TE Bvwg Beschluss 2021/11/23 W156 2245547-1

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Entscheidungsdatum

23.11.2021

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W156 2245547-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin in der Beschwerdesache der XXXX ges.m.b.H, vertreten durch die Sommer & Zarits Steuerberatungs GmbH, in 7000 Eisenstadt, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Burgenland, vom 08.06.2021, GZ: XXXX , beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (im Folgenden: belangte Behörde) vom 08.06.2021 wurde ausgesprochen, dass die XXXX ges.m.b.H (im Folgenden: Beschwerdeführerin, kurz BF) verpflichtet sei, wegen Nichteinhaltung der Vorlagefristen für die monatlichen Beitragsgrundlagenmeldungen gemäß § 34 Abs. 2 ASVG einen Säumniszuschlag in der Höhe von EUR 840,00 zu entrichten.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde ausgeführt, dass gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden könne. Die Frist zur Erhebung betrage vier Wochen und beginne mit dem Tag der Zustellung des Bescheids zu laufen.

2. Der angeführte Bescheid wurde auf Grund der im Akt dokumentierten Übernahmebestätigung am 11.06.2021 an die BF zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit 06.07.2021 datierte Beschwerde. Die von der BF eingebrachte Beschwerde weist den Poststempel vom 12.07.2021 auf.

4. Am 18.08.2021 einlangend legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Mit Schreiben vom 12.10.2021 (eingelangt am 18.10.2021), hielt das Bundesverwaltungsgericht der BF die festgestellte Verspätung vor und gewährte die Möglichkeit einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens.

6. Am 28.10.2021 langte die Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein, indem die BF durch ihre Rechtsvertretung Einspruch gegen den Verspätungsvorhalt einlegte und darin zusammengefasst ausführte, dass die gegenständliche Beschwerde am 08.07.2021 zur Post aufgegeben worden wäre. Im Allgemeinen werde die tägliche Post der Rechtsvertretung zur Poststelle der Wirtschaftskammer XXXX gebracht, wo auch die Kanzlei eingemietet sei. Die zu versendenden Poststücke würden jeden Tag von der Post abgeholt werden. Die Bestätigungen über die Aufgabe der Poststücke (bei eingeschriebenen Poststücken) würden dann am nächsten Arbeitstag an die Rechtsvertretung retourniert werden. Hätte die Abholung der gegenständlichen Beschwerde daher durch die Post am 08.07.2021 stattgefunden, hätte der Postbedienstete auf jeden Fall diese Eingabe mit 09.07.2021 übernommen. Es sei jedoch unerklärlich, weshalb als Aufgabedatum der 12.07.2021 vermerkt worden wäre. Die Rechtsvertretung würde diesen Service der Post bereits seit etwa siebzehn Jahren ohne derartige Probleme nutzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angefochtene Bescheid wurde am 11.06.2021 nachweislich durch Übernahme zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist begann daher an diesem Tag zu laufen und endete am 09.07.2021.

Die fallgegenständliche Beschwerde wurde am 06.07.2021 verfasst und am 08.07.2021 zur Poststelle der Wirtschaftskammer gebracht, in welcher sich die Kanzlei der Rechtsvertretung befindet.

Das Kuvert der Sendung, mit der Beschwerde erhoben wurde, trägt ein Klebeetikett mit dem Datumsstempel der Post vom 12.07.2021. Die Beschwerde langte am 13.07.2021 bei der belangten Behörde ein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsaktes.

Es wird durch die BF nicht bestritten, dass der Bescheid am 11.06.2021 ordnungsgemäß zugestellt wurde und die Frist zur Beschwerde am 09.07.2021 endete.

Die Abholung des Beschwerdeschriftsatzes durch die Poststelle der Wirtschaftskammer am 08.07.2021 ergibt sich aus dem der Stellungnahme vom 28.10.2021 beigelegten Auszug des Postausgangsbuches (Einschreibenummer: XXXX ).

Dass die Beschwerde erst am 12.07.2021 von der Post in Bearbeitung übernommen wurde ergibt sich aus dem im Akt ersichtlichen Datumsstempel der Post sowie aus dem auf der Homepage ersichtlichen Sendungsdetails zur Einschreibenummer XXXX , wonach die Postaufgabe am 12.07.2021 um 14:00 erfolgte.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A): Zurückweisung der Beschwerde:

Den Feststellungen zufolge wurde der beschwerdegegenständliche Bescheid der BF am 11.06.2021 zugestellt.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde beträgt – wie auch in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides richtig angeführt – gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG vier Wochen. Im gegenständlichen Fall begann die Frist zur Erhebung einer Beschwerde daher mit der rechtswirksamen Zustellung des Bescheids am Freitag, den 11.06.2021, zu laufen und endete gemäß § 32 Abs. 2 AVG am Freitag, den 09.07.2021.

Strittig ist, ob die am 06.07.2021 verfasste und mit Poststempel vom 12.07.2021 versehene Beschwerde als fristgerecht eingebracht zu beurteilten ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten (VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich bereits aus der Aktenlage, dass kein Zustellmangel vorliegt, zumal der Bescheid laut der im Akt ersichtlichen Übernahmebestätigung am 11.06.2021 durch eine Mitarbeiterin der BF übernommen wurde. Ein Zustellmangel wird auch von der BF nicht behauptet. Die dagegen erhobene Beschwerde wäre somit rechtzeitig, wenn sie am letzten Tag der Frist, dem 09.07.2021 mit der Wirkung des Beginns des Postlaufes zur Post gegeben wurde.

Der Stellungnahme vom 27.10.2021 zu Folge wurde die Beschwerde laut dem beiliegenden Postausgangsbuches am 08.07.2021 zur Poststelle der Wirtschaftskammer gegeben, wo sich auch die Kanzlei der Rechtsvertretung befindet. Die Rechtsvertretung der BF bringt dazu vor, dass die zu versendenden Poststücke jeden Tag von der Post abgeholt und die Bestätigungen über die Aufgabe der Poststücke am nächsten Arbeitstag retourniert werden. Der Postbedienstete hätte die Eingabe somit am 09.07.2021 übernommen, weshalb es unerklärlich erscheine, weshalb durch die Post das Aufgabedatum mit 12.07.2021 vermerkt worden wäre.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass für den Beginn des Postlaufes maßgeblich ist, wann das Schriftstück von der Post „in Behandlung“ genommen wird (vgl. VwGH vom 25.3.1994, 92/17/0298).

Zur Feststellung dieses Zeitpunktes ist grundsätzlich der von der Post angebrachte Datumsstempel als Beweismittel heranzuziehen. (vgl VwSlg 6086 A/1963; 15.462 A/2000; VwGH 2003/18/0034; 2009/18/0110; 2013/11/0178). Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der Poststempel mit 12.07.2021 versehen worden ist.

Der Gegenbeweis ist jedoch zulässig (vgl § 47 AVG iVm § 292 Abs. 2 ZPO). Durch lediglich allgemeine Behauptungen, wenn die Partei also den Erhebungsergebnissen weder konkrete gegenteilige Sachverhaltsbehauptungen (die näheren Umstände der Postaufgabe betreffend) entgegensetzt noch entsprechende Beweisanträge stellt, wird dieser Gegenbeweis aber weder versucht noch erbracht (VwGH 95/10/0206; 94/09/0300).

Fallgegenständlich bezog sich das Vorbringen der Rechtsvertretung der BF in ihrer Stellungnahme vom 27.10.2010 nur darauf, dass aufgrund der Aufzeichnungen in der Kanzlei (Postausgangsbuch) der Beschwerdeschriftsatz am 08.07.2021 zur Poststelle der Wirtschaftskammer gegeben worden sei, wo auch die Kanzlei der Rechtsvertretung eingemietet ist. Da damit lediglich Beweismittel dafür angeboten wurden, dass die Beschwerde bereits an diesem Tag "zur Post gegeben" worden sei, betreffen die angebotenen Beweise nicht die Frage, wann das Schriftstück von der Post „in Behandlung“ genommen wurde. Ebenso vermag laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorbringen, zu welchem Zeitpunkt laut "Postausgangsbuch" des anwaltlichen Vertreters die Postaufgabe erfolgte, nichts an diesbezüglichem Umstand zu ändern, weil dieses Beweismittel überhaupt nicht die (maßgebliche) Frage betrifft, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wurde (VwGH 2003/18/0034).

Der nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für berufliche rechtskundige Parteienvertreter - wie auch den Vertreter der BF - gebotene strenge Sorgfaltsmaßstab hätte es erforderlich gemacht, dass sich dieser vergewissert hätte, dass die übernommenen Poststücke tatsächlich auch zur Post gegeben wurden. Dass dies erfolgt sei, wird von der Rechtsvertretung nicht vorgebracht.

Es ist daher auch nach Würdigung des Vorbringens der BF die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.

In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, Zl. 2010/07/0111, mwN) (VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159).

Die BF hat keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde beantragt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auch nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG).

Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Eine mündliche Verhandlung konnte somit gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

§ 32 Abs. 2 AVG trifft eine klare Regelung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist rechtswirksame Zustellung Verspätung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2245547.1.00

Im RIS seit

12.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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