Entscheidungsdatum
14.10.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W226 2244596-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2021, Zl. 1066944203-201054888, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
I.1.1 Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist russischer Staatsangehöriger, der tschetschenischen Volksgruppe und dem Islam zugehörig. Er gelangte gemeinsam mit seiner Ehefrau und ihren minderjährigen Kindern unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal in das österreichische Bundesgebiet, wo sie am 03.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
I.1.2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.05.2015 gab der BF an, in Polen Asylanträge gestellt zu haben. Auf dem Weg mit dem Taxi zum Flüchtlingslager habe er jedoch Autos mit russischen Kennzeichen gesehen, was ihm Angst eingejagt habe und weshalb er den Fahrer gebeten habe, ihn und die Familie nach Österreich zu bringen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, 2008 von der Polizei mitgenommen und geschlagen worden zu sein, was sich 2011 wiederholte und er dann 2 Jahre in Haft gesessen und 2014 freigekommen sei. Am XXXX sei er zuletzt erneut von der Polizei mitgenommen und mit Strom gefoltert worden. Als er am XXXX freigekommen sei, habe er beschlossen zu fliehen. Als Grund für die Festnahmen gab der BF an, die Polizei habe ihm immer wieder Fragen zu Personen gestellt, die der BF unterstützt haben soll. Er habe ihnen aber nicht helfen können, da er diese Personen nicht gekannt habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, erneut von der Polizei gefoltert zu werden.
I.1.3. Aufgrund der Angabe des BF sowie des Eurodac-Treffers hinsichtlich Polen mit Datum 30.04.2015 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein Konsultationsverfahren mit Polen ein. Mit Schreiben vom 13.05.2015 stimmten die polnischen Behörden ausdrücklich der Rückübernahme des BF und seiner Familie gem. Art. 18 Abs. 1 c Dublin III-VO zu.
I.1.4. Am 22.06.2015 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA statt, wo der BF vorbrachte, dass seine Schwester bereits 2003 oder 2004 und seine Mutter bereits 2008 nach Österreich gekommen seien. Auch in der Heimat hätten sie ständig telefonischen Kontakt über das Telefon bzw. über das Internet, Skype gehabt. Unterstützungsleistungen wären regelmäßig in Form von Geld, bzw. Sachleistungen übermittelt worden. Befragt zum Gesundheitszustand führte der BF aus, dass er die letzten 3 Jahre nicht bei einem Arzt gewesen sei, da er im Gefängnis gewesen sei. Seit April 2015 leider er unter Albträumen, Verwirrtheit, Kopfschmerzen und Erektionsstörungen. Er habe außerdem Cousins und einen Onkel in Österreich. Im Herkunftsstaat würde noch ein Bruder leben.
I.1.5. Mit Bescheid vom 29.06.2015 wurde I. der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) die Außerlandesbringung des BF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Polen zulässig sei. Seine Familie erhielt jeweils inhaltsgleiche Bescheide.
I.1.6. Am 05.08.2015 wurden der BF und seine Familie nach Polen rücküberstellt.
I.1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.08.2015 wurden die Beschwerden des BF und seiner Familie gegen die oben genannten Bescheide gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG wurde festgestellt, dass die Anordnungen zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren.
I.2.1. Laut Abschlussbericht einer österreichischen Polizeiinspektion an die Staatsanwaltschaft hat der BF am 08.06.2020 in einer österreichischen Psychiatrie eine Person verletzt und wurde der BF daher wegen des Verdachts auf absichtliche schwere Körperverletzung angezeigt.
Ein im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholtes schriftliches psychiatrisches Gutachten vom 09.07.2020 ergab, dass der BF an einer paranoiden Schizophrenie F20.0 sowie an einem Zustand nach Missbrauch von Cannabinoiden und Stimulantien F12.1, F15.1 leide. Es wurde festgehalten, dass der BF selbst ausführt, kein Crystal mehr zu nehmen und auch kein Cannabis. Der BF könne reflektiert seine Erkrankungssymptome, die Entwicklung derselben und seine Bewertung der Situation wiedergeben. Was die Frage der Zurechnungsfähigkeit betrifft, so habe sich der BF zum Tatzeitpunkt vom 08.06.2020 ohne Zweifel in einem hoch psychotisch agitierten Zustand befunden, der völlig vom inneren Erleben mit massiven Wahrnehmungsstörungen dominiert gewesen sei. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass aufgrund der primär chronischen Erkrankung, die auf einer höhergradigen seelisch-geistigen Abartigkeit beruhe, eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vorliege, dass der BF ohne Anstaltsunterbringung künftig unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde (zu befürchten seien v.a. schwere Körperverletzungen). Die Eingangskriterien des § 21 Abs. 1 lägen somit aus psychiatrischer Sicht prinzipiell vor. Ebenfalls lägen die Voraussetzungen des § 429 Abs. 4 StPO vor, dh es bestehe ein Erfordernis der ärztlichen Observanz in Hinblick auf die Wirksamkeit der Medikation, um gegebenenfalls Adaptierungen derselben vornehmen zu können, und im Hinblick auf die Klärung eines möglichen Nachbetreuungsszenarios, das bei anhaltendem signifikantem Behandlungserfolg eventuell die bedingte Nachsicht der Einweisung ermöglichen könnte.
I.2.2. Am XXXX stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich, woraufhin er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Der BF brachte dabei vor, dass seine Ehefrau mit ihren Kindern in XXXX leben würde. Er sei 2016 oder 2017 nach Deutschland gekommen, wo er bis vor fünf Monaten aufhältig gewesen sei. Seit fünf Monaten sei er wieder in Österreich aufhältig. Er gab zudem an, schizophren zu sein und dass er die Hilfe seiner Schwester und Mutter benötige.
Eine Eurodac-Abfrage betreffend den BF ergab einen weiteren Asylantrag am 10.05.2016 in Polen sowie am 22.07.2016 in Deutschland. Nachdem die polnische Dublinbehörde mitteilte, dass die Zuständigkeit betreffend das Verfahren des BF an Deutschland übergegangen ist, wurde am 04.12.2020 ein Wiederaufnahmeersuchen an die deutsche Dublinbehörde übermittelt.
I.2.3. Mit Schreiben vom 09.12.2020 stimmte die deutsche Dublinbehörde der Rückübernahme des BF gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zu.
I.2.4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , vom XXXX wurde gemäß § 21 Abs. 1 StGB die Unterbringung des BF in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet, weil ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, das Verbrechen der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre. Gemäß § 45 StGB wurde die Einweisung unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Mit Beschluss wurden ihm die Weisungen der Wohnsitznahme bei seiner Mutter, der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und der regelmäßigen fachärztlichen Kontrollen in der forensischen Ambulanz Linz erteilt und eine Bewährungshilfe angeordnet.
I.2.5. Im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 21.12.2020, brachte der BF vor, seit 6 oder 7 Monaten an Schizophrenie zu leiden und Medikamente einzunehmen bzw Spritzen zu bekommen. Er sei seit 4 Jahren ledig, aber nicht geschieden, seine Ehefrau wohne mit den Kindern in Deutschland. Die Kinder unterstütze er nicht. Er wisse nicht, wie er von Deutschland nach Österreich gekommen sei. Er sei in Deutschland in medizinischer Behandlung wegen der Schizophrenie gewesen, aber in Österreich habe er seine Mutter, die sich um ihn kümmern könne und kontrollieren könne, dass er täglich seine Medikamente nehme.
I.2.6. Laut neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 07.01.2021 leidet der BF an einer paranoiden Schizophrenie, welche eine chronisch-psychotische Störung darstelle, die eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit erforderlich mache. Das Krankheitsbild sei derzeit gut behandelt, eine entsprechende Depotmedikation erhalte der BF. Wesentliche psychopathologische Auffälligkeiten würden nicht vorliegen. Bei Weiterführung der eingeleiteten medikamentösen Therapie sei trotz des Vorliegens der psychischen Erkrankung die Durchführung einer Überstellung in ein und in weiterer Folge ein Verbleib im Ankunftsland möglich, ohne dass von einer derartigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes auszugehen sei, dass der BF in einen lebensbedrohlichen Zustand gerate oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtere. Derzeit erhalte der BF eine Therapie mit Risperdal Consta und anamnestisch auch Quilonorm und Dominal. Eine weiterführende Therapie dieser Art wäre zu empfehlen, ebenso wäre im Ankunftsland eine regelmäßige Kontrolle bei einem Arzt zu empfehlen. Derzeit sei der BF zeitlich, örtlich, situativ und zur Person orientiert und auch in der Lage schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Die Abschiebung und der Verbleib seien möglich mit medikamentöser Therapie (zuletzt Risperdal consta, Quilonorm und Dominal).
I.2.7. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde die über den BF angeordnete Bewährungshilfe gemäß § 52 Abs. 3 iVm 50 Abs. 1 StGB aufgehoben, da eine längerfristige Betreuung des BF mangels Deutschkenntnissen mit Schwierigkeiten behaftet sei und in fremdenrechtlichen Angelegenheiten der BF durch die Volkshilfe unterstützt werde und aufgrund der Betreuung durch seine Mutter auch sonst ein stabiles Umfeld aufweise.
I.2.8. Am 17.02.2021 wurde der BF erneut niederschriftlich einvernommen, wo er vorbrachte, alleine nicht auf sich aufpassen zu können. Er möchte bei seiner Mutter bleiben, solange die Behandlung andauere. Schließlich wurde vom BF beantragt, dass Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch mache.
I.2.9. Mit Bescheid vom 18.02.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Deutschland zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Erkrankung des BF wurde darin insbesondere ausgeführt, dass beim BF eine paranoide Schizophrenie F20.0, Zustand nach Missbrauch von Cannabinoiden und Stimulantien F12.1, F15.1, diagnostiziert worden sei. Auch im Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX seien nur die Weisungen erteilt worden, bei der Mutter Wohnsitznahme zu nehmen, regelmäßig Medikamente einzunehmen und regelmäßige fachärztliche Kontrollen durchführen zu lassen. Somit sei erkennbar, dass die Fachärzte davon ausgehen, dass mit einer rein medikamentösen Behandlung in Verbindung mit fachärztlichen Kontrollen das Auslangen zur Behandlung der Erkrankung des gefunden werden könne. Im psychiatrischen Gutachten vom 09.07.2020 sei angeführt worden, dass der BF auch in Deutschland bereits, als er noch in Haft gewesen sei, Medikamente wegen seiner Krankheit erhalten habe und er auch eine Überweisung zum Arzt erhalten habe. Er habe jedoch von sich aus den Arzt nicht aufgesucht und keine Medikamente mehr eingenommen. Somit sei bestätigt, dass der BF notwendige medizinische Versorgung bereits in Deutschland erhalten hätte, er jedoch freiwillig darauf verzichtet habe. Da es zu keinen weiteren Maßnahmen seitens des Landesgerichtes XXXX gekommen sei, sei erkennbar, dass die Behandlung des BF weiterhin signifikante Erfolge mit sich bringe. So habe der BF auch in der zweiten Einvernahme vor dem BFA am 17.02.2021 die Frage, ob er aktuelle medizinische Unterlagen habe, verneint, weshalb der BF keine weitere – außer im Beschluss des Landesgerichtes XXXX vorgeschriebenen Kontrollen – medizinische Versorgung zur Behandlung seiner Krankheit benötige. Alle ihm verschriebene Medikamente seien auch in Deutschland erhältlich. Die Mutter des BF könne ihn, wie sie es bereits getan habe, auch in Deutschland jederzeit besuchen. Zu seinem Vorbringen, dass er von seiner Mutter nun unterstützt werde, sei anzuführen, dass eine finanzielle Unterstützung auch länderübergreifend möglich sei. Obwohl der BF bereits in Deutschland erkrankt sei, habe er alleine in einem Haushalt gelebt. Somit sei es für ihn möglich sich selbst zu versorgen, auch in medizinischer Hinsicht. Der BF sei immerhin ca. 4 Jahre lang in Deutschland geblieben und habe in dieser Zeit keinerlei Bedürfnis gehabt, zu seiner Mutter nach Österreich zu gelangen.
I.2.10. In Erledigung der vom BF dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2021 der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH vom 17.06.2005, B336/05 sowie vom 15.10.2004, G237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949 sowie vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673) aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben ist, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären. Das BFA habe von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es sei daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der gegenständliche Fall sei dadurch gekennzeichnet, dass der BF an in regelmäßigen Abständen unbedingt behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen leide. Aus dem Akteninhalt würden sich Indizien für eine Abhängigkeit des BF im Sinne einer Pflegebedürftigkeit von seinen in Österreich lebenden Verwandten, insbesondere von seiner Mutter ergeben. Die Mutter des BF habe organisiert, dass der BF bei ihr Unterkunft nehme, um eine umfassende 24-Stunden-Betreuung des BF zu gewährleisten. Seither wohne der BF bei der Mutter, diese organisiere die notwendige Verabreichung der erforderlichen Medikamente und, dass der BF bei den erforderlichen behördlichen Terminen erscheint.
Nach der geltenden Rechtslage sei eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde. In diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verweisen, der in seinem Urteil N. gegen Vereinigtes Königreich vom 27.05.2008, Nr. 26565/05, ausführte, dass keine Verpflichtung der Vertragsstaaten besteht, jeden Ausländer vor einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in seinem Heimatland zu bewahren, was selbst dann gelte, wenn die Rückführung wegen der schlechten medizinischen Versorgung zum Tod oder zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führe. Gemäß ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stellt es abgesehen von außerordentlichen Umständen keinen Eingriff in die durch Art. 3 EMRK garantieren Rechte dar, wenn mit der Ausweisung merklich schwierigere Lebensumstände und eine reduzierte Lebenserwartung verbunden sind, da zahlreiche Konventionsgarantien zwar wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben, die Konvention jedoch im Wesentlichen bürgerliche und politische Rechte schützt. Diesbezüglich führe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis U 48/08 vom 07.11.2008 aus, dass im Allgemeinen ein Fremder kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ro 2016/18/0005-3 mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien).
Grundsätzlich bezweifle das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass in Deutschland eine adäquate – mit Österreich vergleichbare - medizinische Versorgung bestehe und, dass die in Österreich begonnenen Behandlungen samt benötigter Medikamente dort auch verfügbar seien. Es sei jedoch der entscheidungsrelevante Sachverhalt im gegenständlichen Fall nicht festgestellt worden. Es wäre noch sicherzustellen, ob der BF sowohl die benötigte Therapie unter Berücksichtigung seiner Pflegebedürftigkeit, als auch die erforderliche Betreuung hinsichtlich seiner psychischen Probleme, ohne unzumutbar lange Unterbrechungen unmittelbar nach seiner Ankunft in Deutschland im selben – sowohl qualitativ als auch quantitativ – Ausmaß wie in Österreich bekomme, sodass eine unwiederbringliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes aufgrund zu langer Unterbrechung der Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Es sei im gegenständlichen Fall festzuhalten, dass sich beim BF derartig schwere psychische Krankheitsbilder gezeigt hätten, die eine Behandlungsbedürftigkeit sowie eine Pflegebedürftigkeit nachweislich notwendig machen würden. Daher wäre es angezeigt gewesen, ein aktuelles psychiatrisches Gutachten einzuholen, um mit diesem eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit des BF – unter Berücksichtigung einer allfälligen Pflegebedürftigkeit sowie insbesondere zur Klärung der Frage, ob der BF sich selbst versorgen könnte ohne die 24-Stunden-Betreuung seiner Mutter – nach Deutschland gegeben sei sowie, ob die Vulnerabilität des BF das Ausmaß einer im Hinblick auf Art. 3 EMRK relevanten Eingriffsintensität erreiche. Schließlich sei in der Beschwerde noch zu Recht darauf hingewiesen worden, dass durch eine Außerlandesbringung des BF die gerichtlich angeordneten Auflagen, die zu einer bedingten Nachsicht der Unterbringung in einer Anstalt geführt hatten, de facto außer Kraft gesetzt würden und dadurch eine Anstaltsunterbringung zum Eigen- und Fremdschutz erforderlich sei.
Erst ausgehend davon könne die Frage geklärt werden, ob im konkreten Fall des BF ein Selbsteintritt Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC geboten sein könnte.
Das BFA habe daher im fortgesetzten Verfahren ein neuerliches psychiatrisches Sachverständigengutachten betreffend den BF einzuholen. Schließlich sei auch der Grad der Abhängigkeit des BF von der Mutter festzustellen. In weiterer Folge seien diese Gutachten dem BF im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen. Für den Fall einer festgestellten Überstellungsfähigkeit des BF unter Berücksichtigung der vorzitierten hinreichenden Klärung der Frage, ob er sich im ausreichenden Maße selbst versorgen könne, seien die deutschen Behörden dementsprechend zu informieren, sodass die in Österreich begonnenen Behandlungen in medikamentöser und therapeutischer Hinsicht ohne unzumutbar lange Unterbrechungen fortgeführt werden könnten und er in Deutschland hinreichend betreut werde. Ferner sei vor einer beabsichtigten Überstellung des BF nach Deutschland die dadurch bedingte Trennung von seiner Mutter und von den restlichen Verwandten unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK sowie das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bzw. Abhängigkeit des BF zu beurteilen.
I.3.1. Am 02.04.2021 wurde der BF niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Er brachte vor, dass er in Deutschland Drogen konsumiert habe und daraufhin zum ersten Mal seine Probleme aufgetreten seien. Er habe in XXXX und Inguschetien die Schule von XXXX bis XXXX besucht und habe anschließend ein College besucht. Danach sei er bis zu seiner Ausreise im April 2015 Fahrer für Maschrutkas gewesen. Sein in Tschetschenien verbliebener Bruder habe vier Kinder, sei Installateur und wohne in seinem Elternhaus in XXXX . Sein Vater sei bereits verstorben, dieser habe zwei Brüder und fünf oder sechs Schwestern (gehabt), alle außer einem Bruder, welcher in Österreich lebe, würden in XXXX wohnen. Seine Mutter habe zwei Brüder und vier Schwestern, welche in der Russischen Föderation bzw Frankreich leben würden.
Befragt nach seinen Fluchtgründen, gab der BF an, ein namentlich genannter Freund von ihm sei von der Polizei gesucht worden und er sei zu dessen Aufenthaltsort befragt worden. Er habe dazu aber nichts sagen können, weswegen er fünf Tage festgenommen und mit Strom gefoltert worden sei. Er habe den Beamten Geld gegeben für seine Freilassung und habe unverzüglich seine Ausreise geplant. Er sei nur einmal festgenommen worden, nämlich zwei Wochen vor seiner Ausreise. Nach Vorhalt, dass er im Zuge seiner Erstbefragung am 04.05.2015 angegeben habe, auch 2008 und 2011 festgenommen worden zu sein, antwortete der BF, er wisse nicht mehr, was er damals gesagt habe. Er könne nicht mehr in der Russischen Föderation leben, solange Putin an der Macht sei. Er lebe in Österreich von der Grundversorgung bzw der Unterstützung durch seine Mutter. Er möchte arbeiten und habe zuletzt jemandem ausgeholfen und sei nach einer Stunde bereits zu erschöpft gewesen.
I.3.2. Am 02.04.2021 wurde weiters seine Schwester als Zeugin niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte sie vor, dass sich die Ehefrau des BF, nachdem der BF sie geschlagen habe, getrennt habe. Sie lebe in Deutschland und habe subsidiären Schutz, arbeite aber nicht. Der BF sei in Deutschland im Gefängnis gewesen, danach habe sich die Ehefrau des BF von diesem getrennt. Sie und ihre Mutter hätten Kontakt zur Ehefrau des BF, der BF telefoniere ab und zu mit seinen Kindern. Ihr und BF’s Vater sei 2008 in XXXX an Krebs gestorben. Sie habe die Russische Föderation bereits vor ihrem Bruder verlassen. Zum Ausreisegrund ihres Bruders führt sie aus, dass der BF sein Auto verkauft habe, dafür aber das Geld nicht bekommen habe. Als er es eingefordert habe, habe der Schuldner den BF bedroht, woraufhin es zu einer Schlägerei gekommen sei. Der Schuldner habe gefälschte Unterlagen vorgelegt und der BF sei dann für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis gekommen. Zwei Wochen bevor er das Land verlassen habe wollen, sei er festgenommen und mit Strom gefoltert worden. Die Familie des BF habe sohin 500.000 Rubel gesammelt für die Freilassung des BF. Es sei wichtig, dass der BF bei ihr und der Mutter bleibe, da er alleine nicht in der Lage sei, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
I.3.3. Laut neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 22.04.2021, welches die Frage des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit bzw Abhängigkeit des BF von einer beabsichtigten Überstellung in die Russische Föderation und die dadurch bedingte Trennung von seiner Mutter und den restlichen Familienangehörigen beantworten soll, sei eine 24h Betreuung beim BF nicht erforderlich und bestehe nur in wenigen Teilbereichen Unterstützungsbedarf (zB Pflege der Leib- und Bettwäsche, Behördengänge, Wegräumen und Reinigung des Geschirrs). Unter laufender Therapie zeige sich nun eine weitgehende Remission des Krankheitsbildes. Die pflegerischen Handlungen und Maßnahmen könnten auch durch eine familienfremde Person durchgeführt werden oder im konkreten Fall beispielsweise durch den im Herkunftsstaat lebenden Bruder.
I.3.4. Im Rahmen des zum psychiatrischen Gutachten vom 22.04.2021 von der Behörde gewährtem Parteiengehör, erstattete der BF am 02.06.2021 eine Stellungnahme, worin er einige Aspekte des Gutachtens kritisierte und zusammenfassend geltend machte, dass im gesamten Gutachten die Fragestellung betreffend Folgen der Trennung des BF von der Mutter und eine Auswirkung einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht behandelt werde. Dabei seien insbesondere Retraumatisierungsaspekte und Auswirkungen von Trennung in Bezug auf das Krankheitsbild der paranoiden Schizophrenie unbeantwortet geblieben. In dem Vorgutachten der Frau Prim. Dr.in. XXXX sei darüber Aufschluss zu erhalten. Es gehe dort sehr klar hervor, dass der BF aufgrund seiner Erkrankung auf stetige Medikamentengabe und eine umfassende Betreuung angewiesen sei, weshalb auch das Landesgericht XXXX eine bedingte Nachsicht der Einweisung erteilt habe, welche Schlussfolgerung auch auf eine Rücküberstellung in die Russische Föderation angewendet werden könne.
I.3.5. Mit Bescheid des BFA vom 12.06.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der vom BF als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt mit keinem der Konventionsgründe im Zusammenhang stehe und– unabhängig davon – nicht glaubhaft sei, da der BF in seiner Einvernahme zu seinen Fluchtgründen am 02.04.2021 gänzlich unterschiedliche Angaben als in seiner Erstbefragung am 04.05.2015 machte.
Spruchpunkt II. wurde damit begründet, dass der BF an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, er leide an paranoider Schizophrenie, aufgrund der bestehenden Therapie zeige sich nun aber eine weitgehende Remission des Krankheitsbildes. Es hätten sich laut neurologisch-psychiatrischem Gutachten zuletzt beim BF keine derartig schweren psychischen Krankheitsbilder gezeigt, die eine umfassende Behandlungsbedürftigkeit sowie eine Pflegebedürftigkeit über alle Bereiche nachweislich notwendig machen würden. Lediglich in Teilbereichen benötige der BF Unterstützung. Die in Teilbereichen notwendige Unterstützung lasse die Annahme zu, dass er sich selbst - ohne die 24-Stunden-Betreuung durch die Mutter oder einen nahen Angehörigen - versorgen könne. Eine Vulnerabilität des BF, die das Ausmaß einer im Hinblick auf Art. 3 EMRK relevanten Eingriffsintensität erreicht, liege nicht vor. Der vorliegende Grad der Abhängigkeit von der Unterstützung z.B. durch die Mutter oder durch einen nahen Verwandten, lasse die Annahme zu, dass er sich im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation weitgehend selbst versorgen könne. Der Pflegebedarf beschränke sich nämlich auf die Zubereitung einer ausgewogenen Mahlzeit, Motivationsgespräche sowie die Reinigung der Wohnung und die teilweise Unterstützung bei Behördenwegen. Die Erkrankung des BF sei in der Russischen Föderation behandelbar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF eine Resozialisierung im Herkunftsstaat trotz damit verbundener Anstrengungen nicht möglich und zumutbar wäre. Ansonsten sei keine Unterstützung notwendig (auch nicht bei der Medikamenteneinnahme). In der Russischen Föderation würden neben dem Bruder, dessen Frau und Kinder noch zahlreiche weitere Verwandte sowohl von der Seite des Vaters als auch von der Seite der Mutter des BF leben. Diese Verwandten könnten den BF bei sich aufnehmen und seine regelmäßige Betreuung sicherstellen.
Zur Rückkehrentscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er neben der Beziehung zu seiner Mutter nicht über relevante familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfüge. Er könne auch keine hinreichenden eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Der persönliche, familiäre und berufliche Lebensmittelpunkt des BF und seiner Familienmitglieder habe bislang in der Russischen Föderation gelegen.
Das Einreiseverbot wurde damit begründet, dass der BF in Deutschland von 29.03.2018 bis 05.04.2018 wegen Diebstahls mit Waffen in der JVA XXXX , von 10.04.2018 bis 13.04.2018 in der JVA XXXX in Haft und von 21.03.2018 bis 26.03.2018 in der JVA XXXX in Haft gewesen sei. Des Weiteren sei er von 13.04.2018 bis 05.10.2018 in der JVA XXXX und von 12.10.2018 bis 19.05.2020 in der JVA XXXX inhaftiert gewesen. Laut Abschlussbericht einer österreichischen Polizeiinspektion an die Staatsanwaltschaft habe der BF am 08.06.2020 in einer österreichischen Psychiatrie eine Person verletzt und sei wegen des Verdachts auf absichtliche schwere Körperverletzung angezeigt worden. Das Bundesamt komme aufgrund der wiederholten Straffälligkeit im Bereich der Suchtmitteldelinquenz und der erneuten Tatbegehungen während offener Probezeit, die noch dazu auf derselben schädlichen Neigung beruhen, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose zur Überzeugung, dass vom BF permanent eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehe, welche ein langjähriges Einreiseverbot zu rechtfertigen vermöge. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhängung eines langjährigen Einreiseverbots effektiv begegnet werden könne. In der Gesamtschau der oben angeführten Umstände werde das Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren als angemessen angesehen und festgesetzt.
II.1.3.6 Die dagegen erhobene Beschwerde monierte die Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung.
Ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren liege unter anderem deshalb vor, da die belangte Behörde es unterlassen habe, zu ermitteln, ob die Erkrankung des BF der Grund dafür sei, dass der BF sich nicht mehr an die am 04.05.2015 geltend gemachten Fluchtgründe erinnern könne. Außerdem habe die belangte Behörde die Angabe des BF, gefoltert worden zu sein, keiner ordentlichen Beweiswürdigung unterzogen.
Der BF habe Freunden, welche tschetschenische Freiheitskämpfer seien, zwei bis dreimal Essen vorbeigebracht. Da er diesen geholfen habe, würden die russischen Behörden nun davon ausgehen, dass er auch dieser Gruppe angehöre, weshalb er von der Polizei mitgenommen worden sei, verhört und mit Strom gefoltert worden sei. Im Falle einer Rückkehr würden die Gefahr einer weiteren Folterung bestehen. Aus Angst seinen Freunden weitere Probleme zu bereiten, habe der BF bis dato nicht erwähnt, seinen Freunden geholfen zu haben und auch aufgrund seiner Erkrankung sei sich der BF der Tragweite seines Schweigens nicht bewusst gewesen. Ihm werde daher von der Polizei eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt, weshalb eine asylrelevante Verfolgung vorliege.
Die Schizophrenie des BF sei möglicherweise ausgelöst durch die Folter in seinem Herkunftsstaat. Ohne die Hilfe seiner Mutter könne er die Einnahme der Medikamente nicht bewerkstelligen. Außerdem habe die belangte Behörde es unterlassen, sich ausreichend mit den Länderberichten auseinanderzusetzen, da aus diesen hervorgehe, dass psychische Krankheiten in Tschetschenien nur mit Medikamenten und nicht mit Therapie behandelt werden würde und außerdem für eine medizinische Behandlung bezahlt werden müsse sowie darauf Acht zu geben, dass der BF laut Angabe seiner Schwester nicht in der Lage sei, sich selbst zu versorgen. Wenn die Behörde annehme, dass die zahlreichen Verwandten des BF in der Russischen Föderation sich um den BF kümmern könnten, so sei dies eine willkürliche Annahme und wäre bei korrekter Ermittlung hervorgekommen, dass diese sich nicht um ihn kümmern könnten, da diese selbst Sorgepflichten hätten und auch finanziell nicht in der Lage seien, den BF zu unterstützen. Der BF würde daher in kürzester Zeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten.
Eine Rückkehrentscheidung würde einen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstellen und gegen Art. 8 EMRK verstoßen, da er sich bereits bemüht habe im Rahmen seiner Möglichkeiten sich in Österreich zu integrieren, während er in seinem Heimatstaat keine Existenzgrundlage mehr habe.
Hinsichtlich des Einreiseverbotes wurde bestritten, dass der BF weiterhin eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die österreichische Gesellschaft darstellen würde, da er seine Tat bereue und geständig gewesen sei. Er sei in Deutschland immer nur kurz in Haft gewesen und die Tat in Österreich sei auf seine psychischen Beschwerden zurückzuführen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1 Die Identität des BF steht fest, er ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum islamischen Glauben. Er stammt aus XXXX , wo er zuletzt im zweistöckigen Einfamilienhaus seiner (Groß)Eltern mit seiner Ehefrau und den Kindern sowie seinem Bruder und dessen Familie lebte.
II.1.2. Der BF reiste erstmals am 03.05.2015 in Österreich ein, wobei er zuvor in Polen einen Asylantrag stellte, weshalb er am 05.08.2015 dorthin rücküberstellt wurde. Der BF hielt sich Österreich, wobei er erst am XXXX einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF hält sich daher seit weniger als 2 Jahren insgesamt im Bundesgebiet auf.
II.1.3. Der BF leidet an paranoider Schizophrenie, einer chronisch-psychotischen Störung, die eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit erforderlich macht. Er war aufgrund dessen bereits in Deutschland in einem Krankenhaus und befand sich seit dem 04.06.2020 in stationärer Behandlung in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung des XXXX . Während seiner Zeit in Deutschland nahm der BF viele Drogen, insbesondere Cannabis und Methamphetamine, was – insbesondere der Gebrauch von Crystal Meth – wahrscheinlich zum Ausbruch der Krankheit des BF führte. Der BF zeigt keinerlei Mangel an Einsicht in die Tatsache der Erkrankung und keinerlei negative Einstellungen gegenüber dem Behandlungssystem. Zur Behandlung erhält der BF Depot-Medikation, unter laufender Therapie zeigte sich nun eine weitgehende Remission des Krankheitsbildes.
Bei Weiterführung der eingeleiteten medikamentösen Therapie ist trotz des Vorliegens der paranoiden Schizophrenie die Durchführung einer Überstellung in ein anderes und in weiterer Folge Verbleib in einem anderen Land möglich, ohne dass von einer derartigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes auszugehen ist oder sich die Krankheit in lebensbedrohlichem Ausmaß verschlechtert. Es besteht ein Unterstützungsbedarf des BF in wenigen Teilbereichen (teilweise Unterstützung bei Ämter- und Behördenwegen, Reinigung der Wohnung und Gebrauchsgegenstände, Pflege der Leib- und Bettwäsche, Motivationsgespräche, Unterstützung beim Wegräumen und der Reinigung des Geschirrs). Der BF ist in der Lage die Medikamente auch selbstständig einzunehmen. Eine 24h Betreuung ist nicht notwendig. Eine Unterstützung des BF in diesen Belangen kann von den vielen, in Grosny bzw der Russischen Föderation aufhältigen, Verwandten des BF erwartet werden.
Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Störungen und Krankheiten sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebenden Personen kostenlos. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischer Probleme zwischen 700-2.000 Rubel (ca. 8-24€). In diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).
II.1.4. Der BF wurde bereits mehrmals straffällig. In der Russischen Föderation war der BF laut eigenen Angaben bereits 2011 wegen eines Streites und einem nicht näher bekannten Delikt über zwei Jahre in Haft. In Deutschland war der BF vom 29.03.2018 bis 05.04.2018 in der JVA XXXX , von 10.04.2018 bis 13.04.2018 in der JVA XXXX , vom 21.03.2018 bis 26.03.2018 in der JVA XXXX , vom 13.04.2018 bis 05.10.2018 und vom 12.10.2018 bis 19.05.2020 in der JVA XXXX in Haft. Dabei verbüßte er Strafen wegen Diebstahls mit Waffen, einem Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz und wegen Körperverletzung.
Die Straffälligkeit des BF in Deutschland rührte vom Drogenmissbrauch des BF.
In Österreich hat er am 08.06.2020 in XXXX unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, einem anderen eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht, indem er mit einem stabilen Holzsessel wuchtig gegen den Kopf des anderen schlug, wodurch dieser in Form einer Schädelprellung verletzt wurde. Der BF hat hierdurch eine Tat begangen, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB zuzurechnen gewesen wäre. Gemäß § 21 Abs. 1 StGB wurde die Unterbringung des BF in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet, welche aber gemäß § 45 StGB unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Mit Beschluss wurden ihm die Weisungen der Wohnsitznahme bei seiner Mutter, der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und der regelmäßigen fachärztlichen Kontrollen in der forensischen Ambulanz Linz erteilt.
II.1.5. Der BF heiratete seine (noch) Ehefrau im Jahr 2006 und reiste 2015 mit dieser und den gemeinsamen drei Kindern ein, welche gemeinsam mit ihm nach Polen rücküberstellt wurden und ihm schließlich nach Deutschland folgten. In Deutschland trennte sich die Ehefrau vom BF, insbesondere aufgrund seines Drogenkonsums, und blieb mit den Kindern alleine in Deutschland. Der BF unterstützt diese nicht finanziell. Er hat keinen Kontakt mit seiner Ehefrau, telefoniert aber gelegentlich mit seinen Kindern.
II.1.6. Der BF spricht Tschetschenisch, Russisch und ein wenig Deutsch. In Tschetschenien besuchte der BF die Grundschule, machte eine Managementausbildung und arbeitete zuvor als Fahrer. Seit 2015 geht der BF keiner Erwerbstätigkeit in Österreich oder Deutschland nach, er lebt von der Grundversorgung.
II.1.7. Der BF wohnt bei seiner Mutter, welche ihn betreut. Seine Mutter verfügt über die Rot-Weiß-Rot-Karte plus und ist geringfügig beschäftigte Arbeiterin (AS 541ff). Außer ihr leben auch seine Schwester, ein Onkel väterlicherseits und dessen Kinder in Österreich.
In der Russischen Föderation leben zahlreiche Verwandte des BF, nämlich der Bruder des BF, welcher Tierarzt ist, aber als Installateur arbeitet, verheiratet ist und vier Kinder und vor der Ausreise des BF mit diesem zusammenwohnte sowie ein Onkel, fünf Tanten und Cousins väterlicherseits und vier Schwestern und Cousins mütterlicherseits. Die meisten leben in XXXX .
II.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Entscheidungszeitpunkt einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt ist. Der BF war nie politisch oder religiös tätig und gehörte keiner Partei an.
II.1.9. Unter Zugrundelegung der im Folgenden dargestellten Länderberichte liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass der BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr liefe, dort aktuell der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden oder aufgrund der allgemeinen Versorgungslage in eine aussichtslose Lage (Nahrung, Unterkunft) zu geraten. Der BF kann, wie er es bereits zuvor – sogar mit seiner Familie - getan hat, im Haus seiner (Groß)Eltern Unterkunft nehmen. Soweit der BF derzeit nicht in der Lage ist, einer (geringfügigen) Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann er das in Russland bestehende soziale Sicherungssystem in Anspruch nehmen.
Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Folter oder unmenschliche Behandlung auf Grund seiner Straffälligkeit in Österreich und des zugrundeliegenden Verhaltens. Ihm droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation keine Verfolgung wegen der Asylantragstellung oder wegen des Aufenthaltes außerhalb der Russischen Föderation.
Die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Der BF gehört keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde. Darüber hinaus besteht für den BF die unbeschränkt zugängliche Möglichkeit, sich in Österreich oder in der Russischen Föderation zum Schutz gegen einen schweren Verlauf impfen zu lassen.
II.1.10. Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:
1. Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 18.05.2021
Hinweis:
Die Länderinformationen gehen nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese ein - wie etwa Einstellungen des Reiseverkehrs in oder aus einem Land oder Bewegungseinschränkungen im Land. Dies betrifft insbesondere auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, die Möglichkeiten zur Selbst-Quarantäne, die Versorgungslage, wirtschaftliche, politische und andere Folgen, die derzeit immer noch schwer einschätzbar sind. Diesbezüglich darf jedoch auf das COVID-Kapitel der Staatendokumentation zur aktuellen COVID-19-Lage hingewiesen werden.
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports
oder der Johns-Hopkins-Universität:
https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6
mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Da es sich bei den Nordkaukasus-Republiken (z.B. Tschetschenien, Dagestan) um Subjekte der Russischen Föderation handelt, werden diese nicht mehr in eigenständigen Länderinformationen abgehandelt, sondern in diese Länderinformation zur Russischen Föderation (RUSS COI-CMS) integriert. Wo es Unterschiede gibt, wurden Unterkapitel zu den einzelnen Subjekten bzw. in zusammenfassender Form zum Nordkaukasus geschaffen.
Zu Inguschetien werden – auch nach Absprache mit dem BVwG – keine Informationen mehr ins RUSS COI-CMS übernommen, da die Anzahl an Asylwerbern zu gering ist. Sollten Sie Informationen zu Inguschetien benötigen, ist eine konkrete Anfrage an die Staatendokumentation zu stellen.
In Bezug auf das Kaukasus-Emirat ist zu sagen, dass es momentan nicht ganz klar ist, ob es in der Praxis überhaupt noch existiert und falls ja, ob es einen neuen Anführer hat oder nicht. Dies scheint aber auch nicht das Wichtigste zu sein, da Kadyrows Kräfte und die russischen Sicherheitsbehörden jegliche dschihadistische Anhänger ins Visier nehmen und sie keinen Unterschied machen, unter welcher Flagge ein Islamist kämpft.
2. Covid-19-Situation
Letzte Änderung: 18.05.2021
Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO (https://covid19.who.int/region/euro/country/ru). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CHRR 12.3.2021). Die Maßnahmen der Regionen sind unterschiedlich, richten sich nach der epidemiologischen Situation in der jeweiligen Region und ändern sich laufend (WKO 9.3.2021; vgl. AA 15.2.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 9.3.2021).
Die regierungseigene Covid-19-Homepage gibt Auskunft über die vom russischen Gesundheitsministerium empfohlenen Covid-19-Medikamente, nämlich Favipiravir, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Azithromycin, Lopinavir/Ritonavir, rekombinantes Interferon-beta-1b und Interferon-alpha, Umifenovir, Tocilizumab, Sarilumab, Olokizumab, Canakinumab, Baricitinib und Tofacitinib. Der in Moskau entwickelte Covid-19-Krankenhausbehandlungsstandard umfasst folgende vier Komponenten: Antivirale Therapie, Antithrombose-Medikation, Sauerstoffmangelbehebung und Prävention/Behandlung von Komplikationen. Auf Anordnung des Arztes wird Patienten ein Pulsoxymeter ausgehändigt (Gerät zur Messung des Blutsauerstoffsättigungsgrades). Die medizinische Covid-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CHRR o.D.a).
Folgende Impfstoffe wurden in der Russischen Föderation entwickelt: Gam-COVID-Vac ('Sputnik V'), EpiVacCorona, CoviVac und Ad5-nCoV (CHRR o.D.b). Mittlerweile sind in der Russischen Föderation drei heimische Impfstoffe zugelassen (Sputnik V, EpiVacCorona und CoviVac). Groß angelegte klinische Studien gibt es bisher nicht (DS 20.2.2021; vgl. RFE/RL 21.2.2021). Impfungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.). In Moskau wurden bisher mehr als 700.000 Personen geimpft (Mos.ru 8.3.2021). Obwohl Russland als weltweit erstes Land seinen Covid-Impfstoff Sputnik V registrierte, haben die Impfungen effizient gerade erst begonnen (DS 12.2.2021). Bisher wurden in der Russischen Föderation in etwa 2,2 Millionen Personen (ca. 1,5% der Bevölkerung) geimpft bzw. erhielten zumindest eine der zwei Teilimpfungen (RFE/RL 21.2.2021).
Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei der Grenzkontrolle keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staatsbürger, die nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Die Ausreise aus Russland ist bis auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Die internationalen Flugverbindungen wurden teilweise wieder aufgenommen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden derzeit ein- bis zweimal wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Russische Inlandsflüge wurden während der ganzen Pandemiezeit aufrecht erhalten (WKO 9.3.2021). Der internationale Zugverkehr – mit Ausnahme der Strecke zwischen Russland und Belarus - und der Fährverkehr sind eingestellt (AA 15.2.2021).
Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Sozialabgabenreduktion sowie Kreditgarantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse dazu. Viele der Maßnahmen sind nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugänglich und haben einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 9.3.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen usw. (CHRR o.D.c). Jänner bis Oktober 2020 ist die Industrieproduktion pandemiebedingt um 3,1% zurückgegangen. Besonders die Rohstoffproduktion ist um 6,6% gefallen, während die verarbeitende Industrie mit 0,3% praktisch stagnierte. Die im Jahr 2020 sehr stark fallenden Ölpreise waren unter anderem eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie und mit einem globalen Nachfragerückgang verbunden und führten zu einer Rubelabwertung von 25%. Nach leichter Erholung verlor der Rubel unter anderem wegen der anhaltenden geringen Rohstoffnachfrage Mitte 2020 erneut an Wert und lag Anfang Dezember bei ca. 90 Rubel je Euro (WKO 12.2020). Das Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im Jahr 2020 -3,1%. Im Vergleich dazu betrug der entsprechende Wert im Jahr 2019 2%. Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2020 17,8% des Bruttoinlandsprodukts (2019: 12,4%) (WIIW o.D.).
Moskau:
In Moskau herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Das Tragen von Masken auf Straßen wird empfohlen. Kultur- und Bildungsveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 50% der Zuschauerplätze belegt sind. Bürgern über 65 Jahren und chronisch Kranken wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021; vgl. WKO 9.3.2021, AA 15.2.2021). Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Am Arbeitsplatz sind vorgeschriebene Hygienevorschriften (unter anderem Temperaturmessungen, Mund- und Handschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 9.3.2021). Gemäß dem Moskauer Bürgermeister verbessert sich die Pandemielage in Moskau. Ein Großteil der Einschränkungen wurde aufgehoben. Gastronomiebetriebe sind wieder geöffnet. Für Schüler höherer Klassen und Studierende findet nun wieder Präsenzunterricht statt (Mos.ru 7.3.2021; vgl. Mos.ru 8.3.2021, LM 8.2.2021, Russland Analysen 19.2.2021). In der Oblast [Gebiet] Moskau wurde die Mehrzahl der wegen Covid geltenden Einschränkungen zurückgenommen. Einzig Massenveranstaltungen bleiben fast ausnahmslos verboten (Russland Analysen 19.2.2021).
St. Petersburg:
Auch in St. Petersburg herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Die für gastronomische Betriebe geltenden Beschränkungen der Öffnungszeiten wurden aufgehoben. Kulturveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Zuschauerplätze belegt sind. Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke sind Selbstisolierung und Fernarbeit verpflichtend (CHRR 12.3.2021; vgl. Gov.spb 5.3.2021, WKO 9.3.2021, Russland Analysen 8.2.2021).
Tschetschenien:
An öffentlichen Orten wird das Tragen von Masken empfohlen. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke ist Selbstisolierung vorgesehen (CHRR 12.3.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, Ria.ru 10.2.2021, KMS 10.2.2021). Bisher wurden mehr als 19.000 Personen geimpft (Chechnya.gov 26.2.2021). Mitarbeitern staatlich finanzierter Organisationen in Tschetschenien wurde mit Entlassung gedroht, sollten sie die Covid-Impfung verweigern. Bewohner in Tschetschenien berichten, ihnen seien Sanktionen angedroht worden, sollten sie sich nicht impfen lassen (CK 23.1.2021). Reisebeschränkungen wurden aufgehoben (Ria.ru 10.2.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, KMS 10.2.2021).
Dagestan:
An öffentlichen Orten herrscht Maskenpflicht. Einstweilen dürfen keine Massenveranstaltungen stattfinden. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021). Es finden Massenimpfungen statt, und verwendet wird der Impfstoff Sputnik V (E-dag.ru 23.2.2021). Bisher wurden mehr als 18.000 Personen (2,4%) geimpft (E-dag.ru 12.3.2021).
Quellen:
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? RAD – Russian Analytical Diges