TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 W208 2184257-1

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Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GebAG §17
GebAG §18 Abs1 Z1
GebAG §18 Abs1 Z2 litb
GebAG §19
GebAG §3
GebAG §6
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W208 2184257-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde der Revisorin des Oberlandesgerichts WIEN gegen den Bescheid der Vorsteherin des Bezirksgerichtes XXXX , XXXX , vom 14.11.2017, wegen Zeugengebühren zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Spruch des bekämpften Bescheides wie folgt zu lauten hat:

„Die Gebühren des Zeugen XXXX […] für die Vernehmung in der Strafsache […] am 03.10.2017, von 10:00 bis 10:20 Uhr beim Bezirksgericht XXXX , werden gemäß den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 (GebAG) wie folgt bestimmt:

1. Reisekosten (§§ 6- 12 GebAG)

2 Fahrscheine a € 2,20      € 4,40

Summe gerundet gemäß § 20 Abs 3 GebAG    € 4,40

Das Mehrbegehren des Zeugen betreffend eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Form eines Einkommensentganges nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG im Ausmaß von 3 Stunden á € 68,40 (€ 205,20) wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Mitbeteiligte XXXX , XXXX (im Folgenden: Zeuge), wurde in einer mündlichen Verhandlung am 03.10.2017 in einem Strafverfahren AZ XXXX vor dem Bezirksgericht XXXX (im Folgenden: BG) von 10:00 Uhr bis 10:20 Uhr als Zeuge einvernommen.

2. Der Zeuge beantragte am selben Tag u.a. einen Einkommensentgang von € 205,20 (3 Stunden zu je € 68,40) und legte eine Bestätigung vor, wonach er als Dachdecker selbstständig erwerbstätig sei.

3. Mit Schreiben vom 04.10.2017 forderte das BG den Zeugen zur Anbringung der Unterschrift auf dem Gebührenstimmungsantrag sowie zur Anbringung des Firmenstempels und der Unterschrift auf der Verdienstentgangsbestätigung auf.

4. Diesem Verbesserungsauftrag leistete der Zeuge folge und retournierte mit Schreiben vom 11.10.2017 die entsprechenden Unterlagen.

5. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid der Vorsteherin des BG (im Folgenden belangte Behörde) wurden die Gebühren des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung gemäß dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG) mit insgesamt € 209,60, davon unter Punkt 3. „Entschädigung für Zeitversäumnis (§§ 17-18)“ ein tatsächlicher Einkommensentgang von € 205,20, bestimmt. (Die im Punkt 1. zugesprochenen „Reisekosten“ iHv € 4,40 (zwei Fahrscheine á € 2,20) sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.)

Begründend wurde lediglich ausgeführt, die Entscheidung finde in den angegebenen Bestimmungen des GebAG ihre Deckung.

6. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 16.11.2017) richtet sich die am 21.11.2017 eingebrachte Beschwerde der Revisorin des Oberlandesgerichts WIEN. In dieser wird der Bescheid insofern angefochten, als dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis iHv € 205,20 zugesprochen wurde. Die restlichen Gebühren iHv € 4,40 blieben unangefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass vom Zeugen keinerlei Nachweis, weder über den Grund des Anspruches noch über die Höhe eines allfälligen Verdienstentganges erbracht worden sei. Der Stundensatz für Dachdeckermeister sei als Nachweis für die Voraussetzungen der Zuerkennung eines Verdienstentganges nicht ausreichend.

7. Mit Schreiben vom 17.01.2018 (beim BvwG eingelangt am 25.01.2018), legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung vor.

8. Das BVwG veranlasste mit Schreiben vom 29.01.2018 eine Beschwerdemitteilung an die Partei des Grundverfahrens sowie den Zeugen und räumte diesen die Möglichkeit zu einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ein. Die Zustellungen der Schreiben erfolgten am 02.02.2018 bzw am 07.02.2018.

9. Daraufhin gab die Partei des Grundverfahrens durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 12.02.2018 eine Stellungnahme ab, in welcher sie sinngemäß ausführte, dass sie sich den Ausführungen der Beschwerde vollinhaltlich anschließe, da aufgrund des Gesetzes das tatsächlich entgangene Einkommen bei selbstständig Erwerbstätigen nachgewiesen werden müsse. Der Zeuge sei unbestrittenermaßen als Dachdecker selbstständig erwerbstätig, habe aber nach Aktenlage keinen Nachweis über das tatsächlich entgangene Einkommen erbracht (ON 3).

Der Zeuge ließ die Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen.

10. Mit Schreiben vom 11.04.2019 wurde der Zeuge nunmehr vom BVwG aufgefordert, das für die Bemessung des Gebührenanspruchs maßgebliche entgangene Einkommen konkret zu bezeichnen, beschreiben sowie eine detaillierte Aufgliederung jener Tätigkeiten, die er infolge seiner Zeugenpflicht versäumt und die ihm Einkommen gebracht hätten bekannt zu geben und hierzu geeignete Beweismittel binnen einer Frist von zwei Wochen vorzulegen (ON 4).

11. In der daraufhin per E-Mail am 30.04.20219 eingelangten Stellungnahme vom 26.04.2019 brachte der Zeuge sinngemäß vor, dass sich aus dem Jahresabschluss 2017 ein monatliches Einkommen iHv durchschnittlich € 8.700,00 ergebe, wenn man diese Summe auf die wöchentliche Arbeitszeit von ca. 60 Stunden also ca. 204 Monatsstunden aufrechne, ergebe das einen durchschnittlichen Stundensatz von ca. € 72,50. Da er aber nur den Stundensatz eines Facharbeiters (Firmenstundensatz) von € 65,00 rechne, ergebe das für drei Stunden einen Verdienstentgang von € 195,00. Als Bestätigung legte er den Jahresabschluss 2017 vor (ON 5).

12. In der Folge stellte das BVwG mit Beschluss vom 15.05.2020, Zl W199 2153431-1/2E, den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, dieser wolle das Wort „tatsächlich“ in § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG als verfassungswidrig aufheben, wobei es seine Bedenken im Wesentlichen wie folgt darlegte:

Die gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG führe dazu, dass ein Einkommensentgang eines selbständig Erwerbstätigen, der zwar wahrscheinlich ist, jedoch nicht im Einzelnen nachgewiesen werden könne, nicht entschädigt werden könne. Somit könnten etwa Einkommensentgänge, die mittels Prognosen über das Verhalten von Laufkundschaft errechnet wurden oder die wegen der Verschiebung eines Termins entstanden sind, nicht als entschädigungsfähig anerkannt werden. Hinsichtlich der Verschiebung eines Termins sei aber zu berücksichtigen, dass dadurch bzw. durch die Nachholung des Termins zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen eine weitere sichere Einkommenschance verloren gehe (etwa wenn der Termin eben nicht nachgeholt werde, sondern – bis zum nächsten regulären Termin – ausfalle oder weil der Ersatztermin – bei einem „ausgebuchten“ Betrieb – wiederum nicht für andere Termine zur Verfügung stehe). Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Zudem führe die Regelung zu einer Ungleichbehandlung zwischen unselbständig und selbständig Erwerbstätigen. Der entgangene Verdienst eines unselbständig Erwerbstätigen könne vergleichsweise einfach mittels einer Bestätigung des Dienstgebers darüber nachgewiesen werden, in welcher Höhe er dem Zeugen einen Verdienst ausgezahlt hätte, hätte er in der betreffenden Zeit gearbeitet. Zudem reiche hinsichtlich möglicher Überstunden bereits die „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass der Zeuge „im Fall seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz zur Leistung der in Rede stehenden Überstunden herangezogen worden wäre“ (VwGH 22.2.1999, 98/17/0225) und der Dienstgeber diese Überstunden in Geld abgegolten hätte (VwGH 26.2.2001, 2000/17/0209). Von einer Verlegung von Arbeitsstunden in andere Zeiten sei in diesem Zusammenhang nicht die Rede.

13. Mit Erkenntnis vom 26.11.2020, Zl G 237/2020-9 u.a., wies der Verfassungsgerichtshof den zuvor dargestellten sowie den vom BVwG in einem weiteren Verfahren gestellten Antrag auf Aufhebung des Wortes „tatsächlich“ in § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG als verfassungswidrig ab, wobei er begründend im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Mit der Gesetzesnovelle BGBl Nr 343/1989 habe eine systematische Anpassung des Gebührenanspruchs von Zeugen stattgefunden. Entsprechend der bis dahin geltenden Rechtslage sollte eine „Entschädigung für eine Zeitversäumnis wiederum nur zustehen [...], wenn der Zeuge durch die Befolgung seiner Zeugenpflicht sonst tatsächlich einen Vermögensnachteil erlitte“. Zudem sei eine zeitgemäße Anpassung der Höhe der Pauschalgebühr nach § 18 Abs 1 Z 1 GebAG erfolgt, damit in erheblich geringerem Ausmaß von der Möglichkeit der höheren (aber bescheinigungspflichtigen) Gebühr Gebrauch gemacht werde, womit wiederum eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung verbunden sei. Mit dieser Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber dem Kostenersatz in Form einer Pauschalentschädigung den Vorrang vor dem erheblich aufwändigeren Ersatz des konkret zu bescheinigenden Verdienst- bzw. Einkommensentganges eingeräumt.

Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Ausgestaltung des Entschädigungsanspruches für einen Vermögensnachteil, der durch die Zeugeneinvernahme entsteht, zu regeln. Dass der Gesetzgeber hiebei in erster Linie – auch auf Grund des geringeren Verwaltungsaufwandes – auf eine pauschalierte Entschädigung abstellt und bloß alternativ die Möglichkeit des Ersatzes eines konkreten Verdienst- oder Einkommensentganges vorsieht, sei nicht unsachlich. Dies gelte auch für die erhöhte Bescheinigungspflicht bei der Geltendmachung des tatsächlichen Verdienst-/Einkommensentganges, wonach – anders als bei der pauschalierten Entschädigung – zusätzlich zum Grund des Anspruches auch dessen Höhe zu bescheinigen ist. Dies sei auch deshalb gerechtfertigt, weil zwar die finanziellen Einbußen des Zeugen ausgeglichen werden sollen, dieser aber nicht entlohnt werden soll. Nicht zuletzt sei damit abgesehen von der Verwaltungsvereinfachung zudem ein Schutz der Verfahrensparteien vor unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen verbunden.

Es sei auch keine Ungleichbehandlung von selbständig und unselbständig Erwerbstätigen ersichtlich, zumal § 18 Abs 1 Z 2 lit a und lit b GebAG gleichermaßen auf den tatsächlichen (Verdienst- bzw Einkommens-)Entgang abstellten. Dazu führten auch die Erläuterungen aus, dass die Kosten allen Zeugen ohne Unterschied ihrer beruflichen Stellung im gleichen Ausmaß zustehen sollen, daher solle ein unselbständig Erwerbstätiger das, „was er auf die Hand bekommen hätte“ und ein selbständig Erwerbstätiger „das, was er nach Abzug von Auslagen positiv verdient hätte“ ersetzt bekommen. Dass die Art der Bescheinigung verschieden ist oder dass mit der Bescheinigung Schwierigkeiten verbunden sind, mache die Regelung noch nicht unsachlich, sondern liege vielmehr im Unterschied zwischen unselbständigen und selbständigen Tätigkeiten sowie einzelner selbständiger Tätigkeiten und Betriebsführungen.

Anstatt des Ersatzes eines konkreten Verdienst- bzw Einkommensentganges könnten auch die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise zu bestellende Stellvertretung (bzw Haushaltshilfskraft) geltend gemacht werden. Ob die Bestellung einer Stellvertretung notwendig ist, hänge davon ab, ob dem Zeugen ein tatsächlicher Verdienst- bzw Einkommensentgang entstanden ist. Die in § 18 Abs 1 Z 2 lit c GebAG vorgesehene Gebühr solle nämlich jene auf Ersatz des tatsächlich entgangenen Einkommens nach lit b GebAG substituieren.

14. Aufgrund der zwischenzeitlichen Ruhestandsversetzung des ursprünglich zuständigen Richters blieb das Beschwerdeverfahren offen. Mit Verfügung vom 02.09.2021 wurde es der Gerichtsabteilung W208 neu zugewiesen.

15. Mit Parteiengehör vom 15.09.2021 hielt das BVwG dem Zeugen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme vor und forderte ihn nach auf Ausführungen über die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen auf, ergänzend noch folgende Auskünfte zu erteilen:

„1. Welcher konkreten, unaufschiebbaren Tätigkeit wären Sie im Vernehmungszeitraum nachgegangen, und wieso hätten Sie diese nicht zu einem anderen Zeitpunkt verrichten können?

2. Welchen konkreten Vermögensnachteil haben Sie durch die Versäumung dieser Tätigkeit tatsächlich erlitten bzw welches Einkommen ging Ihnen verloren?“

Gleichzeitig wurde der Zeuge aufgefordert, entsprechend aussagekräftige Unterlagen innerhalb einer Frist von 2 Wochen vorzulegen und ersucht dazu gemäß § 45 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG binnen gleicher Frist ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

16. In der daraufhin fristgerecht eingebrachten Stellungnahme vom 08.11.2021 führte der Zeuge im Wesentlichen aus, dass er bereits seit Mai 2020 in Pension sei und weder die konkrete, unaufschiebbare Tätigkeit noch den konkreten Vermögensnachteil im Nachhinein beweisen könne, weshalb er auf den Einkommensentgang iHv € 195,00 verzichte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

Der Zeuge war zum Zeitpunkt seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem BG zu XXXX am 03.10.2017 von 10:00 Uhr bis 10:20 Uhr als selbstständiger Dachdecker erwerbstätig.

Dem Zeugen ist durch seine Vernehmung im genannten Zeitraum jedoch kein konkreter Auftrag, folglich keine Verrichtung einer bestimmten, unaufschiebbaren Tätigkeit entgangen. Dementsprechend hat er auch nicht durch Versäumung einer solchen Tätigkeit einen konkreten Vermögensnachteil tatsächlich erlitten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie den im Beschwerdeverfahren eingelangten Stellungnahmen des Zeugen.

Gemäß § 19 Abs 2 GebAG hat der Zeuge die Umstände die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen. Nach der ständigen Rsp des VwGH bedeutet „bescheinigen“, dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss (VwGH 18.09.2000, 96/17/0360; 08.09.2009, 2008/17/0235; 20.06.2012, 2010/17/0099).

Dem Zeugen ist es trotz zweimaliger Aufforderung im Beschwerdeverfahren (am 11.04.2019 und am 14.09.2021) mangels Vorlage von tauglichen Bestätigungen nicht gelungen zu bescheinigen, dass er einen Einkommensentgang weder dem Grunde nach, noch in der von ihm genannten Höhe erlitten hat. So war mit dem in Reaktion auf das erste Parteiengehör vom 11.04.2019 ergänzend vom Zeugen vorgelegten Jahresabschluss 2017 nichts für den Zeugen gewonnen, zumal dieser nicht geeignet ist, den Grund bzw die Höhe eines bestimmten Anspruches nachzuweisen.

In der zuletzt eingebrachten Stellungnahme des Zeugen vom 08.11.2021 gibt dieser schließlich an, dass er seit Mai 2020 in Pension sei und weder die konkrete, unaufschiebbare Tätigkeit noch den konkreten Vermögensnachteil im Nachhinein beweisen könne und deshalb auf den Einkommensentgang iHv € 195,00 verzichten würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, wobei kein Verbot einer „reformatio in peius“ besteht und kein Neuerungsverbot (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2; stRsp des VwGH, zB 29.06.2017, Ra 2017/16/0085 mwN).

Auch hinsichtlich des Beschwerdebegehrens nach § 9 Abs 1 Z 4 VwGVG ist eine Bindung des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich zu verneinen; allerdings ist eine durch die Prozesserklärung bewirkte Teilrechtskraft (etwa von einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides) vom Verwaltungsgericht zu beachten (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K6).

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Das war hier der Fall und wurde durch die Einholung der schriftlichen Stellungnahme und deren Offenlegung im Parteiengehör der Sachverhalt ausreichend geklärt, sodass auch keine mündliche Verhandlung vor dem BVwG erforderlich war.

Die Durchführung einer – hier nicht beantragten - mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom 26.01.2012, 2009/09/0187 und in diesem Sinne wohl auch 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) ist nicht erforderlich. Ein Entfall der Verhandlung widerspricht weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389.
Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen (Auszug, Hervorhebung durch BVwG)

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG), BGBl Nr 136/1975 idgF, lauten:

„Umfang der Gebühr

§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfasst

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2.       die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. […]

Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 17. Die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 3 Abs. 1 Z 2) bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muß.

Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1.         14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2.         anstatt der Entschädigung nach Z 1
a)         beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b)         beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c)         anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d)         die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.“

Geltendmachung der Gebühr

§ 19. (1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des § 16 binnen vier Wochen nach Abschluß seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Dies gilt für die Beiziehung zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen (§ 2 Abs. 1) mit der Maßgabe sinngemäß, daß der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr bei dem Gericht geltend zu machen hat, das den Sachverständigen bestellt hat.

(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren § 3 Abs. 2), zu bescheinigen. [...]

In der Regierungsvorlage zu BGBl 136/1975 [zu Abs 2 (gemeint: § 18 Abs 2 GebAG)] wurde ausgeführt: „Der Ersatz [nach § 1 Z 2] soll dem Zeugen aber nur dann zustehen, wenn er seine Ansprüche bescheinigt (s. Abs. 2). Die Art der Bescheinigung wird verschieden sein, je nachdem, ob es sich um einen unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigen handelt. Der Lohn- oder Gehaltsempfänger wird in der Regel eine Bestätigung seines Arbeitgebers beizubringen haben, aus der hervorgeht, dass ihm wegen der Befolgung seiner Zeugenpflicht für jede Stunde seiner Abwesenheit von der Arbeit ein bestimmter Betrag an Arbeitseinkommen, das heißt auf dasjenige, was der Zeuge auf die Hand bekommen hätte. Ausdrücklich wird bestimmt, dass auch die dem Zeugen zusätzlich zu seinem Lohn oder Gehalt zustehende Vergütungen zu ersetzen sind (Abs. 1). Bei einem selbständig Erwerbstätigen wird im Einzelfall zu prüfen sein, welche Bestätigung entspricht […].“

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entschädigung für Zeitversäumnis gebührt dem Zeugen nur, soweit er in dem in § 17 GebAG genannten Zeitraum (i.e. jener Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muss) durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet (vgl. VwGH 25.05.2005, Zahl: 2005/17/0085), denn das GebAG will dem Zeugen die mit seiner Mitwirkung an der Rechtspflege verbundenen finanziellen Einbußen ausgleichen, ihn aber nicht entlohnen (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 6 zu § 18 GebAG).

Nach stRsp des VwGH kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen iSd § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 22.11.1999, 98/17/0357).

Die Frage der BESCHEINIGUNG muss von jener der BEHAUPTUNG eines konkreten Vermögensschadens unterschieden werden. Der selbständig erwerbstätige Zeuge hat KONKRET den Entgang einer oder mehrerer Verdienstmöglichkeiten zu behaupten, was in vielen Fällen eine Aufgliederung erforderlich macht. Lediglich für die DARTUUNG eines solcherart konkret behaupteten Vermögensschadens begnügt sich das Gesetz mit einer Bescheinigung (Glaubhaftmachung), dh, dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss. Ob hiefür die bloßen Behauptungen des Antragstellers genügen, ist von Fall zu Fall zu prüfen (VwGH 25.05.2005, 2004/17/0004).

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die in Punkt 3. des bekämpften Bescheides bestimmte Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG in Form eines Einkommensentganges nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG iHv insgesamt € 205,20. Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides für die Reisekosten nach §§ 6 – 12 GebAG (iHv € 4,40) sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG umfasst gemäß § 3 Abs 1 Z 2 GebAG beim selbständig Erwerbstätigen das durch die Befolgung der Zeugenpflicht tatsächlich entgangene Einkommen.

Die Geltendmachung der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 1 Z 2 GebAG umfasst sowohl den Grund des Anspruches als auch dessen Höhe (vgl VwGH 15.04.1994, 92/17/0231).

Dem Zeugen soll die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 2 iVm § 19 Abs 2 GebAG dann gebühren, wenn er die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, bescheinigt; dies ist dem Zeugen im vorliegenden Fall trotz zweimaliger Aufforderung im Beschwerdeverfahren (am 11.04.2019 und am 14.09.2021) – mangels Vorlage einer tauglichen Bescheinigung weder über den Grund noch über die Höhe des Anspruches – nicht gelungen.

Daher ist der Revisorin Recht zu geben, wenn sie in ihrer Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte dem Zeugen lediglich aufgrund des angegebenen Stundensatzes für Dachdeckermeister eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG nicht zuerkennen dürfen. Ebensowenig war mit dem in Reaktion auf das erste Parteiengehör vom 11.04.2019 ergänzend vom Zeugen vorgelegten Jahresabschluss 2017 etwas gewonnen, zumal dieser allein nicht geeignet ist, die nach Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen nachzuweisen. Wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, räumt der Zeuge die mangelnde Bescheinigung der konkreten, unaufschiebbaren Tätigkeit sowie des konkreten Vermögensnachteils in seiner in Reaktion auf das zweite Parteiengehör ergangenen Stellungnahme vom 08.11.2021 selbst ein.

Der Zeuge hat ein tatsächlich entgangenes Einkommen für 3 Stunden iHv insgesamt € 205,20 (bzw wie seit seiner Stellungnahme vom 26.04.2019 mit € 195,00 beziffert) nach § 3 Abs 1 Z 2 iVm § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG nicht bescheinigt.

Dass die vom Gesetz geforderte erhöhte Bescheinigungspflicht als Voraussetzung für die Zuerkennung auf Einkommensentgang nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b nicht unsachlich und damit rechtens ist, wurde im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 26.11.2020, Zl G 237/2020-9 u.a., ausgesprochen bzw bestätigt (vgl oben Punkt I.13.).

In der Folge ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall die Zuerkennung einer Pauschalentschädigung nach § 18 Abs 1 Z 1 GebAG ebenfalls ausscheidet, zumal diese die Bescheinigung über den Grund des Anspruches erfordert, welcher in einem Vermögensnachteil liegen muss (§ 18 Abs 2 iVm § 3 Abs 1 Z 2 GebAG). Ein entsprechender Vermögensnachteil wurde - wie oben ausgeführt – vom Zeugen nicht bescheinigt.

Die Voraussetzungen, dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG zuzuerkennen, sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Der Beschwerde kommt daher Berechtigung zu und ist der Bescheid, soweit dem Zeugen Entschädigung für Zeitversäumnis iHv € 205,20 zugesprochen wurde, aufzuheben bzw. dieser wie im Spruch angeführt, abzuändern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH sowie auf die Entscheidung des VfGH vom 26.11.2020, Zl G 237/2020-9 u.a, wird verwiesen.

Schlagworte

Bescheinigungspflicht Einkommensentgang Gebührenbestimmung - Gericht Mehrbegehren mündliche Verhandlung Reisekosten selbstständig Erwerbstätiger Teilstattgebung Vermögensnachteil Zeitversäumnis Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2184257.1.00

Im RIS seit

11.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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