Entscheidungsdatum
04.11.2021Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W161 2241302-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2021, Zl. 1273809306/210117455, beschlossen:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 57 und § 61 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt.“
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) wurde am 27.01.2021 verständigt, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden „BF“), eine nigerianische Staatsangehörige, beim Sozialamt vorstellig geworden sei und um Mindestsicherung angesucht habe.
2. Da die BF laut Zentralem Melderegister eine behördliche Meldung im österreichischen Bundesgebiet ab 16.06.2021 aufwies, leitete das BFA noch am selben Tage ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen die BF ein.
3. Am 09.02.2021 wurde der BF ein Parteiengehör zum Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung zugestellt und ihr eine Frist von fünf Tagen zur Beantwortung eingeräumt. Gleichzeitig wurde sie darüber informiert, dass die Länderinformationsblätter zu den Amtsstunden des BFA einsehbar wären und für den Fall, dass sie zur beabsichtigten Vorgehensweise der Behörde nicht Stellung nehme, das Verfahren ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt werde.
4. Die LPD Salzburg wurde ersucht, das Verhältnis der BF zu den in der Wohnung lebenden Personen zu erheben, da die Wohnung von einem XXXX sowie seinem eingetragenen Partner XXXX bewohnt werde und beiden aufgrund ihrer homosexuellen Orientierung in Österreich Asyl gewährt worden sei. Im Zuge der Zustellung des Schriftstückes gab die BF an, dass die Wohnung ihrem Freund XXXX gehöre und sie keine Miete bezahlen würde.
In Folge wurde gegen die BF Anzeige gemäß § 120 FPG erstattet.
5. Am 16.02.2021 wurde durch die bevollmächtigten Rechtsvertreter eine schriftliche Stellungnahme eingebracht, welche die Fragen nur teilweise beantwortet. So wurde angegeben, dass die BF immer wieder zwischen Italien und Österreich ein- und ausreise und sie das letzte Mal im Dezember 2021 in das Bundesgebiet eingereist sei. Sie sei nicht krank, jedoch im sechsten Monat schwanger und habe in Italien den Status als Asylberechtigte. In Österreich hielten sich zwar keine Familienangehörigen auf, jedoch lebe hier ihr Freund XXXX , welcher asylberechtigt sei und bei welchem sie auch wohne. Sie würde weiters in einem Caritasheim wohnen. Einer Beschäftigung gehe sie nicht nach, jedoch sei sie zeitweilig im Jahr 2020 bei der Firma XXXX beschäftigt gewesen, weshalb sie auch beim AMS Anspruch auf Unterstützung habe. Aufgrund ihrer Schwangerschaft, könne sie derzeit weder in Österreich noch in Italien arbeiten. Da eine Außerlandesbringung aufgrund der Schwangerschaft nicht im Verhältnis zu Art. 3 und Art. 8 EMRK stehe, werde ersucht, von einer Anordnung zur Außerlandesbringung abzusehen.
Der Stellungnahme wurden auszugsweise Kopien eines Mutter-Kind-Passes lautend auf XXXX , einer Bestätigung der Vermieterin der an der Meldeadresse gelegenen Wohnung, eines zwischen XXXX und XXXX GmbH abgeschlossenen Dienstvertrages, einer Bestätigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Probezeit, einer Lohnabrechnung vom Oktober 2020, diverser Schreiben des AMS adressiert an die BF bezüglich einer Betreuungsvereinbarung zum Zwecke der Arbeitsstellenvermittlung, der Identifikationsnummer, eines Informationsblattes für den Kurs „CHECK PLAN BASIS + Integration sowie eines Deutschkurses „Deutsch im Beruf“, beigelegt.
6. Dem ebenfalls am 09.02.2021 zugestellten Abreiseauftrag kam die BF nicht nach.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.02.2021 wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen diese die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Italien zulässig (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Italien wurden folgende Feststellungen getroffen:
Zur Lage im Mitgliedstaat:
Die Zahl der Migranten, die nach Italien kommen, ist weit größer als die Zahl derer, die dortbleiben (UNHRC 1.5.2015). Kürzlich vorgenommene Änderungen im italienischen Asylsystem betreffen die Übernahme der Neufassung der EU-QualifikationsRL (2011/95/EU) in nationales Recht. Dadurch wurden mehr Schutzvorkehrungen für UMA getroffen, die Aufenthaltsgenehmigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde jener von Flüchtlingen angeglichen und auf 5 Jahre erhöht und Subschutzberechtigte erhielten mehr Rechte, speziell im Bereich Familienzusammenführung. Außerdem wurden mit Gesetzesdekret 119/2014 die Territorialkommissionen, welche die Asylverfahren führen, von 10 auf 20 aufgestockt, mit einer Option auf 30 weitere Subkommissionen. Ebenso umgesetzt wurden die Neufassungen der EU-AufnahmeRL und der VerfahrensRL (AIDA 1.2015; vgl. UNHRC 1.5.2015).
Es gibt in Italien nur ein ordentliches Verfahren, keine Schnell- Grenz-, Zulassungs- oder ähnliche Verfahren. Asylanträge sollen binnen 8 Tagen eingebracht werden, eine „verspätete“ Antragsstellung hat aber keine negativen Auswirkungen auf das Verfahren. Asylanträge können bei der Grenzpolizei, die den AW dann zum zuständigen lokalen Polizeipräsidium (Questura) weiterleitet, oder gleich bei der Questura gestellt werden. Für Reisekosten von der Grenze zur zuständigen Questura kommt der Staat nicht auf, aber NGOs helfen oft aus. Bei der Questura erfolgt die formale Registrierung des Antrags (Verbalizzazione) und erkennungsdienstliche Behandlung (Fotografieren, Fingerabdrücke nehmen; sogenanntes Fotosegnalamento). Normalerweise erfolgen Fotosegnalamento und Verbalizzazione gleichzeitig. In großen Städten können jedoch einige Wochen zwischen diesen beiden Formalakten vergehen. Das kann zu Schwierigkeiten für die betroffenen AW führen, die in dieser Zeit keinen Zugang zum Unterbringungs- und Gesundheitssystem haben (außer zu medizinischer Notversorgung). Es gab zuletzt aber Bemühungen etwas gegen diese Verzögerung zu unternehmen (AIDA 1.2015). In Rom etwa ist es nicht mehr notwendig, die Verbalizzazione abzuwarten, um Zugang zu Unterbringung zu erhalten. Bei Antragstellung wird der Bedarf nach einer Unterkunft abgefragt. Der AW erhält dann einen offiziellen Brief der Polizei, mit dem er sich bei der Gemeinde Rom auf die Warteliste für die Unterbringung in einem ihrer Zentren setzen lassen kann. Die Wartezeit auf einen Platz in einem Zentrum der Gemeinde ist viel kürzer geworden und beträgt aktuell ca. 1 Monat. Während dieser Zeit kann es angeblich nach wie vor zu Lücken bei der Unterbringung kommen (SFH 23.4.2015).
In der Questura wird auch abgeklärt, ob Italien gemäß Dublin-VO für das Asylverfahren zuständig ist. Für das inhaltliche Verfahren zuständig sind die über das ganze Land verteilten Territorialkommissionen (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale) und Subkommissionen, welche dem Innenministerium unterstehen. Vor der zuständigen Kommission hat binnen 30 Tagen ein inhaltliches Interview zu erfolgen und binnen weiterer 3 Tage sollte eine Entscheidung fallen. In der Praxis dauert das Verfahren aber normalerweise einige Monate. Unter bestimmten Bedingungen können Anträge prioritär behandelt werden und sind dann kürzer. Dies betrifft offensichtlich begründete Anträge; vulnerable Antragsteller; Anträge aus Abschiebezentren (CIE) heraus; Anträge aus CARA (außer die Unterbringung dient der Identitätsfeststellung); usw. Dann muss die Befragung innerhalb von 7 Tagen durchgeführt werden und die Entscheidung hat binnen max. 2 Tagen zu erfolgen. Meistens wird das prioritäre Verfahren bei Personen in CIE angewendet (AIDA 1.2015).
1. Non-Refoulement
Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015). Es gibt Berichte, dass Ägypter und Tunesier in einigen Fällen Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hatten und im Rahmen bilateraler Rückübernahmeabkommen zurückgeschickt worden seien. Hier gab es aber angeblich Verbesserungen (AIDA 1.2015; vgl. UNHCR 3.2015). Von ähnlichen Problemen wird auch von den Adriahäfen Ancona, Bari, Brindisi und Venedig (sogen. „offizielle Grenzpunkte“) berichtet, wo im Rahmen bilateraler Abkommen direkte und informelle Rückschiebungen von Italien nach Griechenland stattfinden, welche die Betroffenen angeblich einem Refoulement-Risiko aussetzen können. Für diese Praxis wurde Italien am 21.10.2014 vom EGMR verurteilt (Sharifi and Others v. Italy and Greece). Die NGO CIR hat während ihrer Beratungstätigkeit in den Häfen im letzten Jahr keine Fälle beobachten können, in denen potentiellen Asylwerbern die Möglichkeit zur Antragstellung oder die Einreise verwehrt worden wäre. Allerdings war CIR nicht rund um die Uhr vor Ort (AIDA 1.2015; vgl. UNHCR 3.2015).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the
Italian Council for Refugees (1.2015): National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/
aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf, Zugriff 21.7.2015
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2015): Submission by the United Nations High
Commissioner for Refugees For the Office of the High Commissioner for Human Rights'
Compilation Report – Universal Periodic Review: Italy,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1430987595_5541e115d.pdf, Zugriff 21.7.2015
- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014
- Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 21.7.2015
2. Versorgung
2.1. Unterbringung
Aufgrund der starken Fragmentierung des italienischen Unterbringungssystems ist es nicht möglich, einen Gesamtüberblick über sämtliche vorhandene Plätze zu geben, insbesondere auf Gemeindeebene. Da zudem die Bedingungen und Leistungen regional sehr unterschiedlich sind, ist es auch nicht möglich, allgemeingültige Aussagen zu den Aufnahmebedingungen zu machen. Jedenfalls wurde die Anzahl der Unterbringungsplätze bedeutend erhöht. Das hat in erster Linie mit dem Anstieg bei der Anzahl der Bootsflüchtlinge zu tun. Während die SPRAR-Zentren über hohe Standards verfügen, handelt es sich bei den CARA um große Kollektivzentren. Die Bedingungen in den CAS variieren, einige wurden wegen der schlechten Zustände kritisiert (SFH 23.4.2015).
Kürzlich vorgenommene Änderungen im italienischen Asylsystem betreffen die Übernahme der Neufassung der EU-QualifikationsRL (2011/95/EU) in nationales Recht. Auch die Gründung einer Nationalen koordinierenden Arbeitsgruppe im Innenministerium zur Verbesserung des nationalen Unterbringungssystems und zur Ausarbeitung eines Integrationsplans für Schutzberechtigte wurde damit gesetzlich festgelegt. Für das nationale Unterbringungssystem SPRAR wurde eine Aufstockung der Kapazität auf bis zu 20.000 Plätze bis 2016 beschlossen. Momentan gibt es ca. 19.900 Unterbringungsplätze im SPRAR. Wegen des zunehmenden Migrantenstroms über das Mittelmeer koordinierte die Arbeitsgruppe ein Verteilsystem von Migranten auf Plätze in den italienischen Gemeinden nach einem bestimmten Schlüssel (CAS). Ende 2014 befanden sich 34.991 Personen in CAS-Unterbringung (AIDA 1.2015). Ende Februar 2015 waren es 37.028 Personen (SFH 23.4.2015).
AW mit mangelnden finanziellen Mitteln haben ab Antragstellung das Recht auf Unterbringung. Diese Bedürftigkeit bestätigen sie mittels Eigendeklaration, die nicht nachgeprüft wird. AW müssen die Unterkunft bei Asylantragstellung auf der Questura gleich mitbeantragen (ad hoc-Obdachlosigkeitserklärung). Die Questura leitet diesen Antrag an die Präfektur weiter, welche für die Verwaltung der lokalen Unterbringungsplätze verantwortlich ist. Obwohl die Berechtigung zur Unterbringung bereits mit dem Fotosegnalamento entsteht, kann es in der Praxis vorkommen, dass der tatsächliche Zugang erst mit der Verbalizzazione gegeben ist, also vor allem in den großen Städten mitunter Wochen oder Monate später. Aber hier kommt es stark auf die Region und die Antragszahlen an. In dieser Zeit sind die AW auf private Möglichkeiten angewiesen, also Freunde und Notunterkünfte, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffen sind auch nur Personen, die ihren Antrag im Land stellen. Solche, die aus dem Mittelmeer gerettet werden, werden an Land unmittelbar untergebracht. Die für die Unterbringung zuständige Präfektur hat zwei Hauptmöglichkeiten AW unterzubringen: im CARA oder im SPRAR-System. Zuerst wird geprüft, ob im SPRAR Platz vorhanden ist. Wenn nicht, können AW auch in CARA untergebracht werden (AIDA 1.2015; vgl. UNHRC 1.5.2015). Es gab zuletzt aber Bemühungen etwas gegen die Verzögerung bei der Unterbringung zu unternehmen (AIDA 1.2015). In Rom etwa ist es nicht mehr notwendig, die Verbalizzazione abzuwarten, um Zugang zu Unterbringung zu erhalten. Bei Antragstellung wird der Bedarf nach einer Unterkunft abgefragt. Der AW erhält dann einen offiziellen Brief der Polizei, mit dem er sich bei der Gemeinde Rom auf die Warteliste für die Unterbringung in einem ihrer Zentren setzen lassen kann. Die Wartezeit für einen Platz in einem Zentrum der Gemeinde ist viel kürzer geworden und beträgt aktuell ca. 1 Monat. Während dieser Zeit kann es angeblich nach wie vor zu Lücken bei der Unterbringung kommen (SFH 23.4.2015).
Kritisiert wird die Zahl der Unterbringungsplätze in Italien. NGOs und der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten betrachten sie als ungenügend. Die Aufstockung des SPRAR-Systems ist hier eine teilweise Antwort. In den großen Städten wie Rom ist mangelndes Wissen darüber, wie man eine Unterkunft beantragt, ein Problem. Andererseits können aufgrund des Personalmangels bei den Behörden nicht alle Anträge fristgerecht bearbeitet werden. Die Tatsache, dass viele in den Ballungszentren bleiben wollen, trägt zu der angespannten Unterbringungssituation dort bei (AIDA 1.2015; vgl. UNHRC 1.5.2015).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the
Italian Council for Refugees (1.2015): National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/
aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien: Aufnahmebedingungen. Aktuelle
Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1382438928_1310-sfh-bericht-italienaufnahmebedingungen.
pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (4.8.2014): Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose
Personen mit Schutzstatus, http://www.frsh.de/fileadmin/beiboot/BB17/BB-17-13-Anlage.pdf,
Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (23.4.2015): Auskunft an Verwaltungsgericht Schwerin,
https://www.ecoi.net/file_upload/6_1432290832_150423-sfh-auskunft-vg-schwerin-italienmit-
logo-anonym.pdf, Zugriff 21.7.2015
- UNHRC - UN Human Rights Council (1.5.2015): Report by the Special Rapporteur on the human
rights of migrants, François Crépeau. Addendum. Follow-up mission to Italy (2–6 December
2014), http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1432736395_a-hrc-29-36-add-2-en.doc, Zugriff
21.7.2015 - USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014
- Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 21.7.2015
- VB des BM.I Italien (23.7.2015): Auskunft des VB, per E-Mail
2.2. Dublin-Rückkehrer
Als größtes Problem für Rückkehrer wird die Unterbringungssituation betrachtet. Dublin-
Rückkehrer (AW oder Schutzberechtigte), die zuvor in Italien nicht untergebracht waren, haben bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung. Eine Aussage darüber, wie lange es dauert bis auch tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. In den letzten Jahren wurden auf Basis temporärer (verlängerbarer) Projekte einige zeitlich begrenzte Unterbringungsmöglichkeiten für Dublin-Rückkehrer geschaffen, wo sie sich aufhalten können, bis ihr Status geklärt ist, oder - im Falle von Vulnerablen - eine alternative Unterbringung gefunden wird. Dennoch soll es vorkommen, dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden können und sich selbst unterbringen müssen. Rückkehrer, die bereits untergebracht waren, haben zum Teil bereits abgeschlossene Verfahren in Italien, gelten somit bei Rückkehr nicht als AW und sind zur Unterbringung in CARA nicht mehr berechtigt. Sie können nur dann auf CARAs verteilt werden, wenn Plätze frei sind (AIDA 1.2015).
Gleichzeitig verliert ein AW, der dem Unterbringungszentrum ohne Genehmigung über eine bestimmte Frist fernbleibt, seinen Platz und kann danach nicht wieder in derselben Struktur untergebracht werden (AIDA 1.2015). Laut früheren Berichten, gilt dieses Verbot der erneuten Unterbringung für 6 Monate nach dem Verlassen der Unterbringung (SFH 5.2011).
Um die Unterbringungssituation von Dublin-Rückkehrern zu verbessern, wurden seit 2011 im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds (FER) Projekte nahe der Flughäfen finanziert, an denen diese am häufigsten ankommen. Sie bieten Unterkunft und richten sich entweder an alle AWGruppen, oder nur an Vulnerable. Zu nennen sind 3 Projekte (ARCO, ARCA, ASTRA) für die Unterbringung von Dublin-Fällen am Flughafen Rom-Fiumicino; 3 Projekte (STELLA, ALI, TERRA) für die Unterbringung von Dublin-Fällen am Flughafen Mailand-Malpensa; und weitere in Venedig, Bari und Bologna. In Rom gibt es noch andere Unterbringungsmöglichkeiten speziell für Dublin-Rückkehrer, wie etwa das Projekt Centro Dublino, das öffentlich finanziert und von Domus Caritatis betrieben wird (AIDA 1.2015). Die TERRA-Projekte sind inzwischen alle ausgelaufen. In Kürze soll es aber neue EU-finanzierte italienische Projekte geben, die an die abgelaufenen Projekte anknüpfen sollen. In der Zwischenzeit finden Neuankömmlinge weiterhin Aufnahme im Rahmen des SPRAR-Netzwerks der italienischen Gemeinden (VB 5.5.2015).
Sobald die Rückkehrer am Flughafen ankommen, werden sie von der NGO anhand der individuellen Situation (vulnerabel oder nicht) an ein Aufnahmezentrum verwiesen. Deren Kapazitäten werden aber nach wie vor als ungenügend beschrieben und die Unterbringung dort ist in der Regel auf 1 Jahr befristet (AIDA 1.2015).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the
Italian Council for Refugees (1.2015): National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/
aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (05.2011): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in
Italien, http://www.fluechtlingshilfe.ch/asylrecht/eu-international/schengen-dublin-und-dieschweiz/
asylverfahren-und-aufnahmebedingungen-in-italien/at_download/file, Zugriff
21.7.2015
- VB des BM.I Italien (5.5.2015): Auskunft des VB, per E-Mail
2.3. Medizinische Versorgung
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. AW haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrags. Das gilt sowohl für untergebrachte, wie für nicht untergebrachte AW und auch für solche, die kein Recht mehr auf Unterbringung haben. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Wenn AW in einem Zentrum leben, wird diese Anmeldung von der Leitung für sie erledigt. Für die Anmeldung sind folgende Dokumente wichtig: Aufenthaltsgenehmigung, Registrierung im Personenstandsregister und Steuernummer (codice fiscale). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. In den ersten 6 Monaten ihres Aufenthalts in Italien (in denen AW nicht arbeiten dürfen) sind AW arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sich AW offiziell arbeitslos melden, um die Ticketbefreiung behalten zu können (AIDA 1.2015).
Die Wohnsitzmeldung (residenza) spielt eine zentrale Rolle, da sie unter anderem erforderlich ist für die Ausstellung eines Gesundheitsausweises (tessera sanitaria) oder einer Steuernummer (codice fiscale). Wer diese nicht hat, hat nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung (Notversorgung) und keinen legalen Zugang zum Arbeitsmarkt. Einzig in Rom ist die sogenannte „virtuelle Wohnsitznahme“ möglich, bei der eine fiktive Meldeadresse (z.B. einer NGO) angegeben werden kann (SFH 4.8.2014).
AW und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen, darunter Folteropfer usw. haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. In der Praxis können sie von spezialisierten Dienstleistungen im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes profitieren. Außerdem gibt es spezialisierte NGOs und Private. 2007 wurde von UNHCR u.a. das Italian Network for Asylum Seekers who Survived Torture (NIRAST) gegründet, das sich um Folteropfer und deren psychologische Betreuung kümmerte. Das Programm musste im März 2012 beendet werden. Die einzelnen Kliniken und Ambulatorien, die Mitglieder von NIRAST waren, arbeiten aber unter verschiedenen Finanzierungen weiter (AIDA 1.2015).
Sowohl in Rom als auch in Mailand gibt es laut SFH-Bericht von 2013 Projekte, die psychologische oder psychiatrische Behandlung anbieten: Das Projekt Ferite Invisibili der Caritas Rom richtet sich an Folteropfer. Zwei Psychiater und vier Psychologen behandeln ungefähr 20 Personen pro Woche. Seit Gründung des Projekts vor acht Jahren wurden insgesamt 215 Patienten behandelt. Die Wartezeit auf einen Termin beträgt ein paar Monate. Die behandelten Personen haben entweder einen Schlafplatz, oder Ferite Invisibili versucht einen zu finden. Eine Behandlung dauert ungefähr drei bis vier Monate (15 bis 20 Sitzungen). Das Projekt verfügt auch über Dolmetscher und interkulturelle Mediatoren. SaMiFo (Salute Migranti Forzati) ist ein gemeinsames Projekt von nationalem Gesundheitsdienst und Centro Astalli. Es bietet in einem Ambulatorium psychiatrische Behandlung, vor allem für Asylwerber. Voraussetzung ist, dass diese bereits im öffentlichen Gesundheitssystem angemeldet sind. In Mailand bieten Freiwillige der NGO Naga Gespräche und Aktivitäten für traumatisierte Personen an. Wenn jemand schwerere psychische Probleme hat, wird er an einen Psychologen des öffentlichen Gesundheitssystems verwiesen. Die ambulanten Angebote haben beschränkte Kapazitäten (SFH 10.2013).
Irreguläre Migranten haben das Recht auf medizinische Notversorgung und präventive Versorgung zum Schutz der individuellen und kollektiven Gesundheit. Damit haben sie dieselben Rechte wie italienische Staatsbürger (AIDA 1.2015). Illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the
Italian Council for Refugees (1.2015): National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/
aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien: Aufnahmebedingungen. Aktuelle
Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1382438928_1310-sfh-bericht-italienaufnahmebedingungen.
pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (4.8.2014): Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose
Personen mit Schutzstatus, http://www.frsh.de/fileadmin/beiboot/BB17/BB-17-13-Anlage.pdf,
Zugriff 21.7.2015
- UNHRC - United Nations Human Rights Council (21.7.2014): National report submitted by the
Government of Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1414580593_g1408921.pdf,
Zugriff 21.7.2015
2.4. Anerkannte Flüchtlinge / subsidiär Schutzberechtigte
Kürzlich vorgenommene Änderungen im italienischen Asylsystem betreffen die Übernahme der Neufassung der EU-QualifikationsRL (2011/95/EU) in nationales Recht durch Gesetzesdekret 18/2014. Dadurch wurde u.a. die Aufenthaltsgenehmigung für subsidiär Schutzberechtigte jener von Flüchtlingen angeglichen und auf 5 Jahre erhöht und Subschutzberechtigte erhielten mehr Rechte, speziell im Bereich Familienzusammenführung. Auch die Gründung einer Nationalen koordinierenden Arbeitsgruppe im Innenministerium zur Verbesserung des nationalen Unterbringungssystems und zur Ausarbeitung eines Integrationsplans für Schutzberechtigte wurde damit gesetzlich festgelegt (AIDA 1.2015; vgl. UNHRC 1.5.2015).
Schutzberechtigte, die im SPRAR-System untergebracht sind, erhalten generell Unterstützung beim Integrationsprozess durch individuelle Projekte wie Jobtraining und Praktika. Jobtraining und andere Integrationsmaßnahmen durch NGOs werden mit staatlichen und europäischen Mitteln gefördert. Auch Gemeinden können Jobtrainings und Praktika anbieten oder „Arbeitsstipendien“ vergeben, die Italienern, AW und Schutzberechtigten gleichermaßen offen stehen (AIDA 1.2015).
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in
Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger Auch Schutzberechtigte haben Anspruch auf die Befreiung von der Praxisgebühr („Ticket“) bei Eigendeklaration der Bedürftigkeit (AIDA 1.2015).
Generell ist es für Schutzberechtigte, die nach Italien zurückgeschickt werden, schwierig, eine Unterkunft zu finden. Das italienische System geht davon aus, dass man ab Gewährung des Schutzstatus arbeiten und für sich selbst sorgen kann. Bezüglich Sozialhilfe sind anerkannte Flüchtlinge mit Italienern gleichgestellt. Das italienische Sozialhilfesystem ist jedoch schwach und kann kein Existenzminimum garantieren. Es beruht stark auf der Unterstützung durch die Familie (SFH 10.2013; vgl. SFH 4.8.2014).
Es gibt kein spezifisches Gesetz über die Integration von Flüchtlingen und die Kompetenzen des neuen Ministeriums für Integration sind noch nicht vollständig definiert. Die sozioökonomische Integration von Schutzberechtigten ist de facto an die Regionen delegiert. Die Regionen haben dabei weitreichende Kompetenzen zur Regelung sozialer Belange. Insgesamt ist das Niveau der Integration von Flüchtlingen zwischen einzelnen Regionen und Gemeinden sehr unterschiedlich und unklare Kompetenzverteilungen verkomplizieren die Abläufe. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es budgetäre Kürzungen mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Unterstützung Schutzberechtigter. Die Integrationsaussichten Schutzberechtigter in Italien sind damit begrenzt. Die Ausübung bestimmter Rechte bedingt angeblich das Vorhandensein von Dokumenten, welche viele Schutzberechtigte nicht haben und aus ihren Herkunftsstaaten auch nicht erhalten können. Flüchtlinge und Staatenlose profitieren dafür von günstigeren gesetzlichen Bestimmungen betreffend Einbürgerung, als andere Drittstaatsangehörige (UNHCR 3.2015).
Nicht-Italiener werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und gelegentlich Opfer von Ausbeutung. NGOs zufolge schmälert der Mangel an Beratung und Trainingsprogrammen die Chancen der Flüchtlinge auf eine Anstellung (USDOS 25.6.2015).
Trotz der formalen Gleichstellung von Schutzberechtigten mit italienischen Bürgern besteht, laut SFH unter Berufung auf NGO-Angaben aus den Jahren 2011 und 2012, de facto nicht der gleiche Zugang zu sozialen Leistungen. Ein zentrales Problem sei dabei die Trennung von Aufenthaltsbewilligung und Wohnsitz. Für AW ist die Gemeinde verantwortlich, in der sie zuerst ihren Asylantrag gestellt haben. Das gilt auch nach Abschluss des Verfahrens. Der Betreffende hat zwar formal Freizügigkeit in Italien. Will er sich aber in einer anderen Gemeinde wohnsitzmelden, muss er dort über eine offizielle Wohnmöglichkeit verfügen, was amtlich überprüft wird. Das schränkt für viele die Freizügigkeit faktisch ein. Auch das Sozialsystem richtet sich nur an Wohnsitzgemeldete. Mittellosen Schutzberechtigten, die sich ummelden wollen, wird angeblich die Registrierung in anderen Gemeinden systematisch verweigert. Mittellose bzw. obdachlose Flüchtlinge haben demnach angeblich keine Chance sich umzumelden. Die Wohnsitzmeldung (residenza) spielt jedoch eine zentrale Rolle, da sie unter anderem erforderlich ist für die Ausstellung eines Gesundheitsausweises (tessera sanitaria) oder einer Steuernummer (codice fiscale). Wer diese nicht hat, hat nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung und keinen legalen Zugang zum Arbeitsmarkt. Einzig in Rom ist die sogenannte „virtuelle Wohnsitznahme“ möglich, bei der eine fiktive Meldeadresse (z.B. einer NGO) angegeben werden kann. Viele Schutzberechtigte gehen angeblich nicht zuletzt deswegen nach Rom. Bezüglich des Zugangs zu Unterstützung für mittellose Schutzberechtigte in Süditalien, äußert sich SFH, auf verschiedene, teils ältere Berichte referenzierend, äußerst kritisch und kommt zu dem Schluss, dass diese in einem existenzsichernden Ausmaß dort eher unwahrscheinlich sei. Betroffenen bleibe kaum eine andere Möglichkeit als nach Rom zu gehen und sich etwa auf die Warteliste einer von der Gemeinde geführten Unterkunft setzen zu lassen. Die Wartelisten seien aber sehr lang und die Gefahr der Obdachlosigkeit entsprechend groß (SFH 4.8.2014).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the
Italian Council for Refugees (1.2015): National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/
aida_italy_thirdupdate_final_0.pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien: Aufnahmebedingungen. Aktuelle
Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1382438928_1310-sfh-bericht-italienaufnahmebedingungen.
pdf, Zugriff 21.7.2015
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (4.8.2014): Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose
Personen mit Schutzstatus, http://www.frsh.de/fileadmin/beiboot/BB17/BB-17-13-Anlage.pdf,
Zugriff 21.7.2015
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2015): Submission by the United Nations High
Commissioner for Refugees For the Office of the High Commissioner for Human Rights'
Compilation Report – Universal Periodic Review: Italy,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1430987595_5541e115d.pdf, Zugriff 21.7.2015
- UNHRC - UN Human Rights Council (1.5.2015): Report by the Special Rapporteur on the human
rights of migrants, François Crépeau. Addendum. Follow-up mission to Italy (2–6 December
2014), http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1432736395_a-hrc-29-36-add-2-en.doc, Zugriff
21.7.2015
- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014
- Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 21.7.2015
Beweiswürdigend wurde festgehalten, die Identität der BF stehe fest. Diese sei nigerianische Staatsbürgerin, in Italien asylberechtigt und im Besitz eines gültigen Fremdenpasses. Sie verfüge nicht über ausreichend Barmittel und sei demzufolge als mittellos zu beurteilen, was sie durch die Beantragung von Sozialleistungen dokumentiert habe. Zu Österreich bestünden keine familiären oder privaten Bindungen. Die BF sei im sechsten Monat schwanger und habe lediglich angegeben, dass sie bei ihrem Freund XXXX Unterkunft genommen habe und nicht, ob er der Kindesvater sei. Aufgrund der Kürze ihres Aufenthaltes sei eine Integration in die österreichische Gesellschaft nicht möglich gewesen. Da sie als Asylberechtigte mit gültigem Reisedokument zu einem legalen Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen berechtigt gewesen sei und sie ab dem 16.06.2020 eine Wohnsitzmeldung in Österreich aufgewiesen habe, sei sie bereits am 16.09.2020 zur Rückkehr nach Italien verpflichtet gewesen und habe sich ab dem Zeitpunkt illegal in Österreich aufgehalten. Zudem habe sie bereits zuvor zweimal die legale Aufenthaltsdauer überschritten. Die BF verfüge über keine Wohnung bzw. auch sonst keine Möglichkeit einer legalen Unterkunftnahme im Bundesgebiet, denn ihr Untervermieter sei nicht berechtigt, ihr als illegal Aufhältige Unterkunft zu gewähren. Des Weiteren gehe sie keiner Erwerbstätigkeit nach und sei zuvor wenige Tage illegal beschäftigt gewesen. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG seien nicht gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung zu keiner Verletzung von Art. 8 EMRK führe und diese daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Italien sei bereit, die BF einreisen zu lassen. Weder aus der Rechtsprechung des EGMR noch aus sonstigem Amtswissen lasse sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien erkennen.
8. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wird vorgebracht, dass die BF gesundheitlich nicht in der Lage sei, ihre Unterlagen zu suchen und sie zu dem schwanger sei, wobei es sich um eine Risikoschwangerschaft handle, weshalb sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes und dem ihres ungeborenen Kindes nicht aus Österreich ausreisen könne. Sie habe durch Vermittlung einer Arbeitsvermittlungsagentur im Sommer 2020 für einen Monat gearbeitet. Da die Agentur die Rechtmäßigkeit ihres Arbeitens bestätigt habe, könne der BF nicht vorgehalten werden, dass sie beim AMS eine Sozialleistung beantragt hätte. Es gehe somit keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr von ihr aus. Weiters habe die belangte Behörde es unterlassen, eine richtige Interessenabwägung durchzuführen. Sie sei gegenwärtig von ihrem Freund XXXX wirtschaftlich abhängig und sei auch eine vorübergehende Ausreise mit schweren medizinischen Folgen verbunden. Ein Überwiegen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei nicht nachvollziehbar, da die BF unbescholten sei und auch keine finanzielle Belastung darstelle, sie habe sogar ein Monat gearbeitet und somit einen Beitrag für die Sozialversicherung geleistet. Die belangte Behörde hätte die BF näher befragen können, um feststellen, ob die Erteilungsvoraussetzungen nach § 57 AsylG vorlägen. Zudem seien die Gründe pauschal und die Feststellungen nicht ausreichend. Die Außerlandesbringung stehe mit dem Recht auf Achtung der Unversehrtheit sowie des Privat- und Familienlebens nicht im Verhältnis.
Der Beschwerde wurde eine Bestätigung der Landeskrankenhaus Uniklinikum Salzburg beigefügt, welche die stationäre Behandlung der BF seit 24.02.2021 bestätigt.
9. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.04.2021, GZ W165 2241302-1/4Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zuerkannt.
10. Das gegenständliche Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W161 aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2021 mit Wirksamkeit vom 01.06.2021 zugewiesen.
11. Das Bundesverwaltungsgericht räumte der BF mit Schreiben vom 23.08.2021 ein Parteiengehör ein, dies unter gleichzeitiger Übermittlung des aktuellen Länderinformationsblattes zu Italien vom selbigen Tage. Zur Stellungnahme sowie zur Bekanntgabe allfälliger Änderungen ihrer privaten und familiären Umstände in Österreich sowie ihres Gesundheitszustandes seit der Beschwerdeeinbringung wurde eine Frist von 14 Tagen gewährt.
12.1. Am 06.09.2021 erfolgte von Seiten der Rechtsvertretung ein Antrag auf Fristverlängerung mit der Begründung, dass es noch nicht möglich gewesen sei, mit der BF Kontakt aufzunehmen. Diesem Antrag wurde zwar entsprochen, jedoch langte bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Stellungnahme ein.
12.2. Am 21.09.2021 langte die Vollmachtsauflösung der Rechtsvertretung mit sofortiger Wirkung beim Bundesverwaltungsgericht ein.
13. Am 11.06.2021 übermittelte das BFA die niederschriftliche Einvernahme des XXXX vom 27.05.2021 im Hinblick auf das ihn betreffende Asylaberkennungsverfahren, in welcher er vorbrachte, dass er die BF im Jahr 2020 in einem Afro-Shop kennen gelernt und sie zu Beginn eine Freundschaft gepflegt haben. Nachdem sie nach einer Rückreise nach Italien wieder in Österreich angekommen sei, habe er ihr angeboten, bei ihm zu wohnen. Der Stress mit seinem eingetragenen Partner habe unter anderem dazu geführt, dass die BF schwanger geworden sei und er habe sie überredet das Kind zu behalten. Er habe sie vor einer Woche in einer Asylunterkunft in Frankreich besucht und möchte nun mit beiden zusammenleben. Es sei derzeit nicht geplant, dass die BF und das Kind nach Österreich zurückkehren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist nigerianische Staatsangehörige. Ihr wurde in Italien der Status einer Asylberechtigten zuerkannt und sie ist im Besitz eines bis 05.08.2021 gültigen Konventionsreisepasses. Sie weist im Zentralen Melderegister in den Zeiträumen von 25.09. bis 14.10.2019, 16.10.2019 bis 12.03.2020 sowie von 16.06.2020 bis 15.04.2021 Hauptwohnsitze im Bundesgebiet auf und hielt sich somit zuletzt spätestens seit 16.06.2020 in Österreich auf.
Am 09.10.2020 begann sie illegal ein Arbeitsverhältnis als Lagerarbeiterin bei der XXXX GmbH, welches innerhalb der Probezeit am 23.10.2020 von Seiten des Arbeitgebers beendet wurde. Daraufhin meldete sie sich beim AMS Salzburg zur Arbeitsstellenvermittlung und zur Anmeldung eines Deutschkurses sowie beim Sozialamt der Stadt Salzburg zur Beantragung von Sozialleistungen.
Die BF verfügt im Bundesgebiet über keine gesicherte Unterkunft und keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Die BF war zuletzt schwanger und wohnte mit dem Kindesvater XXXX in einer Wohnung in 5020 Salzburg. Seit 15.04.2021 gibt es keine aufrechte Meldung der BF im Bundesgebiet mehr. Sie verfügte zuletzt, abgesehen von dem Kindesvater, gegen welchen zuletzt ein Asylaberkennungsverfahren geführt wurde, keine privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen im Bundesgebiet.
Die BF hat das Bundesgebiet noch vor der Geburt ihres Kindes am 13.04.2021 verlassen, begab sich nach Frankreich und brachte dort am 04.05.2021 ihr Kind zur Welt. XXXX besuchte sie bereits in Frankreich und gab dort ein Vaterschaftsanerkenntnis ab.
Die BF hatte eine Risiko-Schwangerschaft, darüber hinaus wurden von ihr keine Erkrankungen im Verfahren genannt und ergeben sich solche auch nicht aus dem Akteninhalt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der BF und ihren Flüchtlingsstatus in Italien ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen, die in Kopie im Akt aufliegen.
Die Hauptwohnsitzmeldungen sowie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ab spätestens 16.06.2020 in Österreich aufhältig war, ergeben sich aus der Einsicht in das Zentrale Melderegister.
Die Arbeitstätigkeit der BF und deren Beendigung innerhalb der Probezeit von Seiten des Arbeitgebers, ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Kopien des Dienstverhältnisses vom 08.10.2020, der Lohnabrechnung vom Oktober 2020 sowie der Bestätigung der Beendigung des Dienstverhältnisses des Arbeitgebers vom 28.10.2020.
Die Feststellungen über die Meldung beim AMS zur Arbeitsvermittlung und Anmeldung eines Deutschkurses sowie beim Sozialamt zur Beantragung von Sozialleistungen ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Kopien diverser Schreiben des AMS an die BF sowie dem Amtshilfeersuchen gemäß § 38 Abs. 1 SUG des Sozialamtes der Stadt Salzburg.
Dass die BF über keine gesicherte Unterkunft und keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes verfügt, ergibt sich aus dem Umstand, dass sie Sozialleistungen beantragte sowie aus dem eigenen Vorbringen in der Stellungnahme vom 16.02.2021, dass sie wirtschaftlich vom Kindesvater abhängig sei und dem Vorbringen des Kindesvaters, dass die BF kein Geld habe.
Die Feststellung, dass die BF außer dem Kindesvater, gegen welchen zuletzt ein Asylaberkennungsverfahren geführt wurde, keine Familienangehörigen oder sonstigen privaten, beruflichen oder sozialen Bindungen hat, ergibt sich aus den eigenen Angaben in der Stellungnahme vom 16.02.2021.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat die BF nicht dargetan. Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Der Umstand, dass die BF das Bundesgebiet, trotz vorgebrachter Komplikationen in der Schwangerschaft, noch vor Geburt des Kindes verlassen hat, ergibt sich aus der Einsicht in das Zentrale Melderegister, den Angaben des Kindesvaters während seiner niederschriftlichen Einvernahme am 27.05.2021 sowie dem Schreiben des BFA vom 11.06.2021.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich 1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder 2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.
§ 57 FPG lautet:
(1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn
1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder
2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.
(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige
1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;
2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;
3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;
4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;
5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.
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(3) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Anordnung zur Außerlandesbringung rechtskräftig erlassen wurde, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige der Ausreise nicht nachkommen wird. Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob
1. der Drittstaatsangehörige die Durchführung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bereits vereitelt hat,
2. die Überstellungsfrist aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen verlängert werden musste,
3. der Drittstaatsangehörige während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist oder
4. der Drittstaatsangehörige im Asylverfahren über seine Identität, seinen Herkunftsstaat oder seine Reiseroute getäuscht oder zu täuschen versucht hat.
----------
(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange
1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,
2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder
3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.
----------
(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.
(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen.
§ 61 FPG lautet:
(1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Art. 5 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) lautet:
(1) Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:
a) Er muß im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuß bestimmt werden.
b) Er muß, soweit erforderlich, im Besitz eines gültigen Sichtvermerks sein.
c) Er muß gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.
d) Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.
e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.
(2) Einem Drittausländer, der nicht alle diese Voraussetzungen erfüllt, muß die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien verweigert werden, es sei denn, eine Vertragspartei hält es aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder auf Grund internationaler Verpflichtungen für erforderlich, von diesem Grundsatz abzuweichen. In diesen Fällen wird die Zulassung auf das Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei beschränkt, die die übrigen Vertragsparteien darüber unterrichten muß. Die besonderen Bestimmungen des Asylrechts und des Artikels 18 bleiben unberührt.
(3) Einem Drittausländer, der über eine von einer der Vertragsparteien ausgestellte Aufenthaltserlaubnis, einen von einer der Vertragsparteien ausgestellten Rückreisesichtvermerk oder erforderlichenfalls beide Dokumente verfügt, ist die Durchreise zu gestatten, es sei denn, daß er auf der nationalen Ausschreibungsliste der Vertragspartei steht, an deren Außengrenzen er die Einreise begehrt.
Art 21 SDÜ lautet:
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich auf Grund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.
(2) Das gleiche gilt für Drittausländer, die Inhaber eines von einer der Vertragsparteien ausgestellten vorläufigen Aufenthaltstitels und eines von dieser Vertragspartei ausgestellten Reisedokuments sind.
(3) Die Vertragsparteien übermitteln dem Exekutivausschuß die Liste der Dokumente, die sie als Aufenthaltserlaubnis oder vorläufigen Aufenthaltstitel und als Reisedokument im Sinne dieses Artikels ausstellen.
(4) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten unbeschadet des Artikels 22.
Art. 23 SDÜ lautet:
(1) Der Drittausländer, der die im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien geltenden Voraussetzungen für einen kurzen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, hat grundsätzlich unverzüglich das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien zu verlassen.
(2) Verfüg