TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/2 W203 2202121-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2021
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Entscheidungsdatum

02.11.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch


W203 2202121-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde des iranischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX 1989, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 09.08.2021, Zl. 1099965702/210892483, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.10.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, dass er aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit im Iran unterdrückt worden wäre. Außerdem wäre die Behörde gegen seine Tätowierungen gewesen. Er wäre aufgrund seines Aussehens und seiner Tätowierungen von der Polizei immer wieder angehalten und diskriminiert worden.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 27.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.

1.3. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 30.01.2020, Zl. W241 2202121-1/10E die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27.06.2018 eingebrachte Beschwerde ab. Mit Beschluss des VfGH vom 16.03.2020 wurde die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten. Der VwGH lehnte einen Antrag des Beschwerdeführers auf Verfahrenshilfe ab.

1.4. Am 10.08.2020 langte ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands gemäß Art. 18 1d Dublin III VO bei der belangten Behörde ein. Am 11.08.2020 wurde dem Wiederaufnahmeersuchen entsprochen und am 05.11.2020 wurde der Beschwerdeführer nach Österreich überstellt.

1.5. Am 05.11.2020 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung gab er an, dass seine „alten“ Fluchtgründe immer noch gelten würden und er keine weiteren Gründe für die Asylantragstellung habe.

Am 23.12.2020 wurde er niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme brachte er keine neuen Fluchtgründe vor.

Mit Bescheid vom 26.01.2021, Zl. 1099965702/201092658 wurde der Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Außerdem wurde gem. §53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf ein Jahr befristetes Einreiseverbot gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen.

Dieser Bescheid erwuchs am 10.02.2021 in Rechtskraft.

2. Gegenständliches Verfahren

2.1. Am 19.03.2021 langte neuerlich ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands gemäß Art. 18 1d Dublin III VO bei der belangten Behörde ein. Am 22.03.2021 wurde dem Wiederaufnahmeersuchen entsprochen und am 29.06.2021 wurde der Beschwerdeführer nach Österreich überstellt.

Am 02.07.2021 wurde der Beschwerdeführer bezüglich seines am 19.03.2021 in Deutschland gestellten Antrages auf internationalen Schutz erstbefragt. Dabei gab er zu seinen Gründen für die Stellung des Antrages im Wesentlichen an, er sei vor einem Jahr zum Christentum konvertiert. Er sei jetzt seit sechs Jahren hier und noch immer ohne Titel. Er habe viel Alkohol getrunken, jetzt habe er damit aber wieder aufgehört und weil er sich in der Kirche besser gefühlt habe, habe er begonnen, sich für das Christentum zu interessieren. Er habe sechs Jahre „umsonst“ in Österreich verbracht, er wolle nach Deutschland, weil seine Freunde dort lebten. Im Falle einer Rückkehr in den Iran befürchte er, wegen der Konversion getötet zu werden.

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Folgeantrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

2.3. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 23.08.2021, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, dass ihm aufgrund seiner inzwischen erfolgten ernsthaften und nachhaltigen Konversion zum Christentum im Falle einer Abschiebung in den Iran eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohe.

2.4. Am 25.08.2021 legte das BFA die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

2.5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.08.2021 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2020, ZI.: W241 2202121-1/10E abgewiesen. Das Verfahren erwuchs am 31.01.2020 in Rechtskraft.

Das zweite Verfahren wurde am 10.02.2021 rechtskräftig abgeschlossen.

In keiner Einvernahme der ersten beiden Verfahren brachte der Beschwerdeführer eine Konversion zum Christentum als Fluchtgrund vor.

1.2. Am 19.03.2021 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Zuerkennung von internationalem Schutz und begründete diesen Antrag mit seiner Konversion zum Christentum und der damit verbundenen drohenden Verfolgung in seinem Herkunftsstaat.

1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

1.4. Zur Lage von Konvertiten im Iran

Länderinformation aus der BFA-Staatendokumentation (abgefragt am 18.10.2021)

Letzte Änderung: 01.07.2021

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen 'mohareb' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).

Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich 'konvertierte' Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).

Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).

Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen 'illegaler Kirchenaktivität' zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise, welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).

Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch 'low-profile' Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).

Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social-Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte aufgrund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden.

2.2. Die Feststellungen zur Lage von Konvertiten im Iran beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 18.10.2021. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A) (Stattgabe der Beschwerde)

3.2.1. Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.

3.2.2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung (nun: Beschwerde) nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

In einer aktuellen Entscheidung vom 22.02.2021, Ra 2020/18/0537, stellte der VwGH neuerlich fest, dass bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen ist, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. Auf dem Boden der Rechtsprechung hat auch das Verwaltungsgericht dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VwGH 23.9.2020, Ra 2020/14/0175 mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2005/11/0102, mwN).

Bei der Prüfung, ob eine relevante Sachverhaltsänderung behauptet wird, ist - nach wie vor - die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "glaubhaften Kern" maßgeblich. Danach kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. auch hierzu das zitierte hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, mwN; zum "glaubhaften Kern" im Asylverfahren nach AsylG 1997 vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2006, Zl. 2006/19/0380, mwN).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch in diesem nicht vorgebracht hat, sind von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0091, sowie die ausführliche Zusammenfassung der zu § 68 Abs. 1 AVG ergangenen Rechtsprechung in VwGH 18.12.2019, Ro 2019/14/0006, wobei der gegenständliche Fall vom dort an den Europäischen Gerichtshof gerichteten Ersuchen um Vorabentscheidung wegen der anders gelagerten Ausgangssituation nicht berührt wird).

Nach aktueller Entscheidung des VwGH vom 23.06.2021, Ra 2021/18/0087 ist ein Folgeantrag zwar wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn der Asylwerber an seinem (rechtskräftig) nicht geglaubten Fluchtvorbringen unverändert festhielte und sich auch in der notorischen Lage im Herkunftsstaat keine - für den internationalen Schutz relevante - Änderung ergeben hätte. Werden aber beispielsweise neue (für den internationalen Schutz relevante) Geschehnisse geltend gemacht, die sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, ist es nicht rechtens, die Prüfung dieses geänderten Vorbringens bloß unter Hinweis darauf abzulehnen, dass es auf dem nicht geglaubten Fluchtvorbringen des ersten Asylverfahrens fuße. Das neue Vorbringen muss vielmehr daraufhin geprüft werden, ob es einen "glaubhaften Kern" im Sinne der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung aufweist. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubhaftigkeit (vgl. VwGH 21.8.2020, Ra 2020/18/0157, mwN).

3.2.3. Fallbezogen ist somit zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht zum Ergebnis gekommen ist, dass im Vergleich zu den rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist:

Der Beschwerdeführer stützt den Folgeantrag nun erstmals auf eine ihm im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Verfolgung aufgrund der Konversion zum Christentum. Er habe sich zwar schon im Jahr 2015 für das Christentum interessiert, sich damals aber nicht richtig davon überzeugen können. Vor sechs oder sieben Monaten habe er angefangen, die Bibel zu lesen, derzeit sei er auf Seite 149, vor zwei oder drei Monaten habe er zuletzt darin gelesen. Er habe noch immer keinen Aufenthaltstitel und habe sehr viel Alkohol getrunken, dann habe er begonnen, in die Kirche zu gehen und habe sich dann besser gefühlt. Anschließend sei er in Deutschland gewesen und habe auch dort die Kirche besucht. Sein Leben sei wegen der Konversion in Iran in Gefahr.

Sein Interesse für das Christentum brachte der Beschwerdeführer bislang in keinem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auf internationalen Schutz, sondern erstmals in der Befragung am 02.07.2021 und neuerlich bei der niederschriftlichen Einvernahme am 26.07.2021 vor.

Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - eine Änderung des Sachverhalts vorgebracht, in dem er dargetan hat, dass er konvertiert wäre. Aufgrund des neuen Vorbringens ergibt sich eine potentiell asylrelevante Änderung des Sachverhalts nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens.

Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, kann im Vorhinein jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers Asylrelevanz zukommt: Als jemand, der sich vom Islam abgewendet und dem Christentum zugewendet hat, wäre es möglich, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner religiösen Gesinnung die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl erfüllt. Wenn auch Vieles den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid folgend darauf hindeutet, dass der Beschwerdeführer nicht aus innerster Überzeugung und nachhaltig zum Christentum konvertiert ist, sondern um seine Chancen, internationalen Schutz zu erlangen, zu erhöhen, so wäre doch geboten gewesen, in einem meritorischen Verfahren das Vorliegen einer etwaigen Bedrohung im Falle einer Rückkehr zu prüfen, und nicht – wie gegenständlich erfolgt - den Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers inhaltlich näher auseinanderzusetzen. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nämlich, dass aufgrund der neu vorgebrachten Tatsachen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein ausgeschlossen und daher die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides zumindest möglich ist. Dies ist verfahrensgegenständlich – vor allem aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers – eindeutig der Fall. Folglich liegt hinsichtlich des Vorbringens zumindest ein „glaubhafter Kern“ der neu vorgebrachten Tatsachen vor (vgl. wieder VwGH 18.12.2019, Ro 2019/14/0006).

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht zum Ergebnis gekommen, dass im Vergleich zum ersten Asylverfahren keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Der angefochtene Bescheid ist demnach zu beheben.

Da die einzelnen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, war dieser zur Gänze zu beheben.

3.2.4. Für das fortgesetzte Verfahren ergibt sich, dass durch die Aufhebung des Bescheides der verfahrensgegenständliche Asylantrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist und über diesen von der belangten Behörde neuerlich - nämlich meritorisch - abzusprechen ist (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).

3.2.5. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7a mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

3.2.6. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entschieden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision)

3.3.1.Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass hier – aufgrund der wesentlichen Sachverhaltsänderung – keine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Kassation Konversion Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2202121.2.01

Im RIS seit

12.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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