Entscheidungsdatum
22.11.2021Norm
BDG 1979 §112Spruch
W116 2226661-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch URBANEL LIND SCHMID REISCH Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 04.08.2021, GZ: 2021-0.482.716, betreffend die Suspendierung nach mündlicher Verhandlung 12.11.2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 VwGVG stattgegeben und der beschwerdegegenständliche Suspendierungsbescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer steht als Justizwachebeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich und ist auf einem Arbeitsplatz der Justizanstalt XXXX (in der Folge JA K) eingeteilt.
2. Am 29.06.2021 wurde dem Justizwachebeamten RevInsp XXXX (in der Folge L) von einem Insassen mitgeteilt, dass der Untersuchungshäftling XXXX (in der Folge W) am 26.06.2021 vom Beschwerdeführer 18 Stangen Zigaretten übergeben bekommen hätte. L verfasste darüber einen Aktenvermerk (AS 9) und gab darin ergänzend an, dass er an diesem Tag den Beschwerdeführer selbst gesehen habe, als dieser mit zwei Papiertüten voller Zigarettenstangen in die JA gekommen sei. Er habe diesen Vorfall der Anstaltsleiterin gemeldet.
Noch am selben Tag wurde der Auftrag erteilt, den Haftraum des W aufgrund des Verdachts auf unerlaubte Gegenstände zu durchsuchen. Dabei wurden sechs Stangen Zigaretten der Marke Chesterfield sichergestellt. W gab bei einer ersten Befragung an, dass er diese bereits bei sich gehabt hätte, als er in die JA aufgenommen worden wäre und kaufe jede Woche um 200 € Zigaretten in der Ausspeise ein (Meldung vom 29.06.2021 samt Foto der sichergestellten Zigaretten, AS 13 -15).
In weiterer Folge wurde W am 29.06.2021 dazu niederschriftlich als Zeuge befragt (AS 17). Dabei gab er an, dass er die Zigaretten vom Beschwerdeführer erhalten habe. Er habe fast jedem Insassen eine Stange Zigaretten übergeben und kaufe wöchentlich selbst eine Stange, weil er selbst ein starker Raucher sei. In einem handschriftlichen Schreiben teilte W der Anstaltsleitung unter anderem mit, dass es ihm finanziell und insgesamt sehr schlecht gehe. Er habe den Beschwerdeführer angebettelt, ihm diese Zigaretten zu bringen. Da dieser ein Herz aus Gold habe, habe er nachgegeben. Dass sei nur einmal passiert (AS 19 – 24).
In der Folge wurden weitere Justizwachebeamte und Insassen zur Sache als Zeugen einvernommen (AS 25 – 34). Der Insasse XXXX (in der Folge H) gab dabei an, dass er am 26.06.2021 am frühen Vormittag den Beschwerdeführer in der Frauenabteilung, wo sie untergebracht seien, gesehen habe. Dieser habe nach W gerufen und zwei Papiertragtaschen voll mit Zigaretten in der Hand gehabt. Es habe sich dabei um 15 bis 18 Stangen gehandelt. Diese habe er dem W mit den Worten „Heli, da hast“ übergeben (AS 29). Der Insasse XXXX (in der Folge D) bestätigte als Zeuge befragt diese Angeben. Er könne nicht genau angeben, wie viele Stangen es gewesen seien, aber nach seiner Schätzung seien es jedenfalls mehr als zehn gewesen. (AS 31). Zwei weitere Insassen gaben bei ihrer Befragung an, diesbezüglich keine Wahrnehmungen gemacht zu haben. (AS 32 -34).
3. Mit Bescheid des BMJ, Generaldirektion, vom 01.07.2021 wurde der Beschwerdeführer wegen dem gegen ihn in der Sache bestehenden Verdacht der Begehung einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung gemäß § 112 BDG 1979 mit sofortiger Wirkung vorläufig vom Dienst suspendiert. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte die Generaldirektion den Bescheid samt Verwaltungsakt an die Bundesdisziplinarbehörde.
4. Mit Schreiben vom 08.07.2021 räumte die Bundesdisziplinarbehörde dem Beschwerdeführer in der Angelegenheit die Möglichkeit zum Parteiengehör ein. Mit Schreiben vom 12.07.2021 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahem an die Bundesdisziplinarbehörde (AS 7). Darin führte er aus, dass er den W bereits seit 20 Jahren kenne und ca. alle drei Monate Kontakt mit ihm habe. Vor einigen Wochen habe ihn dieser ersucht, ein paar Stangen Zigaretten für ihn zu kaufen. Das Geld würde er nach seiner Haftentlassung zurückbekommen. Er habe dann die Zigaretten im Wert von ca. 300 € in einer Trafik gekauft und in der JA dem W übergeben. Da die Zigaretten auch in der JA erhältlich seien und W als Untersuchungshäftling keiner Einschränkung betreffend Höhe des wöchentlichen Einkaufs unterliege, habe er nicht gedacht, dass dies rechtswidrig sei und die Zigaretten für ihn gekauft. Die Verkäuferin habe die Zigaretten in ein oder zwei Papiersackerl gepackt und er habe sie in die JA mitgenommen. Er habe diese dabei nicht verborgen. Im Nachhinein gesehen wäre es besser gewesen, er hätte die 300 € dem W auf dessen Konto in die Justizanstalt überwiesen und dieser hätte sich die Zigaretten beim wöchentlichen Einkauf selbst gekauft. Er habe W immer gesagt, dass er sein Freund sei, würde aber nie gesetzwidrig handeln. Sollte er vorschriftswidrig gehandelt haben, tue es ihm sehr leid. Er sei immer bestrebt, vorbildlich zu handeln.
5. Mit Schriftsatz vom 30.06.2021 übermittelte die Leiterin der JA K diesbezüglich einen Bericht samt Erhebungsunterlagen an die OStA Wien (AS 39ff). Mit Schreiben vom 26.07.2021 teilte die StA Wien der Anstaltsleiterin mit, dass gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 5 StPO in der Sache wegen § 302 StGB ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.
6. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 04.08.2021 wurde der Beschuldigte gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 wegen Verdacht auf Begehung einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Im Bescheid wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (auszugsweise im Original, anonymisiert):
„(Der Beschwerdeführer) ist verdächtig, am 26.06.2021 zwischen 08:00 und 09:00 Uhr zwischen 5 und 18 Stangen der Marke „Chesterfield rot 100“ in die Justizanstalt XXXX verbracht und dort unerlaubt an den Untersuchungshäftling (UH) W, HNR: XXXX, übergeben zu haben.
Der Beamte ist daher - unbeschadet einer noch zu klärenden strafgerichtlichen Verantwortlichkeit - verdächtig, seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 BDG, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln aus eigenem zu erfüllen, iVm. § 180a Abs. 1 Z 2 StVG welchen den Verkehr mit Gefangenen und Untersuchungshäftlingen regelt, und in Ziffer 2 ua beschreibt, dass weder Geld noch Gegenstände übermittelt oder entgegengenommen werden dürfen.
§ 43 Abs. 2 BDG, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, gem. § 91 BDG schuldhaft verletzt zu haben.
Gemäß § 112 Abs. 4 BDG hat jede Suspendierung die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten auf zwei Drittel zur Folge.
…
Dem Disziplinarbeschuldigten, einem dienstführenden Beamten mit jahrzehntlanger Erfahrung, wird vorgehalten, gegen grundlegende Bestimmungen des Strafvollzuges verstoßen zu haben, indem er entgegen den Bestimmungen des § 180a StVG Zigaretten in größerem Ausmaß über Ersuchen eines UH in die JA K eingebracht und diese an diesen übergeben zu haben. Der Disziplinarbeschuldigte bestätigte dieses Verhalten in seiner schriftlichen Stellungnahme.
Aufgrund der Aktenlage belasten zwar zwei Insassen der JA den Disziplinarbeschuldigte schwer, aber nicht über Gebühr. Gleichzeitig bestätigt auch ein Mitarbeiter der JA, dass er beobachtet habe, dass der Disziplinarbeschuldigte mit zwei Papiertüten „voll“ mit Zigaretten die JA betreten habe, um seinen Dienst anzutreten.
Der Disziplinarbeschuldigte führt in seiner schriftlichen Stellungnahme zusammenfassend aus, dass er mit dem Einbringen der Zigaretten in die JA wohl einen Fehler gemacht habe. Es wäre wohl besser gewesen, er hätte dem UH den entsprechenden Geldbetrag überwiesen, damit dieser sich die Zigaretten selbst in Rahmen der wöchentlichen Einkaufsmöglichkeit hätte kaufen können. Damit verkennt dieser, dass auch dieses Verhalten eine schwere Dienstpflichtverletzung dargestellt hätte, zumal auch solches Verhalten, ebenfalls gegen die oa Bestimmung des § 180a StVG verstoßen hätte und entfernt er sich damit indirekt von der zuvor geäußerten Missbilligung seines damaligen (Fehl-)verhaltens.
Dass der nun involvierte UH bereits früher „illegal“ einen Brief einschmuggeln lies zeigt, dass dieser keinen gesteigerten Wert auf die strikte Einhaltung der Vollzugsmaßnahmen legt. Trotz Kenntnis dieses Vorfalls, ließ sich der Disziplinarbeschuldigte, nach bisherigem Erkenntnisstand, vom UH überreden, eine größere Menge Zigaretten, entgegen den Bestimmungen des StVG, in die JA einzubringen. Damit steht der Disziplinarbeschuldigte im Verdacht, gegen wesentliche Aufgaben aus dessen Kernbereich im Rahmen des Strafvollzuges verstoßen zu haben.
XXXX
…
Dadurch, dass der Disziplinarbeschuldigte gegen die Bestimmungen des StVG und daraus resultierend auch im Verdacht steht, gegen die Bestimmungen des § 302 StGB verstoßen und somit gegen geltendes Recht verstoßen zu haben, liegt jedenfalls der Verdacht einer schweren Dienstpflichtverletzung vor.
§ 180a StVG regelt nicht nur den Umgang mit Gefangenen, sondern auch das Einbringen von Gegenständen. Für UH gilt zwar bis zu deren rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung und genießen diese einen „größeren“ Freiraum, doch bedeutet dies im Gegenzug für den Vollzugsbeamten nicht, dass damit auch die gesetzlichen Bestimmungen „gelockert“ gesehen werden dürfen.
…
Gegenständlich wird dem Disziplinarbeschuldigten insbesondere vorgehalten, dass er einem Insassen der JA entgegen den Bestimmungen Gegenstände - gegenständlichen Zigaretten - in größerem Ausmaß übergeben habe. XXXX
…
XXXX
…
Der Disziplinarbeschuldigte steht im Verdacht, seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG schwer verletzt zu haben. Konkret hat er als Vollzugsbeamter im Umgang mit Gefangenen gerade jene Rechtsnorm verletzt, zu dessen Einhaltung er verpflichtet ist. Schon der beschriebene Verdacht ist als gravierende Dienstpflichtverletzung anzusehen, der durchaus geeignet ist, das Vertrauen in die Allgemeinheit - aber auch des Dienstgebers in die korrekte, rechtskonforme Dienstausübung - nachhaltig zu erschüttern. XXXX
…
XXXX
…
XXXX
7. Mit Schriftsatz vom 01.09.2021 brachte der Beschwerdeführer über seinen rechtlichen Vertreter dagegen rechtzeitig eine Beschwerde ein. Darin machte er im Wesentlichen geltend, dass die Behörde aufgrund fehlerhafter rechtlicher Würdigung zu einem falschen Ergebnis gekommen sei. Dies wurde folgendermaßen begründet (auszugsweise im Original, anonymisiert):
„ … Die Bundesdisziplinarbehörde stützt sich in rechtlicher Hinsicht auf § 43 Abs. 1 und 2 BDG sowie § 180a StVG als Grundlage für die Suspendierung. Nach § 43 Abs. 1 BDG ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinen in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
In der rechtlichen Beurteilung führt die Bundesdisziplinarbehörde nun unsubstantiiert aus, dass der Beschwerdeführer entgegen den Bestimmungen des § 180a StVG Zigaretten in größerem Ausmaß über Ersuchen des Untersuchungshäftlings in die Justizanstalt XXXX eingebracht hätte und an diesen übergeben hätte. Nach Ansicht der Bundesdisziplinarbehörde hätte der Disziplinarbeschuldigte dadurch, dass er gegen die Bestimmungen des StVG verstoßen hätte und daraus resultierend auch im Verdacht stünde, gegen die Bestimmung des § 302 StGB verstoßen zu haben, den Verdacht einer schweren Dienstpflichtverletzung begründet. Für Untersuchungshäftlinge würde zwar bis zu deren rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gelten und diese einen größeren Freiraum erhalten, doch würde dies im Gegenzug für einen Vollzugsbeamten nicht bedeuten, dass damit auch gesetzlichen Bestimmungen gelockert gesehen werden dürfen.
Diese rechtliche Ansicht der Bundesdisziplinarbehörde ist verfehlt.
Wie die Bundesdisziplinarbehörde grundsätzlich richtig ausführt, besteht eine Parallele zwischen einer disziplinarrechtlich bedeutsamen Verfehlung eines Justizwachebeamten und der strafrechtlichen Bestimmung des § 302 StGB, weshalb ein Amtsmissbrauch nach § 302 StGB dann bestehen kann, wenn eine Dienstpflichtverletzung unter den Modalitäten des § 302 StGB gesetzt wird. Eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG kann daher in gegenständlichem Sachverhalt nur dann vorliegen, wenn gegen Bestimmungen des StVG verstoßen wurde, die bei entsprechendem Vorsatz auch eine Strafbarkeit nach § 302 StGB ermöglichen würden. Gerade ein derartiges Verhalten wurde vom Disziplinarbeschuldigten allerdings nicht gesetzt.
Gemäß § 180a Abs 1 StVG ist es unzulässig, unter anderem Geld oder Gegenstände einer in ordentlicher Untersuchungshaft befindlichen Person zu übergeben. Zu berücksichtigen ist jedoch - was die Bundesdisziplinarbehörde in gegenständlichem Sachverhalt gänzlich unterlassen hat - dass die Übergabe von Gegenständen an Strafgefangene und auch Untersuchungshäftlinge nicht gänzlich untersagt ist. Maßgebend dafür, was in diesem Zusammenhang zulässig ist, sind § 30 und § 34 StVG.
§ 30 StVG normiert das Geschäfts- und Spielverbot von Strafgefangenen untereinander sowie ein entsprechendes Verbot der Strafgefangenen, keine Geschäfte mit im Strafvollzug tätigen Personen oder Untersuchungshäftlingen abzuschließen. § 34 StVG normiert, dass Strafgefangene berechtigt sind, einmal in der Woche auf eigene Kosten vom Anstaltsleiter zugelassene Nahrungs- und Genussmittel sowie Körperpflegemittel und andere einfache Gegenstände des täglichen Bedarfs durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen.
Ein Verstoß gegen disziplinarrechtliche Verpflichtungen hätte der Beschwerdeführer daher nur dann gesetzt, wenn er gegen § 30 StVG verstoßen hätte. § 30 Abs. 3 StVO normiert, dass dann, wenn im StVG nichts anderes geregelt ist und davon auch keine Gefährdung der Ordnung des Strafvollzuges zu befürchten ist, Strafgefangene Nahrungs- und Genussmittel geringen Wertes als Geschenk annehmen dürfen. Aus § 30 Abs. 3 ergibt sich kein generelles Schenkungsverbot an Strafgefangene, vielmehr stellt es eine Ausnahme von dem in Abs. 1 festgelegten Geschäftsverbot da und bezieht sich daher nur auf Zuwendungen des dort umschriebenen Personenkreises.
Für Strafgefangene ist daher normiert, dass Zuwendungen an Strafgefangene durchaus zulässig sind.
Wenn aber Zuwendungen an Strafgefangene im geringen Ausmaß zulässig sind, wobei ein geringes Ausmaß bis zu einem Wert von € 100,- für Genussmittel angesehen werden kann, so müssen Zuwendungen an Untersuchungshäftlinge noch in deutlich höherem Ausmaß zulässig sein, da aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 182 Abs. 2 StPO das Leben in Untersuchungshaft den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden soll und Beschränkungen nur insoweit auferlegt werden dürfen, als dies gesetzlich zulässig und zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhalten der Sicherheit und Ordnung der Justizanstalt notwendig ist. Unter allgemeinen Lebensverhältnissen sind Zuwendungen in unbeschränktem Ausmaß zulässig.
Festzuhalten bleibt daher, dass hinsichtlich Untersuchungshäftlingen Zuwendungen jedenfalls zulässig sind und diese Zuwendungen aus einer systematischen Betrachtung heraus höher ausfallen dürfen als bei Strafgefangenen. Dies verdeutlicht sogar die Bundesdisziplinarbehörde selbst, wenn sie ausführt, dass für Untersuchungshäftlinge bis zu deren rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt (und diese grundsätzlich ihre allgemeinen Lebensverhältnisse bis auf die Einstufung der Haft fortführen dürfen).
Für Untersuchungshäftlinge gilt daher hinsichtlich Genussmitteln, die explizit von Gegenständen im Sinne des § 180a StVG abzugrenzen sind, keine Einschränkung. Im Übrigen ist auch aus der Bestimmung des § 182 Abs. 4 StPO für die Bundesdisziplinarbehörde nichts zu gewinnen, da diese lediglich im Übrigen auf die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes verweist, sofern in den vorstehenden Absätzen des § 182 StPO keine gesonderten Regelungen getroffen wurden.
Festzuhalten bleibt daher, dass mangels eines Verstoßes gegen die Grundregeln des Strafvollzuges bzw. - in gegenständlichem Sachverhalt - gegen die Grundregeln der Untersuchungshaft, kein Verstoß gegen das StVG bzw. StPO begangen wurde und somit auch keine Verletzung von Dienstpflichten stattgefunden haben kann. Eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG wurde vom Beschwerdeführer daher keinesfalls gesetzt.
Keine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG:
Gemäß § 43 Abs. 2 BDG hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Auch dieser Tatbestand kann nur erfüllt sein, wenn überhaupt eine Verhaltensweise des Beschwerdeführers gesetzt wurde, die gegen die Rechtsordnung verstößt. Wie soeben dargelegt wurde, hat der Beschwerdeführer stets im Einklang mit dem StVG und der StPO gehandelt, seine Dienstpflichten somit wahrgenommen, weshalb auch keine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 2 BDG vorliegen kann.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Gabe von Zigaretten, die - nämlich genau die gegenständliche Marke - ohnehin in der Justizanstalt selbst erworben werden können, an einen Untersuchungshäftling, somit für eine nicht verurteilte Person, in der Öffentlichkeit keine wie auch immer geartete negative Auswirkung auf das Vertrauen der Allgemeinheit zeitigen kann.
Bei Untersuchungshäftlingen handelt es sich um Personen, die in Untersuchungshaft genommen werden, um das Ermittlungsverfahren zu erleichtern. Keinesfalls besteht aber diesfalls die Berechtigung zur Vorverurteilung des in Untersuchungshaft Genommenen. Die Lebensverhältnisse in der Untersuchungshaft sind weitgehend den Lebensverhältnissen außerhalb der Haft gleichzustellen, weshalb es auch zulässig ist, dass der Untersuchungshäftling Zigaretten in höherem Ausmaß erhält, die er ohnehin selbst erwerben könnte, wie W in seiner Niederschrift auch selbst ausgeführt hat.
Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle auch, dass der zuvor zitierte § 30 StVG ausdrücklich festhält, dass Strafgefangene weder mit einer im Strafvollzug tätigen Person noch mit einem in derselben Anstalt angehaltenen Strafgefangenen oder Untersuchungshäftling Geschäfte abschließen dürfen. Strafgefangene dürfen somit weder mit einer im Strafvollzug tätigen Person noch mit anderen Strafgefangenen oder Untersuchungshäftlingen Geschäfte abschließen. § 30 StVG erfasst allerdings tatsächlich nur Strafgefangene, nicht aber die Situation, wenn etwa ein Untersuchungshäftling mit anderen Untersuchungshäftlingen Geschäfte abschließt, was e contrario zulässig ist, ebenso aber nicht, wenn ein in der Justizanstalt tätiger Justizwachebeamter Geschäfte mit einem Untersuchungshäftling abschließt. Verboten ist tatsächlich nur das Abschließen von Geschäften zwischen Strafgefangenen einerseits und Justizwachebeamten bzw. Untersuchungshäftlingen andererseits. Geschäfte zwischen Untersuchungshäftlingen, zwischen Justizwachebeamten und auch zwischen Justizwachebeamten und Untersuchungshäftlingen sind nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht untersagt.
Mangels irgendeiner vorwerfbaren Handlung kann das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht erschüttert werden.
Es besteht daher keine Grundlage zur Annahme einer Dienstpflichtverletzung, weshalb auch keine Voraussetzungen für eine Suspendierung nach § 112 Abs. 1 BDG vorliegen.
Die Ausführungen der Bundesdisziplinarbehörde, wonach die Suspendierung notwendig wäre, weil in der Öffentlichkeit ansonsten Unverständnis herrschen würde, sind gänzlich unbegründet und aus der Luft gegriffen. Die Begründung ist willkürlich gehalten, zumal schon keine Auseinandersetzung mit sämtlichen für den gegenständlichen Sachverhalt relevanten Rechtsbestimmungen erfolgt ist und daher eine Dienstpflichtverletzung nicht ordentlich subsummiert und begründet wurde.
Es besteht gerade kein Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, weshalb der Ausspruch der Suspendierung unzulässig war. …“
Schließlich wird eine mündliche Verhandlung und die ersatzlose Behebung des Suspendierungsbescheides beantragt.
8. Mit Schreiben vom 20.09.2021 legte die Bundesdisziplinarbehörde diese Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am 23.09.2021 einlangten.
9. Mit Verfügung vom 18.10.2021 beraumte das Bundesverwaltungsgericht in der Angelegenheit für den 12.11.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, zu der die Parteien des Verfahrens entsprechend geladen wurden.
10. Am 12.11.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und des Disziplinaranwalts und eine mündliche Verhandlung durch.
Der Beschwerdeführer gab dabei an, die ihm vorgeworfene Übergabe von Zigaretten an den W nie Bestritten zuhaben, nur die Anzahl der Zigarettenstangen stimme nicht. Der W sei ein langjähriger Freund, er habe ihn 1998 kennengelernt, als dieser in Haft war. Im Zuge einer Haft sei dieser als Freigänger auch bei ihm beim Hausbau tätig gewesen. W sei mehrmals in Haft gewesen. Das große Hochwasser 2002 hätte auch den Beschwerdeführer sehr betroffen. Dabei seien ihm W und auch andere sehr behilflich gewesen. Zu all diesen Personen habe sich eine Freundschaft entwickelt. Seitdem sehe er W. alle paar Monate (ca. vierteljährlich), oder wenn sie sich gegenseitig behilflich gewesen seien.
Seiner Erinnerung nach sei W. im Frühjahr dieses Jahres wieder in Haft genommen worden, habe aber zunächst eine elektronische Fußfessel gehabt. Weil er eine Auflage nicht eingehalten habe, sei er wieder in die Haftanstalt verbracht worden. Zum tatrelevanten Zeitpunkt sei er in U-Haft gewesen. In der Haft habe er sich mit W oft unterhalten, weil dieser auch bei ihm in der Anstaltstischlerei tätig gewesen sei. Sie hätten sich außer Samstag und Sonntag jeden Tag gesehen. Aufgrund dieser Gespräche habe er gewusst, dass W zu dieser Zeit finanziell sehr belastet gewesen sei. So habe dieser damals auch noch für zwei Wohnungen zahlen müssen, weil er eine neue Wohnung bezogen, die alte Wohnung aber noch nicht zurückgegeben habe. Er habe W deshalb von sich aus Unterstützung angeboten, wenn er diese benötige. Da habe ihn W ersucht, ihm Zigaretten in die Haftanstalt zu bringen. Der Beschwerdeführer habe ihn gefragt, ob er ihm das Geld auf sein Konto anweisen solle, welches er in der JA habe, damit er sich die Zigaretten selber kaufen könne. W habe dann gesagt, dass es ihm lieber wäre, wenn er ihm gleich die Zigaretten mitbringen würde. In der JA verfüge jeder Insasse über ein eigenes Girokonto. Darauf würden zum einen die Verdienste für Arbeiten verbucht, zum anderen könnten darauf alle Personen, damit auch solche von außerhalb, Beträge überweisen. Bei jenen, die in Strafhaft seien, würde die Hälfte der Löhne auf ein Rücklagekonto zurückgelegt werden, die andere Hälfte dürften sie zum Einkaufen verwenden. Bei U-Häftlingen, für die die Unschuldsvermutung gelte, sei es anders, diese dürften den gesamten Betrag für Einkäufe verwenden. Strafgefangene seien beim Einkauf seines Wissens auf 40 Euro pro Woche beschränkt. Das sei bei U-Häftlingen nicht der Fall, diese könnten unbeschränkt einkaufen. Er habe dann in einer Trafik in K der Verkäuferin gesagt, dass er Zigaretten dieser Marke um 300 Euro kaufen wolle. Er könne nicht mehr sagen, wie viele Stangen es gewesen seien, er habe jedenfalls noch etwas Retourgeld erhalten. Er habe die Zigaretten dann am Wochenende um den 26.06.2021 in die Haftanstalt gebracht, als er diese ca. um 06:15 Uhr betrat. Er könne heute nicht mehr sagen, ob es der Samstag oder der Sonntag gewesen sei. Er habe die Zigaretten im Papiersackerl bei sich gehabt, ob es ein oder zwei Sackerl gewesen seien, könne er nicht mehr sagen. Es seien jedenfalls eher kleine Sackerl gewesen, wie man sie üblicherweise in Trafiken bekomme, deshalb könnten es auch durchaus zwei Sackerl gewesen sein. Er sei dann zuerst in die Garderobe gegangen, habe sich umgezogen, dann habe er die Anstaltsschlüssel und seine Ausrüstung geholt und sei daraufhin in die Frauenabteilung gegangen, um sich auf seinen Dienst vorzubereiten, der um 07:00 beginnt. Im Laufe des Vormittags, die genaue Uhrzeit wisse er nicht mehr, sei er zum Haftraum des W gegangen, um diesem die Zigaretten zu übergeben. Die Hafträume seien bereits geöffnet gewesen, als er zu W gegangen sei, um die Zigaretten zu übergeben. Ob W gerade im Haftraum gewesen sei, wisse er nicht mehr, er habe jedenfalls seinen Namen gerufen und ihm die Zigaretten übergeben. An diesem Wochenende sei es dem Beschwerdeführer bereits schlecht gegangen. Am Montag um 03:00 Uhr früh sei er dann ins Krankenhaus gefahren und dort eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung festgestellt worden. Er sei drei oder vier Tage im Krankenhaus geblieben, bis die Werte wieder gesunken seien. Nach dem Krankenhausaufenthalt sei er in die JA gefahren und wollte die Anstaltsleiterin darüber informieren, dass sich die Ausstattung ihres Büros verzögern würde, weil er noch länger im Krankenstand sein würde. Dabei habe er erfahren, dass in der Angelegenheit gegen ihn eine Untersuchung laufe bzw. sei er zu diesem Zeitpunkt erstmals informiert worden, worum es eigentlich gehe. Die Anstaltsleiterin habe dann noch mit der Generaldirektion telefoniert und ihn davon unterrichtet, dass er vorläufig suspendiert sei. In der Folge habe er den Bescheid der Generaldirektion per Post zugestellt bekommen.
W sei selbst Raucher. Es sei nach wie vor üblich ist, dass Insassen von Betrieben für ihre Arbeit oft Zigaretten als Trinkgeld bekommen würden. Wenn zB. ein Bediensteter sein Auto waschen lasse, gebe auch dieser oft Zigaretten als Trinkgeld. Zigaretten seien früher vielleicht ein Zahlungsmittel gewesen, jetzt sei es so, dass die Beträge für illegale Gegenstände (Handys, Drogen) viel zu hoch wären, um sie mit Zigaretten zu begleichen. Solche Geschäfte würden eher mit überwiesenem Geld abgewickelt werden.
Der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers wies auf die zwischenzeitige Einstellung des gegen den Beschwerdeführer in der Sache eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gem. § 302 StGB hin und legte diesbezüglich eine Kopie der Benachrichtigung der StA Wien vom 29.10.2021 vor. Die Einstellung erfolgte laut dieser Benachrichtigung aus Beweisgründen, weil dem Beschuldigten ein wissentlicher Befugnismissbrauch sowie ein Schädigungsvorsatz nicht nachweisbar waren. Ergänzend wies der rechtliche Vertreter darauf hin, dass § 180a StVG, der den Beschuldigten hier zum Vorwurf gemacht werde, als Verwaltungsstraftatbestand ebenfalls Vorsatz erfordere, welcher lt. StA Wien hier eben nicht vorliege. Darüber hinaus weise er auf § 91 BDG hin, der für die Ahndung von Pflichtverletzungen ein schuldhaftes Verhalten voraussetze. Das sei hier ebenfalls nicht gegeben. Seiner Ansicht nach sei dem Bescwherdeführer hier nicht einmal Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil es auch keine konkreten Schulungen oder andere Informationen für allenfalls vorliegende Wertgrenzen von Geschenken an U-Häftlinge gebe. Die in der Beschwerde zitierten 100 Euro bei Strafgefangenen ergäben sich lediglich aus einem in einem Kommentar erwähnten Urteil.
In weiterer Folge wurden die rechtlichen Ausführungen in der Beschwerde verlesen, worin im Wesentlichen auf die Bestimmung des § 30 StVG hingewiesen wird, welche eine rechtliche Ausnahme vom Geschenkverbot von § 180a darstelle. Darüber hinaus werde geltend gemacht, dass die Situation betreffend U-Häftlinge wesentlich besser sein müsse, als bei Strafgefangenen, was sich aus § 182 StPO ergäbe.
Auf Vorhalt, dass fraglich sei, ob gegenständlich tatsächlich von einer Ausnahme gem. § 30 Abs. 3 StVG ausgegangen werden könne, weil diese Bestimmung eine Genehmigung der Anstaltsleitung oder eines von dieser dazu ermächtigten unmittelbar aufsichtsführenden Strafvollzugsbediensteten voraussetze, gab der Beschwerdeführer an, dass er grundsätzlich keine Gegenstände eingebracht hätte, die es nicht auch in der JA zu kaufen gebe. Darüber hinaus sei es seit eh und je üblich, dass Insassen der JA auch für erledigte Arbeiten Geschenke wie Zigaretten bekommen würden. Er sei daher davon ausgegangen, dass er nicht gegen Gesetze verstoßen würde, wenn ich dem Insassen W. Zigaretten bringe, die er auch in der Haftanstalt kaufen könne. Er wolle noch einmal darauf hinweisen, dass es sich dabei wirklich um Zigaretten gehandelt habe. Diese seien im Übrigen auch sichergestellt worden. Wenn er gewusst hätte, dass es allenfalls rechtswidrig sei, eine derartige Menge an Zigaretten zu übergeben, hätte ich sich anders verhalten. Er hätte ihm ja auch immer wieder ein Päckchen geben können. Er sei überzeugt, dass der Insasse W. solche Geschenke auch verdient hätte, weil er Arbeiten gemacht habe, die kein anderer konnte, und zwar als Handwerker für die JA, aber auch für andere.
Der Disziplinaranwalt brachte vor, dass er den Zweck der Bestimmung des § 180a StVG darin sehe, zu verhindern, dass illegale Gegenstände in die JA gebracht würden. Dementsprechend könne die Ausnahme in § 30 StVG nur jene Geschenke betreffen, die einer entsprechenden Kontrolle unterliegen, indem sie eine Genehmigung der Anstaltsleitung bedürfen. Zum Vorbringen des rechtlichen Vertreters betreffend die Schuldkomponente weise er darauf hin, dass eine Dienstpflichtverletzung kein vorsätzliches Handeln erfordere. Hier werde auch nicht über die Verwaltungsstraftat des § 180a abgesprochen, sondern sei lediglich zu prüfen, ob ein Verstoß gegen diese Bestimmung vorliege. Für Dienstpflichtverletzungen reiche fahrlässiges Handeln. Vor dem Hintergrund der fast 30jährigen Dienstzeit gehe er davon aus, dass dem Beschwerdeführer grundsätzlich bekannt sein musste, dass derartige Schenkungen an U-Häftlinge rechtswidrig seien.
Der rechtliche Vertreter entgegnete, dass seiner Ansicht nach hier nicht einmal Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, weil, wie der Beschwerdeführer berichtet habe, durchaus von einem Konsens der Anstaltsleitung auszugehen sei, wenn es bisher immer üblich gewesen sei, Insassen Geschenke zu machen. Der Beschwerdeführer ergänzte, dass es niemals entsprechende Schulungen gegeben habe. Geschenke an Insassen seien durchaus üblich und auch gestattet gewesen. Selbst die einzelnen Organwalter hätten den Insassen Geschenke gegeben, wenn diese gute Arbeit verrichtet haben. Er sei auch überzeugt, dass ihm sogar im konkreten Fall gestattet worden wäre, dem W Zigaretten zu schenken, wenn er gefragt hätte. Er finde die Konsequenz in seinem Fall schwer überzogen. Er habe in seiner Stellungnahme ausdrücklich festgestellt, dass er die Konsequenzen trage, wenn er hier tatsächlich rechtswidrig gehandelt haben sollte. Aber jetzt sei er schon beinahe 5 Monate nicht mehr in der Arbeit gewesen, weil er suspendiert sei. Er sehe auch nicht ein, welchen Zweck seine Suspendierung haben sollte. Ich habe seine Arbeit immer zur Zufriedenheit erledigt. W sei mittlerweile auch in eine andere Anstalt verlegt worden. Deshalb sei ihm nicht klar, weshalb er nicht arbeiten dürfe.
Der Disziplinaranwalt brachte abschließend vor, dass er auf Grundlage des vorliegenden Sachverhalts von einem ausreichend begründeten Verdacht der Begehung einer Dienstpflichtverletzung ausgehe. Seiner Ansicht würden auch die weiteren Voraussetzungen für eine Suspendierung nach § 112 BDG hier vorliegen. Insbesondere erscheine ihm die Suspendierung notwendig, um einen weiteren Schaden für das Ansehen des Amtes der Justizwachebeamten in der Öffentlichkeit zu verhindern. Daher stelle er den Antrag die Beschwerde abzuweisen und den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde zu bestätigen.
Der rechtliche Vertreter entgegnete, dass seiner Ansicht das Ansehen des Berufsstandes der Vollzugsbeamten durch die den BF vorgeworfene Tat in keiner Weise beschädigt werde, weshalb auch kein dienstliches Interesse an einer Suspendierung bestehen könne. Der BF sei ein verdienstvoller Beamter, er habe alles sofort eingestanden und zudem in vollster Überzeugung gehandelt, dass die ihm zum Vorwurf gemachte Übergabe von Zigaretten nicht rechtswidrig sei. Wie sich herausgestellt habe, bestehe in der JA grundsätzlich die Möglichkeit, Geschenke in kleinerem Ausmaß zu machen, was auch immer wieder passiere. Wenn hier nun zum Vorwurf gemacht werde, dass das vom Beschwerdeführer Übergebene einen zu hohen Wert gehabt hätte, dann sei damit aber jedenfalls kein Schaden für das Ansehen des Amtes verbunden, und zwar auch dann nicht, wenn es der Allgemeinheit bekannt werden würde. Insbesondere auch deshalb, weil es sich hier um Gegenstände gehandelt habe, die generell auch in der JA ohne Limit erworben werden könnten. Er stelle daher den Antrag auf ersatzlose Aufhebung des gegenständlichen Bescheides.
Der Beschwerdeführer ersuchte, ihm die Möglichkeit zu geben, wieder arbeiten zu dürfen. Im Übrigen schließe er sich den Ausführungen seines Anwaltes an.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Es besteht der begründete Verdacht, dass der Beschwerdeführer als Vollzugswachebeamter am Vormittag des 26.06.2021 zwischen 5 und 18 Stangen der Marke „Chesterfield rot 100“ in die Justizanstalt XXXX verbracht und dort unerlaubt an den Untersuchungshäftling W, übergeben hat.
Das von der StA Wien gegen den Beschwerdeführer in derselben Angelegenheit wegen § 302 StGB geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde laut Benachrichtigung vom 29.10.2021 zwischenzeitig aus Beweisgründen eingestellt, weil dem Beschuldigten ein wissentlicher Befugnismissbrauch sowie ein Schädigungsvorsatz nicht nachweisbar waren.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt 1. dargelegte Sachverhalt, auf den sich der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers gründet, ergibt sich unmittelbar aus der vorliegenden Aktenlage sowie aus den Aussagen des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Konkret ergibt sich der Verdacht
- aus den vom RevInsp L angefertigten Aktenvermerk (AS 9), worin dieser angibt, dass ihm 29.06.2021 von einem Insassen mitgeteilt worden sei, dass der Untersuchungshäftling W am 26.06.2021 18 Stangen Zigaretten vom Beschwerdeführer übergeben bekommen und er selbst an diesem Tag gesehen habe, dass der Beschwerdeführer mit zwei Papiertüten voller Zigarettenstangen in die JA gekommen sei;
- aus der am selben Tag stattgefundenen Durchsuchung des Haftraums des W, wobei sechs Stangen Zigaretten der Marke Chesterfield sichergestellt wurden (Meldung vom 29.06.2021 samt Foto der sichergestellten Zigaretten, AS 13 -15);
- aus den niederschriftlichen Zeugenaussagen des Insassen W, der am 29.06.2021 angab, dass er die Zigaretten vom Beschwerdeführer erhalten habe (AS 17);
- aus den niederschriftlichen Zeugenaussagen des Insassen H, der angab, dass er am 26.06.2021 am frühen Vormittag den Beschwerdeführer in der Frauenabteilung, wo sie untergebracht seien, gesehen und dieser nach W gerufen und zwei Papiertragtaschen voll mit Zigaretten in der Hand gehabt habe. Es habe sich dabei um 15 bis 18 Stangen gehandelt (AS 29);
- aus den niederschriftlichen Zeugenaussagen des Insassen D, der die Angaben des Insassen H bestätigte. Er könne nicht genau angeben, wie viele Stangen es gewesen seien, aber nach seiner Schätzung seien es jedenfalls mehr als zehn gewesen (AS 31);
Und schließlich hat auch der Beschwerdeführer die Tat zu keinem Zeitpunkt bestritten. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat er sowohl die Tathandlung als auch seine Beweggründe offen und ausführlich geschildert. Bestritten wird von ihm lediglich die zum Vorwurf gemachte Menge an Zigarettenstangen. Er könne sich zwar nicht mehr an die konkrete Anzahl erinnern, habe jedoch lediglich um den Betrag von 300 € eingekauft, was einer Menge von fünf bis sechs Stangen entsprechen würde. Dies würde auch mit der im Haftraum des W sichergestellten Menge von sechs Stangen übereinstimmen. Da die Durchsuchung jedoch erst drei Tage nach der Übergabe stattgefunden hat, kann aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass es ursprünglich mehr als sechs Stangen gewesen sind. Dazu kommen noch die Zeugenaussagen der Insassen H und D, die 15 bis 18 Stangen bzw. mehr als zehn Stangen wahrgenommen haben wollen.
Die Feststellung betreffend die Einstellung des in der Angelegenheit gegen den Beschwerdeführer geführten strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens ergibt sich aus der in der Verhandlung vorgelegten schriftlichen Benachrichtigung der StA Wien.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der gegebenen Verdachtslage steht aufgrund der Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.
Zu A)
1. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 153/2020 (BDG 1979) maßgeblich:
Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
(3) Der Beamte hat die Parteien, soweit es mit den Interessen des Dienstes und dem Gebot der Unparteilichkeit der Amtsführung vereinbar ist, im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben zu unterstützen und zu informieren.
Suspendierung
§ 112. (1) Die Dienstbehörde hat die vorläufige Suspendierung einer Beamtin oder eines Beamten zu verfügen,
1. wenn über sie oder ihn die Untersuchungshaft verhängt wird oder
2. wenn gegen sie oder ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts vorliegt und sich die Anklage auf die Tatbegehung ab dem 1. Jänner 2013 bezieht oder
3. wenn durch ihre oder seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihr oder ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.
Im Falle eines Strafverfahrens gegen eine Beamtin oder einen Beamten hat das Strafgericht die zuständige Dienstbehörde zum frühestmöglichen Zeitpunkt über die Verhängung der Untersuchungshaft oder vom Vorliegen einer rechtskräftigen Anklage zu verständigen.
(2) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde hat diese bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.
(3) Der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt steht gegen die Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde, gemäß Abs. 2 keine Suspendierung zu verfügen, und gegen die Aufhebung einer Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde das Recht der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu.
(4) Jede Suspendierung, auch eine vorläufige, hat die Kürzung des Monatsbezuges der Beamtin oder des Beamten auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Für die Dauer der vorläufigen Suspendierung erfolgt eine Auszahlung ohne Kürzung. Nach Verfügung der Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde nach Abs. 2 oder durch das Bundesverwaltungsgericht nach Abs. 3 ist der über die gekürzten Bezüge hinausgehend ausbezahlte Betrag unter sinngemäßer Anwendung des § 13a Abs. 2 bis 4 GehG hereinzubringen. Die Dienstbehörde, ab Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde diese, hat auf Antrag der Beamtin oder des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung zu vermindern oder aufzuheben, wenn und soweit das monatliche Gesamteinkommen der Beamtin oder des Beamten und ihrer oder seiner Familienangehörigen, für die sie oder er sorgepflichtig ist, die Höhe des Mindestsatzes im Sinne des § 26 Abs. 5 PG 1965 nicht erreicht.
(5) Nimmt die Beamtin oder der Beamte während der Suspendierung eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung auf oder weitet eine solche aus oder übt sie oder er während der Suspendierung eine unzulässige Nebenbeschäftigung aus, erhöht sich die Kürzung des Monatsbezugs gemäß Abs. 4 um jenen Teil, um den ihre oder seine Einkünfte aus dieser Nebenbeschäftigung ein Drittel ihres oder seines Monatsbezugs übersteigen. Zu diesem Zweck hat die Beamtin oder der Beamte unverzüglich ihre oder seine Einkünfte aus dieser Nebenbeschäftigung bekannt zu geben. Kommt sie oder er dieser Pflicht nicht nach, so gilt der ihrer oder seiner besoldungsrechtlichen Stellung entsprechende Monatsbezug als monatliches Einkommen aus der Nebenbeschäftigung.
(6) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung der Beamtin oder des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Bundesdisziplinarbehörde unverzüglich aufzuheben.
(7) Die Beschwerde gegen eine (vorläufige) Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung.
(8) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam.
Einstellung des Disziplinarverfahrens
§ 118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
(2) Das Disziplinarverfahren gilt als eingestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.
(3) Die Dienstbehörde ist von der Einstellung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu verständigen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, StVG, BGBl. Nr. 144/1969 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 799/1993, lauten:
Geschäfts- und Spielverbot
§ 30. (1) Die Strafgefangenen dürfen weder mit einer im Strafvollzug tätigen Person noch mit einem in derselben Anstalt angehaltenen Strafgefangenen oder Untersuchungshäftling Geschäfte abschließen.
(2) Die Strafgefangenen dürfen sich an Lotteriespielen und anderen Spielen um einen Einsatz nicht beteiligen.
(3) Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt und davon keine Gefährdung der Ordnung des Strafvollzuges zu befürchten ist, dürfen die Strafgefangenen Nahrungs- und Genußmittel geringen Wertes als Geschenk annehmen; die Entscheidung darüber steht dem Anstaltsleiter oder dem von ihm hiezu ermächtigten unmittelbar aufsichtführenden Strafvollzugsbediensteten zu.
Bezug von Bedarfsgegenständen
§ 34. (1) Die Strafgefangenen sind berechtigt, unbeschadet der §§ 112 Abs. 2 und 114 Abs. 2 einmal in der Woche auf eigene Kosten vom Anstaltsleiter zugelassene Nahrungs- und Genußmittel sowie Körperpflegemittel und andere einfache Gegenstände des täglichen Bedarfs durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen. Berauschende Mittel dürfen nicht zugelassen werden, alkoholhältige Körperpflegemittel nur, soweit ein Mißbrauch nicht zu besorgen ist.
(2) Nach der Aufnahme oder einer Strafvollzugsortsänderung ist jedem Strafgefangenen alsbald ein Erstbezug solcher Bedarfsgegenstände in angemessenem Umfang, auch unter Verwendung seines Eigengeldes, zu ermöglichen. Soweit der Strafgefangene nicht selbst über entsprechende Geldmittel verfügt, ist ihm auf sein Ansuchen ein Vorschuß bis zum Doppelten der Arbeitsvergütung je Stunde in der höchsten Vergütungsstufe zu gewähren, der durch Einbehaltung angemessener Teilbeträge vom Hausgeld auszugleichen ist.
Unerlaubter Verkehr mit Gefangenen
§ 180a. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 1 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 2 000 Euro zu bestrafen, wer vorsätzlich in ungesetzlicher Weise
1. mit einer Person, die sich in vorläufiger Verwahrung oder in ordentlicher Untersuchungshaft befindet, mit einem Strafgefangenen oder einem in einer Justizanstalt zum Vollzug einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme Untergebrachten schriftlich oder mündlich verkehrt oder sich auf andere Weise verständigt oder
2. Geld oder Gegenstände einer der in der Z 1 bezeichneten Personen übermittelt oder von einer solchen Person empfängt.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Strafvollzugsbediensteten sind zur Feststellung der Identität einer bei einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 auf frischer Tat betretenen Person ermächtigt. Die Bestimmungen des § 35 Abs. 2 und 3 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991, gelten sinngemäß.
(4) Ist die Identität einer bei einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 auf frischer Tat betretenen Person nicht feststellbar, so dürfen die Strafvollzugsbediensteten die Person zum Zweck ihrer unverzüglichen Vorführung vor die Behörde (Abs. 5) festnehmen, soweit diese Maßnahme zu Art und Gewicht der Verwaltungsübertretung nicht außer Verhältnis steht.
(5) Die Untersuchung und Bestrafung der Verwaltungsübertretung steht der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, aber der Landespolizeidirektion zu.
2. Allgemeine Voraussetzung für eine (vorläufige) Suspendierung im Sinne des BDG 1979 ist, dass schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt werden. Es genügt im Sinne der Rechtsprechung des VwGH ein entsprechend konkreter Verdacht („begründeter Verdacht“ iSd § 109 Abs. 1 BDG); die Dienstpflichtverletzung muss zum Zeitpunkt der Suspendierung auch noch nicht nachgewiesen sein (VwGH 20.11.2001, 2000/09/0133; 29.11.2002, 95/09/0039; 4.9.2003, 2000/09/0202). Bei einem konkreten Verdacht handelt es sich um „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte“, aus denen nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann (VwGH 27.6.2002, 2001/09/0012; 29.4.2004, 2001/09/0086; 16.9.2009, 2009/09/0121).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z.B. bei schwerer Belastung des Betriebsklimas. Für eine Suspendierung sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite erforderlich (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 21. 4. 2015, Ro 2015/09/0004, mit umfangreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur).
Eine Suspendierung ist aber dann unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen oder lediglich bloße Gerüchte und vage Vermutungen vorliegen. Es müssen vielmehr greifbare Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die für eine Suspendierung geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen (vgl. dazu VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0035, mwN). Verschulden bzw. die Strafbemessung sind - anders als im nachfolgenden Disziplinarverfahren - im Suspendierungsverfahren nicht zu beurteilen (VwGH 30.06.2004, 2001/09/0133).
3. Nach dem hier einschlägigen § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 war im Gegenstand daher zu prüfen, ob eine begründete Verdachtslage hinsichtlich der Begehung von Dienstpflichtverletzungen vorliegt und diese wegen ihrer Art das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung des Beschwerdeführers im Dienst gefährden.
Im konkreten Fall wird dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht, er habe in rechtswidriger Weise dem Untersuchungshäftling W Gegenstände übermittelt, indem er diesen am Vormittag des 26.06.2021 mehrere Zigarettenstangen in der JA übergab und damit gegen die oben zitierte Bestimmung des § 180a Abs. 1 Z 2 StVG verstoßen. Es bestehe damit der begründete Verdacht, dass der Beschwerdeführer mit diesem Verhalten gegen die in § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 normierten Dienstpflichten (die dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu besorgen, und alles zu unterlassen, was das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben verletzten könnte) verstoßen hat.
Wie oben ausgeführt, wird die Tathandlung selbst vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Es wird jedoch eingewendet, dass es sich bei den gegenständlichen Zigaretten um Gegenstände handeln würde, welche Strafgefangene und Untersuchungshäftlinge im Zuge ihrer wöchentlichen Einkäufe in der JA auch selbst erwerben könnten. Darüber hinaus ergebe sich aus § 30 Abs. 3 StVG, dass es selbst bei Strafgefangenen kein generelles Schenkungsverbot betreffend Nahrungs- und Genussmittel geben würde, weil diese Bestimmung solche Geschenke geringen Werts ausdrücklich erlaube. Darüber hinaus müssten bei Untersuchungshäftlingen diesbezüglich auch höhere Wertgrenzen gelten, weil für diese die Unschuldsvermutung gelte und aufgrund ausdrücklicher Anordnung des § 182 Abs. 2 StPO das Leben in Untersuchungshaft den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden soll und Beschränkungen nur insoweit auferlegt werden dürfen, als dies gesetzlich zulässig und zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhalten der Sicherheit und Ordnung der Justizanstalt notwendig sei. Und selbst wenn die Übergabe der Zigarettenstangen an den Untersuchungshäftling W aufgrund der Höhe ihres Wertes rechtswidrig gewesen wäre, könne dem Beschwerdeführer deshalb kein vorsätzlicher Verstoß gegen die Bestimmung des § 180a StVG unterstellt werden, weil das Schenken von Zigaretten an Insassen für gut geleistete Arbeiten generell üblich sei und geduldet sei, und es auch keine Schulungen oder Bestimmungen hinsichtlich allfälliger Wertgrenzen geben würde.
Dem Kommentar Drexler/Weger, StVG4 § 30 (Stand 1.5.2018, rdb.at) ist zu § 30 Abs. 3 StVG Folgendes zu entnehmen:
„Aus Abs. 3 darf e contrario nicht ein generelles Schenkungsverbot an Strafgefangene abgeleitet werden. Es stellt vielmehr eine Ausnahme von dem in Abs. 1 festgelegten Geschäftsverbot dar und bezieht sich daher nur auf Zuwendungen des dort umschriebenen Personenkreises. Anlass hierfür kann etwa eine kleine persönliche Belohnung (neben dem, dem Insassen zustehenden Arbeitsentgelt) für geleistete Insassenarbeit oder mildtätige Geschenke der Anstaltsseelsorger aus Anlass religiöser Feste sein. Geringwertige Nahrungs- und Genussmittel sind solche, deren Wert den Gegenwert einiger Zigarettenpackungen nicht übersteigt. € 100,- sind kein geringer Wert (LGSt Graz 1 Bl 16/14b). Das Gesetz legt nicht fest, wie oft solche Geschenke angenommen werden dürfen. Die Geschenke können sowohl von im Strafvollzug tätigen Personen als auch von anderen Strafgefangenen kommen. Von Dritten können Geschenke in unbegrenzter Höhe und jeglicher Art, Nahrungs- und Genussmittel allerdings nur im Rahmen des letzten Satzes des § 132 Abs 2, angenommen werden. Angenommene Geschenke sind nach § 41 Abs 1 zu behandeln. Die Annahme geringwertiger Geschenke in Form von Nahrungs- und Genussmitteln ist nur zulässig, wenn zuvor die erforderliche Zustimmung eingeholt wurde. Dies trifft auch zu, wenn die Geschenke von der Anstalt beigestellt wurden (VwGH 2191/75).“
Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer zunächst insofern Recht zu geben, als aus § 30 Abs. 3 StVG abgeleitet werden kann, dass es auch den im Strafvollzug tätigen Personen nicht grundsätzlich verboten ist, einem Strafgefangenen Genussmittel – wie eben auch Zigaretten – zumindest in geringem Wert zu schenken. Es sind auch keine Umstände erkennbar, weshalb entsprechendes nicht auch für Untersuchungshäftlinge gelten sollte, jedenfalls solange solche Geschenke nicht im Widerspruch zu einer zur Erreichung des Haftzwecks auferlegten Beschränkung steht. Gemäß § 182 Abs. 4 StPO sind auf den Vollzug der Untersuchungshaft die Bestimmungen über den Vollzug von Freiheitstrafen, deren Strafzeit 18 Monate nicht übersteigt, dem Sinn nach anzuwenden.
Dennoch bleibt der Umstand, dass gemäß § 30 Abs. 3 letzter Satz StVG selbst bei solchen Geschenken geringen Werts die Entscheidung darüber dem Anstaltsleiter oder dem von ihm hiezu ermächtigten unmittelbar aufsichtführenden Strafvollzugsbediensteten zusteht. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren weder behauptet, dass ihm im konkreten Fall eine solche Genehmigung der Anstaltsleitung erteilt worden sei, noch hat er geltend gemacht, allenfalls selbst von der Anstaltsleitung für solche Entscheidungen ermächtigt worden zu sein. Zudem könnte wohl schon bei sechs Stangen Zigaretten nicht mehr von einem Geschenkt geringen Werts gesprochen werden. Es bleibt daher der begründete Verdacht, dass der Beschwerdeführer mit der ihm hier zum Vorwurf gemachten, in Ausübung seines Dienstes als Justizwachebeamter gesetzten Tathandlung in objektiver Hinsicht gegen die Bestimmung des § 180a Abs. 1 Z 2 StVG verstoßen und damit auch seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 verletzt hat.
Der Bundesdisziplinarbehörde ist in weiterer Folge auch dahingehend Recht zu geben, dass im konkreten Fall ein besonderer Funktionszusammenhang vorliegt, weil sich eine solche Handlung gerade gegen jene Rechtnormen richtet, für deren Vollzug der Beschwerdeführer als Justizwachebeamter in Ausübung seines Dienstes verantwortlich ist. Schon alleine aus diesem Grunde wäre zumindest in objektiver Hinsicht von einer nicht unbeträchtlichen Schwere einer solchen Dienstpflichtverletzung auszugehen. Darüber hinaus ist auch nicht