TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/2 W103 2241800-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2021
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Entscheidungsdatum

02.11.2021

Norm

BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §54
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
FPG §58 Abs2

Spruch


W103 2241800-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A) I. In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.

II. Gemäß §§ 54, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Die Spruchpunkte II. und III. des gegenständlichen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation aus der Teilrepublik Tschetschenien, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bereits zuvor stellte der BF am 11.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 12.01.2012, GZ XXXX , des ehemaligen Bundesasylamtes als unbegründet abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom ehemaligen Asylgerichtshof ebenfalls mit Erkenntnis vom 26.07.2012 zur GZ XXXX als unbegründet abgewiesen und erfolgte die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet. Am 02.08.2013 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 11.08.2013, Zl. XXXX , wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der ehemalige Asylgerichtshof ebenfalls mit Erkenntnis vom 04.11.2013, GZ XXXX als unbegründet ab. Der BF reiste im Anschluss aus dem Bundesgebiet aus und hielt sich etwa zwei Jahre in der Russischen Föderation auf.

Anlässlich der am 13.10.2015 abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung des BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er im Wesentlichen zu Protokoll, er stamme aus XXXX , sei Moslem und habe sich Anfang Oktober 2015 zum Verlassen des Herkunftsstaates entschlossen. Der Beschwerdeführer habe bereits im Jahr 2011 in Österreich, im Jahr 2013 in Deutschland sowie im Anschluss abermals in Österreich um Asyl angesucht. Im Oktober 2013 habe er Österreich freiwillig verlassen und sei nach XXXX geflogen. Im Bundesgebiet hielten sich zwei Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer habe Tschetschenien verlassen, um hier in Frieden leben zu können, da die tschetschenische Regierung ihn nach Syrien in das Kriegsgebiet habe schicken wollen, was der Beschwerdeführer abgelehnt hätte. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, umgebracht zu werden.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 04.07.2018 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache. Der Beschwerdeführer brachte auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst vor, er sei gesund und benötige keine Medikamente, seine bisherigen Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen. Der Beschwerdeführer verfüge über keine identitätsbezeugenden Dokumente und keine sonstigen Beweismittel. Er sei Tschetschene und Moslem, habe in XXXX elf Jahre lang die Grundschule sowie fünf Jahre lang die Universität (ohne Abschluss) besucht, und habe vor seiner Ausreise auf einer Tankstelle in XXXX gearbeitet. Im Jahr 2011 sei er illegal nach Österreich gekommen und habe das Land im Jahr 2013 nach Erhalt eines negativen Asylbescheides wieder verlassen. In der Folge habe er versucht, in Deutschland um Asyl anzusuchen, sei jedoch wieder nach Österreich abgeschoben worden. Nach einem etwa einjährigen Aufenthalt in Österreich sei der Beschwerdeführer wieder nach XXXX gegangen. 2015 sei er neuerlich nach Österreich gereist und habe seinen dritten Asylantrag eingebracht. In der Russischen Föderation würden noch der Vater, die Halbschwester und die Stiefmutter des Beschwerdeführers leben. Der Beschwerdeführer habe in Österreich vor zwei Jahren eine namentlich genannte Frau traditionell geheiratet, welche derzeit im neunten Monat schwanger sei. Ein Abhängigkeitsverhältnis bestünde nicht. In Österreich befände sich ein Bruder des Beschwerdeführers, welcher subsidiär schutzberechtigt sei. Ein weiterer Bruder und eine Schwester würden ebenfalls in Österreich leben und den „grauen Pass“ besitzen. Zu den Gründen seiner neuerlichen Asylantragstellung führte der Beschwerdeführer aus, in dem Dorf, in dem er gelebt hätte, hätten Polizisten ihn abholen wollen. Sie hätten ihn nach Syrien schicken wollen. Es habe sich um Kadyrow-Leute gehandelt. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, in seinem Haus zu leben; seine Eltern hielten sich unverändert dort auf. Der Beschwerdeführer sei zu dem Zeitpunkt, als die Leute gekommen wären, nicht zu Hause gewesen; diese hätten seinen Inlandspass mitgenommen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Der Beschwerdeführer habe keine Chance, dort zu leben. Die Leute würden ihn zwingen wollen. Mehr habe er nicht zu sagen. Über diesbezügliche Beweise, etwa einen Einberufungsbefehl, verfüge er nicht. Befragt, woher er dann wisse, dass die Regierung ihn nach Syrien schicken wolle, meinte der Beschwerdeführer, es seien schon Männer aus seinem Dorf nach Syrien oder in die Ukraine geschickt worden. Um Konkretisierung seiner Angaben ersucht, erklärte der Beschwerdeführer, sie seien in sein Elternhaus gekommen. Der Beschwerdeführer sei nicht zuhause gewesen. Er wisse nicht, wie es gewesen sei. Sie hätten mit seinem Vater geredet und gefragt, wo der Beschwerdeführer sei. Dieser hätte geantwortet, dass der Beschwerdeführer nicht hier sei. Sie hätten das Haus durchsucht und den Inlandspass des Beschwerdeführers mitgenommen. Sein Vater hätte sich über die Situation erkundigt und die Information erhalten, dass Leute „eingesammelt“ würden, um in Syrien bzw. der Ukraine zu kämpfen. Der Beschwerdeführer habe den Militärdienst nicht abgeleistet. Befragt, weshalb diesfalls gerade er nach Syrien hätte geschickt werden sollen, erwiderte der Beschwerdeführer, es nicht zu wissen. Auf Vorhalt, dass er bloß ein vages und emotionsloses Vorbringen erstatte und zur Angabe konkreter Einzelheiten aufgefordert, gab der Beschwerdeführer an, es sei kurz, bevor er wieder nach Österreich gekommen sei, gewesen. Sein Vater habe ihm bei der Ausreise geholfen. Für seine Verwandten sei es relativ ruhig, der Beschwerdeführer wolle diesen keine Probleme machen.

In Österreich lebe der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner traditionell angetrauten Frau, ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe jedoch nicht. Außerdem habe er hier zwei Brüder und eine Schwester, mit welchen er regelmäßig Kontakt habe. Er gehöre keinem Verein an und ginge keiner Beschäftigung nach. Ab und zu habe er Gelegenheitsjobs; hauptsächlich kümmere er sich um seine schwangere Frau. Zu seinen Angehörigen in der Russischen Föderation habe er selten Kontakt. Der Beschwerdeführer habe einen A1-Deutschkurs besucht, wolle so schnell wie möglich arbeiten und bei seiner Familie bleiben.

Dem Beschwerdeführer wurden die seitens der Behörde herangezogenen Länderinformationen im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, im Anschluss erfolgte eine Rückübersetzung der aufgenommenen Niederschrift, deren Richtigkeit und Vollständigkeit der Beschwerdeführer durch seine Unterschrift bestätigte.

2. Mit Bescheid vom 27.09.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.10.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Staatsbürgerschaft sowie die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Der Beschwerdeführer habe zu früheren Zeitpunkten bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet eingebracht, welche in allen Spruchpunkten rechtskräftig abgewiesen worden seien. Am 12.11.2015 sei das Verfahren des Beschwerdeführers eingestellt worden, nachdem er sich dem Verfahren entzogen hätte und untergetaucht sei. Am 05.08.2016 sei das Verfahren fortgesetzt worden. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland nicht aufgrund einer asylrelevanten Bedrohung verlassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dieser einer konkreten persönlichen Verfolgung in der Russischen Föderation ausgesetzt gewesen wäre oder eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Der Beschwerdeführer habe eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer sei gesund und arbeitsfähig, habe im Herkunftsstaat elf Jahre lang die Schule besucht und fünf Jahre Agrarwissenschaft studiert. Dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr nach Tschetschenien möglich, zumal er fast sein gesamtes Leben dort verbracht und gearbeitet hätte und auch nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens im Jahr 2013 wieder dorthin zurückgekehrt sei. Zudem verfüge er über umfangreiche familiäre Beziehungen in Tschetschenien. Es sei dem Beschwerdeführer zumutbar, seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation durch eigene Arbeit und Unterstützung seiner Familie zu sichern. Gegen seine Person seien in der Vergangenheit bereits zwei rechtskräftige Rückkehrentscheidungen erlassen worden.

Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge traditionell verheiratet, seine Frau, welche er in Österreich kennenglernt hätte und zu der kein Abhängigkeitsverhältnis bestünde, sei zum Zeitpunkt der Einvernahme Anfang Juli 2018 im neunten Monat schwanger gewesen. Der Beschwerdeführer habe die Ehe trotz seines unsicheren Aufenthaltes geschlossen. Der Beschwerdeführer sei seit einem erst kurzen Zeitraum im Bundesgebiet aufhältig und sei der deutschen Sprache nicht mächtig.

Beweiswürdigend wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen die folgenden Ausführungen getroffen:

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Die Feststellungen hinsichtlich Ihres Gesundheitszustandes ergeben sich aus Ihren glaubhaften Ausführungen im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme, sowie des persönlichen Eindruckes, welchen der entscheidungsbefugte Organwalter im Rahmen der Einvernahme gewinnen konnte.

Ihre Arbeitswilligkeit ergibt sich aus Ihrer Berufstätigkeit im Heimatstaat.

Durch Ihre beruflichen Erfahrungen und Ihre schulische Ausbildung ist es Ihnen überdies zuzumuten, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden.

Aufgrund Ihrer Angaben konnte ebenfalls festgestellt werden, dass Sie in der Russischen Föderation über familiäre/ soziale Bezugspunkte verfügen (Kernfamilie lebt in Tschetschenien).

Deshalb ist eine finanzielle Unterstützung durch Ihre Familie bei Ihrer Rückkehr in die Russische Föderation sicherlich auch möglich und weiterhin wahrscheinlich.

Es ist Ihnen zuzumuten, nach XXXX /Tschetschenien zurückzukehren, zumal Sie fast Ihr gesamtes Leben dort lebten und arbeiteten bzw. nach Ihrem negativen Asylbescheid im Jahre 2013 auch dort zurückkehrten. Außerdem verfügen Sie in Tschetschenien bzw. in XXXX über umfangreiche familiäre Beziehungen, zumal Ihr Vater, Ihre Halbschwester und Stiefmutter noch dort leben.

Es ist Ihnen daher zuzumuten in Ihrem Herkunftsstaat mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung Ihrer in der Russischen Föderation lebenden Angehörigen den Lebensunterhalt zu sichern, so dass auch der Schluss zulässig ist, dass es in Ihrem Falle bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht zu einer Verletzung der Art. 2 bzw. 3 EMRK kommen wird.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Die getroffenen Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben und, dass Sie über Sprachkenntnisse in Russisch und Deutsch verfügen, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und in keiner Weise integriert sind, beruhen auf Ihren diesbezüglichen glaubhaften Angaben bei den Befragungen, der gesamten Aktenlage mit den im Akt inkludierten Beweismitteln sowie aus dem persönlichen Eindruck des zur Entscheidung berufenen Sachwalters.

Sie haben in Österreich, außer Ihrer Frau (Februar 2016 Ehe beschlossen, obwohl Sie sich Ihrem unsicheren Aufenthalt in Österreich bewusst waren; kein Abhängigkeitsverhältnis), zwei Brüder und einer Schwester, keine Familienangehörige i.S.d. Art. 8 EMRK. Ihre Familie (Vater, Halbschwester, Stiefmutter) befindet sich nach wie vor in Tschetschenien. Im Weiteren sind Sie erst seit einem äußerst geringen Zeitraum (Oktober 2015) in Österreich aufhältig und haben den Großteil Ihres Lebens in Tschetschenien verbracht. (…)“

3. Mit am 25.10.2018 eingelangtem Schriftsatz wurde – unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses – fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit einer namentlich genannten Frau traditionell verheiratet, mit welcher er gemeinsam in Österreich lebe und ein 1,5 Monate altes Kind habe. Der Beschwerdeführer sei nach Österreich zurückgekehrt, da er neue Fluchtgründe habe und in der Russischen Föderation persönlich verfolgt werde. Der Beschwerdeführer habe begründete Angst, vom russischen Staat bzw. dem tschetschenischen Präsidenten Kadyrow zwangsrekrutiert und in den Syrienkrieg bzw. Ukrainekonflikt entsandt zu werden. Das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren leide an ernstzunehmenden Fehlern. Die Einvernahme vor dem Bundesamt sei in Ordnung gewesen, der Beschwerdeführer habe lediglich leichte Probleme mit dem Dolmetscher gehabt, da dieser leicht aggressiv erschienen wäre. Der Beschwerdeführer habe seine Asylgründe jedenfalls vorbringen können und es sei somit möglich, dessen persönliche Furcht vor Verfolgung festzustellen. Die von der Behörde herangezogenen Länderberichte seien zu einer Untermauerung des Fluchtvorbringens geeignet. Der Beschwerdeführer habe die Wehrpflicht wohl aufgrund seines Hochschulstudiums aufschieben können und habe diese aus diesem Grund noch nicht abgeleistet. Dem Beschwerdeführer könnte wegen Wehrdienstverweigerung eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren drohen. Aus den Länderberichten ergibt sich weiters, dass viele Tschetschenen sich einer Einberufung widersetzen oder sich dem Widerstand anschließen würden, um nicht einberufen zu werden. Es sei nicht auszuschließen, dass viele Tschetschenen zur Ableistung des Wehrdienstes gezwungen würden. Für die Zwangsrekrutierung in diverse „Freiwilligenmilizen“ wolle der Beschwerdeführer noch Beweismittel vorlegen. Demnach gebe es in der Ukraine und auch in Syrien russische Einheiten, welche ohne offizielle russische Abzeichen etc. in den Krieg ziehen würden. Für die Rekrutierung in eine solche Einheit würden auch nicht die allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen für den normalen Wehrdienst gelten. Zum Beleg werde auf den Link zu einem Youtube-Video verwiesen. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei mangelhaft. Der Beschwerdeführer habe schon vielfach von derartigen Rekrutierungen gehört. Der Vater des Beschwerdeführers habe erzählt, dass Leute nachhause gekommen seien und den Inlandspass des Beschwerdeführers mitgenommen hätten. Der Vater sei daraufhin zum Chef der örtlichen Administration gegangen um den diesbezüglichen Grund herauszufinden. Dort sei erklärt worden, dass der Beschwerdeführer rekrutiert werden solle. Der Beschwerdeführer habe daraufhin Angst bekommen und sei illegal mit einem PKW aus dem Land geflüchtet. Die Männer, welche nach dem Beschwerdeführer gesucht hätten, seien auch nach seiner Flucht wiedergekommen, um nach ihm zu suchen. Es sei zu vermuten, dass der Beschwerdeführer aufgrund mangelnder militärischer Ausbildung erst eine Ausbildung durchlaufen müsste oder auch in einer Versorgungseinheit oder dergleichen eingesetzt werden könnte. Der Beschwerdeführer habe sich, nachdem er erfahren hätte, dass nach ihm gesucht werde, kaum zuhause aufgehalten. Der Beschwerdeführer solle zwangsrekrutiert und in einen bewaffneten Konflikt entsandt werden. Somit sei der Beschwerdeführer Angehöriger der jungen Männer im wehrdienstfähigen Alter und sei ihm der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Eine Zwangsrekrutierung würde aus unterschiedlichen Gründen jedenfalls eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Auch die unmenschlichen Bedingungen im russischen Militär und die besonders schlechte Behandlung von tschetschenischen Rekruten seien relevant. Aus diesen Gründen sollte dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden. Der Beschwerdeführer bemühe sich um eine Integration und habe eine Familie in Österreich, weshalb nach § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2019, GZ XXXX wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.09.2018 gegen die Spruchpunkte I. bis III. gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. In Erledigung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. wurde der angefochtene Bescheid zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz an das BFA zurückverwiesen. Zusammenfassend wird in der rechtlichen Beurteilung des Erkenntnisses des BVwG ausgeführt, dass der BF im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 04.07.2018 geäußert habe, in einer Beziehung mit einer namentlichen genannten Frau zu sein, welche er im Vorjahr nach islamischem Recht geheiratet habe. Überdies sei seine Lebensgefährtin im 9. Monat schwanger. Die belangte Behörde habe sich in ihrem Bescheid jedoch in keinster Weise damit auseinandergesetzt, dass der BF zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits Vaters eines in Österreich geborenen Kindes gewesen sei und habe zum Familienleben des BF im Bundesgebiet keinerlei Ermittlungen getätigt. Ebensowenig seien Feststellungen zur Staatsbürgerschaft oder zum Aufenthaltsstatus der Lebensgefährtin des BF getroffen worden, weshalb ergänzende Ermittlungen hinsichtlich seiner Lebensgefährtin und des gemeinsamen Kindes erforderlich seien.

5. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme der Ehefrau des BF, einer ebenfalls russischen Staatsangehörigen, vor dem BFA am 29.07.2020 in deutscher Sprache, gab sie zusammenfassend zu Protokoll, sie spreche muttersprachlich Tschetschenisch, sehr gut Russisch und perfekt Deutsch. Die Ehefrau des BF heiße XXXX , geb. am XXXX , befinde sich seit 2004 in Österreich und habe im Zuge eines Familienverfahrens Asyl bekommen. Sie sei gesund und auch ihr Sohn XXXX sei gesund. Die Ehefrau des BF lebe gemeinsam mit dem BF und ihren beiden Kindern im XXXX in der XXXX . Mit dem BF sei sie traditionell seit dem Jahr 2016 verheiratet, standesamtlich hätten sie am 08.04.2019 geheiratet, nach der Geburt ihres Sohnes XXXX . Die Dokumente hätte sie bereits vorgelegt. Ihr Ehemann befinde sich seit dem Jahr 2015 in Österreich und er sei der leibliche Vater ihrer beiden Kinder. Diese hießen XXXX , geb. am XXXX in XXXX und XXXX , geb. am XXXX ebenfalls in XXXX . Die Ehefrau des BF sei in Karenz und bekomme ca. EUR 800 monatlich, darüber hinaus habe sie keine Einkünfte. Ihr Ehemann habe darüber hinaus zwei Brüder und zwei Schwester in Österreich, glaublich habe eine Schwester des BF einen aufrechten Asylstatus. Der BF habe noch eine weitere Schwester, seinen Vater und seine Stiefmutter in der Russischen Föderation, zu denen er 2-3 Mal Kontakt habe. In seiner Freizeit schlafe ihr Ehemann, gehe freitags in die Moschee und gehe spazieren. Außerdem gehe er zum Arzt und sei mit Freunden unterwegs. Der BF gehe einkaufen, wenn sie keine Zeit habe, kochen könne er jedoch nicht. Er spiele mit den Kindern und sehe Filme an. Die Ehefrau des BF habe bereits um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht. Ihr sei jedoch gesagt worden, dass es nicht möglich sei. Das sei glaublich im Jahr 2018 gewesen, seither habe sie jedoch nicht mehr angesucht. Die am 11.04.2019 übermittelte Ladung habe der BF nicht bekommen.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.08.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache, führte der BF im Wesentlichen aus, er spreche muttersprachlich Tschetschenisch, perfekt Russisch und etwas Deutsch. Der BF sei gesund, nehme weder Medikamente, noch stehe er in ärztlicher Behandlung. Er heiße XXXX und sei am XXXX in der Russischen Föderation geboren. Dokumente habe er keine, seinen Auslandsreisepass habe er zu Hause in der Russischen Föderation. Nach Österreich sei er mit seinem Inlandsreisepass gekommen, den er verloren habe. Seine Eltern würden ihm eine Kopie seines Passes übermitteln, mit ihnen stehe er in Kontakt. Er habe vor ca. einer Woche zuletzt telefonischen Kontakt mit ihnen gehabt, wobei er eher selten Kontakt zu seiner Familie habe. Die Schwester seiner Stiefmutter sei an COVID-19 verstorben, seine Eltern seien schon alt, es gehe ihnen „normal“. Der BF sei seit ca. einem Jahr verheiratet, er habe vergessen, ob sie auch traditionell verheiratet seien. Seine Ehefrau sei ebenfalls russische Staatsangehörige, in Österreich asylberechtigt und bereits seit 15 oder 16 Jahren in Österreich. Sie habe im Bundesgebiet gearbeitet, der BF wisse jedoch nicht was. Seine Schwiegereltern hießen XXXX und XXXX , sie würden im XXXX wohnen. Der BF habe seine Frau über einen Freund vor 5 oder 6 Jahren in XXXX kennengelernt. Gemeinsam hätten sie zwei Kinder: XXXX , geb. am XXXX , und XXXX , geb. am XXXX , beide seien in Österreich geboren und anerkannte Flüchtlinge. Seine Ehefrau kümmere sich um die Kinder und manchmal gehe sie zu Terminen. Dann bleibe der BF bei den Kindern. Am Tag der Einvernahme seiner Ehefrau, habe sie bei ihren Eltern übernachtet, sie sei zu Besuch einen Tag dort gewesen. Der BF bekomme Geld von der Caritas, das seien alle zwei Wochen EUR 460. Der BF arbeite nicht, weil er mit der weißen Karte nicht arbeiten dürfe. Er wohne im XXXX in der XXXX in einer 2-Zimmer Wohnung, wo er mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebe. Seit kurzem wohne auch die Schwester seine Ehefrau bei ihnen. Der BF verfüge noch über seinen Vater, seine Stiefmutter und seine Halbschwester in der Russischen Föderation. In Österreich würden die Brüder des BF und eine Schwester leben. Sie seien schon lange, seit etwa 15 Jahren in Österreich. Der BF habe die Grundschule besucht, eine höhere Ausbildung begonnen und als Kassier an einer Tankstelle gearbeitet. In Österreich habe er einen A1 Deutschkurs gemacht. Der BF habe sich gut integriert und versuche zu helfen, wenn jemand Hilfe brauche. Er habe beim Roten Kreuz arbeiten wollen, ehrenamtlich sei der BF jedoch nicht tätig. Der BF spiele hobbymäßig Fußball in der XXXX , wo sie einen Saal mit Freunden und Bekannten mieten würden. Die Integrationsprüfung habe der BF nicht bestanden, er habe sich bemüht, aber es sei ihm nicht gelungen. Letztes Wochenende habe er samstags und sonntags von 10 bis 15 Uhr Fußball gespielt, freitags sei er in der Moschee gewesen. Gestern sei er im Deutschkurs und dann zu Hause gewesen, er sei mit Freunden spazieren gegangen. Um die Kinder kümmere sich seine Ehefrau, der BF spiele mit ihnen und füttere sie. Sie hätten sich auch Parks angesehen. Der BF mache alles was notwendig sei, um seine Ehefrau im Alltag zu unterstützen. Seine Kinder würden untertags spielen und mit dem BF oder seine Ehefrau spazieren gehen. Der Kleine sei immer bei seiner Ehefrau, für den BF sei es wichtig, dass die Kinder glücklich seien. Seine Kinder seien gesund. Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation würde er gefoltert oder umgebracht werden.

6. Mit Bescheid vom 11.03.2021 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte darin fest, dass der BF russischer Staatsangehöriger sei und mittlerweile sein 3. Asylantrag negativ entschieden worden sei. Er sei standesamtlich seit 08.04.2019 verheiratet und habe mit seiner Ehefrau zwei gemeinsame in XXXX geborene Söhne, die, wie seine Ehefrau, in Österreich asylberechtigt seien. Mit ihnen lebe der BF in einem gemeinsamen Haushalt. Ein intensives und schützenswertes Familienleben habe nicht festgestellt werden können. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass dem BF bei der Begründung seines Familienlebens sein unsicherer Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei und sei er trotz einer negativen Entscheidung eine Ehe eingegangen und Vater zweier Kinder geworden. Die Ehe bestehe überdies auch erst seit einem kurzen Zeitraum und lasse dadurch auch an Intensität vermissen. Der BF sei selbst auf Nachfrage nicht in der Lage gewesen nennenswerte Angaben zum Tagesablauf seiner Ehefrau und seiner Kinder zu tätigen und habe er im Verfahren selbst angegeben, seine Ehefrau kümmere sich um die Kinder. Der BF habe lapidar angegeben mit seinen Kindern zu spielen, wobei all seine Aussagen die Ansicht der Behörde stützen würde, wonach kein intensives und schützenswertes Familienleben vorliege. Der BF könne seine Söhne in Österreich besuchen und seine Niederlassung unter Beachtung der Einreise- und Niederlassungsvorschriften legalisieren.

7. Mit fristgerecht erhobener Beschwerde vom 14.04.2021 wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Begründung der belangten Behörde, wonach der BF über kein intensives oder schützenswertes Privatleben in Österreich verfüge, könne nicht nachvollzogen werden. Seinen Sohn XXXX bringe der BF in den Kindergarten und hole ihn auch wieder ab. Wenn die Kindesmutter arbeite, übernehme der BF die Betreuung seiner Söhne. Er spiele mit ihnen, wickle, füttere sie und unterstützte seine Ehefrau wo er könne. Die Aussage seiner Ehefrau, wonach der Sohn XXXX nicht beim BF bliebe, habe sich darauf bezogen, dass dieser von der Kindesmutter gestillt werde und nicht allzu lange von seiner Mutter fernbleiben könne. Zwischen Eltern und ihren Kinder bestehe unwiderleglich ein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben ab dem Tag der Geburt des Kindes. Das B-VG normiere überdies, dass jedes Kind Anspruch auf persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen habe, es sei denn es stehe seinem Wohl entgegen. Maßgeblich sei, dass nicht nur der BF ein Kontaktrecht zu seinen Kindern habe, sondern dass diese auch ein Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen, somit auch ein Recht auf Kontakt mit ihrem Vater, hätten. Dazu wird beschwerdeseitig höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Kindeswohl zitiert und ua. ausgeführt, dass die Ausübung des Kontaktrechtes über Wege der Telekommunikation zwischen einem Elternteil und Kleinkindern, wie es die Kinder des BF sind, nicht möglich ist.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF und dessen Ehefrau als Zeugin.

8. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 23.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und seine Identität steht nicht fest. Der BF ist mit XXXX , geb. am XXXX , einer in Österreich seit 02.01.2008 asylberechtigten Staatsangehörigen der Russischen Föderation, nach islamischen Recht seit dem Jahr 2016 und standesamtlich seit 08.04.2019 verheiratet. Er hat mit ihr zwei am XXXX und XXXX , im Bundesgebiet geborene Söhne, XXXX und XXXX . Die beiden Söhne des BF sind ebenfalls in Österreich asylberechtigt und im Besitz von Konventionsreisepässen.

1.2. Der BF lebte bereits von Herbst 2011 bis Herbst 2013 im Bundesgebiet, wobei beide seiner gestellten Asylanträge abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden. Von Herbst 2013 bis zu seiner neuerlichen Einreise im Oktober 2015, befand sich der BF in der Russischen Föderation.

Anfang Oktober 2015 reiste der BF illegal erneut in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.10.2015 seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA 27.09.2018, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen wurde, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Überdies wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt. Die dagegen erhobene Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. wurde als unbegründet abgewiesen, der Bescheid hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte jedoch an das BFA zurückverwiesen.

1.3. Mit dem gegenständlichen Bescheid des BFA vom 11.03.2021 wurde nun gegenüber dem BF eine neuerliche Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.

1.4. Der unbescholtene BF verfügt in Österreich über ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Der BF lebt mit seiner Ehefrau und seinen beiden mj. Söhnen im gemeinsamen Haushalt. Die beiden Söhne des BF sind gesund. Außerdem verfügt der BF über zwei Brüder im Bundesgebiet, wobei einer in Österreich asylberechtigt und der andere subsidiär schutzberechtigt ist. Eine weitere Schwester des BF ist ebenfalls im Bundesgebiet aufhältig und asylberechtigt in Österreich. Der BF hat einen Sprachkurs auf Sprachniveau A1 besucht und hat allenfalls rudimentäre Deutschkenntnisse. Der BF war im Bundesgebiet bis dato nicht erwerbstätig und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er befindet sich in Grundversorgung.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

Der BF ist gesund und leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheiten.

1.5. In der Russischen Föderation verfügt der BF noch über familiäre Anknüpfungspunkte in den Personen seines Vaters, seiner Stiefmutter und seiner Halbschwester. Im Herkunftsstaat hat der BF 11 Jahre die Grundschule besucht und eine höhere Ausbildung begonnen, jedoch nicht abgeschlossen. In der Russischen Föderation hat er als Kassier an einer Tankstelle gearbeitet. Er spricht muttersprachlich Tschetschenisch und sehr gut Russisch.

1.6. Hinsichtlich der aktuellen Lage in der Russischen Föderation wird auf die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ins Verfahren eingeführten und von Seiten des Beschwerdeführers nicht bestrittenen Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevanten Situation in der Russischen Föderation. Diese Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

2.2. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, der Ausbildung und den Familienverhältnissen des BF erfolgte auf Grundlage seiner diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem BFA am 05.08.2020 und am 04.07.2018. Der BF hat im Verfahren keine identitätsbezogenen Dokumente vorgelegt, weshalb seine Identität nicht zweifelsfrei feststeht.

2.3. Die Feststellungen zur Ehefrau des BF und den beiden gemeinsamen Söhnen beruhen auf den gemachten Angaben der Ehefrau des BF bei ihrer Zeugeneinvernahme vor dem BFA am 29.07.2020, der Einvernahme des BF am 05.08.2020 vor dem BFA, den vorgelegten Geburtsurkunden der Söhne des BF, der vorgelegten Heiratsurkunde des BF mit seiner Ehefrau und aktuell eingeholten ZMR sowie IFA-Auszügen des BF, seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Söhnen, woraus der gemeinsame Haushalt und deren Aufenthaltsstatus in Österreich ersichtlich ist. Dass der BF darüber hinaus über zwei Brüder und eine Schwester im Bundesgebiet verfügt, ergibt sich aus dessen Einvernahme vor dem BFA am 05.08.2020 und aus dessen Einvernahme am 04.07.2018.

Die lediglich rudimentären Deutschkenntnisse des BF sind aus dessen Einvernahme vor dem BFA am 05.08.2020 ersichtlich, wobei er kaum verstehen, oder gar antworten konnte. Dass er im Bundesgebiet noch nicht erwerbstätig war und sich in Grundversorgung befindet, fußt auf einem AJ-Web und einem GVS-Auszug.

2.4. Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug. Dass er gesund ist, ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz – BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z. 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z. 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z. 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z. 4).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z. 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z. 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. §66 Abs.4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.2. Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig:

3.2.1. Gemäß § 10 Abs. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Der BF hat am 13.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei dieser mit Bescheid sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung, der Zulässigkeit der Abschiebung und der Frist für die freiwillige Ausreise, wurde der Bescheid an das Bundesamt zurückverwiesen, weshalb mit gegenständlichem Bescheid lediglich darüber abzusprechen war.

Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung steht unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 1 BFA-VG, wonach dann, wenn (insbesondere) durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, deren Erlassung (nur) zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (siehe zum Ganzen etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0218, Rn. 20, mwN).

Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. grundlegend etwa VfGH 29.9.2007, B328/07, VfSlg 18223; sowie aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 15.3.2016, Ra 2016/19/0031; ebenso Ra 2016/19/0032, Ra 2016/19/0034, Ra 2016/19/0033 unter Hinweis auf Stammrechtssatz VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265 sowie VwGH 28.4.2014, Ra 2014/18/0146-0149 und 22.7.2011, 2009/22/0183; siehe auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9 BFA-VG, K15 bis K30.; Ecker/Ziegelbecker, Die Rückkehrentscheidung in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht 2017, 151 bis 215).

Im Rahmen der so gebotenen Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; siehe darauf bezugnehmend etwa auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ferner judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in Österreich vorgenommene medizinische Behandlung im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese medizinische Behandlung auch außerhalb Österreichs erfolgen bzw. fortgesetzt werden kann (vgl. dazu etwa VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0004, Rn. 12, mwN; 22.8.2019, Ra 2019/21/0026-8).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN). Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0191, mwN; 10.4.2019; Ra 2019/18/0049).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.8.2011, 2008/21/0605; 14.4.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.6.2016, Ra 2016/21/0165; 4.8.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253-12; 19.12.2019, Ra 2019/21/0185; 15.1.2020, Ra 2017/22/0047).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei einer Rückkehrentscheidung, von welcher Kinder bzw. Minderjährige betroffen sind, die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt hinsichtlich der Beurteilung des Kriteriums der Bindungen zum Heimatstaat nach § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG dabei den Fragen zu, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072, mwN; 21.3.2018, Ra 2017/18/0333).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN). Wenngleich minderjährigen Kindern dieser Vorwurf nicht zu machen ist, muss das Bewusstsein der Eltern über die Unsicherheit ihres Aufenthalts nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die Kinder durchschlagen, wobei diesem Umstand allerdings bei ihnen im Rahmen der Gesamtabwägung im Vergleich zu anderen Kriterien weniger Gewicht zukommt (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210, mwN; 21.5.2019, Ra 2019/19/0136).

3.2.2. Im Bundesgebiet halten sich die Ehefrau des BF, sowie deren beide gemeinsame mj. Söhne auf, mit denen ein gemeinsamer Haushalt besteht, weshalb ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK mit der Ehefrau und den Söhnen des BF, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, auch vorliegt.

Mit den in Österreich aufenthaltsberechtigten Geschwistern des BF, besteht weder ein gemeinsamer Haushalt, noch ist ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis hervorgekommen, weshalb ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK mit diese nicht vorliegt.

Eine Rückkehrentscheidung kann daher einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens des BF begründen. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), doch überwiegen im gegenständlichen Fall in einer Gesamtabwägung aller Umstände dennoch die familiären Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung:

Der BF ist unbescholten und lebt seit Oktober 2015, sohin seit mehr als 5 ½ Jahren im Bundesgebiet. Der BF hielt sich bereits von Herbst 2011 bis Herbst 2013 in Österreich auf, wobei seine beiden damals gestellten Asylanträge abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden. Der BF lebt derzeit mit seiner in Österreich asylberechtigten Ehefrau, einer ebenfalls russischen Staatsangehörigen, und den beiden gemeinsamen, ebenfalls im Bundesgebiet asylberechtigten, Söhnen, ebenfalls Staatsangehörige der Russischen Föderation, in einem gemeinsamen Haushalt.

Doch ist ihr Familienleben, wie behördenseitig ausgeführt, in einem Zeitpunkt entstanden, in welchem sich der BF seines unsicheren Aufenthaltes im Bundesgebiet bewusst sein musste, zumal er seine Ehefrau erst im Bundesgebiet kennengelernt und im Jahr 2016 nach islamischen Recht geehelicht hat. Standesamtlich ist der BF mit seiner Ehefrau seit 08.04.2019 verheiratet und wurden deren Söhne am 28.08.2018 und am 21.12.2019 im Bundesgebiet geboren. Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN; VwGH 30.04.2009, 2009/21/086, VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

Der BF hat seine Aufenthaltsdauer seit dem Jahr 2015 demgegenüber nicht durch wiederholte Stellung unbegründeter Asylanträge zu verlängern versucht (vgl. auch VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0033) und ist die sehr lange erstinstanzliche Verfahrensdauer von etwa 3 Jahren, die nicht dem BF anzulasten ist, auch miteinzubeziehen (VwGH vom 04.03.2020, Ra 2020/21/0010). Nach Rechtsprechung des VwGH kann die Überlastung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der hohen Zahl an Asylanträgen im Jahr 2015 allein keinesfalls als geeignet angesehen werden, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen. Davon, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG 2014 zurückzuführen wäre, kann diesfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht (mehr) gesprochen werden (VwGH vom 01.03.2018, Ra 2017/19/0236). Der BF hat keine Handlungen gesetzt, um sein Verfahren zu verzögern, zumal dem Akt zu entnehmen ist, dass zwischen der polizeilichen Erstbefragung des BF am 13.10.2015 und seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.07.2018 2 ¾ Jahre vergangen sind, ohne, dass dazwischen auch nur irgendwelche Ermittlungsschritte gesetzt wurden, weshalb die lange Verfahrensdauer im Verantwortungsbereich der Behörde liegt.

Zu Gunsten des BF ist der Besuch eines Deutschkurses auf Sprachniveau A1 zu werten.

Insbesondere ist das Familienleben des BF mit seiner Ehegattin und deren gemeinsamen minderjährigen Söhnen, wobei einer bald drei Jahre alt und der andere eineinhalb Jahre alt ist, zu berücksichtigen, zumal bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auch auf die wechselseitigen Beziehungen eines Elternteils und seines Kindes, sowie auf die im Entscheidungszeitpunkt konkret absehbaren zukünftigen Entwicklungen Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH vom 24.09.2019, Ra 2019/20/0420). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für ein Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U 2241/2012; 19.6.2015, E 426/2015; 9.6.2016, E 2617/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 14.3.2018, E 3964/2017; 11.6.2018, E 343/2018, E 345/2018; 11.6.2018, E 435/2018).

Zweifellos haben die Ehefrau und die beiden mj. Söhne des BF ein berechtigtes Interesse an der Fortführung des Familienlebens, zumal ein gemeinsamer Haushalt besteht und es den Söhnen des BF auch ermöglicht werden soll, die Beziehung zu ihrem Vater zu sichern. Die Ehefrau des BF und deren gemeinsame Söhne sind ebenfalls russisch Staatsangehörige und in Österreich asylberechtigt, weshalb ein Umzug der drei in die Russische Föderation mit dem BF nicht zumutbar ist und auch nicht erwartet werden kann. Im Übrigen ist es lebensfremd anzunehmen, dass der Kontakt zwischen Kleinkindern, wie es die beiden Söhne des BF sind, und einem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrechterhalten werden könnte (vgl. dazu VfGH vom 25.2.2013, U2241/2012; 19.6.2015, E426/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343/2018, E345/2018), weshalb ein solches Kontakthalten des BF mit seinen Söhnen bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zumutbar ist.

Demgegenüber hat der BF lediglich rudimentäre Deutschkenntnisse und ist weder beruflich nicht integriert, noch selbsterhaltungsfähig. Auch wurden beschwerdeseitig keine gemeinnützigen Aktivitäten dargetan oder dazu Beweismittel vorgelegt.

Der BF befindet sich seit mehr als 5 ½ Jahren im Bundesgebiet und liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach er bereits nach dieser Zeit den Bezug zum Herkunftsland verloren hätte, wo er aufgewachsen ist, seine Schulbildung erfahren, sowie seinen Beruf ausgeübt hat, sozialisiert wurde und den deutlich überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens verbracht hat. Außerdem verfügt er in der Russischen Föderation über ein familiäres Netzwerk. Es kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass der BF während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sprachlich oder kulturell von seinem Hintergrund entwurzelt worden wäre.

Vor dem bereits oben dargelegten Kindeswohl treten die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechenden Umstände, insbesondere die eher mäßig erfolgte Integration des BF, zurück. Gegenständlich wird auch gerade nicht auf die Integration der BF abgestellt, sondern, wie höchstgerichtlich gefordert, besonderes Augenmerk auf das Kindeswohl der beiden mj. und im Bundesgebiet asylberechtigten Söhne des BF gelegt. Insbesondere ist auszuführen, dass dem BF und seinen mj. Kindern ein Kontakthalten im Wege der Telekommunikation aufgrund ihres erst so jungen Alters nicht zumutbar ist und deren gemeinsame Rückkehr in die Russische Föderation, aufgrund deren Asylstatus in Österreich, nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist eine Trennung des BF von seinen Söhnen im Sinne des Kindeswohles unzumutbar.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes besteht daher in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der oben dargestellten Umstände, insbesondere, vor dem Hintergrund des Kindeswohls und der Möglichkeit den beiden mj. Kindern des BF die Beziehung zu ihrem Vater zu sichern, ein überwiegendes Interesse am Verbleib des BF in Österreich. Vielmehr würden die Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des BF und vor allem der Lebenssituation seiner Söhne, vor diesem Hintergrund und des sich daraus entwickelten, schützenswerten Familienlebens in Österreich schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf verwiesen, dass ein Kind grundsätzlich Anspruch auf „verlässliche Kontakte“ zu beiden Elternteilen hat. Wird es durch die Rückkehrentscheidung gegen den Vater/die Mutter gezwungen, ohne diesen aufzuwachsen, so bedarf diese Konsequenz einer besonderen Rechtfertigung. Eine derartige Rechtfertigung kann etwa dann bejaht werden, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie insbesondere bei - relevanter - Straffälligkeit des Fremden (vgl. VwGH vom 16.7.2020, Ra 2020/18/0226, Rn. 8/9 und zuletzt VwGH vom 05.03.2021, Ra 2020/18/0060).

Ein so großes Gewicht an der Aufenthaltsbeendigung des BF kann, trotz des Umstandes, dass er sich bei Begründung seines Familienlebens seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, nicht erkannt werden, zumal der BF im Bundesgebiet unbescholten ist.

3.2.3. Wie dargelegt, ist das Interesse des BF, vor allem auch seiner Söhne an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

3.2.4. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2.       einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3.       über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4.       einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5.       als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

3.2.5. Der BF erfüllt weder Modul 1 der Integrationsvereinbarung, weil er keine Deutschprüfung abgelegt hat, oder die Voraussetzungen der übrigen Ziffern nachge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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