Entscheidungsdatum
21.10.2021Norm
AsylG 2005 §8 Abs4Spruch
W226 1418692-3/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2021, Zl. 545053300/200504855, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren über die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten:
1.1. Die damals noch minderjährige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) reiste am 17.01.2011 gemeinsam mit ihrer Mutter XXXX , ihrer volljährigen Schwester XXXX sowie ihrer damals ebenso minderjährigen Schwester XXXX illegal in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellten die Mutter, die BF sowie ihre beiden Schwestern Anträge auf internationalen Schutz.
1.2. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 15.03.2011 wurden die Anträge der BF, ihrer Mutter und ihrer beiden Schwestern auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkte I.) als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen und diese gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkte III.). Dagegen brachten die BF, ihre Mutter und ihre beiden Schwestern fristgerecht Beschwerden ein.
1.3. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wurden die Beschwerden der BF, ihrer Mutter und ihrer beiden Schwestern mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes, jeweils vom 13.07.2012, hinsichtlich der Spruchpunkte I. der Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurden der BF, ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern jeweils der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.
Zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus wurde festgestellt, es sei glaubhaft, dass im Falle der Rückkehr ins Herkunftsland aufgrund des äußerst gewalttätigen, von der Mutter geschiedenen Vaters; der psychischen Erkrankung, insbesondere der Schwester XXXX sowie der individuellen Situation der Mutter als geschiedenen Ehefrau, unter diesen Umständen eine besonders verletzliche Situation bestehe, in welcher aktuell für die Mutter und die Schwester XXXX die reale Gefahr einer Überschreitung von Art. 3 EMRK bestehe. Weiters wurde festgehalten, dass laut den vorgelegten ärztlichen Befunden bei der Mutter sowie der BF eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei. Die Schwester XXXX leide ebenso an einer psychischen Erkrankung und habe regelmäßige Anfälle, wobei keine abschließende sichere Diagnose erstellt worden sei. Bei XXXX seien jedenfalls eine dissoziative Störung, eine histrionische Persönlichkeitsstörung sowie eine traumatische Neurose diagnostiziert worden. Laut den psychotherapeutischen Berichten bestehe die Aussicht, dass sich die psychische Erkrankung von XXXX bei einem weiteren Aufenthalt in gesicherter und stabiler Umgebung bessern könne und die engmaschige psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehme.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei glaubhaft geschildert worden, dass sich die Mutter aufgrund der Gewalttätigkeit des Ehemannes ihr bzw. den Töchtern gegenüber, welche bis hin zur mehrfachen Vergewaltigung der Mutter geführt habe, im Juli 2010 scheiden habe lassen. Die Mutter habe dem geschiedenen und arbeitslosen Vater als „Preis“ für die Scheidung regelmäßig Geldbeträge zahlen müssen. Auch nach der Scheidung seien die Mutter und die Schwestern der BF körperlichen Angriffen seitens des Vaters ausgesetzt gewesen. Die Mutter habe den Lebensunterhalt der Familie durch ihre Tätigkeit als Verkäuferin finanziert. Dies sei ihr aufgrund der psychischen Erkrankung bzw. der Behandlungskosten insbesondere von XXXX und der für sie notwendigen Pflege sowie des Umstandes, dass die Kompensationszahlungen für das zerstörte Haus seitens krimineller Personen weggenommen worden seien, vor der Ausreise aber kaum mehr möglich gewesen. XXXX würde seit ihrem 12. Lebensjahr an einer psychischen Krankheit leiden, wobei die Mutter in Tschetschenien über mehrere Jahre versucht habe, eine geeignete Krankenbehandlung für diese zu erhalten, was jedoch nicht gelungen sei. Auch in Österreich würde die Mutter für XXXX sorgen. Im Falle der Mutter sowie der volljährigen Schwester XXXX könne unter Zugrundlegung der diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Lage in Tschetschenien nicht mit der im Asylverfahren erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Mutter sowie die Schwester XXXX nach einer allfälligen Rückkehr in die Russische Föderation (Tschetschenien) einer im Hinblick auf die Gewährung subsidiären Schutzes relevanten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wären bzw. könne aufgrund der dargelegten individuellen Umstände auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Mutter als alleinerziehende und geschiedene Frau noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für die BF und ihre beiden Schwestern – auch unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten für die medizinische Behandlung von XXXX bzw. für die Mutter selbst – zu erwirtschaften. Unter diesen Aspekten komme auch eine Rückkehr in einen anderen Teil der Russischen Föderation (IFA) nicht in Betracht. Es könne daher nicht mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Mutter sowie der Schwester XXXX in der Russischen Föderation (Tschetschenien) aktuell das reale Risiko einer Überschreitung der Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK drohe. Eine Rückführung stünde daher im Widerspruch zu Art. 3 EMRK. Da ein Familienverfahren vorliege und der Mutter der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, sei gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 auch der BF sowie ihrer Schwester XXXX der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
1.4. Die BF, ihre Mutter sowie ihre beiden Schwestern beantragten in den Folgejahren mehrmals die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, welche mittels Bescheid des Bundesasylamtes bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) jeweils verlängert wurde.
1.5. Zuletzt wurde der BF mit Bescheid des BFA vom 13.07.2018, Zl.: 545053300-1326435, eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.07.2020 erteilt.
1.6. Am 25.07.2019 stellte die BF bei der Magistratsabteilung 35 (im Folgenden: MA 35) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Daueraufenthalt –EU (int. Schutzberechtigte)“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (im Folgenden: NAG).
1.7. Mit E-Mail vom 26.07.2019 stellte die BF eine Anfrage an das BFA, ob sie als subsidiär Schutzberechtigte mit einem russischen Reisepass in ein anderes Land reisen dürfe, um etwa ihre Verwandten besuchen zu können. Ein Mitarbeiter des BFA habe gemeint, dass dies möglich sein sollte, aber trotzdem habe ihr FlixBus nicht erlaubt, mit diesen Dokumenten in einen Bus nach Deutschland einzusteigen. Um so etwas in Zukunft vermeiden zu können, habe ihr die Mitarbeiterin des BFA gesagt, dass das BFA ihr elektronisch eine Bestätigung mit Erlaubnis zur Ausreise schicken werde.
1.8. Mit Bescheid der MA 35 vom 02.04.2020, Zl.: MA35-9/3258494-01, wurde der Antrag der BF vom 25.07.2019 abgewiesen.
1.9. Am 12.05.2020 beantragte die BF abermals die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte.
2. Verfahren zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten:
2.1. Nach Stellung des letzten Verlängerungsantrages leitete das BFA mit Aktenvermerk vom 18.06.2020 ein Aberkennungsverfahren ein.
2.2. Am 26.08.2020 wurde die BF vom BFA unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen.
Zu ihrem Gesundheitszustand gab die BF an, dass es ihr gut gehe und sie keine Medikamente einnehme.
Weiters legte die BF ihren russischen Reisepass vor und führte sie aus, seit 2011 nicht in ihrer Heimat gewesen zu sein.
Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab sie an, sie sei ledig und lebe mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester in einem gemeinsamen Haushalt. Neben ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern lebe noch eine Cousine der Mutter in Wien. Ansonsten habe sie hier Freundinnen, eine Chinesin, eine Türkin und eine Kroatin. Für die Wohnungsmiete komme die Mutter auf. Ersparnisse habe sie nicht. Sie sei Schülerin und besuche ab Herbst die 4. Klasse einer HTL, die Volksschule habe sie abgeschlossen.
Zu ihrem Alltag in Österreich gab die BF an, sie verbringe die meiste Zeit mit ihrer Familie. Sie würden spazieren und schwimmen gehen. Die meiste Zeit verbringe sie mit Lernen. Die BF bekomme Geld von der Caritas. Mitglied in einem österreichischen Verein oder einer Organisation sei sie nicht. Sie denke in Österreich integriert zu sein, da sie zur Schule gehe und nach dem Abschluss arbeiten gehen werde. Dass sie der deutschen Sprache mächtig sei, verstehe sich von alleine. Ihr nächstes Ziel sei es die Matura zu machen, am liebsten würde sie im Bereich „Informatik“ arbeiten.
Befragt, inwieweit ihr Privat- und Familienleben durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme beeinträchtigt werde, führte die BF aus, sie würde – obwohl sie schon erwachsen sei – von ihrer Mutter getrennt werden. Sie müsste ihre Ausbildung unterbrechen, habe aber nur mehr zwei Jahre. Sie denke, dass sie in Tschetschenien keine Arbeit im Bereich der Informatik finden werde.
Auf die Frage, ob sich inzwischen Änderungen bezüglicher ihrer Person und den Lebensumständen in der Heimat ergeben hätten, führte die BF aus: „Kann ich nicht sagen.“ In der Heimat würden mehrere Tanten und Onkel mütterlicherseits leben. Das letzte Mal habe sie im Mai während des Ramadan über WhatsApp Kontakt gehabt. Den Verwandten würde es individuell unterschiedlich gehen, es komme darauf an, ob sie arbeiten oder wieviel sie verdienen würden. Sie selbst habe in Tschetschenien im Dorf XXXX gelebt. Ihre alte Adresse würde nicht mehr existieren, vielleicht könne sie irgendeine Tante aufnehmen. Freunde oder Bekannte habe sie in der Heimat nicht. Sie könne sehr gut Russisch sprechen, Schreiben könne sie eher schlechter, da sie schon lange aus der Übung sei.
Befragt, inwieweit ihr die gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten ihres Heimatlandes vertraut seien, gab die BF an, dass sie nicht alles wisse, außer dem, was ihr ihre Mutter beigebracht habe, etwa, wenn eine ältere Person den Raum betrete, man aufstehen und ihn begrüßen müsse.
Auf die Frage, was sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in die Heimat konkret zu befürchten habe, gab die BF an: „Ich befürchte nichts Konkretes.“ Die Frage, ob sie im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation Angst um ihr Leben, vor Folter, unmenschlicher Behandlung oder der Todesstrafe habe bzw. sie bei der Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden haben werde, beatwortete die BF mit „Nein“. Nach Vorhalt, dass ihr in der Russischen Föderation eine IFA offenstehe, gab die BF an, dass sie sich davor fürchten würde, alleine irgendwohin zu reisen. Für die aktuelle politische Lage bzw. Sicherheitslage in der Heimat interessiere sie sich nicht besonders, es gebe Gutes und Schlechtes.
Eine Stellungnahme zu den Länderberichten der Russischen Föderation wollte die BF nicht abgeben. Abschließend bat die BF darum, ihre Ausbildung in Österreich abschließen zu können.
Im Zuge der Einvernahme legte die BF folgende Unterlagen vor:
- Russischer Reisepass (ausgestellt am 09.07.2020, gültig bis 09.07.2030);
- Russische Geburtsurkunde samt beglaubigter deutscher Übersetzung;
- Konvolut an Schulzeugnissen und –nachrichten sowie eine Schulbesuchsbestätigung;
- Bestätigung für den Abschluss eines Netzwerktechnikkurses;
- Bestätigung betreffend ein Ferialpraktikum als Verkaufsmitarbeiterin.
2.7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.02.2021 wurde der BF der ihr mit Erkenntnis vom 13.07.2012 zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Erkenntnis vom 13.07.2012 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte wurde der BF gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und der BF gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG iVm § 55 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erteilt. Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt V.)
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF der subsidiäre Schutz im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG, abgeleitet von ihrer Mutter, zuerkannt worden sei. Das ursprünglich bestehende Rückkehrhindernis, nämlich der Umstand, dass die BF minderjährig gewesen sei und mit der alleinstehenden, geschiedenen Mutter in eine auswegslose Lage im Herkunftsstaat kommen werde, liege nicht mehr vor. Die Lage im Herkunftsstaat und die persönliche Lage der BF habe sich zwischenzeitig nachhaltig geändert. Der BF drohe bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung iSd Art. 2 und 3 EMRK sowie keine konkrete und gezielte gegen die BF gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität. Auch aus den Länderinformationen würden keine anderslautenden Hinweise hervorgehen, sondern sei daraus ersichtlich, dass sich die Lage in der Russischen Föderation maßgeblich und nachhaltig geändert habe bzw. weitgehend verbessert habe, sodass eine Rückkehr zugemutet werden könne. Da die BF in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben führe und voll integriert sei, sei auf die Frage der Situation im Falle der Rückkehr nur unter hypothetischen Gesichtspunkten einzugehen. Den Länderberichten seien keine stichhaltigen Hinweise zu entnehmen, dass in der Russischen Föderation Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe alleine aus ethnischen oder anderen Gründen einer maßgeblichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären. Auch im Ermittlungsverfahren seien keinerlei gegenteilige Anhaltspunkte bekannt geworden. Weiters sei nicht zu erkennen, dass die dokumentierte Lage in Tschetschenien nur vorübergehender Natur sein könnte. Die Heimatregion der BF stehe unter Regierungseinfluss und sei als sicher zu bezeichnen. Zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus sei dies nicht gegeben gewesen. Im Ergebnis habe sich die aktuelle Lage im Herkunftsstaat in der Gesamtsituation nachhaltig und dauerhaft geändert und könne daher eine die BF individuell treffende erniedrigende und unmenschliche Behandlung ausgeschlossen werden. Zudem hätten sich Änderungen in der Person der BF aufgrund ihres Alters und ihrer Berufserfahrung ergeben. Der BF wäre es aufgrund ihrer Schul- und Berufserfahrung möglich den notwendigen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Insgesamt hätten sich die Umstände, die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt zur Zuerkennung des Schutzstatus geführt hätten geändert und könne zum heutigen Zeitpunkt nicht erkannt werde, dass die BF im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde.
Aufgrund der fortgeschrittenen Integration der BF im Bundesgebiet sei ihr eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen.
2.8. Gegen Spruchpunkt I. und II. dieses Bescheides brachte die BF fristgerecht eine Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften ein. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, das BFA habe ihre Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes nicht erfüllt, da sie die Gründe, die im Jahr „2007“ zur Zuerkennung des Status des „Asylberechtigten“ geführt hätten, mit keinem Wort geprüft habe. Es hätte der damalige Asylakt der Mutter der Prüfung zu Grunde legen müssen bzw. wäre die Mutter zusätzlich einzuvernehmen gewesen. Die Behörde hätte die BF zu ihren eigenen Fluchtgründen detaillierter befragen müssen und seien die Einvernahmeprotokolle im Bescheid nicht abgedruckt. Dies mache die Nachvollziehbarkeit unmöglich und belaste den Bescheid mit einem groben Mangel. Die Behörde begründe die Aberkennung lapidar damit, dass sich die Situation im Heimatland verbessert hätte und eine Rückkehr aufgrund der erreichten Volljährigkeit problemlos sei. Im Bescheid werde zwar festgestellt, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführte hätten, nicht mehr vorliegen würden und sich die Lage im Herkunftsstaat deutlich verändert habe, die aktuelle individuelle Situation der BF sei aber nicht berücksichtigt worden. Das BFA habe sich mit der Problematik von Rückkehrern, die lange im Ausland gelebt hätten, nicht befasst. Die BF müsse im Heimatland aufgrund der erfolgten Asylantragstellung mit strengen Kontrollen rechnen. Auch eine Verfolgung durch den Geheimdienst würden die Länderberichte nicht ausschließen. Zudem ignoriere das BFA, dass die BF in ein Land kommen würde, dass sie kaum bis gar nicht kenne. Sie sei in Österreich sozialisiert, liebe ihre Freiheiten und die Möglichkeit eine Ausbildung in Anspruch nehmen zu dürfen. In Tschetschenien wäre sie in ihren persönlichen und religiösen Freiheiten eingeschränkt. Sie müsste sich an die dortigen Gebräuche/Gepflogenheiten anpassen, brauche für Vieles männliche Unterstützung oder müsste sich den Wünschen von männlichen Familienmitgliedern unterwerfen. Die Aberkennung sei rechtswidrig, da keine Änderung der Umstände seit der letzten Verlängerung vorliege und habe die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausführlich geprüft. Hätte das BFA ihre Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes erfüllt, so hätte die BF ihr Vorbringen ausführlicher bzw. ein substantiiertes Vorbringen erstatten können. Die Behörde habe eine umfassende vergleichende Darstellung des Sachverhaltes im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus zur nunmehr veränderten Situation unterlassen. Eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung geführt hätten, sei nicht dargelegt worden. Zudem hätte die Behörde darlegen müssen, inwiefern sich die Situation der BF, bezogen auf die Gründe, die zur Zuerkennung des Schutzstatus geführte hätten, konkret geändert habe bzw. inwiefern diese Änderungen dazu führen würden, dass die Voraussetzungen für die Schutzzuerkennung nicht mehr gegeben seien. Dieser Begründungspflicht sei die Behörde nicht nachgekommen. Konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhaltes der ursprünglich zur Zuerkennung des Schutzstatus geführt habe, fehle gänzlich. Die Behörde habe auch nicht ausgeführt, inwiefern es seit der Zuerkennung bzw. der letzten Verlängerung zu einer konkreten, nachhaltigen und wesentlichen Veränderung der persönlichen Umstände gekommen sei. Die Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht verbessert. Die Rückkehr als erwachsene, alleinstehende Frau sei sogar noch schwieriger, da die BF nun ganz alleine und ohne Kenntnisse über ihr Heimatland vor noch größeren Herausforderungen stehen würde. Auch werde übersehen, dass alle Familienangehörigen zu denen tatsächlich Kontakt bestehe in Österreich aufhältig seien. Die BF hätte kaum Bindung zu ihrem Heimatland, ihre Deutschkenntnisse seien besser als ihre Russischkenntnisse. Die BF wisse nicht, wo sie in ihrer Heimat Fuß fassen solle. Die übrigen Familienmitglieder im Herkunftsland verfügen nicht über ausreichend Einkommen, um die BF zu unterstützen. Sie wäre sohin völlig auf sich alleine gestellt. Auch aktuell würden die Voraussetzungen zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorliegen. Die BF könne sich an ihre alte Heimat kaum erinnern und habe wenig Wissen über die Bräuche und Kultur. Die Behörde habe auch zur allgemeinen Situation in Russland/Tschetschenien keine Feststellungen getroffen, weitere einschlägige Länderberichte hätten eingeholt werden müssen. Dazu wurde auf Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (von April 2017) verwiesen und ausgeführt, dass im Falle einer Rückkehr von abgewiesenen Asylsuchenden die tschetschenischen Behörden umgehend über die Rückkehr informiert werden würden bzw. diese in der Regel dem Inlandsgeheimdienst FSB überstellt werden würden und es zu Verhaftungen/Folterungen komme. Aus den herangezogenen Länderinformationen ergebe sich eine weiterhin volatile Situation (insbesondere allgemeinen Menschenrechtslage in Tschetschenien), zumal dort weiterhin massive Menschenrechtsverletzungen geschehen würden. Auch die Versorgungslage habe sich laut dem Länderinformationsblatt in den letzten Jahren nicht verbessert. Feststellungen und Länderberichte zur aktuellen Pandemie und deren sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen würden gänzlich fehlen. Ein Abgleich der aktuellen Länderberichte zur Sicherheits- und Versorgungslage in Russland mit Länderberichten, welche die Lage zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung widerspiegeln, finde sich im Bescheid nicht. Die allgemeine Situation in Russland habe sich in den letzten Monaten/Jahren und insbesondere seit der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung weder maßgeblich, noch nachhaltig verbessert. Eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage hätte ergeben, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr nach Russland der realen Gefahr ausgesetzt sei, ihr Leben zu verlieren, in eine aussichtslose Notlage zu geraten und/oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt zu sein. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
2.9. Der Mutter sowie der Schwester XXXX wurde jeweils mit Bescheid des BFA der Status der subsidiär Schutzberechtigten aberkannt. Diese erstinstanzlichen Bescheide erwuchsen am 19. und 20.03.2021 in Rechtskraft.
2.10. Die BF wurde im Zuge einer Beschwerdeverhandlung vom 31.08.2021 durch das erkennende Gericht - unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Russische Sprache - nochmals ergänzend zu den Gründen der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, zu einer allfälligen Gefährdung bei einer Rückkehr in die Russische Föderation, den Verwandten im Heimatland sowie ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation befragt. Auch ihre Schwester XXXX wurde in dieser Verhandlung einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Sie ist in Tschetschenien geboren und hat dort bis zu ihrer Ausreise nach Österreich in XXXX gelebt. Die Identität der BF steht fest.
II.1.2. Die BF reiste am 17.01.2011, im Alter von knapp 10 Jahren, gemeinsam mit ihrer Mutter XXXX , ihrer volljährigen Schwester XXXX sowie ihrer damals ebenso minderjährigen Schwester XXXX illegal in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellten die BF, ihre Mutter sowie ihre beiden Schwestern Anträge auf internationalen Schutz.
Diese Anträge der BF, ihrer Mutter und ihrer beiden Schwestern wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 15.03.2011 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und diese aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen Dagegen brachten die BF, ihre Mutter und ihre beiden Schwestern fristgerecht Beschwerden ein.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wurden die Beschwerden der BF, ihrer Mutter und ihrer beiden Schwestern mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes, jeweils vom 13.07.2012, hinsichtlich der Spruchpunkte I. der Bescheide abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurden der BF, ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern jeweils der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.
II.1.3. Die Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung wurde im Erkenntnis (zusammengefasst) insbesondere darauf gestützt, dass es für die Mutter - nach der Scheidung von ihrem gewalttägigen Ehemann, der Wegnahme einer Kompensationszahlung für ein zerstörtes Wohnhaus durch kriminelle Personen bzw. der psychischen Erkrankung/ständigen Pflege und Behandlungskosten der Tochter XXXX nicht mehr möglich gewesen sei, den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Töchter zu finanzieren, weshalb – vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Lage in Tschetschenien – nicht mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, dass die Mutter sowie die Tochter XXXX nach einer allfälligen Rückkehr in die Russische Föderation (Tschetschenien) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wären. Eine Rückführung stünde daher Art. 3 EMRK entgegen und komme auch eine IFA nicht in Betracht.
Die Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung an die damals minderjährige BF (sowie auch ihre Schwester XXXX ) erfolgte abgeleitet von der Mutter nach den Bestimmungen des Familienverfahrens.
Die befristete Aufenthaltsberechtigung der BF als subsidiär Schutzberechtigte wurde in weiterer Folge – mit nicht näher begründeten Bescheiden – mehrfach verlängert. Am 12.05.2020 beantragte die BF abermals die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte.
II.1.4. Die BF ist ledig, hat keine Kinder und lebt auch nicht in einer Beziehung. Sie lebt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester XXXX in einer Wohnung und bezieht Sozialleistungen des Staates. Sie spricht Tschetschenisch, sehr gut Russisch und beherrscht auch Deutsch auf hohem Niveau. Die BF ist strafgerichtlich unbescholten und hat in Österreich die Neue Mittelschule erfolgreich abgeschlossen. Derzeit besucht sie die 5. Klasse einer HTL für Informatik. Die BF hat in Österreich erfolgreich einen Kurs für Netzwerktechnik abgeschlossen und ein Monat lang ein Ferialpraktikum als Verkaufsmitarbeiterin gemacht.
Die BF leidet an einer Kreuzallergie, ansonsten ist sie gesund und arbeitsfähig.
II.1.5. In Österreich leben die Mutter der BF, ihr zwei erwachsenen Schwestern sowie eine Cousine der Mutter. Die Mutter sowie die beiden Schwestern XXXX und XXXX sind zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der Mutter sowie der Schwester XXXX wurde jeweils ein Aufenthaltstitel („Daueraufenthalt – EU“) erteilt, die Schwester XXXX verfügt über einen „Aufenthaltstitel plus“.
In der Russischen Föderation (Tschetschenien) leben einige Verwandte der BF (Onkel, Tanten, Cousinen/Cousins), zu welchen die BF (zum Teil) regelmäßig Kontakt hat oder zu denen sie ansonsten Kontakt aufnehmen kann. Die in der Russischen Föderation/Tschetschenien lebenden Verwandten können der BF bei einer Wiedereingliederung und Bestreitung des Lebensunterhaltes (anteilsmäßig) unterstützend zur Seite stehen. Auch der Vater der BF lebt nach wie vor noch in Tschetschenien ( XXXX ). Mit diesem hat die BF selten Kontakt.
II.1.6. Die persönliche Situation der BF sowie auch die allgemeine Lage im Herkunftsstatt haben sich verglichen mit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis vom 13.07.2012 bzw. der letzten Verlängerung mit Bescheid vom 13.07.2018 maßgeblich verändert. Der Mutter sowie der Schwester XXXX wurde nunmehr jeweils der Status der subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA rechtskräftig aberkannt. Zudem hat sich die BF von der Botschaft ihres Heimatlandes einen russischen Reisepass ausstellen lassen (Ausstellung am 09.07.2020, Gültigkeit bis 09.07.2030). Die BF ist mittlerweile volljährig geworden. Sie hat – wie bereits oben festgestellt - in Österreich eine umfassende Schulbildung erhalten, die Neue Mittelschule abgeschlossen und besucht sie derzeit die 5. Klasse einer HTL für Informatik. Im Zuge ihrer schulischen Ausbildung hat sie zudem einen Kurs für Netzwerktechnik abgeschlossen sowie ein Ferialpraktikum als Verkaufsmitarbeiterin gemacht.
Unter Zugrundelegung der im Folgenden dargestellten Länderberichte liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass die BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr liefe, dort aktuell der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden. Sie läuft dort auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Der BF ist es nunmehr möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation, entweder in Tschetschenien selbst oder auch in anderen Landesteilen niederzulassen und anzumelden sowie durch eigene Erwerbstätigkeit - allenfalls mit (anteilsmäßiger) finanzieller Unterstützung durch die zahlreichen in der Heimat lebenden Verwandten - ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele russische Städte verfügen über eine große tschetschenische Diaspora und bieten die stärkeren Metropolen und Regionen Russlands bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch Chancen für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Die BF hat auch Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.
Die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Die BF gehört mit Blick auf ihr Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Sie hat sich in Österreich gegen COVID-19 impfen lassen. Es besteht daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die BF bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.
II.1.7. Zur Situation in der Russischen Föderation/Tschetschenien:
Covid-19-Situation
Letzte Änderung: 18.05.2021
Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO ( https://covid19.who.int/region/euro/country/ru ). Die Regio- nalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CHRR 12.3.2021). Die Maßnahmen der Regionen sind unterschiedlich, richten sich nach der epidemiologischen Situation in der jeweiligen Re- gion und ändern sich laufend (WKO 9.3.2021; vgl. AA 15.2.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 9.3.2021).
Die regierungseigene Covid-19-Homepage gibt Auskunft über die vom russischen Gesund- heitsministerium empfohlenen Covid-19-Medikamente, nämlich Favipiravir, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Azithromycin, Lopinavir/Ritonavir, rekombinantes Interferon-beta-1b und Interferon- alpha, Umifenovir, Tocilizumab, Sarilumab, Olokizumab, Canakinumab, Baricitinib und Tofaciti- nib. Der in Moskau entwickelte Covid-19-Krankenhausbehandlungsstandard umfasst folgende vier Komponenten: Antivirale Therapie, Antithrombose-Medikation, Sauerstoffmangelbehebung und Prävention/Behandlung von Komplikationen. Auf Anordnung des Arztes wird Patienten ein Pulsoxymeter ausgehändigt (Gerät zur Messung des Blutsauerstoffsättigungsgrades). Die me- dizinische Covid-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CHRR o.D.a).
Folgende Impfstoffe wurden in der Russischen Föderation entwickelt: Gam-COVID-Vac (’Sputnik V’), EpiVacCorona, CoviVac und Ad5-nCoV (CHRR o.D.b). Mittlerweile sind in der Russischen Föderation drei heimische Impfstoffe zugelassen (Sputnik V, EpiVacCorona und CoviVac). Groß angelegte klinische Studien gibt es bisher nicht (DS 20.2.2021; vgl. RFE/RL 21.2.2021). Imp- fungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.). In Moskau wurden bisher mehr als 700.000 Personen geimpft (Mos.ru 8.3.2021). Obwohl Russland als weltweit erstes Land seinen Covid-Impfstoff Sputnik V registrierte, haben die Impfungen effizient gerade erst begonnen (DS 12.2.2021). Bisher wurden in der Russischen Föderation in etwa 2,2 Millionen Personen (ca. 1,5% der Be- völkerung) geimpft bzw. erhielten zumindest eine der zwei Teilimpfungen (RFE/RL 21.2.2021).
Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei der Grenzkontrolle keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staats- bürger, die nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Die Ausreise aus Russland ist bis auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Die internationalen Flugverbindungen wurden teilweise wieder aufgenommen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden derzeit ein- bis zweimal wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Russische Inlandsflüge wur- den während der ganzen Pandemiezeit aufrecht erhalten (WKO 9.3.2021). Der internationale Zugverkehr – mit Ausnahme der Strecke zwischen Russland und Belarus - und der Fährverkehr sind eingestellt (AA 15.2.2021).
Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Sozialabgabenreduktion sowie Kredit- garantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse dazu. Viele der Maßnahmen sind nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Bran- chen zugänglich und haben einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 9.3.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen usw. (CHRR o.D.c). Jänner bis Oktober 2020 ist die Industrieproduktion pandemiebedingt um 3,1% zurückgegangen. Besonders die Rohstoffproduktion ist um 6,6% gefallen, während die verarbeitende Industrie mit 0,3% praktisch stagnierte. Die im Jahr 2020 sehr stark fallenden Ölpreise waren unter anderem eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie und mit einem globalen Nachfragerückgang verbunden und führten zu einer Rubelabwertung von 25%. Nach leichter Erholung verlor der Rubel unter anderem wegen der anhaltenden geringen Rohstoffnachfrage Mitte 2020 erneut an Wert und lag Anfang Dezember bei ca. 90 Rubel je Euro (WKO 12.2020). Das Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im Jahr 2020 -3,1%. Im Vergleich dazu betrug der entsprechende Wert im Jahr 2019 2%. Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2020 17,8% des Bruttoinlandsprodukts (2019: 12,4%) (WIIW o.D.).
Moskau:
In Moskau herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Das Tragen von Masken auf Straßen wird empfohlen. Kultur- und Bildungsveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 50% der Zuschauerplätze belegt sind. Bürgern über 65 Jahren und chronisch Kranken wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021; vgl. WKO 9.3.2021, AA 15.2.2021). Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Am Arbeitsplatz sind vorge- schriebene Hygienevorschriften (unter anderem Temperaturmessungen, Mund- und Handschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 9.3.2021). Gemäß dem Moskauer Bürgermeister verbessert sich die Pandemielage in Moskau. Ein Großteil der Einschränkungen wurde aufgehoben. Gastronomiebetriebe sind wieder geöffnet. Für Schüler höherer Klassen und Studierende findet nun wieder Präsenzunterricht statt (Mos.ru 7.3.2021; vgl. Mos.ru 8.3.2021, LM 8.2.2021, Russland Analysen 19.2.2021). In der Oblast [Gebiet] Moskau wurde die Mehrzahl der wegen Covid geltenden Einschränkungen zurückgenommen. Einzig Massenveranstaltun- gen bleiben fast ausnahmslos verboten (Russland Analysen 19.2.2021).
St. Petersburg:
Auch in St. Petersburg herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Die für gastronomische Betriebe geltenden Beschränkungen der Öffnungszeiten wurden aufgehoben. Kulturveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Zuschauerplätze belegt sind. Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Für über 65-Jährige und chro- nisch Kranke sind Selbstisolierung und Fernarbeit verpflichtend (CHRR 12.3.2021; vgl. Gov.spb 5.3.2021, WKO 9.3.2021, Russland Analysen 8.2.2021).
Tschetschenien:
An öffentlichen Orten wird das Tragen von Masken empfohlen. Für über 65-Jährige und chro- nisch Kranke ist Selbstisolierung vorgesehen (CHRR 12.3.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, Ria.ru 10.2.2021, KMS 10.2.2021). Bisher wurden mehr als 19.000 Personen geimpft (Chech- nya.gov 26.2.2021). Mitarbeitern staatlich finanzierter Organisationen in Tschetschenien wurde mit Entlassung gedroht, sollten sie die Covid-Impfung verweigern. Bewohner in Tschetschenien berichten, ihnen seien Sanktionen angedroht worden, sollten sie sich nicht impfen lassen (CK 23.1.2021). Reisebeschränkungen wurden aufgehoben (Ria.ru 10.2.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, KMS 10.2.2021).
Dagestan:
An öffentlichen Orten herrscht Maskenpflicht. Einstweilen dürfen keine Massenveranstaltun- gen stattfinden. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021). Es finden Massenimpfungen statt, und verwendet wird der Impfstoff Sputnik V (E-dag.ru 23.2.2021). Bisher wurden mehr als 18.000 Personen (2,4%) geimpft (E-dag.ru 12.3.2021).
Quellen:
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• CHRR – Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.c): ???? ????????? ??????? [Unternehmensunterstützungsmaßnahmen], https://???????????????.??/wh at-to-do/business/ , Zugriff 24.3.2021
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• E-dag.ru – Moj Dagestan [Mein Dagestan] / Offizielle Website Dagestans [Russische Föderation] (12.3.2021): ?????????? ? ?????????? ?????????? ????????? ?????????? ???????? ?????? COVID-19 [Information über COVID-19-Impfung der Bevölkerung der Republik Dagestan], https://mydagestan.e-dag.ru/vaccination-against-covid-19/ , Zugriff 12.3.2021
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• WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (o.D.): Russia – Overview, https://wiiw.ac.at/russia-overview-ce-10.html , Zugriff 24.3.2021
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Politische Lage
Letzte Änderung: 26.05.2021
Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 1.2021c; vgl. CIA 5.2.2021). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017). Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 1.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsi- dentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018; vgl. FH 3.3.2021). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Be- hinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipu- lationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018). Wahlbetrug ist weit verbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BTI 2020). Präsident Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).
Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderations- rat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischus- tin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden (GIZ 1.2021a). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren (GIZ 1.2021a; vgl. FH 3.3.2021), dies gilt aber nicht für weitere Präsidenten (FH 3.3.2021). Die Volksabstimmung über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der sogenannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtie- rende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungs- verfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 1.2021a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.7.2020).
Der Föderationsrat ist als ’obere Parlamentskammer’ das Verfassungsorgan, das die Födera- tionssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten (GIZ 1.2021a): Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2021c). Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 1.2021a).
Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, welche die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokrati- sche Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern und die Partei der Volksfreiheit (PARNAS), eine de- mokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 1.2021a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016; vgl. Global Security 21.9.2016, FH 3.3.2021). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die nächste Duma-Wahl steht im Herbst 2021 an (Standard.at 1.1.2021).
Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 1.2021a).
Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkauka- sus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exe- kutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Ein- gliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 1.2021a).
Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungs- partei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunis- ten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten Parteien waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Op- positionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenom- men wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer ’smarten Abstimmung’ aufgerufen. DieBürgersollten Jeden wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019). Neben den bis Juli 2021 verlängerten wirtschaftlichen Sanktionen wegen des andauernden Ukraine-Konfliktes (Presse.com 10.12.2020) haben sich die EU-Außenminister wegen der In- haftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny auf neue Russland-Sanktionen geeinigt. Die Straf- maßnahmen umfassen Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gegen Verantwortliche für die Inhaftierung Nawalnys (Cicero 22.2.2021).
Quellen:
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• CIA – Central Intelligence Agency [USA] (5.2.2020): The World Factbook, Central Asia: Russia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/russia/ , Zugriff 16.2.2021
• Cicero (22.2.2021): EU bringt wegen Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg, https://www.cicero.de/aussenpolitik/vermoegenssperren-einreiseverbote-eu-alexej-nawalny-russland-s anktionen , Zugriff 24.2.2021
• EASO – European Asylum Support Office [EU] (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-acto rs-of-protection.pdf , Zugriff 10.3.2020
• FH – Freedom House (4.3.2020): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2019 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025879.html , Zugriff 16.2.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2020 - Russland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046536.html , Zugriff 5.3.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (1.2021a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836 , Zugriff 16.2.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (1.2021c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 16.2.2021
• Global Security (21.9.2016): Duma Election - 18 September 2016, https://www.globalsecurity.org/military/world/russia/politics-2016.htm , Zugriff 10.3.2020
• Kleine Zeitung (28.7.2019): Mehr als 1.300 Festnahmen bei Kundgebung in Moskau, https://www.kl einezeitung.at/politik/5666169/Russland_Mehr-als-1300-Festnahmen-bei-Kundgebung-in-Moskau, Zugriff 10.3.2020
• MDR - Mitteldeutscher Rundfunk (16.7.2020): Mehr als 140 Demonstranten in Moskau festgenom- men, https://www.mdr.de/nachrichten/politik/ausland/festnahme-moskau-putin-kritiker-bei-protest-100.html , Zugriff 21.7.2020
• ORF – Observer Research Foundation (18.9.2019): Managing democracy in Russia: Elections 2019, h