehrdienst-oder Steuerbescheinigung). Die Zuständigkeit für die Koordination der Flüchtlingsrückkehr liegt beim bosnisch-herzegowinischen Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge, das die staatliche Rückkehrkommission zur Durchführung von Wiederaufbaumaßnahmen gebildet hat. Das zwischen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowina geschlossene Rückübernahmeabkommen ist seit 1.1.2008 in Kraft. Zurückgeführte Staatsangehörige aus dem Ausland werden zur Aufnahme der Personalien von der Polizei befragt. Die Rückführungen erfolgen über den Flughafen Sarajevo oder über den Flughafen Tuzla (AA 5.4.2021).

Die Schlechterstellung von Rückkehrern, die einer Minderheit angehören, durch öffentliche Stellen hat abgenommen, ist aber in einigen Regionen wie im Osten der Republika Srpska und der Herzegowina noch Praxis. Dies betrifft u. a. die Versorgung mit Strom, Wasser, Gas und Telefon durch die öffentlichen Versorgungsunternehmen, Rentenversorgung, Arbeitsaufnahme, Ausgabe von Personaldokumenten sowie den Zugang zu Bildung. Bei Roma ergeben sich oft zusätzliche Probleme dahingehend, dass sich diese bereits vor Ausreise nicht ordnungsgemäß registrieren ließen und dadurch nach Rückkehr zunächst keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Behandlung der Rückkehrer durch Dritte ist abhängig davon, ob eine Rückkehr in Minderheitengebiete (z. B. Bosniaken in die Republika Srpska) oder Mehrheitsgebiete (z. B. Serben in die Republika Srpska) erfolgt. Dort, wo sich die Volksgruppe, der die Rückkehrer angehören, in der Minderheit befindet, kommt es immer wieder zu Übergriffen. Während sich die Vorfälle in der Föderation Bosnien und Herzegowina meist auf verbale Angriffe und Sachbeschädigungen beschränken, kommt es auch heute noch in der Republika Srpska zu ca. 50 schwereren Angriffen pro Jahr, die angezeigt werden. Racheakte für im Krieg verübtes Unrecht sind bisher nicht bekannt geworden. Schwierigkeiten für Rückkehrer bei der Einreise sind nicht bekannt. Rückkehrer aus Ausland/EU müssen im Besitz eines gültigen Reisepasses sein; auch Kinder benötigen ein eigenes Dokument, was problematisch sein kann, wenn die Geburt im Ausland nicht bei den Behörden registriert wurde. Anerkannt werden auch ein Ersatzreiseausweis („putni list“) oder ein abgelaufener Reisepass (in diesem Fall wird nach der Einreise gegen den Betroffenen jedoch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet) (AA 5.4.2021).

Die größte Anzahl von Rückkehrern, welche mit Ausbruch des Bosnienkrieges 1992 weltweit Zuflucht suchten, wurde in den drei ersten Nachkriegsjahren verzeichnet. Danach verringerte sich diese Zahl stetig, insgesamt wurden im Zeitraum 1996-2005 die Rückkehr von 441.995 Flüchtlingen registriert. Danach emigrieren Familien und Individuen nur noch vereinzelt nach BuH und die letztveröffentlichen Daten zu BuH Rückkehrern seit der Unterzeichnung des Daytoner-Friedensabkommens bis zum 30.09.2011 belegen, dass 1.033.058 migrierte und geflüchtete Personen auf das Gebiet von BuH zurückkehrten. Auf das Gebiet der Föderation BuH kehrten 743.641 Personen zurück, auf das Gebiet der Republika Srpska 267.322, und in den Distrikt-Brcko BiH kehrten 22.095 Personen zurück. Im Zeitraum ab 2010 wurden Rückkehraktionen z.B. im Rahmen der Unterstützung von IOM durchgeführt. Da die Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Rückkehrern nicht von statistischer Bedeutung ist, gibt es für diese Gruppe keinen Bedarf für spezielle Aufnahmezentren. Solche Fälle werden von den zuständigen Sozialämtern im Rahmen ihrer Tätigkeit übernommen (VB 7.5.2021).

Aus den Statistiken des Ministeriums für Menschenrechte und Flüchtlinge geht hervor, dass 96.421 Personen infolge des Konflikts von 1992-95 noch immer den IDP-Status besitzen. Die Verfassung und die Gesetze des Landes sehen die freiwillige Rückkehr oder lokale Integration von Binnenvertriebenen im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Binnenvertriebene vor. Die Regierung hat die sichere Rückkehr und Wiederansiedlung oder die lokale Integration von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen je nach ihren Möglichkeiten aktiv gefördert. Die Regierung stellte Mittel für die Rückkehr bereit und beteiligte sich an international finanzierten Rückkehrprogrammen. Isolierte Angriffe gegen Minderheitenrückkehrer wurden fortgesetzt, aber im Allgemeinen nicht angemessen untersucht oder verfolgt. Rückkehrer, die einer Minderheit angehörten, sahen sich weiterhin mit Hindernissen bei der Ausübung ihrer Rechte an den Rückkehrorten konfrontiert (USDOS 30.3.2021).

Im Rahmen des Regionalen Wohnprogramms unterstützt von EU, UNHCR, OSZE, CEB, USA, Deutschland, Italien, Dänemark, Schweiz, Norwegen, Türkei, Niederlande, Zypern, Rumänien, Tschechien, Slowakei und Ungarn - genannt Regional Housing Programme - wurden bis jetzt, Stand Jänner 2021, 1.778 neue Wohneinheiten fertiggestellt und an die Endnutzer übergeben, das sind 57% von den insgesamt geplanten 3.137 Wohneinheiten (VB 7.5.2021).

Quellen:

• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021

• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

Beweis wurde erhoben, die Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde zur IFA-Zahl: XXXX , durch niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Regionaldirektion Wien des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, durch Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht am 21.09.2021, Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister sowie den den Beschwerdeführer betreffenden Strafregisterauszug.

2. Beweiswürdigung:

Die Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina sind dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation entnommen, die nicht nur für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sondern auch hinsichtlich der Länderdokumentation für das Bundesverwaltungsgericht zustä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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