Entscheidungsdatum
11.10.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W282 2238935-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehöriger von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.08.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III. und V. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dessen Spruchpunkt I. entfällt und Spruchpunkt II. zu lauten hat:
„Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen.“.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird teilweise stattgegeben und die Dauer des verhängten Einreiseverbotes auf eine Dauer von 6 Jahren reduziert.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Mit Urteil des Obergerichts in Pirot (Serbien) vom XXXX 2011 wurde der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein serbischer StA. wegen unbefugter Erzeugung und unbefugtem Inverkehrsetzen von Suchtmitteln gem. § 246 Abs. 1 serbisches Strafgesetzbuch (sStG) zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 11 Monaten verurteilt, weil er im Rahmen seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer im Februar 2011 insgesamt 5,5 kg Heroin von der Türkei über Bulgarien über die serbische Grenze geschmuggelt hatte. Der BF hatte dabei den Sack, in welchem sich das Suchtgift befunden hatte, unter dem Fahrerstand seines LKW versteckt. Der BF flüchtete zu unbekanntem Zeitpunkt hiernach vor der Inhaftnahme durch die serbischen Behörden nach Österreich, wo er sich mit gefälschten Ausweisen unter anderen Namen aufhielt.
2. Am 17.03.2017 wurde im Bundesgebiet eine Anordnung zur Festnahme des BF erlassen, weil gegen ihn eine internationale Fahndung der serbischen Behörden zur Vollstreckung der im Jahr 2011 verhängten Freiheitsstrafe bestehe. Die wahre Identität des BF war zwischenzeitlich im Bundesgebiet aufgedeckt worden, nachdem der BF mit gefälschten Ausweisen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten von der Polizei betreten wurde.
3. Am 26.03.2017 wurde der BF zwecks Auslieferung nach Serbien festgenommen.
4. Mit Schriftsatz des Bundesamtes vom 28.03.2017 wurde der BF vom Ergebnis einer Beweisaufnahme hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung informiert. Der BF könne binnen 10 Tagen ab Zustellung dieser Verständigung eine Stellungnahme abgeben. Der BF ließ diese Frist allerdings ungenützt verstreichen.
5. Am 30.05.2017 wurde der BF aus der Auslieferungshaft nach Serbien ausgeliefert, wo er sich bis Juni 2020 in Strafhaft befand.
6. Am 21.09.2020 wurde der BF beim Lenken eines LKW für ein österreichisches Transportunternehmen, bei dem er vom 09.07.2020 bis 09.12.2020 angestellt war, von der Polizei angehalten. Der BF behauptete, in der Slowakei einen Aufenthaltstitel beantragt zu haben, weil ein naher Verwandter Slowake sei. Der BF wies sich sowohl im Zuge dieser Amtshandlung als auch im Zuge einer Einvernahme vor dem Bundesamt mit einem gefälschten Personalausweis bzw. Führerschein aus der Slowakei aus. Die slowakische Polizei hatte der LPD Burgenland zuvor bereits drei Mal mitgeteilt, dass eine Person dieses Namens mit der auf dem Personalausweis und Führerschein aufgedruckten Nummer in keiner der slowakischen Evidenzen existiere.
7. Mit Schriftsatz des Bundesamtes vom 13.10.2020 wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot informiert. Der BF könne binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Verständigung eine Stellungnahme abgeben.
8. Diese Stellungnahme langte am 27.10.2020 beim Bundesamt ein. In dieser wurde vom nun mehr rechtsfreundlich vertretenen BF ausgeführt, dass er serbischer Staatsangehöriger sei und seine Lebensgefährtin und deren zwei Kinder seit langer Zeit rechtmäßig in Österreich aufenthaltsberechtigt seien. Der BF sei am 30.05.2017 in Österreich aus der Auslieferungshaft entlassen und nach Serbien ausgeliefert worden. Nach Verbüßung einer Haftstrafe in Serbien sei der BF am 04.07.2020 rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist.
Der Großvater des BF sei slowakischer Staatsangehöriger, woraus dem BF das Recht erwachsen würde, ebenfalls die slowakische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Im Jahr 2017 habe der BF einen diesbezüglichen Antrag bei der zuständigen Behörde in der Slowakei gestellt, worauf im Jahr 2017 ein Personalausweis und im Jahr 2019 ein Führerschein ausgestellt worden sei. Das Verfahren solle in einigen Monaten abgeschlossen sein, anschließend strebe der BF als slowakischer Staatsangehöriger eine unionsrechtliche Anmeldebescheinigung an, um dauerhaft bei seiner Familie in Österreich leben zu können.
Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF sei schließlich auf Dauer als unzulässig zu qualifizieren, weil er aufgrund seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kinder, die er als seine eigenen betrachte, über eine besondere Bindung zu Österreich und kaum noch über familiäre bzw. soziale Kontakte in Serbien verfüge. Zudem stelle sein Verhalten keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, der BF sei viel mehr sehr gut integriert.
9. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX 2020 wurde der BF wegen der Vergehen der Körperverletzung gem. § 83 Abs. 1 StGB und der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden gem. §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Demnach hatte der BF im Jahr 2017 zwei Passanten durch Versetzen von Faustschlägen vorsätzlich am Körper verletzt, was bei den beiden Opfern zu einem offenen Nasenbeinbruch, einer Prellung des Kopfes und einer Prellung mit Abschürfung am rechten Ellenbogen bzw. einem leichten Bruch am Nasenbein und Jochbein und einer Schädelprellung geführt hatte. Weiters hatte sich der BF mit jeweils gefälschten bulgarischen Ausweisen im Zuge einer Verkehrskontrolle im Jahr 2015, bei einer Vernehmung als Beschuldigter im Jahr 2016 sowie bei einer Festnahme im Jahr 2017 legitimiert.
10. Am 03.12.2020 erfolgte durch die LPD Wien eine Wohnsitzüberprüfung an seiner Meldeadresse, wobei in Erfahrung gebracht wurde, dass der BF an besagter Adresse lediglich behördlich gemeldet sei, sich sein Wohnsitz jedoch im 10. Gemeindebezirk befände.
11. Wegen dieses Vorfalles wurde der BF am 09.12.2020 einvernommen, wobei er sich erneut mit gefälschten slowakischen Dokumenten auswies. Daraufhin wurde der BF wegen unrechtmäßigem Aufenthalt in Österreich gem. §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1a FPG angezeigt, weil er die sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet (90 Tage) überschritten hatte. Dabei behauptete der BF, die einschlägigen Dokumente von Dritten gegen ein Entgelt von etwa 950 Euro erworben zu haben, wobei ihm dies durch seinen Arbeitgeber vermittelt worden wäre. Der BF wurde erneut bei der StA Wien zur Anzeige gebracht.
12. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gem. § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), gem. § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) sowie gegen den BF gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Das Bundesamt stützte das Einreiseverbot auf die Verurteilung des BF durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom XXXX 2020 sowie die zahlreichen Übertretungen des BF nach dem FPG, MeldeG, AuslBG und dem SGK/SDÜ, weshalb im Falle des BF von einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden könne.
13. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 18.01.2021 fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde, in welcher im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wurden: Der BF sei bei der Verwendung der slowakischen Identitätsdokumente gutgläubig gewesen, er habe auf die Richtigkeit der Angaben des Arbeitgebers und dem dazugehörigen Firmenanwalt vertraut. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF sei auf Dauer als unzulässig zu qualifizieren, weil es für seine Lebensgefährtin und deren beiden Kinder, die der BF als seine eigenen betrachte, unzumutbar sei, ihren Lebensmittelpunkt nach Serbien zu verlagern. Zudem verfüge der BF bereits über einen besonderen Bezug zu Österreich, begründe keinen Lebensmittelpunkt in Serbien und könne bei Erteilung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Weiters habe das Bundesamt eine unzureichende Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen, im Falle des BF könne sehr wohl eine positive Zukunftsprognose abgegeben werden, weshalb die Verhängung des Einreiseverbotes für die Dauer von 8 Jahren als nicht nachvollziehbar erscheine. Schließlich sei die Gültigkeit des verhängten Einreiseverbotes für den gesamten Schengen-Raum aus dem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides zu streichen.
14. Am 25.01.2021 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
15. Mit Schriftsatz vom 25.01.2021 wurde dem BF ein Mängelbehebungsauftrag erteilt, weil nicht ersichtlich sei, ob sich die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richte.
16. Am 26.01.2021 brachte der BF eine Beschwerdeergänzung ein, wonach sich die gegenständliche Beschwerde auch gegen Spruchpunt IV. des angefochtenen Bescheides richte.
17. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2021 wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abgewiesen und somit der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
18. Am 17.02.2021 erließ das Bundesamt gegen den BF einen Festnahmeauftrag zum Zwecke seiner Abschiebung, welcher am 24.02.2021 vollzogen wurde. Daraufhin wurde der BF am 25.02.2021 auf dem Landweg nach Serbien abgeschoben.
19. Am 24.02.2021, nachmittags stellte die Rechtsvertretung des BF einen Antrag auf die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht auf Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltstitels.
20. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2021 zur GZ.
W282 2238935-2/14E wurde der Antrag des BF auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung aufgrund des Unionsrechts vom 24.02.2021 zurückgewiesen.
21. Am 26.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Serbisch sowie der Einvernahme der ehemaligen Lebensgefährtin des BF statt, zu welcher seine Rechtsvertretung, in dessen Abwesenheit, erschien. Das Bundesamt blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Dem BF wurde in Folge eine Frist von 4 Wochen eingeräumt, um zu einem schriftlichen Parteiengehör Stellung nehmen zu können.
22. Am 07.09.2021 löste die Rechtsvertretung des BF die bestehende Vollmacht auf, weil es keinerlei Kontaktmöglichkeiten mit dem BF gegeben und er das Honorar nicht bezahlt habe.
23. Am 30.09.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des BF, versendet von einem österreichischen Autohaus, hinsichtlich des ihm gewährten Parteiengehörs ein. Eine konkrete Abgabestelle bzw. Zustellanschrift gab der BF mit dieser Stellungnahme nicht bekannt, er führte nur aus „er lebe bei seinen Eltern“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Serbien.
Er reiste zuletzt am 04.07.2020 nach Österreich ein und war vom 09.07.2020 bis 09.12.2020 bei einem österreichischen Transportunternehmen beschäftigt. Im Zuge dieser Tätigkeit, die einen Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) darstellt, wurde der BF am 21.09.2020 beim Lenken eines LKW von der Polizei angehalten und kontrolliert, wobei er sich mit einem gefälschten Personalausweis bzw. Führerschein aus der Slowakei auswies. Allerdings war der BF bereits im Jahr 2014 mit gefälschten bulgarischen Ausweisen als vermeintlicher Unionsbürger entgegen dem AuslBG in Österreich erwerbstätig gewesen. Am 25.02.2021 wurde der BF nach Serbien abgeschoben.
Der BF verfügt im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner ehemaligen Lebensgefährtin, bei der er seit September 2020 gelebt hat, und deren beiden volljährigen Kinder, die jedoch nicht die leiblichen Kinder des BF sind. In Serbien leben die Eltern des BF, bei denen er aktuell wohnt, sein Sohn sowie seine Ex-Gattin.
Der BF leidet an keinen die Schwelle des Art. 2 bzw. Art. 3 erreichenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Serbien unzulässig machen würden.
1.2. Zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers
Der BF ist im Bundesgebiet einschlägig strafrechtlich vorbestraft:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien Wien vom XXXX 2020 wurde der BF wegen der Vergehen der Körperverletzung gem. § 83 Abs. 1 StGB und der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden gem. §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe wurden das teilweise Geständnis und die Provokation durch das Opfer als mildernd, hingegen eine einschlägige Vorstrafe in Serbien sowie das Zusammentreffen von fünf Vergehen als erschwerend angesehen. Demnach hatte der BF zwei Passanten nach einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr durch Versetzen von Faustschlägen vorsätzlich am Körper verletzt, was bei den beiden Opfern zu einem offenen Nasenbeinbruch, einer Prellung des Kopfes und einer Prellung mit Abschürfung am rechten Ellenbogen bzw. einem leichten Bruch am Nasenbein und Jochbein und einer Schädelprellung geführt hatte. Weiters hatte sich der BF mit gefälschten bulgarischen Ausweisen im Zuge einer Verkehrskontrolle im Jahr 2015, bei einer Vernehmung als Beschuldigter im Jahr 2016 sowie bei einer Festnahme im Jahr 2017 legitimiert.
Der BF ist auch in Serbien vorbestraft:
Mit Urteil des Obergerichts in Pirot vom XXXX 2011 wurde er wegen unbefugter Erzeugung und unbefugtem Inverkehrsetzen von Suchtmitteln gem. § 246 Abs. 1 serbisches Strafgesetzbuch (sStG) zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 11 Monaten verurteilt (wegen der hohen Menge an Suchtmitteln vergleichbar mit § 28a Abs. 4 SMG), weil er im Rahmen seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer im Februar 2011 insgesamt 5,5 kg Heroin von der Türkei über Bulgarien über die serbische Grenze geschmuggelt hatte. Der BF hatte dabei den Sack, in welchem sich das Suchtgift befunden hatte, unter dem Fahrerstand seines LKW versteckt.
Wegen dieser Verurteilung wurde am 17.03.2017 eine Anordnung zur Festnahme des BF erlassen, weil gegen ihn eine Ausschreibung der serbischen Behörden zur Vollstreckung der im Jahr 2011 verhängten Freiheitsstrafe bestand und mittlerweile seine wahre Identität bekannt wurde. Daraufhin wurde der BF am 26.03.2017 festgenommen und am 30.05.2017 nach Serbien ausgeliefert, wo er sich anschließend bis Juni 2020 in Strafhaft befand.
Zudem legitimierte sich der BF im Zuge seiner Einvernahme vor der LPD Wien am 09.12.2020 erneut mit einem gefälschten slowakischen Personalausweis und einem gefälschten slowakischen Führerschein. Der BF gab schließlich an, dass er die Dokumente über Dritte um insgesamt 950 Euro gekauft habe. Daraufhin wurde der BF wegen §§ 223, 224, 224a sowie 228 StGB angezeigt, das Verfahren ist jedoch zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Weiters wurde der BF wegen unrechtmäßigem Aufenthalt in Österreich gem. §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1a FPG angezeigt, weil er die sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet (90 Tage) überschritten hatte.
Der BF stellt anhand dieser begangenen Straftaten sowie seines bisherigen Gesamtverhaltens eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Serbien
Dem BF droht im Falle einer Rückkehr nach Serbien weder asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK noch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK. Zudem ist Serbien als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaatenverordnung (HStV) anzusehen.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Serbien
Auszug aus dem COI-CMS Serbien vom 30.07.2021, Version 3:
COVID-19
Seit 21.12.2020 müssen alle, die nach Serbien einreisen, einen Nachweis eines negativen PCR-Tests, nicht älter als 48 Stunden, mit sich führen. Serbische Staatsangehörige und Personen mit serbischem Aufenthaltstitel können ohne Test einreisen, müssen sich aber in eine 10-tägige Quarantäne begeben und müssen ihre Einreise innerhalb von 24 Stunden online registrieren oder bei der örtlich zuständigen COVID-19-Ambulanz melden. Die Homepage der serbischen Regierung bietet Informationen zu den Einreisebestimmungen und aktuellen Zahlen (BMEIA 4.6.2021).
Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).
Die Covid-19-Pandemie hat in allen Staaten der Westbalkan-Region, einschließlich Serbien, die bestehenden Probleme im Gesundheitssystem und die Probleme großer Teile der Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsversorgung verschärft. Im Rahmen der „Zweiten Welle“ der Covid-19-Pandemie erreichten die Infektionszahlen in allen Ländern der Balkan-Region neue Höchststände. Dies stellt die Gesundheitssysteme dieser Länder vor massive Probleme und führt dazu, dass lebensnotwendige Gesundheitsversorgungsleistungen nicht oder nur gegen Bezahlung beträchtlicher Kosten erhältlich sind. Die tatsächliche Todeszahl während der „ersten Welle“ von März bis Juni 2020 war mehr als doppelt so hoch wie die offizielle Zahl. Auch bei der Anzahl der gemeldeten Infektionen wurden erhebliche Differenzen festgestellt. Bis zum 18. Januar 2021 sind mindestens 80 Beschäftigte im serbischen Gesundheitswesen an Covid-19 gestorben. Die Gewerkschaft des Gesundheitssektors weist darauf hin, dass die tatsächliche Zahl noch höher sein, weil diese Zahl nicht KrankenpflegerInnen und medizinische Fachangestellte umfasst (FBW 8.2.2021).
Von 15.3.2020 bis 7.5.2020 galt in Serbien aufgrund der Pandemie ein Ausnahmezustand mit Ausgangssperre. Dieser trug dazu bei, dass sich die Ansteckung verlangsamte und die Anzahl der Infizierten sank. Die Zahl erhöhte sich im Dezember 2020 auf bis zu 8.000 Infektionsfälle, was zur Gründung und Eröffnung eines neuen Covid-Krankenhauses in Batajnica, einem Vorort von Belgrad führte, dessen Kapazität 1.000 Patienten beträgt. Ab Januar 2021 begann eine Impfkampagne in Serbien, wobei schon im Februar mehr als 550.000 Menschen geimpft wurden. Folgende vier Impfstoffe wurden zugelassen: BionTech - Pfizer, AstraZeneca, Sputnik V und Sinopharm. Mit Stand 29.5.2021 wurden insgesamt 4.527.079 Impfdosen verabreicht, wovon die erste Dosis 2.507.302 und die zweite Dosis 2.019.777 Personen verabreicht bekamen. Diese erfolgreiche Immunisierung trug zur Senkung der Anzahl von Infizierten wesentlich bei, wodurch Serbien am 27.6.2021 nur 63 erkrankte Fälle (die Statistik der letzten 24 Stunden) verzeichnete. Insgesamt hatte Serbien mit Stand 17.6.2021 715.442 Erkrankungsfälle und 6.985 Todesfälle (VB 29.6.2021).
In den letzten Mai Wochen kam es zu einem erheblichen Rückgang der stationären Behandlungen um über 5.000 (!) Personen. Befanden sich am 23.4.2021 noch 5.897 Patienten in Krankenhausbehandlung, waren es am 10.5.2021 noch 3.827 und am 28.5.2021 nur noch 878 Personen. Mit Stand 31.5.2021 wurden 712.224 Erkrankungsfälle und damit verbunden 6.854 Todesfälle festgestellt. Ab dem 1.6.2021 können Personen, welche sich impfen lassen, eine Unterstützung in Höhe von RSD 3.000,00 (ca. EUR 25,00) beantragen (VB 29.6.2021).
Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert, Empfehlungen zum Umgang gegeben, sowie eine Hotline-Nummer veröffentlicht. Am 11.2.2021 hat die serbische Regierung das dritte Unterstützungspaket für die Wirtschaft im Wert von 249 Mrd. Serbischer Dinar [ein Dinar = 0,0085 EUR; Anm.] verabschiedet. Die neuen Maßnahmen umfassen eine direkte Unterstützung von Unternehmern, Kleinst-, Klein-, Mittel- und diesmal auch Großunternehmen, das Gastgewerbe, Hotels, Reisebüros, Personen- und Straßenverkehr (WKO 7.5.2021).
In Bezug auf COVID-19 bestehen seit 7.5.2020 keine Bewegungseinschränkungen mehr, weder am Tag noch in der Nacht. Ab dem 1.6.2021 wurden allen Gastgewerbebetrieben die Arbeitszeiten bis Mitternacht verlängert. Weiters wird der Kauf an den Kiosken durchgehend (00:00 - 24:00 Uhr) wieder möglich und die letzte Filmvorführung in Kinos darf ab 23:00 Uhr starten. An wissenschaftlichen und beruflichen Kongressen in geschlossenen Räumen, dürfen sich höchstens 200 Personen versammeln (VB 29.6.2021).
Serbien beginnt mit der Produktion des russischen Impfstoffs „Sputnik V“ gegen das Coronavirus. Die Produktion startete am 3.6.2021 im Torlak-Institut für Virologie. Binnen sechs Monaten sollen dort in russischer Lizenz vier Millionen Impfdosen hergestellt werden. Serbien ist damit nach Belarus das zweite europäische Land außerhalb Russlands, das „Sputnik“-Impfstoff herstellt. „Sputnik“ sowie der chinesische Impfstoff Sinopharm werden in Serbien bereits seit Monaten geimpft, ebenso wie die in der EU zugelassenen Vakzine von Biontech und Pfizer sowie AstraZeneca. Mehr als 30 % der etwa sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Serbiens haben bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. Belgrad hat zudem den ärmeren ex-jugoslawischen Nachbarstaaten Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien, aber auch Tschechien Vakzine gespendet (ORF.at 4.6.2021).
Der serbische Präsident VUCIC erklärte am Abend des 11.3.2021, im Rahmen eines Treffens mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Muhammad BIN ZAYED AL NAHAYN, dass sein Land mit Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate in die Produktion des chinesischen COVID?19 Impfstoffs Sinopharm einsteigen werde. Der Beginn der Produktion wurde mit 15. Oktober 2021 festgelegt (VB 29.6.2021).
Politische Lage
Die Volksvertretung der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna Skupština, 250 Abgeordnete). Der aktuelle Staatspräsident Aleksandar Vu?i? verfügt über eine sehr starke Stellung gegenüber Parlament und Regierung und hat de facto ein Präsidialsystem geschaffen. Strategisches Ziel Serbiens ist die Integration in europäische Strukturen, insbesondere Fortschritte im Beitrittsprozess zur EU. Gleichzeitig baut Serbien seine engen Beziehungen zu Russland und China weiter aus. 2007 hat sich Serbien durch Parlamentsbeschluss zur militärischen Neutralität verpflichtet. Serbien beteiligt sich am von der Bundesregierung 2014 initiierten Berliner Prozess, der die regionale Kooperation, ua. durch wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft. Haupthindernis bleibt die aus serbischer Sicht ungelöste Kosovo-Frage: Nachdem Serbien den sogenannten Ahtisaari-Plan im Rahmen einer internationalen Vermittlung abgelehnt hatte, erklärte die Republik Kosovo am 17. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit von Serbien. Serbien betrachtet „Kosovo und Metochien“ gemäß Verfassung von 2006 weiter als autonome serbische Provinz. Der EAD [Der Europäische Auswärtige Dienst; Anm.] vermittelt seit 2011/13 im sogenannten Normalisierungsdialog zwischen Belgrad und Pristina (AA 29.10.2020a).
Nicht einmal der frühere Präsident Slobodan Miloševi? hatte jemals so viel Macht wie Aleksandar Vu?i? (SNS). Die SNS erhielt bei den Wahlen am 21. Juni 2020 188 der 250 Sitze im serbischen Parlament. Die beiden anderen Parteien - jenseits der Minderheitenvertreter - die den Einzug schafften, sind der bisherige jahrelange Koalitionspartner, die Sozialistische Partei und die Serbische Patriotische Allianz (SPAS), die elf Abgeordnete stellt. Beide Parteien sind in der neuen Regierung vertreten (DS 20.10.2020).
Am 22.12.2009 stellte Serbien einen EU-Beitrittsantrag. Im März 2012 wurde Serbien offiziell der Status eines Beitrittskandidaten verliehen. Im Januar 2014 wurden EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien aufgenommen. Im Dezember 2015 bzw. Juli 2016 wurden die prioritären Kapitel zu Kosovo und Rechtstaatlichkeit eröffnet. Seit dem 29.6.2017 ist die Regierung unter Premierministerin Brnabi? im Amt, nach Neuwahlen am 21.6.2020 derzeit noch amtierend. Diese bekennt sich weiterhin zum EU-Kurs des Landes, betont aber auch ein gutes Verhältnis zu Russland und China. Führende Köpfe der aktuellen Regierungskoalition waren bereits zu Zeiten des Miloševi?-Regimes aktiv: Insbesondere war Staatspräsident Vu?i? Informationsminister unter Miloševi?. Die Transition zu einem System, in dem Institutionen, nicht Einzelpersonen, die Staatsgewalt obliegt, ist in Serbien noch nicht abgeschlossen (AA 19.11.2020).
Der Rat hat der Anwendung der überarbeiteten Verfahrensweise bei der Erweiterung auf die Beitrittsverhandlungen Serbiens zugestimmt, nachdem das Bewerberland seine Zustimmung bekundet hatte. Die Änderungen werden auf den nächsten Regierungskonferenzen in den bestehenden Verhandlungsrahmen mit Serbien berücksichtigt werden. Der Rat hat im März 2020 die Mitteilung der Kommission „Stärkung des Beitrittsprozesses - Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ vom Februar 2020 gebilligt, die darauf abzielt, dem Beitrittsprozess neue Impulse zu geben, indem er berechenbarer, glaubwürdiger und dynamischer gestaltet und einer stärkeren politischen Steuerung unterworfen wird. Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien haben im Januar 2014 begonnen, als der Verhandlungsrahmen auf der ersten Tagung der Beitrittskonferenz auf Ministerebene am 21. Januar 2014 vorgelegt wurde (ER 11.5.2021).
Die Watchdog-Organisation Freedom House stufte Serbien im Jahr 2020 nicht mehr als Demokratie ein und attestierte dem Land damit ähnliche Mängel wie Ungarn und Montenegro. Seit Vu?i? 2012 an die Macht kam, wurden die demokratischen Institutionen in Serbien zusehends geschwächt. Serbien ist mittlerweile ein hybrides System, formell zwar eine Demokratie, doch mit sehr starken autokratischen Zügen. Während sowohl die EU als auch Vu?i? weiterhin so tun, als ob Serbien an einer EU-Mitgliedschaft interessiert sei, meinen viele Beobachter nach jahrelangen erfolglosen Verhandlungen, dass man die Beitrittsgespräche analog zur Türkei auch einfrieren könnte. Vu?i? versucht recht erfolgreich Russland und China gegen den Westen auszuspielen und mit allen Seiten eine Art Schaukelpolitik zu betreiben. Der EU kommt dabei die Rolle zu, sich vor dem Einfluss Russlands und Chinas zu fürchten und Serbien weiterhin finanziell zu unterstützen (DS 20.10.2020).
In Serbien findet seit Monaten ein Machtkampf innerhalb der das Land dominierenden Regierungspartei SNS (Serbische Fortschrittspartei, Ausrichtung rechtskonservativ/nationalistisch; Anm.) statt. Den Kern bildet ein Machtkampf, derzeit noch geführt hinter den Kulissen, zwischen dem, auch die Tagespolitik bestimmenden, Staatspräsidenten und einem seiner langjährigen und bisher loyalen Weggefährten, dem ehemaligen Innenminister und jetzigen Verteidigungsminister STEFANOVIC. Von den Fernsehsendern und Zeitungen, die stets auf der Linie des Präsidenten liegen, wird STEFANOVIC als Verräter oder Verbrecher dargestellt, der die Mafia gefördert und den Sturz oder gar die Ermordung des Staatsoberhaupts geplant habe (VB 29.6.2021).
In der Diskussion über eine Lösung der festgefahrenen ethnischen Konflikte am Westbalkan zeigt sich Serbien offen für einvernehmliche Grenzveränderungen. Die Diskussion über neue Grenzen am Balkan hatte jüngst durch ein der slowenischen Regierung zugeschriebenes "Non Paper" neue Nahrung erhalten, in dem unter anderem über eine Teilung des Kosovo sowie die Angliederung der bosnischen Serbenrepublik an Serbien nachgedacht wird, um der stockenden EU-Annäherung der Region neuen Schub zu geben. Slowenien übernimmt im Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft (WZ 13.6.2021).
Der serbische Innenminister hat im Juli 2021 anlässlich des 13. Gründungstages seiner Sozialistischen Bewegung, eines kleinen Bündnispartners der regierenden Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) von Aleksandar Vucic, für die "Errichtung einer serbischen Welt" plädiert. Bei manch einem Beobachter weckte diese Äußerung Erinnerungen an die Groß-Serbien-Idee des Regimes von Slobodan Milosevic. Sowohl in Serbien als auch in der gesamten Region löste diese Äußerung große Besorgnis aus (Die Presse 19.7.2021).
Sicherheitslage
Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen (AA 1.6.2021b). Das Land kann als stabil bezeichnet werden. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Serbien nicht ausgeschlossen werden (EDA 1.6.2021).
Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u. a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil. Die albanische Bevölkerung Südserbiens orientiert sich teils stark nach Kosovo. Mitunter wird über etwaige Grenzanpassungen spekuliert, die das Gebiet betreffen würden (AA 19.11.2020).
Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Bei der Umsetzung der Empfehlungen des letzten Jahres wurden einige Fortschritte erzielt, insbesondere bei der Annahme der Strategie und des Aktionsplans für die Kontrolle von leichten und kleinkalibrigen Waffen. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Auch die integrierte Grenzverwaltungsstrategie und der dazugehörige Aktionsplan wurden weiterhin wirksam umgesetzt (EK 6.10.2020).
Zwischen Serbien und dem Kosovo besteht seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung ein offener Grenzkonflikt. Zwischen Serbien und Kroatien gab es gleichfalls ungelöste Grenzfragen. Serbien beanspruchte zwei kleine Inseln in der Donau, während die kroatische Grenze teilweise durch serbische Dörfer verläuft. Nach kontinuierlicher Verbesserung der Beziehung zwischen den beiden Ländern konnte im Juni 2016 ein als historisch bezeichneter Pakt beschlossen werden, durch den die Grenzkonflikte beigelegt wurden und den jeweiligen Minderheiten in den Ländern mehr Rechte zugesprochen werden sollen. Die Beziehung gilt jedoch weiterhin als angespannt und die langfristige Anerkennung der Einigung als ungewiss. Bosnien-Herzegowina und Serbien streiten sich ebenfalls über ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang der Flüsse Drina und Lim. Nach vier Jahren Stillstand haben beide Staaten im Mai 2010 wieder diplomatische Verhandlungen aufgenommen. Serbien hat einen Landtausch vorgeschlagen, eine Einigung konnte aber noch nicht gefunden werden. Die Beziehungen Serbiens zu seinen Nachbarn sind nach wie vor angespannt. Im Zusammenhang mit den immensen Flüchtlingsströmen in Europa kam es vermehrt auch zu Spannungen zwischen Ungarn und Serbien. Im Juli 2016 trat in Ungarn ein Gesetz in Kraft, nach dem Personen ohne gültige Einreisedokumente innerhalb eines acht Kilometer breiten Streifens hinter der serbisch-ungarischen Grenze in Transitzonen zurückgebracht werden können. Somit wird die Verantwortung faktisch wieder auf Serbien übertragen. Serbien hält dieses Gesetz für völkerrechtswidrig (BICC 1.2021).
Kroatische Truppen im Kosovo sorgen für Irritation in Belgrad; der kroatische Präsident versicherte am 8.5.2021, dass die Verstärkung der kroatischen Truppen im Kosovo nicht gegen Serbien gerichtet, sondern ausschließlich der Tatsache der Reduktion der Truppen in Afghanistan und dem Bedarf im Kosovo geschuldet ist. Der serbische Präsident verurteilte zuvor diesen Schritt als weitere Demütigung Serbiens (VB xx.6.2021).
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss, was weiterhin ein Problem darstellt. Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, und die Justiz setzt dieses Recht im Allgemeinen durch. Die regionale Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen bleibt begrenzt. Die serbischen Behörden bieten verurteilten oder mutmaßlichen Kriegsverbrechern weiterhin Unterstützung und öffentlichen Raum und reagieren nur langsam auf Hassreden oder die Leugnung von Kriegsverbrechen (USDOS 30.3.2021).
Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Die Situation der Justiz hat sich in der Regierungszeit von Präsident Aleksandar Vucic eher verschlechtert. Die politische Einflussnahme auf die Justiz hat zugenommen. Die Kommentierung von sensiblen Justizverfahren durch Regierungsvertreter ist zur Alltagspraxis geworden. Eine von der EU geforderte Verfassungsänderung mit dem Ziel der Abschaffung der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten durch das Parlament lässt auf sich warten. Erst Anfang 2018 legte das serbische Justizministerium den entsprechenden Verfassungsänderungsentwurf vor. Der Entwurf wurde von Vertretern von Justizverbänden wie Zivilgesellschaft gleichermaßen als unzureichend hinsichtlich der Entpolitisierung der Justiz kritisiert. Bei Konsultationen zum Entwurf kam es zu offenen Auseinandersetzungen zwischen Ministeriumsvertreten und Vertretern der serbischen Richtervereinigung und zivilgesellschaftlichen Organisationen (GIZ Geschichte & Staat 12.2020).
Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich Anzeige erstatten. Auch können entsprechende Beschwerden an die Institutionen Ombudsmann gerichtet werden. Darüber hinaus besteht auch für Personen, die sich an den Ombudsmann gewandt haben, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidrigem Verhalten der Sicherheitsbehörden an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden. Ohne Einschränkung haben in Serbien lebende Personen, unabhängig von Staatsbürgerschaft und Ethnie, den gleichen Zugang zu Justiz-, Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden. Rechtsmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen und gesetzlich verankert. Bei rechtswidrigem Verhalten wird gegen die Beamten Strafanzeige erstattet und/oder ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Bei Übergriffen gegen Minderheiten (z.B. Roma oder Sinti) bestehen keine Ausnahme- oder Sonderregelungen. Sie sind wie alle anderen Staatsbürger vor dem Gesetz gleichgestellt (VB 29.6.2021).
Sicherheitsbehörden
Neben dem Militär sind insbesondere die Polizei und der Geheimdienst Gegenstand der Sicherheitssektorreform. Derzeit verfügt Serbien über drei Geheimdienste: Einen zivilen, den Security Information Service (BIA), und zwei militärische, den Military Intelligence Service (VOA) und die Military Security Agency (VBA). Eine Reform des Geheimdienstes ist weiterhin aufgrund der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen nur äußerst begrenzt möglich. Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentliche Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“. Außer den staatlichen Sicherheitskräften gibt es ebenfalls einen großen Markt privater Sicherheitsanbieter, der im letzten Jahrzehnt deutlich gewachsen ist. Mit dem Beginn der Sicherheitssektorreformen und der damit verbundenen Verkleinerung der Streitkräfte und der Polizei drängten viele Menschen auf den Markt, um ihre Fähigkeiten anzubieten. Schätzungen zufolge gibt es derzeit etwa 3.000 private Sicherheitsunternehmen, die annähernd 30.000 Menschen beschäftigen (BICC 1.2021).
Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2020 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums fünf Strafanzeigen gegen sechs Polizeibeamten ein wegen des begründeten Verdachts, Misshandlung und Folter begangen haben. Im gleichen Zeitraum erstattete das Büro für Interne Kontrolle des Ministeriums 115 Strafanzeigen und drei Anzeigen gegen 127 Beamte und zivile Mitarbeiter des Ministeriums. Die Regierung war weniger effektiv, wenn hochrangige Polizeibeamte eines kriminellen Fehlverhaltens beschuldigt wurden (USDOS 30.3.2021)
Am 27.5.2021 kam es zu einer Videokonferenz von serbischen Innenminister mit dem Staatsrat und Minister für die öffentliche Sicherheit Chinas. Es wurde ein Abkommen über gemeinsame Polizeiausbildungen, insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität beschlossen (VB 29 6.2021).
Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Befugnisse überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht ordnungsgemäß bearbeiten. Ohne Einschränkung haben in Serbien lebende Personen, unabhängig von Staatsbürgerschaft und Ethnie, den gleichen Zugang zu Justiz-, Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden. Rechtsmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen und gesetzlich verankert. Bei rechtswidrigem Verhalten wird gegen die Beamten Strafanzeige erstattet und/oder ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Bei Übergriffen gegen Minderheiten (z.B. Roma oder Sinti) bestehen keine Ausnahme- oder Sonderregelungen. Sie sind wie alle anderen Staatsbürger vor dem Gesetz gleichgestellt (VB 29.6.2021).
Allgemeine Menschenrechtslage
Seit den Parlamentswahlen 2016 und der Machtübernahme von Aleksandar Vucic in Folge der Präsidentschaftswahlen 2017 hat sich die Menschenrechtslage in Serbien verschlechtert. Immer wieder werden Berichte über korruptes Verhalten der Polizei oder über rechtswidrige Verhaftungen veröffentlicht. Auch Übergriffe durch die Polizei und die Androhung von Gewalt sind verbreitet. Die Rechtsstaatlichkeit wird von der Regierung zunehmend untergraben. Jüngste von der Regierung verabschiedete Gesetze machen die Judikative abhängiger von der Regierung und weniger widerstandsfähig gegenüber politischem Druck. Es bestehen weitere Defizite im Bereich Menschenrechte, etwa in Bezug auf den Minderheitenschutz und den Kampf gegen Diskriminierung. Beim Minderheitenschutz gibt es keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen und in der Praxis sehen sich die betroffenen Gruppen, wie z. B. die Roma und die Rumänen, häufig sozialer Exklusion und ärmlichen Lebensumständen ausgesetzt (BICC 1.2021).
Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden. Menschenrechtsinstitutionen müssen gestärkt und ihre Unabhängigkeit garantiert werden, auch durch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen (EK 6.10.2020).
Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit. Ethnische Minderheiten beklagen Diskriminierungen in Bereichen wie Bildung und Sprache (GIZ 12.2020).
In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.6.2021).
Bewegungsfreiheit
Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 30.3.2021).
Während die Regierung im Frühjahr 2020 in halbwöchentlich geänderten Erlassen die Bestimmungen des Lockdowns regelte bzw. änderte, bestehen serbische Juristen darauf, dass die fast vollständige Ausgangssperre für ältere Menschen grundsätzlich verfassungswidrig sei, weil sie das Recht auf Bewegungsfreiheit nicht nur einschränke, sondern quasi vollständig abschaffe (GIZ 12.2020).
In Bezug auf Reiseverbindungen bestehen derzeit keine Einschränkungen (AA 1.6.2021).
Es gibt keine formalen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Die Menschen in Serbien können ihren Arbeits- und Ausbildungsort frei wechseln und haben das Recht zu reisen (FH 3.3.2021).
Seit 7.5.2020 bestehen keine Bewegungseinschränkungen mehr, weder am Tag noch in der Nacht. Ab dem 1.6.2021 wurden allen Gastgewerbebetrieben die Arbeitszeiten bis Mitternacht verlängert. Weiters wird der Kauf an den Kiosken (kleine Verkaufsstellen; Anm.) durchgehend (00:00 - 24:00 Uhr) wieder möglich und die letzte Filmvorführung in Kinos darf ab 23 Uhr starten. An wissenschaftlichen und beruflichen Kongressen in geschlossenen Räumen, dürfen sich höchstens 200 Personen versammeln (VB 29.6.2021).
Grundversorgung/Wirtschaft
Die gute Entwicklung der serbischen Wirtschaft in den letzten Jahren wurde durch die Pandemie abrupt beendet. Mit einem Rückgang von 1,1% am Ende des Jahres kam Serbien jedoch besser durch die Krise als viele vergleichbare Länder. Die serbische Industrieproduktion entwickelt sich konstant aufwärts und profitiert vor allem durch die Exportwirtschaft. Durch das anhaltende Interesse ausländischer Investoren an der Gründung von Produktionsniederlassungen wächst die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen, die den Anforderungen westeuropäischer Industriestandards entsprechen. Bedingt durch die große Bedeutung, die die Landwirtschaft in Serbien einnimmt, hat sich eine vergleichsweise sehr starke einheimische Lebensmittelverarbeitungsindustrie entwickelt. Noch ist die Kaufkraft der Bevölkerung relativ schwach, sodass der Markt sehr preissensitiv ist. Ein Drittel der Bevölkerung kauft lieber billigere Handelsmarkenprodukte als namhafte Markenartikel (WKO 29.4.2021).
Die wirtschaftliche Lage in Serbien ist weiterhin schwierig, durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert sie sich weiter. Kaufkraft und Nettodurchschnittseinkommen (2019: 465 Euro) waren 2019 weiterhin vergleichsweise niedrig. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen (Haupt-)Stadt und Land. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist jedoch uneingeschränkt gewährleistet. Die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung ist nach wie vor schwierig. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Serbiens ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Nach Angaben der serbischen Regierung lebten 7,2% der Bevölkerung Serbiens (rund 500.000 Personen) 2017 unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Der Trend hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 7,5% stabilisiert. Das deutet auf einen „festen“ Kern der Armen, auf den Armutsbekämpfungsmaßnahmen keine Wirkung zeigen. Flüchtlinge und Rückkehrer sowie Roma sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung (AA 19.11.2020).
Im Jahr 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien geschätzt rund 7.636 US-Dollar. Für das Jahr 2021 wird das BIP pro Kopf Serbiens auf rund 8.748 US-Dollar prognostiziert (Statista 20.4.2021). Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 13,3%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert (Statista 4.5.2021). Unter Jugendlichen ist die Arbeitslosenquote mit 27,5% (2019) aber weiterhin hoch (AA 19.11.2020).
Das für März 2021 berechnete Durchschnittsgehalt (Brutto) betrug 89.894 RSD (ca. EUR 764), während das Durchschnittsgehalt ohne Steuern und Beiträge (Netto) 65.289 RSD (ca. EUR 555) betrug (Republi?ki 25.5.2021).
Die durchschnittliche Pensionshöhe betrug im Mai 2021 29.391,00 RSD (ca. EUR 250,00) (PIO RS 24.6.2021).
Sozialbeihilfen
Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Das Angebot der Sozialämter beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern sowie Familien mit drei oder mehr Kindern. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich. Die betroffene Person muss ein gültiges Ausweisdokument besitzen und bei der nationalen Arbeitsagentur im jeweiligen Wohnort als arbeitslos registriert sein, bzw. lediglich auf Mindestlohn-Basis angestellt sein. Neben den Zentren für Soziale Arbeit leisten auch einige NGOs Hilfe (IOM CFS 13.3.2021).
Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürgerinnen und Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld. Sozialhilfeempfänger, die ausreisen und in der Folge vereinbarte Termine beim Arbeitsamt NES verpassen, verlieren für sechs Monate das Recht, sich arbeitslos zu melden und damit die Grundlage für Sozialhilfe und weitere Sozialleistungen (u. a. Krankenversicherung). Sozialwohnungen sind meist belegt, für Neubauten sind kaum Mittel vorhanden. Familiäre und nachbarschaftliche Solidaritätsnetzwerke sind in Serbien noch relativ funktionsfähig. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten (AA 19.11.2020).
Seit dem 1. April 2021 beträgt die Sozialhilfe für Einzelperson bzw. für den sogenannten Rechtsinhaber in der Familie 8.781 RSD (EUR 74,41). Für jede weitere erwachsene Person in der Familie beträgt diese Leistung 4.391 RSD (EUR 37,21). Das Kindergeld für das anspruchsberechtigte Kind beträgt 3.000 RSD (EUR 24,42). Dies erhöht sich weiter um 30% für alleinerziehende Eltern bzw. Erziehungsberechtigte und beträgt 3.900 RSD (EUR 33,05). Das Kindergeld für pflegebedürftige Kinder erhöht sich auf 4.500 bis 5.400 RSD (EUR 38,13/45,77) (VB 29.6.2021).
Medizinische Versorgung
Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).
Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 1.6.2021; vgl. EDA).
Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 13.3.2021).
Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Gut ausgebildetes medizinisches Personal ist trotz Personalengpässen grundsätzlich vorhanden. Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 19.11.2020).
Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 19.11.2020).
Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,00 RSD an. (ca. 0,43 EUR). Es gibt jedoch auch Medikamente, für die von Patienten eine Beteiligungsgebühr von 10 bis 90% des Anschaffungspreises gezahlt werden muss (AA 19.11.2020).
Rückkehr
Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein 'Build Your Future'-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten (IOM 13.3.2021).
Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält. Rückkehrende Personen können, wie alle anderen Bürger, frei über ihren Wohnort entscheiden und einen Wohnsitz anmelden. Der Verbleib von rückkehrenden Personen wird weder erfasst noch in sonstiger Weise kontrolliert. Erfahrungsgemäß kehren sie oftmals an ihren letzten Wohnsitz zurück. Das Meldegesetz, das seit Ende 2011 in Kraft ist, enthält eine Regelung, die Personen ohne Personalausweis die Anmeldung erleichtert. Es sind Einzelfälle bekannt, in denen Rückkehrern trotzdem die Anmeldung verweigert wurde (u. a. Bewohnern informeller Siedlungen, aus Kosovo stammende Rückkehrer). Serbische Behörden stellen kosovarischen Staatsangehörigen weiterhin serbische Reisedokumente aus, die dann für Rückführungen nach Serbien genutzt werden. In diesem Zusammenhang sollte bei Rückführungen darauf geachtet werden, dass kosovarische Staatsangehörige mit kosovarischen Reisedokumenten ins Kosovo rückgeführt werden. Informationen über die Rechte und Pflichten von Rückkehrern enthält eine online verfügbare mehrsprachige Broschüre des serbischen Flüchtlingskommissariats (http://www.kirs.gov.rs/wb-page.php?kat_id=222) (AA 19.11.2020).
Ein- und auch Durchreisebestimmungen können aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 derzeit abweichen. Die Ausbreitung von COVID-19 kann weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens führen (AA 1.6.2021).
1.5. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus
COVID-19 ist eine durch