TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/29 W146 2246658-1

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Veröffentlicht am 29.10.2021
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Entscheidungsdatum

29.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §92 Abs1 Z3
FPG §94 Abs5

Spruch


W146 2246658-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2021, Zl. 742089500/211200539, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 92 Abs. 1 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Anwendung des JGG verurteilt.

Am 25.08.2021 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Konventionsreisepasses.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom selben Tag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß §§ 94 Abs. 5 iVm 92 Abs. 1 Z 1 FPG ab.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im kriminalpolizeilichen Aktenindex Eintragungen gemäß § 92 (1) FPG oder § 14 PassG als Versagungsgrund bezeichnete Straftaten aufgelistet seien: §§ 105, 106, 84 StGB

Österreich eröffne mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu reisen und übernehme damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordere einen restriktiven Maßstab.

Da beim Beschwerdeführer die Versagungsgründe nach § 92 Abs 1 FPG gegeben seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. In Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Konventionsreisepasses nicht vor, weshalb die Behörde zu dem Ergebnis gekommen sei, dem Beschwerdeführer kein Reisedokument auszustellen.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde wird begründend ausgeführt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahren nicht vollständig erhoben worden sei und sich darauf eine fehlerhafte Beweiswürdigung sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung ergeben habe.

Das Ermittlungsverfahren der Behörde stütze sich lediglich auf ein Aktenverfahren. Wäre der Beschwerdeführer einvernommen worden hätte er bspw. vorbringen können:

Er habe immer einen ordentlichen Lebenswandel geführt, sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Er sei minderjährig und unbescholten. Der Beschwerdeführer besuche derzeit die höhere Schule und bereue diesen Vorfall sehr. Die Hauptverhandlung habe bereits am XXXX stattgefunden und sei hier eine Probezeit von 3 Jahren ausgesprochen und eine Strafe von € 50,-- verhängt worden.

Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich beabsichtigt, den Konventionsreisepass dazu zu nützen, um sich wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung der Strafverfolgung zu entziehen, dann hätte er das bereits gemacht und wäre nicht immer noch in Österreich und würde die Schule besuchen.

So habe die Behörde eine Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens nicht getroffen und würden keine Gründe vorliegen, welche einen Entzug des Konventionsreisepasses rechtfertigen würden. Angesicht der geordneten Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers könne nicht die Annahme abgeleitet werden, er würde sich in einer künftig eintretenden ähnlichen Situation (aufgrund derer eine Verurteilung resultiere) neuerlich nicht gesetzestreu verhalten.

Am 07.10.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Verständigung von einer rechtskräftigen Verurteilung betreffend den Beschwerdeführer sowie das zugehörige Urteil ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, dem mit Bescheid vom 07.06.2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Dem Beschwerdeführer wurde am 16.06.2016 ein bis zum 15.06.2021 gültiger Konventionsreisepass ausgestellt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, wobei acht Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Des Weiteren wurde er schuldig erkannt, der Privatbeteiligten insgesamt 100,-- Euro zu bezahlen. Für die Strafbemessung wurde als mildernd das teilweise Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, als erschwerend das Zusammentreffen von drei Verbrechen und vier Vergehen gewertet.

Am 25.08.2021 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines neuen Konventionsreisepasses. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.08.2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß §§ 94 Abs. 5 iVm 92 Abs. 1 Z 1 FPG ab.

Der Beschwerdeführer wurde bisher nicht im Zusammenhang mit der Vereitlung einer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung gerichtlich verurteilt.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Feststellungen ergeben sich aus dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde, einer Einsichtnahme in die Verständigung einer rechtskräftigen Verurteilung sowie in das vorgelegte Strafurteil.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status eines Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen. Gemäß Abs. 5 leg. cit. gelten, mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt, die §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 leg. cit.

Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Gemäß § 92 Abs. 1a FPG gelten die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.

Die besagten Versagungsgründe des § 14 Passgesetz lauten:

Abs. 1: Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn

[...]

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um

[...]

d) illegalen Handel mit Waffen, Kriegsmaterial, radioaktiven Stoffen oder mit Gegenständen zu betreiben, die der Sicherheitskontrolle nach dem Sicherheitskontrollgesetz 1991, BGBl. Nr. 415/1992, unterliegen,

e) Personen der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zuzuführen oder sie hiefür anzuwerben, oder

[...]

5. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Passwerber könnte als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Sinne der §§ 278 bis 278b des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden.

Bei der Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses stützte sich das BFA im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 92 Abs 1 Z 1 FPG.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verurteilt worden war. Dabei geht es jedoch von falschen Tatsachen aus, zumal der Beschwerdeführer bereits am XXXX mit Urteil des Landesgerichtes XXXX rechtskräftig verurteilt wurde. Der Bescheid wurde erst am 25.08.2021, sohin sechs Tage nach der rechtskräftigen Verurteilung, erlassen. Der Annahme der belangten Behörde ist daher nicht zu folgen.

Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer gerichtlich strafbare Handlungen begangen hat, lässt sich zwar ableiten, dass die Gefahr besteht, dass er zukünftig weitere gerichtlich strafbare Handlungen begehen wird, er ist aber nicht hinreichend, um die Annahme zu rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer den Konventionspass verwenden möchte, um sich einer im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer bereits rechtskräftig verurteilt wurde und der unbedingte Teil der verhängten Freiheitsstrafe bereits vollzogen ist.

Die (zumindest) dreijährige Sperrfrist nach § 92 Abs 3 FPG 2005 für die Ausstellung eines Fremdenpassen nach einer gerichtlich strafbaren Handlung, kann daran nichts ändern, weil (auch) sie voraussetzt, dass zum Entscheidungszeitpunkt die Annahme getroffen werden kann oder in den letzten drei Jahren vor dem Entscheidungszeitpunkt die Annahme getroffen werden hätten können, dass der Beschwerdeführer den Konventionspass verwenden möchte, um sich einer im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen.

Tatsächlich können derzeit und konnten in den letzten drei Jahren nicht bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer den Konventionspass verwenden möchte, um sich einer im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen.

So hat der Beschwerdeführer zwar in zeitlich äußerst knapper Abfolge mehrerer strafbare Handlungen begangen (alle strafbaren Handlunge ereigneten sich am 03.07.2021). Da es teilweise beim Versuch geblieben ist, der Beschwerdeführer davor unbescholten war und teilweise ein Geständnis abgegeben hat, wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, wovon überdies acht Monate auf Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt.

Die vom Beschwerdeführer begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen, nämlich schwere Körperverletzung, Nötigung und schwere Nötigung standen auch in keinerlei Zusammenhang mit einer etwaigen Vereitelung einer Strafverfolgung oder eines Strafvollzuges. Zwar handelte es sich bei den begangenen Delikten keinesfalls um Delikte geringer Schwere, jedoch wurde der Beschwerdeführer bisher nicht im Zusammenhang mit der Vereitlung einer Strafverfolgung oder Strafvollstreckung strafgerichtlich verfolgt.

Da somit weder in den letzten drei Jahren noch derzeit bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen konnten, dass der Beschwerdeführer den Konventionspass verwenden wird, um sich einer im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen, und auch kein anderer Versagungsgrund nach § 92 FPG oder § 14 Passgesetz vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Festzuhalten ist, dass die in der Beschwerde behauptete Verurteilung zu 50,-- Euro insofern nicht korrekt ist, als der Beschwerdeführer im Urteil über die verhängte teilbedingte Freiheitsstrafe hinaus zusätzlich schuldig erkannt wurde, 50,-- Euro mit einem weiteren Angeklagten zur ungeteilten Hand und darüber hinaus 50,-- Euro an die Privatbeteiligte zu bezahlen.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer mit Rechtskraft der Entscheidung einen Konventionspass auszustellen.

Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass aus dem Inhalt des Bescheides sowie des Strafurteiles in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Konventionsreisepass mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W146.2246658.1.00

Im RIS seit

12.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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