TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/5 W205 1417107-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2021
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Entscheidungsdatum

05.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


W205 1417107-3/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka über die Beschwerde von R XXXX alias XXXX , geb. 16.11. XXXX alias 22.11. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Dr. Andreas WALDHOF, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2020, Zl. 537829604/171303700, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.09.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. 


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 29.11.2010 illegal in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seines Verfahrens auf internationalen Schutz gab er betreffend seine Identität an, XXXX B XXXX geboren am 22.11. XXXX , zu sein. Er sei indischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe Jat und der Glaubensgemeinschaft der Sikh an. Der BF sei in M XXXX Bundesstaat Punjab, Indien, geboren und habe dort immer gewohnt.

Vor dem Bundesasylamt gab er ferner befragt zu Verwandten im Heimatland an, niemanden zu haben. Er habe ein paar Verwandte, aber zu denen habe er keinen Kontakt, das seien vier Onkel väterlicherseits, mit denen sie nicht reden würden. Sein Vater sei ermordet worden. Seine Mutter sei verstorben.

Seine Identität konnte – mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente oder anderer relevanter Bescheinigungsmittel – nicht abschließend geklärt werden.

Nach Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie Einvernahme durch das Bundesasylamt wies jenes mit Bescheid vom 07.12.2010 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.11.2010 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab, erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung nach Indien.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs zur Zl. C13 417.107-1/2011/3E vom 26.04.2011 gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde seitens des Asylgerichtshofs insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer habe eine Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer habe vielfach unstimmige und widersprüchliche Angaben betreffend die Fluchtgründe und auch seine persönlichen Verhältnisse getätigt. Der Beschwerdeführer habe eine vage und absolut konstruiert wirkende Geschichte geschildert. Das Vorbringen sei in seiner Gesamtheit derart dürftig gehalten, dass man daraus kein konkretes, den BF persönlich betreffendes, zusammenhängendes und einigermaßen glaubhaftes Geschehen ableiten könne. Der Beschwerdeführer sei jung, im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, habe der Beschwerdeführer im Verfahren weder behauptet, noch sei es dem erkennenden Gericht sonstwie bekannt geworden. Bezüglich seiner angeblichen Kopfverletzung habe der Beschwerdeführer in seinen Angaben mehrmals von der linken nach der rechten Seite gewechselt. Dass er tatsächlich eine Verletzung gehabt hätte (und woher diese gerührt hätte), habe er mit keinerlei ärztlichem Attest belegt. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe der Beschwerdeführer angegeben, er sei gesund. Es sei daher anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat in der Lage sein werde, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern, und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er nach eigenen Angaben über Schulbildung verfüge. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers bestehe eine hinreichende Existenzsicherung für nicht selbst erhaltungsfähige Menschen. Eine nicht asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers, die das reale Risiko einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK darstellen würde, habe dieser nicht glaubhaft gemacht. Es bestehe kein reales Risiko, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen würde. Eine Verletzung des Rechtes auf Privat- und Familienleben durch die Ausweisung sei nicht zu erkennen.

Dem Beschwerdeführer wurde jenes Erkenntnis sowie die Information über die Verpflichtung zur Ausreise am 02.05.2011 persönlich zugestellt. Die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofs an den VfGH gerichteten Beschwerde wurde – ohne dass der Beschwerde zuvor eine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre - mittels dg. Beschluss im Oktober 2011 abgelehnt.

Am 13.05.2011 brachte der Beschwerdeführer mittels damaliger Rechtsvertretung eine Vertreterbekanntgabe, bei der BPD Wien einen Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht sowie ein Ersuchen um Abstandnahme von fremdenrechtlichen Maßnahmen ein.

Am 16.05.2011 wurde der Beschwerdeführer seitens der BPD Wien zur Regelung der Ausreise aus Österreich persönlich geladen und u.a. ersucht, u.a. einen amtlichen Lichtbildausweis bzw. Reisepass mitzubringen.

Aus einem Aktenvermerk vom 25.05.2011 geht hervor, dass der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein HZ-Formular zum Ausfüllen sowie Retournierung übergeben wurde.

Am 19.10.2011 wurde der Beschwerdeführer seitens der BPD Wien zur Regelung der Ausreise aus Österreich über seine damalige Rechtsvertretung geladen und u.a. ersucht, einen amtlichen Lichtbildausweis bzw. Reisepass mitzubringen.

Der Beschwerdeführer wurde am 16.11.2011 vor der BPD Wien niederschriftlich zur Regelung der Ausreise aus Österreich unter Beziehung einer Dolmetscherin für Punjabi einvernommen. Im Zuge der Einvernahme gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, die Ausreiseverpflichtung aus Österreich zur Kenntnis zu nehmen. Er besitze jedoch keinen Reisepass, um Österreich verlassen zu können. Der BF gab weiters an, dass er bereit sei, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken. Er habe auch keine Einwände bezüglich einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Dem BF wurde ferner mitgeteilt, dass die Behörde versuche, ein Heimreisezertifikat für ihn zu erwirken.

Der Beschwerdeführer wurde am nämlichen Tag erkennungsdienstlich behandelt.

Am 02.12.2011 richtete die BPD Wien ein Ersuchen um Beschaffung eines Heimreisezertifikates an das BMI. Das beigefügte Antragsformular lautete auf die im Asylverfahren vorgegebene Identität „R XXXX B XXXX “.

Mit Aktenvermerk vom 16.01.2012 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachts der Übertretung nach dem FPG gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

Am 28.06.2012 urgierte das BMI die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft der Republik Indien.

Der Beschwerdeführer wurde am 01.01.2013, 31.03.2013 sowie 16.07.2013 wegen rechtswidrigen Aufenthalts gemäß § 120 Abs. 1a FPG bzw. zuletzt auch wegen § 121 Abs. 3 Z 2 FPG angezeigt.

Am 05.09.2013 gab die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers die Vollmachtsauflösung bekannt.

Am 04.10.2013, 03.12.2013 sowie 25.04.2014 erfolgten weitere Anzeigen wegen § 120 Abs. 1a FPG bzw. zuletzt auch wegen § 15 Abs. 1 FPG. Aus der letzten Anzeige ergibt sich, dass der Beschwerdeführer gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt angegeben habe, seit seiner Einreise nach Österreich über keinen Reisepass oder dgl. zu verfügen und sich seither auch nicht darum gekümmert zu haben.

Am 01.06.2015 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein als „Berichtung der Personaldaten“ bezeichnetes Schreiben der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers unter Beifügung einer Geburtsurkunde samt Übersetzung aus dem Punjabi ins Deutsche ein. Der Geburtsurkunde vom 29.12.2007 zufolge heiße der Beschwerdeführer R XXXX und sei am 16.11. XXXX in Ma XXXX geboren.

Am 23.06.2015 wurde die vom Beschwerdeführer vorgelegte Geburtsurkunde in Bezug auf den Antrag vom 02.12.2011 auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der Regionaldirektion des BFA an die zuständige innerbehördliche Abteilung nachgereicht.

Am XXXX ehelichte der Beschwerdeführer vor dem Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband XXXX eine rumänische Staatsangehörige.

Aus einer im Akt befindlichen Mitteilung des BFA vom 07.09.2015 geht hervor, dass betreffend den Beschwerdeführer ein neuer Heimreisezertifikat-Antrag bei der Botschaft gestellt werden müsse.

Am 15.09.2015 wurde der Beschwerdeführer über seine damalige Rechtsvertretung zwecks Erstellung eines neuen Heimreisezertifikates und unter Aufforderung, u.a. den Reisepass mitzubringen, geladen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Punjabi am 06.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, sein richtiger Name laute S XXXX R XXXX und er besitze auch einen gültigen indischen Reisepass. Seit XXXX sei er mit der rumänischen Staatsangehörigen L XXXX verheiratet und sie würden auch im gemeinsamen Haushalt leben. Seine Frau sei in Österreich zum Aufenthalt berechtigt, und er habe vor, bei der MA 35 einen Antrag zur Erlangung eines Aufenthaltstitels zu stellen. Er arbeite derzeit als Zeitungszusteller, seine Frau arbeite derzeit. Der Beschwerdeführer sei weiterhin bereit, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken, und er werde auf Ersuchen der Behörde auch eine Kopie seines Reisepasses beibringen. Dem Beschwerdeführer wurde u.a. mitgeteilt, dass vorerst das Nachreichen seines Reisepasses sowie des Nachweises der Beantragung eines Aufenthaltstitels abgewartet werde.

Dem Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, zufolge hat der Beschwerdeführer aufgrund der am XXXX in XXXX geschlossenen Ehe mit der rumänischen Staatsangehörigen XXXX L XXXX am 19.11.2015 persönlich bei der MA 35 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte eingebracht. Zufolge der MA 35 erhielt Frau L XXXX aufgrund ihres am 10.09.2015 eingebrachten Antrags auf Ausstellung einer Dokumentation des unionrechtlichen Aufenthaltsrechts am 10.09.2015 eine Anmeldebescheinigung für den Zweck „Arbeitnehmer“, da sie laut Versicherungsdatenauszug am 25.08.2015 bei einer genannten Firma als Arbeiterin angemeldet worden sei.

Am 02.12.2015 langte die Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung der damaligen Rechtsvertretung ein.

Mit Bericht vom 23.12.2015 setzte die LPD Wien das BFA von einer Aufenthaltseheprüfung für die MA 35 den Beschwerdeführer sowie seine rumänische Ehegattin betreffend in Kenntnis. Dem Bericht ist im Wesentlichen zu entnehmen, die beiden hätten am XXXX am Standesamt XXXX unter einer genannten Zahl geheiratet. Seit 17.11.2015 hätten die beiden ihren Hauptwohnsitz an einer genannten Adresse in Wien gemeldet. Anlässlich durchgeführter Hauserhebungen am 14.12.2015 seien der Beschwerdeführer und seine rumänische Ehegattin gemeinsam – beide mit einem Pyjama bekleidet angetroffen worden und sei es offensichtlich gewesen, dass sie geweckt worden seien. Beide Personen hätten ihr Gewand, Hygieneartikel und persönliche Dokumente in der ca. 20 m² großen Mietwohnung zu einem Zins von ca. 380 Euro vorweisen können. In jener aus einem Raum bestehenden Wohnung befinde sich ein Doppelbett, Kasten und eine Küche. Die rumänische Ehegattin sei als Putzfrau tätig und erhalte ca. 1600 Euro. Der Beschwerdeführer sei ohne Beschäftigung. Die befragten Nachbarn hätten bestätigt, dass der Beschwerdeführer sowie seine Ehefrau gemeinsam in der Wohnung wohnhaft seien. Aufgrund der Erhebungen stehe fest, dass die beiden gemeinsam in der Wohnung leben würden. Inwieweit sich jedoch das Eheleben näher gestalte, können nicht erhoben werden und sei eine dahingehende Beweisführung ohnehin unmöglich. Somit habe der Verdacht der Aufenthaltsehe nicht weiter erhärtet werden können.

Am 28.01.2016 wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR-Bürger oder Schweizer Bürgers) aufgrund seines Erstantrages vom 19.11.2015 durch die MA 35 ausgestellt.

Aus dem im Akt befindlichen an die Staatsanwaltschaft gerichteten Abschlussbericht der LPD vom 05.01.2017 betreffend Verdachts auf Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen und –partnerschaften ohne Bereicherung (§ 117 Abs. 1 FPG) geht hervor, dass der Verdacht bestehe, dass der Beschwerdeführer sowie seine rumänische Ehegattin eine Aufenthaltsehe eingegangen seien, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen zu wollen und die Personen wissen hätten müssen, dass sich der Fremde für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen werde. Zu der Tat sei bereits die Verjährung der Strafbarkeit im Sinne des § 57 StGB eingetreten.

In der Sachverhaltsdarstellung ist im Wesentlichen ausgeführt, die MA 35 habe im Dezember 2015 Bedenken zur Eheschließung im Sinne des § 37 Abs. 4 NAG geäußert. Die Ehe sei damals durch den Fachbereich als unbedenklich bewertet worden, weil die Eheleute tatsächlich zusammengewohnt hätten – es habe sich jedoch lediglich um eine Erhebung der momentanen Situation gehandelt, was rückblickend betrachtet eine Vortäuschung eines gemeinsamen Familienlebens gewesen sei. Mittlerweile bestehe der fünfte gemeinsame Wohnsitz der Eheleute, wobei sich die An- und Abmeldungen teilweise überschneiden würden. Der Beschwerdeführer sei geladen worden und es habe nach seinem Erscheinen am 12.12.2016 – seine Ehegattin sei nach seinen Angaben wegen Krankheit eines Familienmitgliedes nach Rumänien gereist, eine Rückkehr im Januar 2017 geplant – eine freiwillige Wohnungsbesichtigung (Größe etwa 25 m²) stattgefunden, es seien jedoch keinerlei Anzeichen einer weiblichen Anwesenheit feststellbar gewesen (keine Damenbekleidung, Damenschuhe, Damen-Toilettenartikel, Make-up). Weiters wird im Bericht ausgeführt, in den mittels Dolmetsch stattgefundenen Beschuldigteneinvernahmen habe sich ein erschütterndes Maß an Informationsdefizit über den jeweiligen Partner (hinsichtlich einfachster Fragen, wie etwa gemeinsame Wohnsituation, Kennenlernen, Meldeadressen, Geburtsdatum, Beruf, Geschwister etc.) offenbart und es seien äußerst divergierende Aussagen gemacht worden. Auch könne das Ehepaar in keiner Sprache kommunizieren. Der Beschwerdeführer habe angegeben, mit seiner Ehegattin Deutsch zu sprechen, welche jedoch, was sich in der Einvernahme gezeigt habe, nur Rumänisch spreche. In der Sachverhaltsdarstellung wird weiters angeführt, dass die rumänische Ehegattin lediglich vom 25.08.2015 bis 19.02.2016 – passend zur Aufenthaltstitel-Antragstellung – bei einem österreichischen Staatsangehörigen indischer Abstammung als Arbeiterin beschäftigt gewesen sei. Die Ehegattin selbst habe sogar angegeben, niemals in Österreich gearbeitet zu haben, insbesondere nicht an den Adressen der im Sozialversicherungsdatenauszug registrierten Adressen, sodass die Arbeitsaufnahme, ebenso wie die bei der MA 35 in Vorlage gebrachten Einkommensbestätigungen nicht real seien. Bezeichnend – so der Bericht weiter - sei auch das Datum der Beantragung der Ehefähigkeitsbescheinigung des Beschwerdeführers. Diese sei am 20.02.2015 in Indien beantragt worden und per 17.04.2015 ausgestellt bzw. beglaubigt worden. Das Ehepaar habe sich jedoch erst im Zeitraum von März bis Juli 2015 kennengerlernt. Dadurch liege der begründete Verdacht nahe, dass unabhängig davon der Wille zum Suchen eines Scheinehepartner vorgelegen habe.

Dem Bericht liegen Beschuldigteneinvernahmen jeweils unter Beziehung von Dolmetschern betreffend den Beschwerdeführer sowie seine Ehegattin vom 04.01.2017 bei.

Am 01.02.2017 erging die Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG seitens der MA 35 an das BFA, welche sich u.a. auf den Abschlussbericht vom 05.01.2017 bezog. Der Mitteilung zufolge bestehe aufgrund der Vortäuschung einer Arbeitnehmertätigkeit und des Bestehens eines Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK der Verdacht der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Das gegen den Beschwerdeführer sowie gegen seine Ehegattin geführte Strafverfahren wegen § 117 Abs. 1 FPG wurde am 01.02.2017 angesichts eingetretener Verjährung jeweils gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt.

Mit Bescheid vom 05.04.2017 wurde die Ehegattin des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in erster Instanz in Rechtskraft. Begründend wurden insbesondere die fehlenden Existenzmittel sowie der Umstand, dass die ehemalige Ehegattin nie gearbeitet habe und sie keiner Beschäftigung nachgehe, angeführt. Eine Berufung auf das Einkommen des Beschwerdeführers könne nicht als zulässig angesehen werden, da es sich bei der Ehe um eine Scheinehe handle.

Mit Beschluss vom 30.05.2017, rechtskräftig am 26.06.2017, des Bezirksgerichts XXXX wurde die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner rumänischen Ehegattin im Einvernehmen geschieden. Aus dem Beschluss geht u.a. hervor, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Antragsteller seit 30.09.2016, somit seit mindestens sechs Monaten, aufgehoben sei.

Am 12.09.2017 gab die nunmehrige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers die Vollmacht bekannt und ersuchte das BFA der MA 35 mitzuteilen, dass keine aufenthaltsbeendeten Maßnahmen beabsichtigt seien.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 23.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mitgeteilt und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Insbesondere wurde auf die spätere Eheüberprüfung durch die LPD Wien verwiesen sowie auf die am 04.01.2017 durchgeführte Einvernahme des Beschwerdeführers und der Ehegattin Bezug genommen. Aus der Sicht des BFA sei gegenständliche Ehe nur deshalb geschlossen worden, um dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich zu verschaffen, weshalb beabsichtigt sei, ein Aufenthaltsverbot für Österreich zu erlassen.

Am 12.12.2017 teilte der Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung mit, dass er vor sieben Jahren, also im Jahr 2010, ins Bundesgebiet eingereist sei, in der Heimat die Volks- und Hauptschule besucht habe, sich der Schwager des Beschwerdeführers in Wien befinde, eine Krankenversicherung sowie eine ortsübliche Unterkunft vorliege und der Beschwerdeführer ein Einkommen als Lieferant auf Werkvertragsbasis von etwa 1.700 Euro netto monatlich beziehe. Der Beschwerdeführer leiste einen Beitrag zur österreichischen Wirtschaft und habe niemals Sozialhilfe oder dergleichen in Anspruch genommen. Er sei jung, gesund und arbeitswillig. Nach wie vor verfüge er über eine Aufenthaltskarte und werde er demnächst einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus einbringen, sodass die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtswidrig, weil unbegründet, erscheine.

Unter einem wurde u.a. ein Mietvertrag, der mit Beginn vom 01.12.2017 auf die Dauer von 3 Jahren abgeschlossen wurde, übermittelt.

Mit Eingabe vom 20.12.2017 brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers weiters vor, dass die unterschiedlichen divergierenden Aussagen vermutlich auf Missverständnisse und Fehlleistungen des Dolmetschers zurückzuführen seien. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehegattin 1 Jahr und 9 Monate zusammengelebt und sei die Liebesbeziehung dann zerbrochen, weil sie doch aus unterschiedlichen Weltbevölkerungen stammen würden, die das Zusammenleben letztlich so erschwert hätten, dass nur die einvernehmliche Ehescheidung die Lösung für das Fortkommen gewesen sei. Die Annahme, dass die Ehe ausschließlich aus Gründen fremdenrechtlicher Vorteile abgeschlossen worden wäre, sei absolut unrichtig. In den nächsten Tagen würden Lichtbilder der Eheleute vorgelegt werden, die ein Indiz dafür seien, dass sie sich tatsächlich geliebt und gerne zusammengelebt hätten. Daher werde ersucht, mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes noch zuzuwarten.

Da der Beschwerdeführer über einen – nunmehr amtsbekannten - von 04.08.2008 bis 03.08.2018 gültigen Reisepass verfügte, wurde laut im Akt befindlicher E-Mail vom 03.05.2018 das Ansuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates als gegenstandslos betrachtet.

Mit Bescheid vom 22.06.2018 wurde gegen die zu diesem Zeitpunkt bereits ehemalige Ehegattin des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründet wurde das Aufenthaltsverbot iW damit, dass sie bei Durchführung von Schwarzarbeit betreten worden sei, sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und das Eingehen der Scheinehe mit dem Beschwerdeführer erwiesen sei, weiters werde gegen sie wegen Verdachts des schweren betrügerischen Datenmissbrauchs ermittelt. Jener Bescheid erwuchs in erster Instanz in Rechtskraft und die ehemalige Ehegattin wurde am 23.06.2018 nach Rumänien abgeschoben.

Mit Abwesenheitsurteil vom 26.11.2018 eines Bezirksgerichts wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt.

Am 13.09.2019 langte eine Urgenz der MA 35 aufgrund der Anfrage gemäß § 55 Abs. 3 NAG vom 01.02.2017 beim BFA ein.

Am 20.01.2020 teilte das BFA der MA 35 mit, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer wegen Eingehens einer Scheinehe eingeleitet wurde.

Mit gegenständlichem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 24.06.2020 erließ das BFA gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und es wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen auf die Beschuldigteneinvernahmen vom 04.01.2017 sowie die Besichtigung des Wohnsitzes des Beschwerdeführers sowie seiner Ehegattin vom 12.12.2016, jeweils durch die LPD, verwiesen. Gegen die Ehegattin des Beschwerdeführers sei aufgrund des Wegfalls der Erteilungsvoraussetzung für die erteile Anmeldebescheinigung mit Bescheid vom 05.04.2017 eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG erlassen worden und sie sei am 23.06.2018 in ihr Heimatland (nach Rumänien) abgeschoben worden und nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die unterschiedlichen divergierenden Aussagen auf Missverständnisse sowie Fehlleistungen des Dolmetschers zurückzuführen seien, könne als nicht glaubwürdig erachtet werden. Schon das Erfordernis des Dolmetschers in der jeweiligen Landessprache lasse erkennen, dass eine Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und ihr nicht möglich gewesen sei. Somit könne es auch nicht als glaubwürdig angesehen werden, dass die Liebesbeziehung daran zerbrochen sei, weil der Beschwerdeführer sowie seine Ehegattin aus unterschiedlichen Weltbevölkerungen stammen würden, die das Zusammenleben letztlich so erschwert hätten, dass nur die einvernehmliche Ehescheidung die Lösung für das Fortkommen gewesen sei. Es sei für das BFA erkennbar, dass die Ehe mit der rumänischen Staatsbürgerin nur deshalb geschlossen worden sei, um sich dadurch einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe sich auf diese Ehe berufen, obwohl eine Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft nach Art. 8 EMRK nicht geführt worden sei. Er habe sich unter Zuhilfenahme einer Aufenthaltsehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet verschafft; diese Vorgehensweise habe er deswegen eingeschlagen, weil er ansonsten keinen Aufenthaltstitel oder Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten hätte. Aufgrund dessen werde ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit angesehen. Weiters wurde im Wesentlichen ausgeführt, der geschiedene, seit 2010 im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer ohne Sorgepflichten habe den zuletzt erteilten Aufenthaltstitel nur durch Täuschung der Behörden erlangt. Außer einem Schwager würden im Bundesgebiet keine familiären Bindungen bestehen. Auch eine soziale Integration sei nicht gegeben. Sein Lebensmittelpunkt sei in Indien. Rechtlich folge, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots vorlägen, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen habe, und sich auf diese für die Erteilung eines Aufenthaltstitels berufen habe, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8 EMRK nicht geführt habe. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, es sei von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr für die maßgeblichen öffentlichen Interessen auszugehen und er habe durch die wiederkehrende Missachtung der Rechtsordnung sowie der Lebenssituation in Österreich auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt. Hinsichtlich der Interessenabwägung im Sinne des Artikels 8 EMRK sei insbesondere auf die fehlenden familiären Bindungen zu Österreich, den Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in Indien und die nicht ersichtlichen sozialen Bindungen zu Österreich zu verweisen. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe zum Zwecke der Legalisierung des Aufenthalts eingegangen sei, ergebe sich in Anbetracht der Sachlage, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Sinne des Artikels 8 EMRK zulässig sei. Die Dauer des Aufenthaltsverbots sei insbesondere auch in Anbetracht der Gesamtbeurteilung des Verhaltens sowie der Situation des Beschwerdeführers deshalb gerechtfertigt, weil der Zeitraum erforderlich sei, um im Beschwerdeführer einen positiven Gesinnungswandel seiner Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken.

Im Übrigen wurden Ausführungen zur Lage im Herkunftssaat betreffend die Rückkehr getroffen.

Mit Verfahrensanordnung vom 13.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Mit Eingabe vom 03.08.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Auffassung, die Ehe mit der rumänischen Staatsangehörigen sei eine Scheinehe gewesen, unrichtig sei. Der Beschwerdeführer lebe bereits seit nahezu 10 Jahren in Österreich und längere Zeit legal, verfüge über einen Aufenthaltstitel der mit 28.01.2021 befristet sei und er weise daraufhin, dass er vollzeitarbeitstätig sei und 50 Wochenstunden arbeite. Dies sei für die Republik Österreich von großem Vorteil, weil damit insbesondere Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer bezahlt würden. Gemäß § 54 Abs. 5 NAG könne der mit Jänner 2021 befristete Aufenthaltstitel nicht mehr verlängert werden, doch sollte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben werden, einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus oder Daueraufenthalt-EU einzubringen. Der Beschwerdeführer sei niemals strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe niemals Sozialhilfe in Anspruch genommen, seine Anwesenheit in Österreich habe keinen Nachteil, für den Bescheid sei keine gesetzliche Grundlage gegeben. § 67 Abs. 1 FPG sehe vor, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen begünstigen Drittstaatsangehörigen zulässig sei, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Das persönliche Verhalten müsse eine tatsächliche, gegenwärtige oder erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren würden. Die Erstbehörde habe in diesem Bescheid nicht begründet, weshalb der Weiterverbleib des Beschwerdeführers eine tatsächliche gegenwärtige oder erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, weshalb die Aufhebung des Bescheides beantragt werde.

Am 10.08.2020 langte die Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 09.06.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag, in der Folge wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit der am 06.07.2021 hg. eingelangten verfahrensleitenden Anordnung des VwGH aufgetragen, die Entscheidung binnen drei Monaten zu erlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.09.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters und unter Beziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Punjabi einvernommen wurde. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Der genaue Verhandlungsverlauf ist der Niederschrift der mündlichen Verhandlung zu entnehmen. Unter anderem wurden auf die dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur Verhandlung zugestellten Feststellungen zur Lage in Indien, LIB Indien 02.06.2021, verwiesen, die dort zitierten Erkenntnisquellen ins Verfahren eingeführt und dem Beschwerdeführer die Gelegenheit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Folgende Unterlagen wurden im Zuge der mündlichen Verhandlung durch den Beschwerdeführer vorgelegt:

-        Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2 vom 16.07.2021

-        KSV-Infopass für Behörden vom 12.01.2021

-        Bestätigung der Meldung vom 06.12.2017

-        Aufenthaltskarte vom 16.01.2016, gültig bis 28.01.2021, ausgestellt von der MA 35

-        Dienstzeugnis vom 19.08.2020

-        Dienstzeugnis vom 17.08.2020

-        Dienstzeugnis vom 18.08.2020

-        Lohn-/Gehaltszettel März – August 2021, jeweils von zwei Dienstgebern

-        ecard

Das Bundesverwaltungsgericht schaffte amtswegig folgende Verwaltungs- sowie Gerichtsakten herbei:

-        Akt betreffend Abwesenheitsurteil vom 26.11.2018 (Verurteilung nach § 223 Abs. 2 StGB) zur Zl. XXXX – Bezirksgericht XXXX

-        Akt betreffend eingestelltes Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft XXXX /Bezirksanwalt beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX wegen § 117 Abs. 1 FPG

-        Akt betreffend die Ehescheidung beim Bezirksgericht XXXX , Zl. XXXX

-        Akten der MA 35 betreffend den Beschwerdeführer ( XXXX und XXXX sowie betreffend die ehemalige Gattin, XXXX ( XXXX )

-        BFA-Akt betreffend die ehemalige Gattin: Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung ( XXXX )

-        BFA-Akt betreffend die ehemalige Gattin: Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ( XXXX bzw. XXXX )

Weiters holte das Bundesverwaltungsgericht Auszüge betreffend den Beschwerdeführer ein (u.a. AJ, GVS, ZMR, IZR, Strafregisterauszug, verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen (§ 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO und § 77 Abs. 1 Z 5 iVm § 54 Abs. 6 NAG).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige, ledige und männliche Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Seine Identität steht fest. Er ist weitgehend gesund und arbeitsfähig. Er stammt aus der Provinz Punjab und ist Angehöriger der Sikh.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 29.11.2010 illegal in Österreich ein und stellte unter der Identität XXXX B XXXX , geboren am 22.11. XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 26.04.2011 gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen wurde. Die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofs an den VfGH gerichteten Beschwerde wurde mittels Beschluss im Oktober 2011 abgelehnt.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Im Zuge eines Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft der Republik Indien trat der Beschwerdeführer weiterhin gegenüber den österreichischen Behörden mit der Identität XXXX B XXXX auf. In der Folge wurde am 02.12.2011 unter Anführung jener Identität ein Ersuchen um Beschaffung eines Heimreisezertifikates an das BMI gerichtet und es erfolgte am 28.06.2012 eine Urgenz seitens des BMI zwecks Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft der Republik Indien. Das Verfahren blieb erfolglos.

Erst am 01.06.2015 gab der Beschwerdeführer gegenüber dem BFA seine richtige Identität bekannt, legte eine Geburtsurkunde aus Dezember 2007 vor und gab in der Folge auch bekannt, dass er über einen Reisepass verfügt.

Der Beschwerdeführer verfügte über einen bereits vor seiner Einreise in das Bundesgebiet ausgestellten, von 04.08.2008 bis 03.08.2018 gültigen, indischen Reisepass.

Der Beschwerdeführer verschleierte bis zu der am 01.06.2015 beim BFA eingelangten „Berichtung der Personaldaten“ bewusst seine wahre Identität und unterdrücke ebenso bewusst seinen indischen Reisepass.

Der Beschwerdeführer war von XXXX bis XXXX mit einer rumänischen Staatsbürgerin verheiratet. Laut Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen war die eheliche Lebensgemeinschaft seit 30.09.2016 aufgehoben.

Als Ehegatte einer EWR-Bürgerin wurde ihm von der MA 35 eine Aufenthaltskarte mit einer Gültigkeit von 28.01.2016 bis 28.01.2021 ausgestellt.

Am 03.08.2017 stellte der Beschwerdeführer bei der MA 35 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Zweckänderungsantrag, Rot-Weiß-Rot-Karte plus). Der Antrag ist bis dato unerledigt.

Am 15.01.2021 stellte der Beschwerdeführer neuerlich bei der MA 35 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Zweckänderungsantrag, Rot-Weiß-Rot-Karte plus); siehe MA35-Akt AS 157. Dieser Antrag ist ebenfalls bis dato offen.

Ein eingeleitetes Strafverfahren wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 FPG wurde im Februar 2017 seitens der Staatsanwaltschaft XXXX /Bezirksanwalt beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX wegen § 190 Z 1 StPO (aufgrund eingetretener Verjährung) eingestellt.

Am 01.02.2017 erging durch die MA 35 die Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG an das BFA.

Mit rk Bescheid vom 05.04.2017 wurde die Ehegattin des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in erster Instanz mit 25.04.2017 in Rechtskraft. Mit rk Bescheid vom 22.06.2018 wurde gegen die (ehemalige) Ehegattin des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Jener Bescheid erwuchs in erster Instanz in Rechtskraft und die ehemalige Ehegattin wurde am 23.06.2018 nach Rumänien abgeschoben.

Mit gegenständlichem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 24.06.2020 erließ das BFA gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und es wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

1.2. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer und seine (ehemalige) Ehefrau eine Ehe nicht zum Zweck des Eingehens einer Familiengemeinschaft und eines Ehelebens geschlossen haben, sondern um dem Beschwerdeführer die Voraussetzung für einen Aufenthalt in Österreich zu schaffen.

1.3. Der Beschwerdeführer hält sich - abgesehen von zwei Aufenthalten jeweils für einige Wochen zu Besuchszwecken in Indien - seit Ende November 2010 im österreichischen Bundesgebiet auf.

Er verfügt über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Relevante Meldelücken bestehen in der Vergangenheit nicht. Er lebt in einer Mietwohnung.

Der Beschwerdeführer absolvierte am 16.07.2021 die Integrationsprüfung Sprachniveau A2. Der Beschwerdeführer verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse, darüberhinausgehende Kenntnisse konnten nicht festgestellt werden.

Derzeit geht der Beschwerdeführer zwei Arbeiten nach: Er ist unselbstständig in der Systemgastronomie als Hilfskraft für den Kassen- und Küchenbereich für 40 Wochenstunden (Beschäftigung seit Oktober 2019; Monatslohn etwa EUR 1.575,00 brutto) sowie in einem weiteren Unternehmen im Bereich der Gerätereinigung für die Systemgastronomie (geringfügige Beschäftigung seit März 2019 mit kurzer Unterbrechung im April bzw. Mai 2020; Monatslohn etwa EUR 451,70 brutto) tätig. Er verdient EUR 1.750 netto monatlich. Seit Anfang 2016 weist der Beschwerdeführer im Wesentlichen durchgehende unselbstständige Beschäftigungszeiten, etwa als Zusteller sowie Essenzusteller, auf.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz.

Der Beschwerdeführer bezog bloß für eine kurze Zeit im November/Dezember 2010 Leistungen aus der Grundversorgung.

Mit Abwesenheitsurteil vom 26.11.2018 eines österreichischen Bezirksgerichts wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 70 Tagessätze á 15 EUR verurteilt. Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 24.05.2018 eine falsche Urkunde, und zwar einen auf seinen Namen lautenden falschen indischen Führerschein (Totalfälschung), durch Vorlage beim Verkehrsamt Wien anlässlich seines Antrages auf Umschreibung des Führerscheins auf einen österreichischen Führerschein im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts oder einer Tatsache gebraucht hat. Erschwerend wurde kein Umstand gewertet, mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel. Der Beschwerdeführer ist völlig tatuneinsichtig.

In verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht wurden über den Beschwerdeführer wegen § 77 Abs. 1 Z 5 iVm § 54 Abs. 6 NAG zu einer Geldstrafe von EUR 50,00 sowie wegen § 4 Abs. 2 2. Satz StVO eine Geldstrafe von EUR 150,00 verhängt.

Der Übertretung nach dem NAG lag die nicht rechtzeitige Meldung der Ehescheidung gegenüber der zuständigen Behörde zugrunde.

Der Übertretung der StVO lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 30.10.2016 in Wien, als Lenker eines Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist und er nicht sofort die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall verständigt hat. Als mildernd wurde die einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet, andere mildernde oder erschwerende Umstände sind nicht hervorgekommen und wurden auch nicht vorgebracht.

Der Beschwerdeführer hat die über ihn verhängten Geldstrafen beglichen.

In Österreich wohnt eine Cousine des Beschwerdeführers. Eine engere Beziehung zu ihr oder gar ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht nicht.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich sonst keine familiären Anknüpfungspunkte.

In Indien leben die Mutter sowie der Vater des Beschwerdeführers. Der Vater hat eine eigene Landwirtschaft, wovon er auch leben kann. Des Weiteren verfügt der Beschwerdeführer in Indien über mehrere Tanten und Onkel.

Ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers lebt in Australien.

Der Beschwerdeführer besuchte in Indien zwölf Jahre Grundschule mit Matura, dann absolvierte er einen Kochkurs. Ferner war er in Indien vor seiner Ausreise Hockeyspieler, hatte selbst kein eigenes Einkommen und wurde von seinem Vater erhalten.

Der Beschwerdeführer war zweimal seit Erhalt der Aufenthaltskarte jeweils für einige Wochen zu Besuchszwecken in Indien, zuletzt im Jahr 2018.

In Österreich hat der Beschwerdeführer mehrere Freunde, vor allem Arbeitskollegen. Es handelt sich vor allem um Serben, Iraker, sein Chef stammt aus Syrien. Auch leben einige Bewohner aus seinem indischen Heimatdorf in Wien.

In einem Verein ist er nicht tätig. Ebenso übt er keine Freizeitaktivitäten, Sport oder ähnliches aus.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über ein Moped, er hat inzwischen in Österreich die Führerscheinprüfung abgelegt und besitzt nun für Moped und Kfz einen Führerschein.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie hat nicht derartige Auswirkungen, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat unzumutbar machen würden: COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung – auch die hervorgekommenen Varianten - bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Der Beschwerdeführer gehört als gesunder junger Mann keiner Risikogruppe an, es besteht daher kein Anhaltspunkt für eine maßgebliche Gefährdung im Falle einer Rückkehr, etwa durch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Zudem besteht aktuell in Österreich (auch für nicht sozialversicherte Personen) niederschwellig die Möglichkeit einer Impfung gegen SARS-CoV-2, die nach derzeitigem Wissensstand jedenfalls einen weitgehenden Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bildet. Gründe, die gegen eine Impfmöglichkeit des Beschwerdeführers sprechen, sind nicht hervorgekommen, vielmehr hat der Beschwerdeführer selbst in der Verhandlung vorgebracht, sich demnächst impfen lassen zu wollen ((Verhandlungsprotokoll S. 11).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA sowie aus dem ebenso unbedenklichen Gerichtsakt.

2.2. Dass der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger von Indien und volljährig ist, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen (abgelaufenen) Reisepass des Beschwerdeführers. Dass er weitgehend gesund ist, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 9). Seine Arbeitsfähigkeit ist unstrittig, zumal er auch selbst angibt, zwei Arbeiten nachzugehen (aaO). Dass er aus der Provinz Punjab stammt und Angehöriger der Sikh ist, ergibt sich aus den diesbezüglichen gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers (aaO S. 3).

Die Feststellungen zu seiner Einreise sowie dem Asylverfahren, insbesondere zur verwendeten Identität, ergeben sich aus vorliegenden Gerichts- sowie Verwaltungsakten.

Dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, ergibt sich ebenso unstrittig und wird auch vom Beschwerdeführer auf Vorhalt nicht bestritten (Verhandlungsprotokoll S. 5).

Ebenso ergeben sich die Feststellungen zum Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates.

Die Feststellungen zur Bekanntgabe der richtigen Identität an das BFA durch den Beschwerdeführer sind ebenso dem Verwaltungs- sowie Gerichtsakt zu entnehmen.

Dass der Beschwerdeführer über einen von 04.08.2008 bis 03.08.2018 gültigen indischen Reisepass verfügte, ergibt sich aus der im Akt diesbezüglich befindlichen Kopie sowie aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 5). Dass er über den Reisepass in der Zwischenzeit, etwa aufgrund Verlusts odgl., nicht verfügte, wurde im Verfahren im Übrigen nicht geltend gemacht.

Dass der Beschwerdeführer bewusst seine wahre Identität verschleierte, folgt zunächst aus dem Umstand, dass sich die ursprünglichen Identitätsangaben des Beschwerdeführers durch Vorlage der entsprechenden Dokumente als unrichtig erwiesen haben. Dies wird auch durch Beschwerdeführer auf Vorhalt nicht bestritten, wenn er etwa angab: „Als ich den Asylantrag eingebracht habe, war ich verängstigt und nervös und habe deshalb die falschen Daten angegeben.“ (Verhandlungsprotokoll S. 5), zumal dies nur das dahinterstehende Motiv betrifft. Auch ändert daran nichts, dass der Beschwerdeführer die Daten im Nachhinein richtiggestellt hat (aaO). Ebenso bestreitet er nicht, den Reisepass unterdrückt zu haben, wenn er auf Vorhalt angibt „Da ich falsche Angaben gemacht habe, habe ich auch nicht den Reisepass hergezeigt.“ (aaO).

Die Dauer der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und der rumänischen Staatsbürgerin, ist, insbesondere aufgrund des vorliegenden Beschlusses über die Scheidung im Einvernahmen, unstrittig.

Dass ihm als Ehegatte einer EWR-Bürgerin eine Aufenthaltskarte mit einer Gültigkeit von 28.01.2016 bis 28.01.2021 ausgestellt wurde, ergibt sich aus den Verwaltungsakten.

Ebenso konnten die Feststellungen zu den bei der MA 35 gestellten Zweckänderungsanträgen, Rot-Weiß-Rot-Karte plus, getroffen werden.

Die Feststellungen betreffend das eingeleitetes Strafverfahren wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 1 FPG, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dass jenes wegen Verjährung eingestellt wurde, ist dem Akt der Staatsanwaltschaft XXXX /Bezirksanwalt beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX zu entnehmen.

Die Feststellungen zur Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG an das BFA ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Dass die ehemalige Ehegattin des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG mit Bescheid vom 05.04.2017 rechtskräftig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen wurde, ergibt sich aus den Verwaltungsakten. Ebenso konnten die Feststellungen zum erlassenen Aufenthaltsverbot sowie die Abschiebung betreffend die ehemalige Ehegattin aufgrund der Verwaltungsakten getroffen werden.

Die Erlassung des gegenständlichen in Beschwerde gezogenen Bescheides ergibt sich aus den Verwaltungsakten.

2.3. Zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe:

Im Zusammenhang mit der Problematik von sogenannten "Aufenthalts- oder Scheinehen" stehen Behörden und Gerichte vor der Schwierigkeit, im höchstpersönlichen Bereich der Beteiligten ermitteln zu müssen. Ungeachtet der geltenden Offizialmaxime stößt die amtswegige Ermittlungspflicht oftmals an ihre Grenzen, sodass der Mitwirkungspflicht besondere Bedeutung zukommt; auch muss man dabei regelmäßig von äußeren Umständen Rückschlüsse auf das wahre Gefühlsleben der Eheleute ziehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch der indizielle Beweis ein Vollbeweis. Er besitze – so die Rsp - insoweit einen logischen Aufbau, als Folgerungen auf das zu beweisende Tatbestandsmerkmal mit Hilfe von Erfahrungstatsachen gezogen werden würden. Der Indizienbeweis erfordere damit zum einen Indizien (sogenannte Hilfstatsachen), zum anderen allgemeine Erfahrungssätze und schließlich Denkgesetze und logische Operationen, um auf das Vorhandensein der Haupttatsache folgern zu können. Der Grundsatz freier Beweiswürdigung schließe es daher nicht aus, Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung typisch sind, Gewicht beizumessen (vgl VwGH 26.05.1993, 90/13/0155 sowie vom 26.07.2006, 2001/14/0174).

Das BFA geht davon aus, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der rumänischen Staatsbürgerin nur deshalb geschlossen habe, um sich dadurch einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu verschaffen. Er habe sich in einem Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, obwohl eine Lebens- Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft im Sinne eines gemeinsamen Familienlebens nach Art. 8 EMRK nie geführt wurde. Das BFA stützt sich diesbezüglich insbesondere auf den Bericht der genannten LPD vom 05.01.2017 sowie die Beschuldigteneinvernahmen vom 04.01.2017.

Jenem Bericht im Wesentlichen zufolge, habe die MA 35 im Dezember 2015 Bedenken zur Eheschließung im Sinne des § 37 Abs. 4 NAG geäußert. Die Ehe sei damals durch den Fachbereich zwar als unbedenklich bewertet worden, weil die Eheleute tatsächlich zusammengewohnt hätten – es habe sich jedoch lediglich um eine Erhebung der momentanen Situation gehandelt, was rückblickend betrachtet eine Vortäuschung eines gemeinsamen Familienlebens gewesen sei. Mittlerweile bestehe der fünfte gemeinsame Wohnsitz der Eheleute, wobei sich die An- und Abmeldungen teilweise überschneiden würden. Der Beschwerdeführer sei geladen worden und habe nach seinem Erscheinen am 12.12.2016 – seine Ehegattin sei wegen Krankheit eines Familienmitgliedes nach Rumänien gereist, eine Rückkehr im Januar 2017 geplant – eine freiwillige Wohnungsbesichtigung (Größe etwa 25 m²) stattgefunden, seien jedoch keinerlei Anzeichen einer weiblichen Anwesenheit feststellbar gewesen (keine Damenbekleidung, Damenschuhe, Damen-Toilettenartikel, Make-up). Hingewiesen wurde weiters auf die in der Folge mittels Dolmetsch stattgefunden Beschuldigteneinvernahmen, in welchen sich ein erschütterndes Maß an Informationsdefizit über den jeweiligen Partner (hinsichtlich einfachster Fragen, wie etwa gemeinsame Wohnsituation, Kennenlernen, Meldeadressen, Geburtsdatum, Beruf, Geschwister etc.) offenbart habe und es seien äußerst divergierende Aussagen gemacht worden. Auch könne das Ehepaar in keiner Sprache kommunizieren. Der Beschwerdeführer habe angegeben, mit seiner Ehegattin Deutsch zu sprechen, welche jedoch, was sich in der Einvernahme gezeigt habe, nur Rumänisch spreche. In der Sachverhaltsdarstellung wird weiters angeführt, dass die rumänische Ehegattin lediglich vom 25.08.2015 bis 19.02.2016 – passend zur Aufenthaltstitel-Antragstellung – bei einem österreichischen Staatsangehörigen indischer Abstammung als Arbeiterin beschäftigt gewesen sei. Die Gattin habe sogar angegeben, niemals in Österreich gearbeitet zu haben, insbesondere nicht an den Adressen der im Sozialversicherungsdatenauszug registrierten Adressen, sodass die Arbeitsaufnahme, ebenso wie die bei der MA 35 in Vorlage gebrachten Einkommensbestätigungen nicht real seien. Bezeichnend sei auch das Datum der Beantragung der Ehefähigkeitsbescheinigung des Beschwerdeführers. Diese sei am 20.02.2015 in Indien beantragt worden und per 17.04.2015 ausgestellt bzw. beglaubigt worden. Das Ehepaar habe sich jedoch erst im Zeitraum von März bis Juli 2015 kennengerlernt. Dadurch liege der begründete Verdacht nahe, dass unabhängig davon der Wille zum Suchen eines Scheinehepartner vorgelegen habe.

Im Verfahren vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer insbesondere vor, dass die unterschiedlichen divergierenden Aussagen vermutlich auf Missverständnisse und Fehlleistungen des Dolmetschers zurückzuführen seien. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehegattin 1 Jahr und 9 Monate zusammengelebt und sei die Liebesbeziehung dann zerbrochen, weil sie doch aus unterschiedlichen Weltbevölkerungen stammen würden, die das Zusammenleben letztlich so erschwert hätten, dass nur die einvernehmliche Ehescheidung die Lösung für das Fortkommen gewesen sei. Die Annahme, dass die Ehe ausschließlich aus Gründen fremdenrechtlicher Vorteile abgeschlossen worden wäre, sei absolut unrichtig.

Jenes Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die unterschiedlichen divergierenden Aussagen auf Missverständnisse sowie Fehlleistungen des Dolmetschers zurückzuführen sei, könne laut BFA als nicht glaubwürdig erachtet werden. Schon das Erfordernis des Dolmetschers in der jeweiligen Landessprache lasse erkennen, dass eine Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei.

In der Beschwerde selbst wird die Auffassung des BFA, ohne weiteres diesbezügliches Vorbringen, weiterhin bestritten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführer zum Sachverhalt befragt.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sowie seine ehemalige Ehegattin über das gesamte Verfahren das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten haben und eine im Dezember 2015 durchgeführte Aufenthaltseheüberprüfung für die MA 35 den Verdacht der Aufenthaltsehe zunächst nicht weiter erhärtet hat, da aufgrund der Erhebungen festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer mit der rumänischen Staatsangehörigen gemeinsam gewohnt hat.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnten die im Bericht der LPD aufgezeigten Unstimmigkeiten bzw. Ungereimtheiten sowie das beträchtliche Informationsdefizit allerdings erhärtet werden. So gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung nunmehr an, seine ehemalige Frau in einem Park im 16. Bezirk im Jänner oder Februar 2015 kennengerlernt zu haben, wobei die damalige Frau dort gesessen sei (Verhandlungsprotokoll S. 6). Dies steht im eklatanten Widerspruch zur Version, die der Beschwerdeführer in seiner Beschuldigteneinvernahme vor der LPD vorgebracht hat. Demnach habe er sie nämlich im März oder April 2015 im 10. Bezirk am Reumannplatz kennengelernt und bei McDonalds angesprochen (AS 127). Seine Ehefrau hat demgegenüber vor der LPD was Anderes ausgesagt (AS 131), nämlich, dass es am Reumannplatz im Juli 2015 gewesen sei, als sie dort als Zeitungsverkäuferin gestanden sei, da habe der Beschwerdeführer aus Mitleid eine Zeitung von ihr gekauft. Dass nunmehr seitens des Beschwerdeführers zwei völlig unterschiedliche Versionen zum Kennenlernprozess seiner späteren Ehefrau, der für eine solche Beziehung sehr einprägsam gewesen sein müsste, abgegeben wurden, wurde dem Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgehalten, dem entgegnete er allerdings lediglich, sich nicht mehr erinnern zu können (Verhandlungsprotokoll S. 6). Hätte es sich aber – wie behauptet – tatsächlich um eine Liebesbeziehung gehandelt, so ist es nicht plausibel, dass die Umstände des ersten Treffens von ihm so unterschiedlich dargestellt würden. Auch ergaben sich Widersprüche zu den Umständen des Heiratsantrages. In der mündlichen Verhandlung konnte sich der Beschwerdeführer nicht mehr erinnern, wann er seiner damaligen Frau den Heiratsantrag gemacht hat (Verhandlungsprotokoll S. 7). Nähere Umstände zum Heiratsantrag hat er nicht angegeben. Vor der LPD hatte er ebenso keine Erinnerungen zum Zeitpunkt des Heiratsantrags, konnte aber angeben, dass er den Heiratsantrag in einer Straßenbahn in Wien gemacht habe (AS 127; im Übrigen anders als nach der Schilderung der Ehegattin, wonach dieser am Reumannplatz erfolgt sein soll; AS 131).

Nicht nachvollziehbar ist, die Angabe des Beschwerdeführers in der Verhandlung, dass ihm nicht gesagt worden sei, ob die ehemalige Ehegattin Kinder habe bzw. habe jene ihm nicht über ihre Familienangehörigen erzählt habe (Verhandlungsprotokoll S. 7). Vor der LPD konnte er hingegen schon angeben, dass sie Einzelkind sei, wohingegen sie angab, eine Schwester in Rumänien zu haben (AS 132). Erst über Vorhalt in der hg. Verhandlung, dass die Ex-Gattin vier Kinder habe, brachte der Beschwerdeführer nun vor, dies sei ihm erst im Nachhinein gesagt worden (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 7). Demgegenüber gab die ehemalige Gattin hinsichtlich der familiären Situation des Beschwerdeführers vor der LPD an, er habe 2-3 Brüder und 2-3 Schwestern, genau wisse sie das nicht (AS 132), wohingegen der Beschwerdeführer selbst angab, nur einen Bruder zu haben (AS 128). Sehr bezeichnend ist weiters der Umstand, dass die ehemalige Gattin vor der LPD nicht einmal den Geburtstag des Beschwerdeführers angeben konnte (AS 132). Derartige Unwissenheit über grundlegende persönliche Verhältnisse des Ehepartners sind - auch wenn man herkunftsbedingte Kommunikationsprobleme mitberücksichtigt – jedenfalls bei tatsächlichen Führens eines Familienlebens nicht plausibel.

Weitere Ungereimtheiten ergeben sich angesichts des Antrags auf die Ausstellung der Ledigkeitsbescheinigung des Beschwerdeführers. Der Antrag auf die Ausstellung der Ledigkeitsbescheinigung ist am 20.02.2015 durch den Vater des Beschwerdeführers auf dessen Ersuchen hin in Indien erfolgt (ONR 3 des Aktes der Staatsanwaltschaft XXXX /Bezirksanwalt beim Bezirksgericht XXXX (OZ 9), sowie Verhandlungsprotokoll Seite 7). Das wäre nach der Aussage des Beschwerdeführers vor der LPD am 04.01.2017 vor dem Kennenlernen mit der Gattin gewesen. Eine diesbezügliche Erklärung blieb der Beschwerdeführer schuldig (Verhandlungsprotokoll S. 7). Somit liegt es auch für das BVwG nahe, dass unabhängig davor der Wille zum Suchen eines Scheinehepartners vorlag. Auch hinsichtlich der Abläufe am Tag der Eheschließung wurden vor der LPD zwei divergierende Versionen vorgebracht. Dem Beschwerdeführer zufolge seien sie von einem Freund mit dem Auto zum Standesamt gefahren worden, seien sechs männliche indische Freunde bei der Hochzeit gewesen, seien sie den Rest des Tages zu Hause geblieben und habe es keine richtige Hochzeitsfeier gegeben. Einige Tage später habe er mit seinen Freunden gefeiert, wobei die Frau nicht dabei gewesen sei (AS 127). Der ehemaligen Ehegattin zufolge hätten sie ein Taxi genommen und der Taxifahrer sei ein Fremder gewesen. Bei der Eheschließung seien keine Hochzeitsgäste anwesend gewesen und es seien nur die Dolmetscher anwesend gewesen. Nach der Heirat seien sie mit dem Taxi zum Reumannplatz gefahren und hätten sie ein paar Freunde des Beschwerdeführers getroffen (AS 130 ff). Nicht unerwähnt werden sollten auch die Angaben zur Wohnsituation, wonach der Ehegattin ihren Angaben in der Einvernahme am 04.01.2017 zufolge jene seit März 2015 durchgehend in der Koppstraße mit dem Beschwerdeführer gelebt habe, was bereits im Widerspruch zu ihren eigenen Angaben hinsichtlich des Kennenlernens (Juli 2015) steht (AS 131), demgegenüber der Beschwerdeführer vor der LPD angegeben hat, dass sie bis zur Heirat nie zusammengewohnt hätten und nie eine gemeinsame Meldung gehabt hätten (AS 127).

Die vom Vertreter des Beschwerdeführers in einer Stellungnahme im Verfahren vor dem BFA angekündigten Lichtbilder der Eheleute, die als Indiz dafür ins Treffen geführt wurden, dass sie sich tatsächlich geliebt und gerne zusammengelebt hätten, konnten schließlich nicht vorgelegt werden (AS 172; Verhandlungsprotokoll S. 8). Die diesbezügliche Erklärung, die Bilder hätten sich im Laptop des Beschwerdeführers befunden, aber seine Ehefrau habe den Laptop kaputtgemacht, (weswegen die Bilder nunmehr nicht mehr vorgezeigt werden könnten) wirkt diesbezüglich keineswegs überzeugend, wobei der Beschwerdeführer bei dieser Aussage in der Verhandlung einen ausgesprochen unaufrichtigen Eindruck erweckte, der dadurch gekennzeichnet war, dass er zunächst ertappt wirkte und in der Folge rasch artikulierend einen Erklärungsversuch über den Verbleib der angeblichen Fotos unternahm.

Hervorzuheben ist auch, dass der Beschwerdeführer angab, dass er sein ganzes Leben mit seiner ehemaligen Ehefrau verbringen wollte (Verhandlungsprotokoll S. 11), dennoch nunmehr in der mündlichen Verhandlung zu entscheidenden Schritten in einer Beziehung keine Erinnerungen mehr hat und die im Bericht der LPD aufgezeigten Ungereimtheiten nicht ausgeräumt werden konnten.

Der Beschwerdeführer büßt weiters aufgrund der im Dezember 2016 stattgefundenen Wohnungsbesichtigung an Glaubwürdigkeit ein. Bei jener Kontrolle der Behörde (AS 121) in der Wohnung haben die Beamten keinerlei Damenkleidung wahrnehmen können und der Beschwerdeführer sagte gegenüber den Beamten aus, dass seine Ehegattin nur auf Besuch nach Rumänien gefahren sei und im Jänner wiederkehren werde. Im

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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