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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §60;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bachler, Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. März 1995, Zl. 4.335.658/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 10. März 1992 in das Bundesgebiet ein. Am 17. März 1992 stellte er den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Mit Bescheid vom 22. April 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. August 1993 wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0281, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. März 1995 wiederholte die belangte Behörde unter gleichzeitiger Übernahme der Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Beurteilung ihres Bescheides vom 10. August 1993 die Abweisung der Berufung und sprach aus, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.
Der Beschwerdeführer hatte in seinem schriftlichen Antrag auf Gewährung von Asyl keine spezifischen Fluchtgründe angegeben, sondern auf eine mit ihm vorzunehmende Einvernahme verwiesen. Anläßlich der sodann am 7. April 1992 mit dem Beschwerdeführer durchgeführten Einvernahme gab dieser zu seinen Fluchtgründen an:
"Ich bin Kurde und nebenbei auch noch Alevit. Ich gehöre keiner politischen Partei an. Ich habe in meinem Staat vorerst arbeit gesucht. Jedoch war dies mit großen Schwierigkeiten verbunden. Anschließend versuchte ich mich selbständig zu machen. Auch das funktionierte nicht. Die Bevölkerung in der Türkei will nicht, daß wir Kurden Arbeit bzw. Geschäfte haben. Außerdem ist es verboten, kurdisch zu sprechen. Wer trotzdem erwischt wird, wird zur Polizei zum Verhör vorgeladen. Wir werden als Kurden somit immer benachteiligt - auch seitens der Behörde. Wir sind als Kurden eigentlich immer die Letzten. Mein Fluchtgrund liegt jedoch nicht rein im finanziellen Bereich, sondern vielmehr in der dauernden Benachteiligung allgemein.
Ich bin von Marash und darf in diesem Punkt darauf hinweisen, daß dort im Jahr 1980 von den Türken eine Massenvernichtung durchgeführt wurde. Solche Vorfälle können nunmehr überall in der Türkei stattfinden und ist dies ebenfalls für mich Anlaß, zu fliehen."
In der gegen den abweislichen erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung rügte der Beschwerdeführer zwar Begründungsmängel, vertrat die Ansicht, auf Grund seiner Angaben sei davon auszugehen, daß sein Asylantrag berechtigt sei, erstattete aber kein über seine Erstvernehmung hinausgehendes oder davon abweichendes Sachvorbringen. Auch in Reaktion auf das Manuduktionsschreiben der belangten Behörde vom 21. Februar 1995 wendete sich der Beschwerdeführer lediglich gegen den darin enthaltenen Vorhalt, er sei vor Einreise in das Bundesgebiet bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, verwies jedoch "in der Sache selbst" auf sein bisheriges Vorbringen und ergänzte - erstmals -, müsse er in die Türkei zurückfahren, würde er unverzüglich zum Militär eingezogen und damit in Kurdistan gegen seine Landsleute eingesetzt. Diese Situation sei für ihn "jedenfalls unzumutbar".
Diesem Vorbringen entgegnete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, die Einberufung zur Militärdienstleistung stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG 1991 dar, weil eine Verfolgungsmotivation fehle, diese Pflicht bzw. deren Sicherstellung durch Strafandrohung vielmehr lediglich eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme darstelle. Auch die vom Beschwerdeführer angegebenen Beweggründe, seiner Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, seien asylrechtlich insofern unbeachtlich, als sich auch daraus keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates ergäben. Dem Vorbringen seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die allfällige Einberufung etwa mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder politischen Gesinnung im Zusammenhang stünde oder daß mit dieser eine asylrelevante Verfolgung oder auch nur Diskriminierung beabsichtigt gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer nun zunächst geltend, der angefochtene Bescheid leide schon deswegen an einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weil die belangte Behörde in ihrer wesentlichen Begründung lediglich auf einen durch Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr dem Rechtsbestand angehörigen Vorbescheid verwiesen habe. Dem Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang jedoch entgegenzuhalten, daß es sich bei der von der belangten Behörde gewählten Vorgangsweise nicht um die Übernahme eines der Rechtskraft fähigen Ausspruches einer Behörde mit Vorfragencharakter handelt, sondern lediglich um eine Vereinfachung im Begründungsteil ihrer Entscheidung. Dem "Rechtsbestand" gehören aber lediglich jene behördlichen Äußerungen an, die der Rechtskraft fähig sind und damit eine rechtlich relevante Wirklichkeit schaffen. Die Wiederholung der Begründung eines Bescheides lediglich durch Verweis auf die Begründung eines - wenn auch aufgehobenen - zwischen denselben Parteien erlassenen Vorbescheides berührt daher die Rechtmäßigkeit des - zum Rechtsbestand gehörenden, der Rechtskraft fähigen - Spruches dieses Bescheides nicht. Voraussetzung bleibt allerdings, daß - wie dies im vorliegenden Fall nicht in Abrede gestellt wird - für die Parteien des Verfahrens und die überprüfenden Kontrollinstanzen eine derartige, lediglich aus einer Verweisung bestehende Begründung nachzuvollziehen bleibt (vgl. hg. Erkenntnisse vom 30. März 1989, Zlen. 88/16/0051, 0052, vom 19. März 1991, Zl. 85/08/0042, vom 27. April 1992, Zl. 90/19/0324, vom 14. September 1992, Zl. 91/15/0044, zuletzt auch hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1996, Zl. 96/20/0068). Da dies hier der Fall ist, kann diesem Einwand daher nicht beigepflichtet werden.
Auch der - grundsätzlich berechtigte - Verweis auf die begründungslose Verneinung des Vorliegens einer der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch die belangte Behörde ändert am Sachergebnis des angefochtenen Bescheides nichts. Weder in der Berufung noch in seiner Berufungsergänzung hat der Beschwerdeführer Verfahrensmängel geltend gemacht, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz anzuordnen (die anderen in der genannten Gesetzesbestimmung genannten Fälle liegen hier offensichtlich nicht vor). Insoweit der Beschwerdeführer meint, daß lediglich der Verweis auf die sich radikalisierenden Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers die belangte Behörde zu einer entsprechenden Ergänzung des Ermittlungsverfahrens hätte veranlassen müssen, kann dem nicht gefolgt werden, insbesondere weil sich aus den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen asylrechtlich relevanter Umstände erkennen ließen, wobei auf die ständige hg. Judikatur zu § 16 AsylG 1991 (als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1996, Zl. 96/20/0323) gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Ging aber die belangte Behörde zu Recht vom Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen für die Anordnung der Ergänzung oder neuerlichen Durchführung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 aus, so hatte sie bei ihrer Sachentscheidung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. (lediglich) von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz auszugehen. Auf die weitergehende Begründung der belangten Behörde und die darauf replizierenden Beschwerdeausführungen betreffend die vom Beschwerdeführer zu erwartende Verpflichtung zur Ableistung seines Militärdienstes war daher nicht näher einzugehen.
Da sich die Beschwerde aus den genannten Gründen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 41671994.
Schlagworte
Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200501.X00Im RIS seit
20.11.2000