Entscheidungsdatum
26.11.2021Norm
BDG 1979 §123 Abs1Spruch
W136 2245510-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch MANDL & MITTERBAUER Rechtsanwälte GmbH, gegen den Beschluss der Bundesdisziplinarbehörde vom 09.07.2021, GZ 2020-0.768.710-21, betreffend die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Zuletzt wurde er in der Zustellbasis XXXX im Zustelldienst als Zusteller in einem Gleitzeitdurchrechnungsmodel auf einem Zustellrayon, der mit einem Dienst-KFZ zu bedienen ist („Fahrzeug-Rayon“), eingesetzt.
2. Mit aufgrund der Disziplinaranzeige vom 22.09.2020 gefasstem Einleitungsbeschluss der Bundesdisziplinarbehörde vom 11.01.2021, GZ 2020-0.768.710-3, wonach der BF im Verdacht steht, sein Dienstfahrzeug am 11.09.2020 in alkoholisiertem Zustand (0,66%o) gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben wurde er von seinem „Fahrzeug-Rayon“ abgezogen und mit Wirksamkeit vom 16.09.2020 auf den einzig in der Nähe zur Verfügung stehenden „Fuß-Rayon“ in XXXX zugeteilt.
3. Diesen Dienst trat der BF nicht an und meldete sich mit Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 15.09.2020 zunächst bis einschließlich 31.10.2020 krank.
4. Bei den daraufhin am 22.09.2020 und 15.10.2022 auf Anordnung der Dienstbehörde durchgeführten ärztlichen Untersuchungen bei dem Kontrollarzt der Dienstbehörde (Dr. XXXX , in der Folge Dr. K) wurde die Dienstunfähigkeit des BF zunächst bestätigt.
5. Nachdem der Krankenstand des BF am 02.11.2020 in weiterer Folge bis 13.12.2020 verlängert wurde, erfolgte am 10.11.2020 auf Anordnung der Dienstbehörde eine fachärztliche Untersuchung bei Dr. XXXX (in der Folge, Dr. Z). Aus dem daraus folgenden Gutachten vom 27.11.2020 ergibt sich, dass der BF – mit Ausnahme der Fahrtauglichkeit, für deren Feststellung weitere Untersuchung erforderlich wären – voll dienstfähig sei.
6. Am 14.12.2020 trat der BF seinen Dienst wieder nicht an, sondern legte eine weitere ärztliche Bescheinigung vor, wonach der Krankenstand bis voraussichtlich 24.01.2021 verlängert werde.
7. Daraufhin wurde eine weitere ärztliche Untersuchung am 18.12.2020 beim Kontrollarzt der Dienstbehörde angeordnet, bei der nunmehr ebenfalls die Dienstfähigkeit bestätigt wurde.
8. Mit Schreiben der Dienstbehörde vom 18.12.2020 wurde der BF sodann unter Hinweis auf das Ergebnis der (fach-)ärztlichen Untersuchungen vom 18.12.2020 und vom 10.11.2020 zum Dienstantritt am 21.12.2020 aufgefordert. Dieser dem BF rechtzeitig zugegangenen Dienstantrittsaufforderung ist er wiederum nicht nachgekommen.
9. Nachdem der Krankenstand am 25.01.2021 noch einmal bis voraussichtlich 07.03.2021 verlängert wurde, ordnete die Dienstbehörde eine weitere ärztliche Untersuchung bei dem Kontrollarzt der Dienstbehörde am 29.01.2021 an, bei der die Dienstfähigkeit abermals bestätigt wurde.
10. Am 24.02.2021 erstattete die Österreichische Post AG, Personalamt XXXX , als zuständige Dienstbehörde folgende Disziplinaranzeige (als Nachtrag zur Disziplinaranzeige vom 22.09.2020 vgl. oben Punkt 2.), GZ 400260-02/2021, bei der Bundesdisziplinarbehörde.
Der BF, wird beschuldigt
„1. seit zumindest 14. Dezember 2020 dem Dienst ohne rechtfertigende Gründe und damit unentschuldigt fern geblieben zu sein und
2. trotz mehrmaliger Weisung zur Unterlassung, seit Jahren eine Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller auszuüben.“
Zu Punkt. 1 wurde begründend im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Als Diagnose der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Allgemeinmediziners Dr. XXXX (Beilage 1) sei eine „depressive Episode" angeführt worden. Bei den in Folge von der Dienstbehörde veranlassten Untersuchungen am 22.09.2020 und am 15.10.2020 durch einen Kontrollarzt der Dienstbehörde sei die Dienstunfähigkeit zunächst bestätigt worden. Außer der depressiven Episode seien vom BF keine weiteren Beschwerden/Erkrankungen angegeben worden (Beilage 2). In der Folge sei der BF nach einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsmeldung durch den Allgemeinmediziner Dr. XXXX für seinen Dienstantritt am 02.11.2020 (Verlängerung des Krankenstandes bis 13.12.2020) (Beilage 3) aufgrund bestehender Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose und auch der damit verbundenen Dienstunfähigkeit (ua. da er während des Krankenstandes Zeitungen für einen Mitbewerber der Dienstbehörde zugestellt hätte) von der Dienstbehörde angewiesen worden, sich am 10.11.2020 einer fachärztlichen Untersuchung durch eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie (Dr. Z) zu unterziehen. Aus diesem psychiatrischen Fachgutachten vom 27.11.2020 (Beilage 4) ergebe sich, dass keine depressiven Symptome festzustellen gewesen wären und der BF zwar ein Unverständnis für hierarchische Gefüge, eine geringe Frustrationsgrenze, mangelndes Schuldempfinden, ein gestörtes Selbstbild mit dauerndem Verharren in der Opferrolle und ein regressivoppositionelles Verhalten aufweise, aber doch mit nachfolgender Einschränkung voll dienstfähig wäre. Die einzige dienstliche Einschränkung bestünde darin, dass aufgrund seines offensichtlichen Alkoholabusus (der allerdings erst mit einer Haaranalyse konkret abzuklären wäre) die für die Ausübung einer Zustelltätigkeit mit PKW notwendige Fahrtauglichkeit nicht bestätigt werden habe können. Dem BF seien prinzipiell alle Anforderungen, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz eines Briefzustellers im Gleitzeitmodell stehen - ausgenommen das Lenken eines Fahrzeuges - daher möglich und zumutbar. Da der BF seinen Dienst am 14.12.2020 entgegen seiner Ankündigung wieder nicht angetreten, sondern erneut eine Krankmeldung vorgelegt hätte (Beilage 5), sei am 18.12.2020 eine weitere Untersuchung durch den Kontrollarzt der Dienstbehörde erfolgt, bei welcher vom BF wieder keine Erkrankung - ausgenommen die bisherige, angezweifelte, depressive Episode, angegeben und auch keine neuen Befunde vorgelegt worden seien, sodass der Kontrollarzt abschließend die Dienstfähigkeit festgestellt hätte (Beilage 6). Der BF sei daher neuerlich zum Dienstantritt am 21.12.2020 in der Zustellbasis XXXX auf einem „Fuß-Rayon“ aufgefordert worden (Beilage 7). Dieser Dienstantrittsaufforderung sei der BF bis dato nicht nachgekommen und dem Dienst ohne rechtfertigende Gründe und somit unentschuldigt ferngeblieben. Der Dienstbehörde würden keine vom BF mehrfach angekündigten fachärztlichen Gutachten vorliegen, weder hinsichtlich seiner psychiatrischen Verfassung noch hinsichtlich seiner Fahrtauglichkeit bzw Widerlegung seines Alkoholabusus und seien diese insbesondere nach Aufforderung an den Rechtsvertreter des BF auch nicht vorgelegt worden (Beilage 8).
Der BF sei daher trotz festgestellter Dienstfähigkeit jedenfalls seit zumindest 14.12.2020 eigenmächtig und ohne Entschuldigungsgrund im Sinne des § 12c Abs. 1 Z 2 GehG 1956 dem Dienst ferngeblieben, weshalb seine Bezüge wegen ungerechtfertigtem Fernbleiben mit Wirksamkeit 14.12.2020 einzustellen gewesen wären und sei er darüber mit Schreiben vom 21.12.2020 in Kenntnis gesetzt worden (Beilage 9). Seinem Antrag vom 21.01.2021 entsprechend, sei diese Bezugseinstellung durch das Personalamt der Dienstbehörde mit Bescheid vom 10.02.2021 verfügt worden (Beilage 10). Dahingehend, dass nicht jede von einem behandelnden Arzt bescheinigte „Krankheit" und/oder bloß die Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen zu einer gerechtfertigten Abwesenheit des Beamten vom Dienst im Sinne des § 48 Abs. 1 und § 51 BDG 1979 führe, sei der BF mehrmals aufgeklärt worden, so auch ua. am 18.12.2020, anlässlich seiner telefonischen Beschwerde über die Dienstantrittsaufforderung im Personalamt der Dienstbehörde durch Frau XXXX sowie im Schreiben vom 21.12.2020 (Beilage 9) und nochmals im Schreiben vom 22.01.2021 an seinen Rechtsvertreter (Beilage 8). Am 24.01.2021 habe der BF wieder eine Verlängerung seiner Krankmeldung vorgelegt (Beilage 11), woraufhin eine neuerliche Untersuchung am 29.01.2021 durch den Kontrollarzt erfolgt sei, die wieder die volle Dienstfähigkeit für seinen Arbeitsplatz ergeben hätte (Beilage 12). Der BF habe angegeben, deshalb nicht zu arbeiten, weil er einer Depression vorbeugen wolle und habe sich dabei nach wie vor auf die Arbeitsunfähigkeitsmeldung(en) seines Hausarztes berufen.
Zu Punkt 2. führte die Dienstbehörde im Wesentlichen aus, dass sie bereits im Jahr 2003 Kenntnis darüber erlangt habe, dass der BF einer Nebenbeschäftigung nachgehe. Da er diese Tätigkeit der Dienstbehörde nie als Nebenbeschäftigung gemeldet hätte und diese zumindest eine Beeinträchtigung in seiner gegenüber dem Unternehmen zu erbringenden Dienstleistung gesehen habe, sei ihm bereits mit Schreiben vom 23.01.2003 die Ausübung einer Nebentätigkeit untersagt worden (Beilage 13). Nun habe die Dienstbehörde erneut Kenntnis darüber erlangt, dass der BF nach wie vor einer Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller in den Morgenstunden nachgehe (Beilage 14). Es liege nahe, dass es sich um dieselbe Beschäftigung wie bereits 2003 handle, denn gegenüber der Fachärztin für Psychiatrie habe der BF angegeben, dass er bereits seit 2002 zusätzlich als Zeitungszusteller gearbeitet hätte. Es scheine somit erwiesen, dass er diese Nebentätigkeit nie aufgegeben und der Weisung vom 23.01.2004 nie Folge geleistet habe. Er übe diese Tätigkeit weiterhin und auch während seines seit dem 15.09.2020 andauernden Krankenstandes aus. Dies werde durch Beobachtungen von Mitarbeitern der Dienstbehörde (Qualitätsmanagement der Dienstbehörde) bestätigt, die ihn immer wieder in den frühen Morgenstunden bei der Zeitungszustellung beobachten hätten können. Diese Beobachtungen seien am 09.10.2020, 13.10.2020, 14.10.2020 (Beilage 15), 17.12.2020, 18.12.2020 (Beilage 16) und am 21.01.2021 (Beilage 17) durchgeführt worden. Dazu würden als Beilagen entsprechende Protokolle vorliegen. Gestützt auf diese Beobachtungsprotokolle sei dem BF mit Schreiben vom 13.01.2021 (Beilage 18) nochmals untersagt worden, die Nebenbeschäftigung in der Zeitungszustellung auszuüben, widrigenfalls er mit disziplinären Maßnahmen zu rechnen hätte. Am 21.01.2021 sei der BF sodann abermals bei der Zeitungszustellung beobachtet worden. So habe er an diesem Tag ua. um 03:20 Uhr bei der Bäckerei XXXX , Nr. XXXX und um 03:21 Uhr bei der XXXX , Nr. XXXX die Zeitungen zugestellt (Beilage 17).
Mit Schreiben vom 01.02.2021 (Beilage 19) sei der BF neuerlich zum Dienstantritt aufgefordert worden. Dieser Weisung sei der BF bis dato nicht nachgekommen. Die Dienstbehörde habe mehrmals beabsichtigt ein persönliches, klärendes Gespräch mit dem BF zu führen, aber es sei seiner beharrlichen Weigerung, den Dienst wiederaufzunehmen, zuzuschreiben, dass sich dafür seit dem 15.09.2020 keine Möglichkeit geboten habe. Dieses Fehlverhalten sei jedenfalls geeignet, nicht nur zu einem Imageverlust seiner eigenen Person, sondern auch zu einem solchen der Bediensteten der Dienstbehörde an sich und damit des Unternehmens insgesamt zu führen. Er füge mit seinem Verhalten dem Unternehmen auch einen erheblichen, wirtschaftlichen Schaden zu. Zudem widerspreche dieses Verhalten der, einem 53-jährigen und langjährig im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter zukommenden Vorbildwirkung gegenüber allen jüngeren und kürzer im Unternehmen tätigen Kolleg*innen. Sein Unverständnis für hierarchische Gefüge, sein mangelndes Schuldempfinden, sowie sein regressiv-oppositionelles Verhalten würden befürchten lassen, dass er den Pflichten eines Beamten auch in Zukunft nicht nachkommen werde. Durch sein Verhalten habe der BF gegen die Pflichten des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979), in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 2 leg.cit.), die Weisungen des Vorgesetzten zu befolgen (§ 44 Abs. 1 leg.cit.), keine Nebenbeschäftigung auszuüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben hindert (§ 56 Abs. 2 leg.cit.), die Ausübung einer Nebentätigkeit der Dienstbehörde zu melden (§ 56 Abs. 3 leg.cit.) sowie die Ausübung einer aus Gründen des Abs. 2 unzulässigen Nebenbeschäftigung zu unterlassen (§ 55 Abs. 6 leg.cit.), verletzt. Der BF habe somit im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt und sei deswegen disziplinär zur Verantwortung zu ziehen.
11. In der Folge erteilte die Bundesdisziplinarbehörde der Dienstbehörde am 07.04.2021 einen Ermittlungsauftrag gemäß § 123 Abs. 1 letzter Satz BDG 1979, der von der Dienstbehörde am 13.04.2021 wie folgt beantwortet wurde:
„1. Die Aussage ‚[der BF] arbeite deshalb nicht, weil er einer Depression vorbeugen wolle‘, habe Dr. XXXX bei einem Telefonat gegenüber der Leitung des Personalamtes XXXX , Frau XXXX (dazumal XXXX ) am 01. Februar 2021 getätigt, als sie sich über das Ergebnis der Untersuchung vom 29. Jänner 2021 erkundigte, zumal die bezughabenden Untersuchungsunterlagen am 01. Februar 2021 noch nicht vorlagen.
2. Gegen den Bescheid der Dienstbehörde vom 10. Februar 2021, GZ 400297/2021 wurde zwischenzeitig vom Rechtsvertreter des [BF] beiliegender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Bescheidbeschwerde eingebracht. Die Dienstbehörde hat die Beschwerde am 13. April 2021 dem Bundesverwaltungsgericht in Vorlage gebracht."
12. Mit E-Mail vom 10.05.2021 wurde der Bericht der Dienstbehörde vom 13.04.2021 dem BF bzw. seinem bevollmächtigten Vertreter zur Kenntnis gebracht, die eingeräumte Stellungnahmefrist von drei Wochen vom BF jedoch nicht genutzt.
13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 11.05.2021 wurde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid der Dienstbehörde des BF vom 11.04.2021 zu GZ 400314/2021 (betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) vom BVwG als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss vom selben Tag wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der Dienstbehörde vom 10.02.2021 zu GZ 400297/2021 (Bezugseinstellung mit Wirksamkeit 14.12.2020) als verspätet zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidungen des BVwG wurden keine ao. Revisionen an den VwGH bzw. keine Beschwerden an den VfGH erhoben.
14. Am 08.07.2021 teilte die Dienstbehörde der belangten Behörde mit, dass der BF nach wie vor vom Dienst abwesend sei.
15. Mit Bescheid vom 09.07.2021, GZ 2020-0.768.710-21, fasste die belangte Behörde den nunmehr beschwerdegegenständlichen Einleitungsbeschluss gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979, da der BF im Verdacht stehe, (wörtlich, Anonymisierung durch das BVwG):
„1. entgegen § 48 Abs 1 BDG 1979 seit 21. Dezember 2020 ohne rechtfertigende Gründe vom Dienst abwesend zu sein,
2. entgegen § 56 Abs 2 BDG 1979 seit dem Jahr 2002 eine Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller auszuüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindere,
3. entgegen § 56 Abs 3 BDG 1979 seit dem Jahr 2002 eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller auszuüben, ohne diese der Dienstbehörde gemeldet zu haben sowie
4. diese erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller entgegen der schriftlichen Weisungen der Dienstbehörde vom 23. Jänner 2004, wiederholt am 13. Jänner 2021, weiterhin auszuüben.
Es besteht dadurch der Verdacht, dass XXXX die Dienstpflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich
• seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs 1 BDG 1979),
? in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs 2 BDG 1979),
? seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen (§ 44 Abs 1 BDG 1979), die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist (§ 48 Abs. 1 BDG 1979),
? keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet (§ 56 Abs 2 BDG 1979) und seiner Dienstbehörde jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung und jede Änderung einer solchen unverzüglich zu melden (§ 56 Abs 3 BDG 1979)
schuldhaft verletzt und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen hat.“
Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
Der BF habe sich ab 15.09.2020 bis zunächst 31.10.2020 krankgemeldet. Bei den daraufhin am 22.09.2020 und 15.10.2020 auf Anordnung der Dienstbehörde durchgeführten ärztlichen Untersuchungen durch den Kontrollarzt der Dienstbehörde sei die Dienstunfähigkeit zunächst bestätigt worden. Nachdem der Krankenstand vom BF in weiterer Folge bis 13.12.2020 verlängert worden sei, sei am 10.11.2020 auf Anordnung der Dienstbehörde bei einer Fachärztin für Psychiatrie (Dr. Z) eine Untersuchung erfolgt, und ein Gutachten vom 27.11.2020 erstellt worden aus welchem sich ergebe, dass der BF (mit Ausnahme der Fahrtauglichkeit, für deren Feststellung weitere Untersuchung erforderlich wären) voll dienstfähig sei. Nachdem der BF am 14.12.2020 seinen Dienst wieder nicht angetreten sei, sondern eine weitere ärztliche Bescheinigung vorgelegt habe, wonach der Krankenstand bis voraussichtlich 24.01.2021 verlängert werde, sei von der Dienstbehörde eine weitere ärztliche Untersuchung am 18.12.2020 durch den Kontrollarzt der Dienstbehörde angeordnet worden, bei der die Dienstfähigkeit ebenfalls bestätigt worden sei. Mit Schreiben der Dienstbehörde vom 18.12.2020 sei der BF unter Hinweis auf das Ergebnis der (fach-)ärztlichen Untersuchung(en) zum Dienstantritt am 21.12.2020 aufgefordert worden. Dass ihm diese Aufforderung rechtzeitig zugegangen sei, ergebe sich aus dem Schreiben seiner rechtlichen Vertretung vom 21.12.2020. Der BF sei dieser Dienstantrittsaufforderung nicht nachgekommen. Nachdem der Krankenstand am 25.01.2021 noch einmal bis voraussichtlich 07.03.2021 verlängert worden sei, habe die Dienstbehörde eine weitere ärztliche Untersuchung beim Kontrollarzt der Dienstbehörde angeordnet, bei der abermals Dienstfähigkeit bestätigt worden sei.
Hinsichtlich der Spruchpunkte 2.-4. wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Dienstbehörde habe bereits im Jahr 2003 Kenntnis über eine nicht gemeldete erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung des BF erlangt. Da sie dadurch zumindest eine Beeinträchtigung in seiner gegenüber dem Unternehmen zu erbringenden Dienstleistung sah, sei ihm mit schriftlicher Weisung vom 23.01.2004 die Ausübung dieser Nebenbeschäftigung untersagt worden. Am 01.10.2020 habe die Dienstbehörde neuerlich Kenntnis davon erlangt, dass der BF weiterhin diese Nebenbeschäftigung ausübe. So habe laut Aussagen eines Zustellers ( XXXX ) die im gemeinsamen Haushalt lebende Mutter des BF Ende September 2020 bei einem Zustellversuch eines RsA Briefes an den BF, ihm gegenüber angegeben, ihr Sohn schlafe noch, weil er in der Nacht Zeitungen zugestellt habe. Auch laut dem fachärztlichen Gutachten vom 27.11.2020 habe der BF bei seiner Untersuchung angegeben, diese Nebenbeschäftigung bereits seit dem Jahr 2002 und nach wie vor auszuüben. Darüber hinaus ergebe sich aus den Beobachtungsprotokollen vom 14.10.2020, 18.12.2020 und 21.01.2021 (Beilagen 15 bis 17 der Disziplinaranzeige), dass der BF am 09.10.2020, 13.10.2020, 14.10.2020, 17.12.2020, 18.12.2020 und 21.01.2021 – und somit während des laufenden Krankenstandes – beim Zustellen von Zeitungen in den frühen Morgenstunden beobachtet worden sei, woraufhin die Dienstbehörde mit Schreiben vom 13.01.2021 ihre schriftliche Weisung, wonach die Ausübung dieser Nebenbeschäftigung untersagt werde, wiederholt habe.
Nach Darlegung der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung führte die belangte Behörde zu den im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzungen Folgendes aus:
Mit Blick auf den oben dargestellten Sachverhalt sei ein ausreichend begründeter Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung nach §§ 43 Abs. 1 und 2, 44 Abs. 1, 48 Abs. 1 sowie 56 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 91 Abs. 1 BDG 1979 zu bejahen.
Zu 1. ergebe sich dieser Verdacht aus dem Gutachten von Dr. Z vom 27.11.2020 sowie den Stellungnahmen von Dr. K vom 18.12.2020 und 29.01.2021, die jeweils die Dienstfähigkeit des BF bestätigt hätten.
Laut Rechtsprechung dürfe der Beamte, der die ihm zukommende Melde- und Bescheinigungspflicht erfüllt habe, grundsätzlich so lange auf die ärztliche Bescheinigung vertrauen und jedenfalls von einer gerechtfertigten Dienstverhinderung ausgehen, bis ihm die Dienstbehörde Entgegenstehendes nachweislich mitteilt (VwSlg 12753/A). Da die Dienstbehörde den BF erstmals mit Schreiben vom 18.12.2020 vom Ergebnis der (fach-)ärztlichen Untersuchungen nachweislich in Kenntnis gesetzt und ihn zum Dienstantritt am 21.12.2020 aufgefordert habe, sei daher im Verdachtsbereich von einer ungerechtfertigten Abwesenheit – und nicht wie von der Dienstbehörde angenommen seit zumindest 14.12.2020 – erst ab 21. 12.2020 auszugeben.
Zu 2. bis 4. ergebe sich der Verdacht aus den Ausführungen der Dienstbehörde in der Disziplinaranzeige und den Beilagen, insbesondere dem Gutachten von Dr. Z vom 27.11.2020 sowie den Beobachtungsprotokollen. Das Zustellen von Zeitungen in den frühen Morgenstunden (It. Beobachtungsprotokollen im Zeitraum von etwa 01:30 bis 04:00 Uhr) erscheine aufgrund der Nachtarbeit vor dem Antritt des Dienstes jedenfalls geeignet, die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben eines Zustellers zu beeinträchtigen. Der Verdacht, dass es sich dabei um eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung handle, ergebe sich schon aus den Angaben des BF gegenüber Dr. Z, wonach er diese Nebenbeschäftigung aufgenommen habe, um das Haus abzuzahlen. Der Verdacht, dass diese Nebenbeschäftigung entgegen der schriftlichen Weisung der Dienstbehörde vom 23.01.2004 weiterhin ausgeübt worden sei, werde darüber hinaus auch durch die Beobachtungsprotokolle erhärtet.
Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Z 1 bis 4 BDG 1979 würden nicht vorliegen. Zur Prüfung der Verjährung sei anzuführen, dass zu 1. der BF nach wie vor vom Dienst abwesend sei sowie zu 2. die letzte Beobachtung beim Zustellen der Zeitungen am 21.01.2021 erfolgt sei, weshalb eine Verjährung gemäß § 94 Abs. 1 BDG 1979 noch nicht eingetreten sei, zumal es sich hierbei um Dauerdelikte handle, bei denen nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert sei, wodurch die Verjährungsfrist erst mit dem Aufhören des rechtswidrigen Zustandes zu laufen beginne (VwGH 18.11.1998, 96/09/0212). Das Disziplinarverfahren sei daher einzuleiten. Die Klärung der Rechts- und Schuldfrage bleibe dem Disziplinarverfahren vorbehalten.
16. Mit fristgerechter Beschwerde beantragte der BF durch seinen Rechtsvertreter die Einstellung des Disziplinarverfahrens sowie die Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Zurückverweisung an die belangte Behörde.
Begründend führte er darin im Wesentlichen Folgendes aus:
Zum Anschuldigungspunkt 1. wurde vorgebracht, dass der BF aufgrund seines schlechten psychischen Gesundheitszustandes Mitte September 2020 in Krankenstand habe gehen müssen. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 15.09.2020, welche der Dienstbehörde unmittelbar übermittelt worden sei, sei der BF von 15.09.2020 bis 31.10.2020 arbeitsunfähig gewesen. Der BF befinde sich dauerhaft in Behandlung bei Dr. XXXX (in der Folge, Dr. E), Fachpsychologin für klinische Psychologie, welche beim BF eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom diagnostiziert habe. Im klinisch psychologischen Befund vom 13.10.2020 sei ausdrücklich festgestellt worden, dass dem BF weder ein Umzug, noch ein Pendeln zu einem anderen Arbeitsort aufgrund seiner Erkrankung zumutbar sei. Berufliche Umstrukturierungen bzw. Veränderungen seien ihm keinesfalls zumutbar. Aufgrund dessen sei ihm der Dienstantritt in XXXX auch in keiner Weise möglich gewesen. Da keine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei, habe der Krankstand mehrmals verlängert werden müssen. Am 02.11.2020 habe der BF der Dienstbehörde die Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 02.11.2020 übermittelt. Aufgrund dieser Arbeitsunfähigkeitsmeldung sei der BF von 02.11.2020 bis 13.12.2020 arbeitsunfähig gewesen. Mit weiterer Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 25.01.2021 sei diese nochmals vom 25.01.2021 bis 07.03.2021 verlängert worden. Die Dienstbehörde habe den BF am 14.12.2020 aufgefordert, sich einer ärztlichen Untersuchung durch deren Kontrollarzt zu unterziehen, welcher der BF auch Folge geleistet habe. Mit Schreiben vom 21.12.2020 habe die Dienstbehörde dem BF die Bezugseinstellung mit Wirkung ab 14.12.2020 mitgeteilt und die Bezüge auch faktisch eingestellt. Die Dienstbehörde habe die Bezugseinstellung damit begründet, dass der beigezogene Kontrollarzt die Dienstfähigkeit des BF festgestellt hätte. Diese Stellungnahme des Kontrollarztes sei dem BF erstmals am 21.01.2021 zur Einsicht übermittelt worden. Mit Schreiben vom 07.04.2021 der Dienstbehörde sei der BF aufgefordert worden, ärztliche Befunde vorzulegen. Dieser Aufforderung folgend seien der Dienstbehörden mit Schreiben vom 14.04.2021 insbesondere die klinisch psychologischen Befunde von Dr. E vom 13.10.2020 und vom 03.02.2021 übermittelt worden. Am 28.04.2021 seien der Dienstbehörde zudem die Arztbriefe von Dr. XXXX vom 12.04.2021 und 16.03.2021 sowie ein Laborbefund von Dr. XXXX vom 19.04.2021 hinsichtlich der Blutwerte des BF übermittelt worden.
Die belangte Behörde irre in ihrer rechtlichen Begründung, indem sie eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des BF und somit einen ausreichenden Verdacht für die Eröffnung des Disziplinarverfahrens als gegeben erachte. Solange ein Beamter seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 51 Abs. 2 erster Satz BDG 1979 durch Vorlage der ärztlichen Bestätigung eines privat beigezogenen Arztes nachkomme dürfe er grundsätzlich so lange auf die ärztliche Bestätigung vertrauen und von einer gerechtfertigten Dienstverhinderung ausgehen, bis ihm die Dienstbehörde Entgegenstehendes nachweislich mitgeteilt hätte. Unter "Entgegenstehendes" wäre in diesem Zusammenhang eine medizinische Beurteilung gemeint, die jener des privat beigezogenen Arztes entgegenstünde. Das Vertrauen auf die ärztliche Bescheinigung und damit auf eine Rechtfertigung der Dienstverhinderung sei lediglich dann nicht geeignet, einen ausreichenden Entschuldigungsgrund im Sinne des § 13 Abs. 3 Z 2 GehG 1956 herzustellen, wenn der Beamte auf Grund besonderer Umstände keinesfalls mehr auf die Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung und somit auf das Vorliegen einer Rechtfertigung für die Dienstverhinderung vertrauen habe können oder dürfen (Hinweis Erkenntnis vom 13.3.2002, 98/12/0096). Der BF habe sich aufgrund des vorliegenden klinisch psychologischen Befundes von Dr. E vom 13.10.2020 durchgehend berechtigter Weise in Krankenstand befunden. Die notwendigen Arbeitsunfähigkeitsmeldungen seien der belangten Behörde stets fristgerecht übermittelt worden. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angeführten Stellungnahmen des von der Dienstbehörde beauftragten Kontrollarztes und von Dr. Z seien dem BF erst über mehrfache Aufforderung erstmals mit Schreiben vom 22.01.2021 zur Einsicht übermittelt worden. Zuvor sei von der Dienstbehörde lediglich behauptet worden, dass eine Dienstfähigkeit entgegen des bereits vorliegenden psychologischen Befundes vorliegen würde. Im Sinne der Rechtsprechung habe der BF daher entgegen der unrichtigen Ansicht der belangten Behörde jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt auf die ärztliche Bescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit und somit auf eine Rechtfertigung der Dienstverhinderung vertrauen können. Aufgrund der erst am 22.01.2021 übermittelten Stellungnahmen der von der Dienstbehörde beauftragten Ärzte habe sich der BF abermals zu einer Untersuchung zu Dr. E begeben. Auch hierbei sei entsprechend dem psychologischen Befund vom 03.02.2021 festgestellt worden, dass nur Tätigkeiten zumutbar seien, die für den BF vertraut seien und keine relevante Stressbelastung darstellen würden. Ein Wechsel des Dienstortes, wenn auch nur vorübergehend, sei dem BF nicht zumutbar. Auch ein Pendeln sei dem BF nicht zumutbar. Der BF dürfe auf diesen Befund und seine Arbeitsunfähigkeit vertrauen. Ein Dienstantritt bei der Zustellbasis in XXXX , was ein tägliches Pendeln des BF von zumindest 3 Stunden zur Folge hätte, sei entsprechend der vorliegenden psychologischen Befunde nicht zumutbar. Auch aus diesem Grund sei die Abwesenheit vom Dienst gerechtfertigt. Aus den vorliegenden psychologischen Befunden ergebe sich die mangelnde Dienstunfähigkeit des BF klar. Auf diese Befunde habe der BF vertraut, weshalb das Fernbleiben vom Dienst gerechtfertigt gewesen sei. Die Eröffnung des Disziplinarverfahrens aus den unter diesem Punkt genannten Gründen sei daher zu Unrecht erfolgt.
Zu Anschuldigungspunkt 2.-4. wurde ausgeführt, dass der BF seit etwa dem Jahr 2002 einer Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller nachgehe. Diese Nebenbeschäftigung habe der BF bereits vor Antritt der Nebenbeschäftigung seinem damaligen direkten Vorgesetzten bei der Dienstbehörde mitgeteilt. Dieser Umstand sei der Dienstbehörde daher bereits von Beginn an bekannt gewesen. Es liege daher keine „nicht gemeldete“ erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung des BF vor. Die Dienstbehörde habe diese Nebenbeschäftigung nicht untersagt. Die Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller behindere den BF in keiner Weise an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben, noch seien hierdurch sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet. Die Nebenbeschäftigung werde ausschließlich in den Nachtstunden und daher außerhalb der Dienstzeiten bei der Dienstbehörde ausgeübt, sodass eine Behinderung der dienstlichen Aufgaben vollkommen ausgeschlossen sei. Entgegenstehendes sei auch von der Dienstbehörde nicht vorgebracht worden. Auch eine Befangenheit komme von vornherein nicht in Frage, zumal der BF bei der Dienstbehörde lediglich als „Postbote“ beschäftigt sei. Inwiefern sich hierdurch auch nur die Vermutung einer Befangenheit aufgrund seiner Nebenbeschäftigung als Zeitungsaussteller ergeben solle, sei in keiner Weise nachvollziehbar und habe die Dienstbehörde hierzu auch nichts vorgebracht.
Gleichzeitig legte der BF die klinisch psychologischen Befunde von Dr. E vom 03.02.2021 und vom 13.10.2020, die Arbeitsunfähigkeitsmeldungen vom 25.01.2021 und vom 14.12.2020 sowie die fachärztliche Stellungnahme von Dr. XXXX (Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin) vom 09.06.2021, vor.
17. Mit Schriftsatz vom 13.08.2021 (eingelangt beim BVwG am 18.08.2021) legte die belangte Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG die gegenständliche Beschwerde zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
1.1. Zur Person des BF
1. Der BF steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Zuletzt wurde er in der Zustellbasis XXXX im Zustelldienst als Zusteller auf einem „Fahrzeug-Rayon", eingesetzt.
Mit aufgrund der Disziplinaranzeige vom 22.09.2020 gefassten Einleitungsbeschluss der Bundesdisziplinarbehörde vom 11.01.2021, GZ 2020-0.768.710-3, wonach der BF im Verdacht steht, sein Dienstfahrzeug am 11.09.2020 in alkoholisiertem Zustand (0,66%o) gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht zu haben wurde er von seinem „Fahrzeug-Rayon“ abgezogen und mit Wirksamkeit vom 16.09.2020 auf den einzig in der Nähe zur Verfügung stehenden „Fuß-Rayon“ in XXXX zugeteilt.
Der BF befindet sich seit 15.09.2020 durchgehend in Krankenstand (Beilagen 1, 3, 5, 11 zur Disziplinaranzeige, in der Folge nur Beilagen genannt).
Diese Feststellungen konnten unmittelbar aus der unbedenklichen Aktenlage getroffen werden
1.2. Zu den im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzungen:
Dem BF wird im Einleitungsbeschluss vom 09.07.2021 vorgeworfen,
„1. entgegen § 48 Abs. 1 BDG 1979 seit 21. Dezember 2020 ohne rechtfertigende Gründe vom Dienst abwesend zu sein,
2. entgegen § 56 Abs 2 BDG 1979 seit dem Jahr 2002 eine Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller auszuüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindere,
3. entgegen § 56 Abs 3 BDG 1979 seit dem Jahr 2002 eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller auszuüben, ohne diese der Dienstbehörde gemeldet zu haben sowie
4. diese erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller entgegen der schriftlichen Weisungen der Dienstbehörde vom 23. Jänner 2004, wiederholt am 13. Jänner 2021, weiterhin auszuüben.
Dadurch besteht der Verdacht, dass der BF die Dienstpflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich hinsichtlich Anschuldigungspunkt 1. insbesondere §§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979, sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 und hinsichtlich Anschuldigungspunkt 2.-4. insbesondere §§ 56 Abs. 2 und Abs. 3 BDG 1979 schuldhaft verletzt hat. Dadurch habe der BF Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.
Bezüglich der dargestellten Anschuldigungen liegt nach Aktenlage der hinreichend begründete Verdacht für die Annahme der schuldhaften Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch den BF und damit für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn vor. Damit ist der Sachverhalt für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Es steht auch unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden. Hinsichtlich der ausreichenden Konkretisierung der Vorwürfe hat der BF auch keine Einwendungen erhoben.
Wenn der BF nunmehr hinsichtlich Anschuldigungspunkt 1. vorbringt, er sei durchgehend berechtigt im Krankenstand gewesen, da sich aus psychologischen Befunden der Ärzte klar seine mangelnde Dienstfähigkeit ergebe und er darauf vertrauen habe müssen, ist ihm entgegen zu halten, dass er sich lediglich auf die von ihm selbst beauftragten Gutachten (Dr. E vom 13.10.2020 und vom 03.02.2021 und Dr. XXXX vom 09.06.2020), stützt und die von der Dienstbehörde eingeholten Gutachten insbesondere vom 27.11.2020 von Dr. Z sowie die Befundungsblätter vom 18.12.2020 und 29.01.2021 von Dr. K – welche den BF eindeutig als dienstfähig einstufen – dabei unberücksichtigt lässt, zumal die von der belangten Behörde eingeholten Gutachten die in Punkt 1. genannte Verdachtslage erhärten.
Der diesbezügliche Einwand des BF, wonach er auf die – von ihm selbst vorgelegten Gutachten – habe vertrauen müssen, weshalb das Fernbleiben vom Dienst gerechtfertigt gewesen sei, ist daher nicht geeignet den Verdacht einer Pflichtverletzung des Anschuldigungspunktes 1. auszuräumen, sondern wird die diesbezügliche Verantwortung des BF im weiteren Disziplinarverfahren noch genauer zu prüfen und zu bewerten sein.
Die bestehende Verdachtslage kann daher durch die vom BF vorgelegten Gutachten nicht ausgeräumt werden.
Betreffend die Nebenbeschäftigung des BF als Zeitungszusteller (Anschuldigungspunkte 2.-4.) ist zunächst festzuhalten, dass der BF die Ausführung dieser Tätigkeit seit 2002 selbst einräumt. Dies ergibt sich ua. auch aus dem Gutachten vom 27.11.2020, wonach der BF bei seiner Untersuchung angegeben hat, diese Nebenbeschäftigung bereits seit dem Jahr 2002 und nach wie vor auszuüben. Er behauptet jedoch, die Nebenbeschäftigung seinem damaligen direkten Vorgesetzten bei der Dienstbehörde mitgeteilt zu haben, weshalb der Umstand der Dienstbehörde daher bereits von Beginn an bekannt gewesen sei und keine „nicht gemeldete“ erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung vorliege.
Dem stehen jedoch die Ausführungen der belangten Behörde entgegen, wonach sie bereits im Jahr 2003 Kenntnis über eine nicht gemeldete erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung des BF erlangt und ihm mit schriftlicher Weisung vom 23.01.2004 (SAP-Ausdruck über die Weisung, Beilage 13) die Ausübung dieser Nebenbeschäftigung untersagt habe. Am 01.10.2020 habe die Dienstbehörde neuerlich Kenntnis davon erlangt, dass der BF weiterhin diese Nebenbeschäftigung ausübe. Mit Weisung vom 13.01.2021 wurde die Ausübung abermals untersagt (Beilage 18).
Weder die Behauptung, dass die Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller den BF in keiner Weise an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben hindere (da sie ausschließlich in den Nachtstunden und daher außerhalb der Dienstzeiten bei der Dienstbehörde ausgeübt werde) noch, dass sie keine sonstigen wesentlichen dienstlichen Interessen gefährden würde oder keine Befangenheit durch die ausgeübte Tätigkeit vorliege, widerlegt vor dem Hintergrund des oben geschilderten Sachverhaltes den Verdacht der Dienstbehörde, dass die Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller den BF gemäß § 56 Abs. 2 BDG 1979 an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindern könnte (Anschuldigungspunkt 2). Diesbezüglich ist auch auf die gegenüber einem Zusteller bei einem Zustellversuch eines RsA Briefes Ende September 2020 getätigte Aussage seiner Mutter, wonach der BF – tagsüber – noch schlafe, weil er in der Nacht Zeitungen zugestellt habe, hinzuweisen.
Ebensowenig konnte der Anschuldigungspunkt 3., wonach der BF seit dem Jahr 2002 eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller ausübe, ohne diese der Dienstbehörde gemeldet zu haben (§ 56 Abs. 3 BDG) mit dem alleinigen Argument des BF er habe diese gemeldet, ausgeräumt werden. Der BF hat eine solche Meldung weder durch schriftlichen Nachweis bescheinigt oder sonstige nachvollziehbare Angaben getroffen. Selbst wenn er eine solche Meldung vor einer Untersagung durch Weisung der Dienstbehörde vom 23.01.2004 (wiederholt am 13.01.2021) getätigt hätte, wäre für ihn dadurch nichts gewonnen und für das geschilderte Verdachtsgeschehen nicht relevant. Es besteht vielmehr zusätzlich der Verdacht, dass der BF die erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung als Zeitungszusteller entgegen der schriftlichen Weisungen der Dienstbehörde vom 23.01.2004 und vom 13.01.2021 (Beilage 13 und 18, weiterhin ausübt (Anschuldigungspunkt 4.).
Die Verdachtslage hinsichtlich der Punkte 2.-4. wird durch die von der Dienstbehörde erstellten Beobachtungsprotokolle vom 14.10.2020, 18.12.2020 und 21.01.2021 (Beilagen 15 bis 17), wonach dieser am 09.10.2020, 13.10.2020, 14.10.2020, 17.12.2020, 18.12.2020 und 21.01.2021 – und somit während des laufenden Krankenstandes – beim Zustellen von Zeitungen in den frühen Morgenstunden beobachtet worden sei, erhärtet.
Die – vom BF eindeutig eingeräumte – Ausübung der Nebenbeschäftigung wird im weiteren Disziplinarverfahren noch genauer zu prüfen und zu bewerten sein.
Der den angelasteten Dienstpflichtverletzungen zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage (Disziplinaranzeige, samt Beilagen) und konnte somit der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Der vorgeworfene Sachverhalt (Verdacht) ist insbesondere durch folgende Beweismittel substantiiert:
Die Verdachtslage zu Anschuldigungspunkt 1. ergibt sich im Wesentlichen aus den von der Dienstbehörde eingeholten Gutachten über die mangelnde Dienstfähigkeit des BF vom 27.11.2020 durch Dr. Z (Beilage 4) und den Befundungsblättern vom 18.12.2020 und 29.01.2021 des Kontrollarztes der Dienstbehörde Dr. K (Beilage 6 und 12).
Die Anschuldigungspunkte 2.-4. stützen sich im Wesentlichen auf die eigenen Aussagen des BF über die Ausübung der Nebenbeschäftigung in der Untersuchung vom 10.11.2020, auf eine Zeugenaussage des Zustellers XXXX , auf die von der Dienstbehörde vorgelegten Beobachtungsprotokolle vom 14.10.2020, 18.12.2020 und 21.01.2021 (Beilagen 15 bis 17), sowie auf die Weisungen der Dienstbehörde betreffend Untersagung der Nebenbeschäftigung vom 23.01.2004 und vom 13.01.2021 (Beilagen 13 und 18).
Den Ausführungen des BF, wonach diesem die angeführten Stellungnahmen bzw. Gutachten des Kontrollarztes und der Fachärztin erst mit Schreiben vom 22.01.2021 zur Einsicht übermittelt worden seien, ist Folgendes entgegenzuhalten: Dem BF wurde bereits mit Schreiben vom 18.12.2020 das Ergebnis der (fach-)ärztlichen Untersuchungen (vom 27.11.2020 durch Dr. Z und vom 18.12.2020 durch den Kontrollarzt der Dienstbehörde) nachweislich mitgeteilt und er zum Dienstantritt am 21.12.2020 aufgefordert (Beilage 7). Dieser Umstand wird bereits in der Beurteilung der belangten Behörde insofern berücksichtigt, als der Verdachtsbereich einer ungerechtfertigten Abwesenheit nicht – wie von der Dienstbehörde in deren Disziplinaranzeige – ab 14.12.2020, sondern erst ab 21.12.2020 festgelegt wurde. Dass diese beiden Gutachten dem Rechtsvertreter des BF erst am 22.01.2021 (nach dessen Vollmachtsbekanntgabe am 21.12.2020) übermittelt wurden (Beilage 8), vermag an der nachweislichen Kenntnis des BF (Beilage 7) über deren Inhalt – die Feststellung seiner Dienstfähigkeit – seit dem Schreiben vom 18.12.2020 nichts zu ändern und begründet die damit einhergehende Verdachtslage über dessen ungerechtfertigte Abwesenheit.
Da die belangte Behörde vor diesem Hintergrund die verfahrensrechtlichen Vorschriften im gesamten Verfahren eingehalten und dem BF ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geboten hat, konnte keine Verletzung von Verfahrensvorschriften festgestellt werden.
Aus all dem Gesagten ergibt sich, dass die belangte Behörde den Sachverhalt über die Verdachtslage zu den Anschuldigungspunkten 1.-4. hinreichend ermittelt und für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt hat. Es steht damit unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden.
Hinweise auf eine Verjährung nach § 94 BDG 1979 liegen nicht vor und wurden vom BF auch nicht geltend gemacht.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit des BVwG
Art. 131 B-VG regelt die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Das Dienstrecht und damit auch das Disziplinarrecht der Beamten ist gem. Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG unmittelbar von Bundesbehörden zu vollziehen.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses notwendige Sachverhalt war den Akten zu entnehmen und steht fest. Der für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung des Einleitungsbeschlusses entscheidungswesentliche Sachverhalt ist ausreichend erhoben. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und wird vom BVwG aus den o.a. Gründen nicht für notwendig erachtet (§ 24 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 VwGVG). Ein Fall des Art. 6 EMRK liegt in diesem Verfahrensstadium noch nicht vor (vgl. im Übrigen auch VfSlg 16716/2002 mwH, wonach ein Einleitungsbeschluss keine Entscheidung über eine "strafrechtliche Anklage" i.S.d Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK], BGBl. Nr. 210/1958 darstellt - für einen Verhandlungsbeschluss gilt sinngemäß das Gleiche u. VfGH 30.11.2004, B 94/04). Ein unionsrechtlicher Anknüpfungspunkt, der die Anwendung des Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, indizieren würde, liegt nicht vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Wie oben bereits ausgeführt steht der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der gegebenen Verdachtslage aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.
Zu A)
2.2. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979, BGBl. Nr.333/1979, idgF BGBl. I Nr. 136/2021) maßgeblich:
„Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
[…]
Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten
§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
[…]“
„Dienstplan
§ 48. (1) Der Beamte hat die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist. Die tatsächlich erbrachte Dienstzeit ist, sofern nicht wichtige dienstliche Interessen entgegenstehen, mit Hilfe automatisierter Verfahren zu erfassen.
[…]“
„Verjährung
§ 94. (1) Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder
2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Bundesdisziplinarbehörde eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Bundesdisziplinarbehörde notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate.
[…]“
„Einleitung
§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.
(2) Hat die Bundesdisziplinarbehörde die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.
[…]“
2.3. Zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).
Da es sich beim Einleitungsbeschluss um eine Entscheidung im Verdachtsbereich handelt, muss die darin enthaltene rechtliche Beurteilung des zur Last gelegten Verhaltens noch keine abschließende sein (VwGH vom 31.01.2001, Zl. 2000/09/0144).
Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).
Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gem. § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).
2.4. Zur Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt:
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde das dem BF vorgeworfene Verhalten im Spruch örtlich und zeitlich festgelegt und auch angeführt worin sie die Pflichtverletzung erblickt bzw. in welche Richtung er sich vergangen habe und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Dass eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 (Anschuldigungspunkt 1.), die Ausübung einer unzulässigen Nebenbeschäftigung (Anschuldigungspunkt 2.), das Unterlassen der Meldung einer Nebenbeschäftigung (Anschuldigungspunkt 3.), sowie der Verstoß gegen eine die Nebenbeschäftigung untersagende Weisung (Anschuldigungspunkt 4.), jeweils geeignet ist gegen die Dienstpflichten des §§ 43 Abs. 1 und 2, 44 Abs. 1 BDG 1979 bzw. § 56 Abs. 2 und Abs. 3 BDG 1979 zu verstoßen und damit jeweils eine Pflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 begründet, ist unzweifelhaft.
Aufgrund des in der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde dargestellten Sachverhaltes, kann in der Einleitung des Disziplinarverfahrens durch die belangte Behörde keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, da die angelasteten Vorwürfe ohne Zweifel geeignet sind §§ 43 Abs. 1 und 2, 44 Abs. 1 BDG 1979 (Anschuldigungspunkt 1.) § 56 Abs. 2 und Abs. 3 BDG 1979 (Anschuldigungspunkte 2.-4.) zu verletzen. Ob und inwiefern das Verhalten des BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen darstellt, wird im weiteren Verfahren zu klären sein.
Wie bereits oben unter Punkt II.1. ausgeführt, kann den Ausführungen des BF im Beschwerdeverfahren, nicht gefolgt werden, da eine ausreichende Verdachtslage besteht und die diesbezügliche Verantwortung und das Vorbringen des BF im Disziplinarverfahren zu prüfen sein wird.
Die vom BF getätigten Ausführungen sind daher zusammengefasst nicht geeignet, den Verdacht der schuldhaften Begehung konkret umschriebener Dienstpflichtverletzungen auszuräumen. Der von der belangten Behörde verfügte Einleitungsbeschluss betreffend Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen im Verdachtsbereich ist daher zu Recht erfolgt.
Zusammengefasst liegen keine offenkundigen Gründe für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Z 1 – 4 BDG 1979, sondern zu sämtlichen Spruchpunkten des bekämpften Bescheides (Einleitungsbeschlusses) der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung vor, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) dargestellte Rechtsprechung wird verwiesen.
Schlagworte
Abwesenheit vom Dienst Dienstantritt Dienstfähigkeit Dienstpflichtverletzung Disziplinarverfahren Einleitung Disziplinarverfahren Einleitungsbeschluss Krankenstand Nebenbeschäftigung öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Verdachtslage WeisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2245510.1.00Im RIS seit
11.01.2022Zuletzt aktualisiert am
11.01.2022