Entscheidungsdatum
10.11.2021Norm
BDG 1979 §109 Abs2Spruch
W259 2240657-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion XXXX vom XXXX 2021 , Zl. XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX 2020 wurde verfügt, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund des Verdachts einer Ansteckung mit dem 2019-nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“) nach Maßgabe eines angehängten 2019-nCoV-Informationsblattes im Zeitraum vom 02.10.2020 bis einschließlich 12.10.2020 ausschließlich am Wohnsitz aufzuhalten hat.
3. Mit E-Mail vom 12.10.2020 erstattete der Direktor der XXXX Anzeige gegen die Beschwerdeführerin wegen eines Verstoßes gegen den aufrechten Absonderungsbescheid. Dazu führte er aus, dass die Beschwerdeführerin am Abend des 09.10.2020 an der konstituierenden Sitzung der XXXX teilgenommen habe. Es gebe von der Sitzung auch Fotos und Berichte in diversen Medien.
4. Mit Schreiben der Bildungsdirektion XXXX vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie am 09.10.2020 gegen den aufrechten und ihr zugestellten Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX 2020 verstoßen habe, um an der konstituierenden Gemeinderatssitzung in XXXX teilzunehmen. Sie habe damit ein Verhalten gesetzt, das geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben zu erschüttern. Seitens der Bildungsdirektion XXXX als Dienstbehörde werde ihr aufgrund dieser Verletzung von Dienstpflichten nunmehr eine schriftliche Ermahnung erteilt. Von einer Disziplinaranzeige an die Bundesdisziplinarbehörde werde gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 Abstand genommen.
5. Mit Schriftsatz vom XXXX 2020 beantragte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der im Schreiben der Bildungsdirektion XXXX vom XXXX 2020 gegen sie ausgesprochenen Ermahnung wegen Verletzung von Dienstpflichten. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung habe, dass die in diesem Schreiben ausgesprochene Ermahnung rechtswidrig sei, um zu verhindern, dass ihr in den der Zustellung des Schreibens folgenden drei Jahren dienstrechtliche Nachteile erwachsen würden (vgl. § 109 Abs. 2 BDG 1979). Der Feststellungsantrag sei zulässig, denn er beziehe sich nicht lediglich auf ein Begründungselement der Ermahnung, sondern auf die Ermahnung an sich. Die Abwägung zwischen dem privaten Lebensbereich der Beschwerdeführerin und ihrer konkreten dienstlichen Aufgabenstellung ergebe, dass ihre Entscheidung, trotz des Absonderungsbescheides an der konstituierenden XXXX am 09.10.2020 teilzunehmen, um dadurch ihren Pflichten XXXX nachzukommen, nicht geeignet sei, Bedenken auszulösen, dass sie ihre dienstlichen Aufgaben nicht in sachlicher Weise erfüllen werde.
6. Mit Bescheid vom XXXX 2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom XXXX 2020 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde darin ausgeführt, dass nach übereinstimmender Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts einer Ermahnung iSd § 109 Abs. 2 BDG 1979 kein normativer Inhalt zukomme. Sie sei nicht als Bescheid zu erlassen und es komme ihr auch keine Rechtskraftwirkung zu. Sie könne auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtslage als Bescheid gewertet werden. Dem Betroffenen stehe dagegen kein Rechtsmittel zu. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass gemäß § 111 Abs. 1 BDG 1979 für den Beamten das Recht bestehe, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen, um so eine Entscheidung in der Sache zu bewirken.
7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und wiederholte darin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Außerdem führte sie insbesondere aus, dass der angefochtene Bescheid die Frage, ob ihr das im zurückgewiesenen Antrag vom XXXX 2020 ausführlich begründete Feststellungsinteresse zukomme, gar nicht behandle.
8. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 22.03.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX 2020 wurde verfügt, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund des Verdachts einer Ansteckung mit dem 2019-nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“) nach Maßgabe eines angehängten 2019-nCoV-Informationsblattes im Zeitraum vom 02.10.2020 bis einschließlich 12.10.2020 ausschließlich am Wohnsitz aufzuhalten hat.
Die Beschwerdeführerin nahm am 09.10.2020 an der konstituierenden XXXX teil.
Mit Schreiben der Bildungsdirektion XXXX vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund Verletzung von Dienstpflichten eine schriftliche Ermahnung erteilt. Von einer Disziplinaranzeige an die Bundesdisziplinarbehörde nahm die Dienstbehörde Abstand.
Mit Schriftsatz vom XXXX 2020 beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der im Schreiben der Bildungsdirektion XXXX vom XXXX 2020 gegen sie ausgesprochenen Ermahnung wegen Verletzung von Dienstpflichten.
Mit Bescheid vom XXXX 2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom XXXX 2020 als unzulässig zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Einleitung seines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst nicht beantragt.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen stützen sich auf den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere auf den Antrag der Beschwerdeführerin vom XXXX 2020, den angefochtenen Bescheid und die Beschwerde, und sind insoweit unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. §§ 109 und 111 BDG 1979 lauten wie folgt:
„Disziplinaranzeige
§ 109. (1) Der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 78 StPO vorzugehen.
(2) Von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist abzusehen, wenn nach Ansicht der oder des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht. Diese ist der Beamtin oder dem Beamten nachweislich mitzuteilen. Nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an die Beamtin oder den Beamten darf eine Belehrung oder Ermahnung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen und sind die Aufzeichnungen über die Belehrung oder Ermahnung zu vernichten, wenn die Beamtin oder der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat.
(3) Die Dienstbehörde hat, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, eine Abschrift der Disziplinaranzeige unverzüglich dem Beschuldigten zuzustellen.
[…]
§ 111. (1) Jede Beamtin oder jeder Beamte hat das Recht, bei ihrer oder seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen.
(2) Hat die Beamtin oder der Beamte die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt, so ist nach § 110 vorzugehen. Auf Verlangen der Beamtin oder des Beamten ist dieser Antrag unverzüglich der Leiterin oder dem Leiter der Bundesdisziplinarbehörde und der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt zu übermitteln.“
3.2. Für den gegenständlichen Fall folgt daraus Folgendes:
3.2.1. Die belangte Behörde hat die Beschwerde mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass einer Ermahnung iSd § 109 Abs. 2 BDG 1979 kein normativer Inhalt zukomme und der Beschwerdeführerin dagegen kein Rechtsmittel zustehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass in einem solchen Fall, in dem die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat, das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist. Dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (VwGH vom 23.06.2015, Ra 2015/22/0040 mwN).
Dies ist damit zu begründen, dass der zu § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Judikatur folgende Rechtsschutzerwägungen zugrunde liegen, die ihrerseits auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gelten: Es war und ist der Berufungsbehörde nämlich deshalb verwehrt, über den Rahmen der bloßen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisungsentscheidung der Vorinstanz hinaus mit einer Entscheidung über den Gegenstand des Verfahrens vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde. Dieser Gedanke hat auch im Anwendungsbereich des § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG 2014 unverändert Gültigkeit, zumal Zweck der mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 erfolgten Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade "ein Ausbau des Rechtsschutzsystems" (vgl. dazu die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - RV 1618 BlgNR XXIV. GP, S. 3) ist; damit stünde es im Widerspruch, wenn es einem Verwaltungsgericht möglich wäre, eine Entscheidung in der Sache unter Umgehung der zuständigen Behörde zu treffen (VwGH vom 18.12.2014, Ra 2014/07/0002 mwN).
Eine inhaltliche Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag ist dem Bundesverwaltungsgericht somit verwehrt.
3.2.2. Es ist demnach zu prüfen, ob die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat:
Zutreffend geht die belangte Behörde davon aus, dass ihre mit (formlosem) Schreiben vom XXXX 2020 ausgesprochene Ermahnung kein Bescheid ist. Sie weist nicht die förmliche Gliederung als Bescheid auf; sie kann aber auch vor dem Hintergrund der Rechtslage nach ihrem Inhalt nicht als Bescheid gewertet werden. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Zu prüfen bleibt die Frage, ob im Beschwerdefall ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Erlassung eines Feststellungsbescheides darüber, ob die Ermahnung vom XXXX 2020 rechtwidrig sei, besteht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. Die bescheidförmige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist überdies nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig (VwGH vom 31.03.2006, 2005/12/0161 mwN).
Vor dem Inkrafttreten des § 109 Abs. 2 BDG 1979 idF der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, war dem Beamten im Zusammenhang mit der Ermahnung nach der Rechtsprechung keine Rechtsschutzmöglichkeit eingeräumt: Eine Ermahnung durfte (auf Grund eines Größenschlusses aus § 121 Abs. 1 BDG 1979) zu keinen dienstrechtlichen Nachteilen führen. Es bestand auch keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, die an eine Ermahnung solche Rechtsfolgen knüpfte. Mangels Rechtsschutzbedürfnisses konnte ein Beamter die gesetzgeberische Wertung, einen derartigen Rechtsschutz für bloße Bagatellfälle (in denen eine Ermahnung nach der Absicht des Gesetzgebers in Betracht kam) nicht vorzusehen, nicht dadurch unterlaufen, dass er über die Frage, ob eine Ermahnung aus berechtigtem Grund erteilt worden sei oder nicht, die Durchführung eines Feststellungsverfahrens veranlasste (vgl. VwGH vom 31.01.2007 2004/12/0032).
In der gegenständlichen Beschwerdesache ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass diese (alte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 109 Abs. 2 BDG 1979 idF der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, in ihrem Fall nicht anzuwenden ist. Denn gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 idgF darf nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an die Beamtin oder den Beamten eine Belehrung oder Ermahnung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen und sind die Aufzeichnungen über die Belehrung oder Ermahnung zu vernichten, wenn die Beamtin oder der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat. Es ist somit eine zukünftige Rechtsgefährdung gegeben, da die Ermahnung innerhalb von drei Jahren ab Mitteilung der Ermahnung zu dienstlichen Nachteilen führen kann.
In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, dass das rechtliche Interesse an der Feststellung dann nicht besteht, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens zu entscheiden ist (VwGH vom 02.07.2015, Ro 2015/16/0009). Zu anderen Verfahren, in denen die maßgebende Rechtsfrage geklärt werden kann, gehören auch Disziplinarverfahren oder gerichtliche Verfahren (VwGH vom 01.10.2004, 2000/12/0195).
Die belangte Behörde weist vor diesem Hintergrund in ihrem Bescheid darauf hin, dass gemäß § 111 Abs. 1 BDG 1979 für den Beamten das Recht bestehe, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen, um so eine Entscheidung in der Sache zu bewirken. Die Selbstanzeige enthält in der Regel kein Schuldeingeständnis des Beamten, sondern soll diesem die Möglichkeit gegeben werden, durch Anrufung der Disziplinarkommission wahrheitswidrigen Behauptungen, er habe eine Dienstpflichtverletzung begangen, entgegenzutreten (vgl. VwGH vom 15.12.1989, 1989/09/0113). Mit der als Rechtsschutzeinrichtung aufzufassenden Möglichkeit, gegen sich selbst die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu beantragen, kann der betroffene Beamte sich gegen den Verdacht wehren, möglicherweise eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben. Zu diesem Rechtsbehelf wird er dann greifen, wenn die Dienstbehörde seinerseits nichts tut, den Betroffenen von einem solchen Verdacht zu befreien. Bei dem Rechtsinstitut der Selbstanzeige handelt es sich um eine besondere (spezielle) disziplinäre Rechtsschutzmöglichkeit, die vergleichsweise im Strafverfahrensrecht keine Entsprechung findet. Sieht der Dienstvorgesetzte im Rahmen des Opportunitätsprinzips von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ab und verhängt er bloß eine Ermahnung, so steht dem Betroffenen dagegen kein Rechtsmittel zu. In einem solchen Falle besteht einerseits die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde an den nächsthöheren Dienstvorgesetzten zu wenden, anderseits hat der betroffene Beamte das Recht, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen (§ 111 Abs. 1 BDG: Selbstanzeige). Solcherart zeigt sich als wichtigste Wirkung der nicht disziplinären Natur der missbilligenden Ermahnung, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ nicht gilt und die Ermahnung den materiellen Disziplinierungsanspruch der Dienstbehörde nicht verbraucht (VwGH vom 17.01.1991, 90/09/0168, vgl. Fellner, BDG § 111 [Stand 1.2.2020, rdb.at]). Daher ist die Zulässigkeit des beantragten Feststellungsbescheides zu verneinen, nachdem die Beschwerdeführerin die gegenständliche Rechtsfrage durch das Einleiten eines Disziplinarverfahrens gemäß § 111 BDG 1979 klären kann.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass eine Ermahnung iSd § 109 Abs. 2 BDG 1979 keine Disziplinarstrafe ist, sondern ein als Ausfluss des verfassungsgesetzlich normierten Weisungsrechtes dem Dienstvorgesetzten jederzeit zustehendes personalpolitisches Führungsmittel. Dies bedeutet nicht zwingend, dass die Erteilung der Ermahnung in Form einer Weisung zu erfolgen hat, sondern bringt nur zum Ausdruck, dass Ermahnungen in jenem Bereich zulässig sind, in dem auch Weisungen erteilt werden können und sie insoweit Teil der mit der Stellung als Vorgesetzter verbundenen Leitungs- und Führungsgewalt (vgl. dazu Art. 20 Abs. 1 B-VG) sind (vgl. VwGH 22.07.1999, 98/12/0122 mwN). Die der Beschwerdeführerin erteilte Ermahnung ist nach ihrem Inhalt jedoch nicht als Weisung anzusehen, weil sie ihr keine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, was für eine Weisung nach § 44 BDG 1979 typisch wäre, auferlegt, sondern sich darauf beschränkt hat, ein bestimmtes von ihr gesetztes in der Vergangenheit liegendes Verhalten als Dienstpflichtverletzung zu bewerten. Dass damit eine Weisung für die Zukunft verbunden wurde, lässt sich der Ermahnung nicht entnehmen (vgl. VwGH vom 22.07.1999, 98/12/0122).
Der Antrag der Beschwerdeführerin vom XXXX 2020 auf Erlassung eines Feststellungsbescheides wurde somit zu Recht zurückgewiesen, nachdem ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf nicht zulässig ist. Die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage ist im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens zu entscheiden.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.3. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.
Es konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abgesehen werden. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von den Parteien nicht beantragt.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
3.3. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde zu Spruchpunkt A wiedergegeben.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
dienstliche Aufgaben Dienstpflichtverletzung Ermahnung Feststellungsantrag öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Pandemie rechtliches Interesse ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W259.2240657.1.00Im RIS seit
11.01.2022Zuletzt aktualisiert am
11.01.2022