TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/30 W170 2244622-1

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Veröffentlicht am 30.11.2021
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Entscheidungsdatum

30.11.2021

Norm

BDG 1979 §44 Abs1
B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §6 Abs3

Spruch

W170 2244622-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von Vzlt. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas HERZKA, gegen das Disziplinarerkenntnis des Kommandanten des Luftunter-stützungsgeschwaders vom 08.07.2021, Zl. S91551/4-LuUGschw/Kdo/S1Grp/2021 (1), zu Recht:

A) In teilweiser Abweisung und teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird der Spruch des Disziplinarerkenntnisses geändert. Dieser lautet:

„Vzlt. XXXX ist

schuldig,

er hat sich am 20.04.2021 um ca. 16.05 Uhr ohne Genehmigung des Einheitskommandanten oder eines zu diesem Zeitpunkt für ihn zuständigen Zwischenvorgesetzten insoweit fahrlässig vom Dienst entfernt, als er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wissen müssen, dass er sich dies von einem zuständigen Vorgesetzten hätte genehmigen lassen müssen, obwohl ihm am 19.04.2021 von seinem Zwischenvorgesetzten Vzlt. XXXX die Teilnahme an einem Nachtflug am 20.04.2021 befohlen und weshalb unter einem für den 20.04.2021 als Dienstbeginn 09.00 Uhr und als Dienstende 23.00 Uhr angeordnet worden ist. Er hat daher fahrlässig die am 19.04.2021 erteilte Weisung nicht beachtet und gegen seine Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG verstoßen.

Von der Verhängung einer Strafe wird gemäß § 6 Abs. 3 HDG abgesehen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Disziplinarerkenntnis des Kommandanten des Luftunterstützungsgeschwaders (in Folge: Behörde) vom 08.07.2021, Zl. S91551/4-LuUGschw/Kdo/S1Grp/2021 (1), wurde Vzlt. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) im Spruch vorgeworfen, er habe sich am 20.04.2021 um ca. 16.00 Uhr ohne Genehmigung des Einheitskommandanten vom Dienst entfernt. In der Begründung wurde (zusammengefasst und soweit hier relevant) ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer am 19.04.2021 die Teilnahme an einem Nachtflug am 20.04.2021 befohlen worden sei, weshalb als Dienstbeginn am 20.04.2021 09.00 Uhr und als Dienstende 23.00 Uhr angeordnet worden sei. Der Beschwerdeführer habe aber gegen 16.00 Uhr erfahren, dass er als COVID-19 Risikopatient am gleichen Tag eine COVID-Impfung erhalten könne, habe seine Zwischenvorgesetzten davon informiert und ohne Information des Kommandos den Dienstort verlassen.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 08.07.2021 zugestellt.

Mit am 15.07.2021 zur Post gegebenem Schriftsatz wurde gegen den gegenständlichen Bescheid Beschwerde erhoben.

1.2. Der Beschwerdeführer ist eine Militärperson des Dienststandes im Rang eines Vzlts. Er ist disziplinarrechtlich unbescholten, verheiratet und sorgepflichtig für ein 14-jähriges Kind. er verdient im Monat € 3.000 und besitzt eine Landwirtschaft in einem erheblichen Wert, hat lediglich geringfügige Schulden und lebt in Niederösterreich.

Es gehört dem Luftunterstützungsgeschwader als Bordtechniker an.

1.3. Der Zwischenvorgesetzte des Beschwerdeführers, XXXX , hat dem Beschwerdeführer am 19.04.2021 – nach einer freiwilligen Meldung des Beschwerdeführers – im Auftrag des Kommandos des Luftunterstützungsgeschwaders befohlen, am 20.04.2021 an einer Nachtflugübung als Bordtechniker teilzunehmen; daher wurde dem Beschwerdeführer für den 20.04.2021 als Dienstbeginn 09.00 Uhr und als Dienstende 23.00 Uhr befohlen, um nicht über die für einen Ausbildungsflug zulässige Dienstzeit zu kommen. Am 20.04.2021 hat der Beschwerdeführer seinen Dienst entsprechend angetreten.

Der Beschwerdeführer hat am 19.04.2021 von seinem Facharzt erfahren, dass er einer Risikogruppe in Bezug auf COVID-19 angehört und hat am 19.04.2021 einen Impftermin über das Impfservice Niederösterreich gebucht, wobei dieser erst etwa ein Monat später möglich gewesen wäre.

Am 20.04.2021 hat der Beschwerdeführer im privaten Gespräch mit XXXX erfahren, dass bei Risikopatienten eine frühere Buchung eines Impftermins möglich sein müsste und hat dann seinen Hausarzt angerufen, um festzustellen, ob bei diesem ein früherer Termin möglich wäre. Der Hausarzt, der zu diesem Zeitpunkt nicht in seiner Ordination war, hat den Beschwerdeführer auf 16.00 Uhr vertröstet, ihm aber gesagt, dass er – er sei bis kurz vor diesem Zeitpunkt eine Impfstelle gewesen – noch eine COVID-19 Impfung übrig hätte und diese, wenn der Beschwerdeführer wirklich einer Risikogruppe angehöre, an den Beschwerdeführer verimpfen dürfe.

Der Beschwerdeführer hat diese Umstände, nämlich, dass er um 16.00 Uhr erfahre, ob er noch am 20.04.2021 eine COVID-19 Impfung bekommen könne und diesfalls vom Dienst abtreten wolle, am 20.04.2021 gegen 15.15 Uhr seinem Zwischenvorgesetzten XXXX – dieser ist hinsichtlich des Dienstes „am Boden“ und der Diensteinteilung Vorgesetzter des Beschwerdeführers – mitgeteilt, dieser hat die Information aufgenommen, aber, da dieser unmittelbar darauf den Dienst beenden wollte, nichts dazu gesagt; er hat den Beschwerdeführer auch nicht an das Kommando verwiesen. In weiterer Folge hat XXXX auch keine weitere diesbezügliche Aktivität gesetzt, insbesondere nicht das Kommando informiert.

Am 20.04.2021, um etwa 15.00 Uhr oder 15.30 Uhr, fand das Briefing für den Nachtflug am gleichen Tag statt. Zweck des Briefings ist das Ausfassen von Nachtsichtgeräten, die Einteilung der Crews, das Verlesen des Auftrags und das Wetter-Briefing. Das Briefing wurde von Hptm. XXXX geleitet, anwesend waren unter anderem der 1. Führer (=Pilot) des Luftfahrzeugs, für das der Beschwerdeführer eingeteilt war, Vzlt. XXXX bzw. – es war ein Tausch der Funktion des 1. Führers bei etwa nach der Hälfte des Fluges geplant – Vzlt. XXXX sowie Vzlt. XXXX . Während des Nachtfluges („in der Luft“) war XXXX der Kommandant des Einsatzes, der jeweils 1. Führer der Kommandant des Luftfahrzeugs. Diese wären ab diesem Zeitpunkt Vorgesetzte des Beschwerdeführers gewesen. Der Beschwerdeführer teilte im Rahmen des Briefings den Anwesenden mit, dass er um 16.00 Uhr erfahre, ob er noch am 20.04.2021 eine COVID-19 Impfung bekommen könne und diesfalls vom Dienst abtreten wolle. Die Anwesenden reagierten mit Verständnis auf diese Ankündigung und hätten erklärt, dass der Ausfall des mit dem Dienstabtreten des Beschwerdeführers vermutlich ausfallenden Fluges im Lichte eines für den übernächsten Tag geplanten weiteren Nachtfluges überhaupt kein Problem sei. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer nicht an das Kommando verwiesen.

Unmittelbar nach dem Briefing hat der Beschwerdeführer von seinem Hausarzt erfahren, dass er geimpft werden könne und hat ca. um 16.05 Uhr, nach dem Briefing aber vor Beginn des Nachtfluges, den Dienstort Richtung Hausarzt verlassen. Er habe dies XXXX mitgeteilt, der etwa gesagt habe: „OK, gehst halt impfen!“.

Infolgedessen konnte der geplante Nachtflug des Luftfahrzeugs, für das der Beschwerdeführer eingeteilt war, nicht wie geplant durchgeführt werden.

Am 20.04.2021 war das Kommando des Luftunterstützungsgeschwaders von Mjr. XXXX besetzt, mit diesem hat der Beschwerdeführer hinsichtlich seines am 20.04.2021 möglichen COVID-19 Impftermins und des hiefür nötigen Abbruch des Dienstes keinen Kontakt aufgenommen.

Dem Beschwerdeführer war am 20.04.2021 nicht klar, dass er sich sein Abtreten vom Dienst von einem zuständigen Zwischenvorgesetzten hätte genehmigen lassen müssen; bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte ihm aber klar sein müssen, dass sein Abtreten vom Dienst von XXXX nicht genehmigt worden war und die anderen Personen, die er informiert hatte, zum Zeitpunkt des Abtretens vom Dienst nicht seine (Zwischen-)Vorgesetzten waren.

Es gibt im Luftunterstützungsgeschwader eine allgemeine Unsicherheit, wie ein Soldat, der aus wichtigen persönlichen Gründen vom Dienst abtreten muss, sich zu verhalten hat; diesbezügliche eindeutige Weisungen fehlen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen unter 1.1. zum Bescheid, auch zu dessen Inhalt, dessen Zustellung, zur Beschwerde und zum Datum, wann diese zur Post gegeben wurde, ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen glaubwürdigen Aussagen sowie aus dem diesen Aussagen nicht widersprechenden Akteninhalt.

2.3. Beweiswürdigend liegen den Feststellungen zu 1.3. folgende Überlegungen zu Grunde:

Dass der Zwischenvorgesetzte des Beschwerdeführers diesem am 19.04.2021 – nach einer freiwilligen Meldung des Beschwerdeführers – im Auftrag des Kommandos des Luftunterstützungsgeschwaders befohlen hat, am 20.04.2021 an einer Nachtflugübung als Bordtechniker teilzunehmen und der sich daraus ergebende Dienstbeginn bzw. das sich darauf ergebende befohlene (wenn auch in weiterer Folge nicht eingehaltenen) Dienstende sind unstrittig und ergeben sich aus der Aussage des Beschwerdeführers sowie der Zeugen. Diese Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen sind inhaltlich gleichlautend.

Dass der Beschwerdeführer am 19.04.2021 von seinem Facharzt erfahren hat, dass er der Risikogruppe in Bezug auf COVID-19 angehört und hat am 19.04.2021 einen Impftermin über das Impfservice Niederösterreich gebucht, wobei dieser erst ein Monat später möglich war, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Beschwerdeführers. An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Beschwerdeführer auf den erkennenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts als Person und in der Sache – über die gegenständlichen Feststellungen hinaus in Bezug auf den gesamten Vorfall – einen äußerst glaubwürdigen und hinsichtlich der Feststellung des Sachverhalts engagierten Eindruck machte. Seine Schilderungen waren schlüssig (auch wenn ein Vergleich mit den Angaben in der Strafverhandlung vor der Behörde mangels einer – entgegen § 14 AVG nicht aufgenommenen – Niederschrift nicht erfolgen konnten und die Einvernahmen im Ermittlungsverfahren sehr kurz und wenig aussagekräftig sind) und versuchten, den Vorfall auch nicht zu beschönigen. Daher ist der Aussage des Beschwerdeführers, obwohl diese nicht strafbewehrt ist und er an dieser ein hohes Interesse hat, ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zuzusprechen.

Die Feststellungen zum Mittagsgespräch des Beschwerdeführers mit XXXX ergeben sich aus dessen – glaubwürdigen – Aussagen, denen XXXX insgesamt nicht entgegentrat; der Zeuge konnte sich an dieses Gespräch nicht mehr erinnern, was nachvollziehbar ist, weil es für XXXX einerseits keine besondere Bedeutung hatte und andererseits dieser der Lebenserfahrung nach im letzten Jahr wohl oft ein Gespräch mit gegenständlichem Thema geführt hat. Dass der Beschwerdeführer dann seinen Hausarzt angerufen hat sowie der Inhalt des Gespräches ergeben sich aus dessen diesbezüglich glaubhaften Aussagen.

Dass XXXX der Vorgesetzte des Beschwerdeführers hinsichtlich des Dienstes am Boden und der Diensteinteilung ist, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des XXXX , des Zeugen XXXX und des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass der Beschwerdeführer am 20.04.2021 gegen 15.15 Uhr XXXX mitgeteilt habe, dass er um 16.00 Uhr erfahre, ob er noch am 20.04.2021 eine COVID-19 Impfung bekommen könne und diesfalls vom Dienst abtreten wolle, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des XXXX und des Beschwerdeführers, hinsichtlich sowie der (Nicht-)Reaktion des XXXX aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, da der Zeuge nicht mehr wusste, wie er reagiert hat. Dass XXXX den Beschwerdeführer nicht an das Kommando verwiesen und in Bezug auf die Meldung des Beschwerdeführers keine weitere diesbezügliche Aktivität gesetzt hat, insbesondere nicht das Kommando informiert hat, ergibt sich aus den glaubwürdigen Aussagen des XXXX , der seinen Dienst unmittelbar darauf beendet hatte und beim Bundesverwaltungsgericht den Eindruck hinterließ, dass er das Geschehen um den Nachtflug herum nicht als sein Problem sah, was dazu passt, dass er eben nichts weiter unternommen hat.

Der Umstand, dass ein Briefing zum Nachtflug am 20.04.2021 stattgefunden hat, ergibt sich ebenso aus den übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen (mit Ausnahme von XXXX und XXXX , die am Briefing nicht teilgenommen haben), wie der Zweck des Briefings und dass dieses von XXXX geleitet wurde. Auch wer anwesend war, ist nicht strittig.

Wer während des Nachtfluges („in der Luft“) der Kommandant des Einsatzes und des jeweiligen Luftfahrzeugs war, ist ebenso unstrittig, wie dass diese jeweils ab Beginn des Einsatzes Vorgesetzte des Beschwerdeführers gewesen wären.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Briefings den Anwesenden mitteilte, dass er um 16.00 Uhr erfahre, ob er noch am 20.04.2021 eine COVID-19 Impfung bekommen könne und diesfalls vom Dienst abtreten wolle, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht strittig, da dieser Aussage des Beschwerdeführers keiner der Anwesenden entgegengetreten ist; XXXX konnte (oder wollte) sich an diesen Aspekt des Briefings nicht erinnern, XXXX und XXXX haben im Wesentlichen die Aussage des Beschwerdeführers bestätigt. Selbiges gilt für die Reaktion der Anwesenden und dass der Beschwerdeführer nicht an das Kommando verwiesen wurde. Ebenso ergeben sich die Feststellungen zur Information des XXXX durch den Beschwerdeführer und dessen Reaktion aus den übereinstimmenden Aussagen der beiden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere XXXX aber auch XXXX einen aufrechten Eindruck gemacht haben, sie haben die Fragen in der Verhandlung nachvollziehbar beantwortet und auch ihre Reaktionen nachvollziehbar erklären können. XXXX hingegen will sich an den Ablauf des Briefings nicht erinnern können, kann sich aber noch an einzelne Details erinnern, dann allerdings auch an die Uhrzeit des Briefings. Insgesamt wirkte der Zeuge vor Gericht „vorsichtig“, wollte sich nur auf den unstrittigen Rahmen beschränken und sich insgesamt nicht zu seinem Verhalten im Briefing einlassen; er habe dem Beschwerdeführer sowieso nichts befehlen können und sei er nur informiert worden. Es wirkt, als habe XXXX ein schlechtes Gewissen, weil er den Beschwerdeführer nicht an das Kommando verwiesen habe bzw. diesbezüglich Angst vor einer disziplinären Verfolgung. Seiner Aussage kommt daher weniger Gewicht zu als der des Beschwerdeführers oder des XXXX und XXXX .

Dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Briefing von seinem Hausarzt erfahren habe, dass er geimpft werden könne und ca. um 16.05 Uhr den Dienstort Richtung Hausarzt verlassen habe, ergibt sich aus dessen Aussage ebenso wie, dass dies nach dem Briefing aber vor Beginn des Nachtfluges gewesen ist.

Dass infolgedessen der geplante Nachtflug des Luftfahrzeugs, für das der Beschwerdeführer eingeteilt war, nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, ergibt sich aus den Aussagen von XXXX , XXXX und XXXX . Ob man den geplanten Flug durch einen anderen, an dem XXXX hätte teilnehmen können, substituieren hätte können, spielt für das gegenständliche Verfahren keine Rolle.

Dass das Kommando des Luftunterstützungsgeschwaders am 20.04.2021 von Mjr. XXXX besetzt war und der Beschwerdeführer mit diesem hinsichtlich seines am 20.04.2021 möglichen COVID-19 Impftermins und des hiefür nötigen Abbruch des Dienstes keinen Kontakt aufgenommen hat, ergibt sich aus den Aussagen des XXXX und – hinsichtlich der nicht erfolgten Kontaktaufnahme – auch aus den Aussagen des Beschwerdeführers.

Dass dem Beschwerdeführer am 20.04.2021 nicht klar war, dass er sich sein Abtreten vom Dienst von einem zuständigen Zwischenvorgesetzten hätte genehmigen lassen müssen, ergibt sich aus dessen Auftreten vor Gericht und erklärt sich aus seiner psychischen Sondersituation, die sich aus der Erkenntnis, einer COVID-19 Risikogruppe anzugehören und einen schnellen Impftermin bekommen zu können sowie dem daraus entstehenden Druck ergibt. Dass dem Beschwerdeführer aber bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte klar sein müssen, dass sein Abtreten vom Dienst von XXXX nicht genehmigt worden war und die anderen Personen, die er informiert hat, zum Zeitpunkt des Abtretens vom Dienst nicht seine (Zwischen-)Vorgesetzten waren (siehe dazu die rechtlichen Ausführungen), ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer ein erfahrener Unteroffizier ist, dem im Prinzip klar war, wer „am Boden“ und wer (nur) „in der Luft“ seine (Zwischen-)Vorgesetzten waren; das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer am 20.04.2021 durch den Umstand, dass er gerade (am Tag vorher) erfahren hat, dass er ein COVID-19-Risikopatient ist und durch seine Versuche, zeitnahe an eine Impfung zu kommen, beeinträchtigt war; allerdings hätte es nur grundlegender Überlegungen des Beschwerdeführers bedurft, um festzustellen, wer sein Vorgesetzter war und ihm das Entfernen vom Dienst genehmigen hätte können. Dies insbesondere im Lichte dessen, dass für den Abend – unabhängig von dessen Bedeutung – ein Übungsflug angesetzt war; dem Beschwerdeführer als erfahrenen Unteroffizier hätte bei hinreichender Überlegung klar sein müssen, dass die Gefahr eines Ausfalls des Fluges besteht und daher die Genehmigung für die Entfernung von der Einheit noch wesentlicher ist.

Dass es im Luftunterstützungsgeschwader eine allgemeine Unsicherheit gibt, wie ein Soldat, der aus wichtigen persönlichen Gründen vom Dienst abtreten muss, sich zu verhalten hat, ergibt sich aus einem Vergleich der Aussagen des stellvertretenden Kommandanten XXXX und der (auch) als Zwischenvorgesetzte eingesetzten Unteroffiziere. Dass diesbezügliche eindeutige Weisungen fehlen, ergibt sich aus dem Umstand, dass niemand – auch die Behörde – nicht auf solche verwiesen haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Wenn die Beschwerde rügt, dass der Spruch des Bescheides nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften entspricht, ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass der Spruch grundsätzlich alle angewendeten Gesetzesbestimmungen enthalten müsse und dieser Vorschrift mit dem Verweis auf § 43 BDG nicht hinreichend gedient ist (zumal eine Pflichtverletzung nach § 44 BDG vorliegt).

Mit den Ausführungen, der Bescheid enthalte keine ausreichend konkrete Tatanlastung und sei daher nichtig, übersieht die Beschwerde allerdings, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht überspannt werden dürfen; zwar ist in erster Linie der maßgebliche Wortlaut des Spruchs relevant, aber kann auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch als individuelle Norm einer Auslegung bedarf. Diesfalls genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt (VwGH 23.05.2017, Ra 2016/05/0122; VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0484). Auch führt das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen im Spruch wie ebenso in der Begründung nicht zur Aufhebung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstands kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften seine Grundlage gebildet haben (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0484).

In einer Zusammenschau des Spruches mit der Begründung hat dieser daher in Bezug auf den Schuldspruch wie folgt – an den Beschwerdeführer gerichtet – gelesen zu werden:

„Sie sind schuldig, da Sie sich am 20.04.2021 um ca. 16.05 Uhr ohne Genehmigung des Einheitskommandanten vom Dienst entfernt haben, obwohl Ihnen am 19.04.2021 die Teilnahme an einem Nachtflug am 20.04.2021 befohlen worden ist, weshalb für den 20.04.2021 als Dienstbeginn 09.00 Uhr und als Dienstende 23.00 Uhr angeordnet worden ist. Sie haben daher die am 19.04.2021 erteilte Weisung nicht beachtet und gegen Ihre Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG verstoßen.“

3.2. Wenn die Beschwerde weiters (zum Teil zu Recht) rügt, dass Verfahrensvorschriften nicht beachtet wurden, ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass ein vor der Verwaltungsbehörde unterlaufener Verfahrensfehler durch ein ordnungsgemäß vor dem Verwaltungsgericht geführtes Beschwerdeverfahren saniert wird (vgl. etwa VwGH 29.01.2015, Ra 2014/07/0102; VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056; VwGH 25.04.2017, Ra 2016/18/0234; VwGH 05.02.2018, Ra 2017/03/0091, VwGH 05.02.2021, Ra 2018/19/0685); daher ist auf diese Vorbringensteile in der Beschwerde nicht näher einzugehen.

3.3. Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte unter anderem die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist. Gemäß § 44 Abs. 2 BDG kann (muss) der Beamte die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde, gemäß § 44 Abs. 3 BDG hat der Beamte, hält er eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.

Eine Pflicht zur Befolgung einer Weisung ist danach dann zu verneinen, wenn einer der in Art. 20 Abs. 1 dritter Satz B-VG genannten Tatbestände vorliegt, wenn die Weisung nach erfolgter Remonstration nicht schriftlich wiederholt wurde oder wenn ihre Erteilung gegen das Willkürverbot verstößt (VwGH 12.12.2008, 2008/12/0011; VwGH 22.05.2012, 2008/12/0052; VwGH 22.05.2012, 2011/12/0170).

Daraus ergibt sich, dass eine Weisung, für die die Befolgungspflicht nicht ausgeschlossen ist, gilt und zu befolgen ist, bis diese entweder erfüllt wurde – hier: bis der Beschwerdeführer am Nachtflug teilgenommen und um 23:00 Uhr seinen Dienst beendet hätte – oder diese aufgehoben wird. Die Aufhebung einer Weisung erfolgt als contrarius actus ebenfalls im Wege der Weisung (VwGH 08.04.1992, 91/12/0078; VwGH 29.07.1992, 88/12/0144; VwGH 12.05.2010, 2009/12/0140), das bedeutet durch eine gegenteilige Anordnung eines Organwalters, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist. Es kommt auch nicht darauf an, aus welchen persönlichen oder sachlichen Gründen ein Beamter die Befolgung einer (bindenden) Weisung unterlassen hat oder die Weisung inhaltlich ablehnt (VwGH 21.03.1991, 91/09/0002; VwGH 15.09.2004, 2001/09/0137). Einem Beamten kommt kein Recht auf Erteilung einer Weisung bestimmten Inhaltes, insbesondere auf Aufhebung oder auf Abänderung einer an ihn ergangenen Weisung, zu (VwGH 18.12.2014, Ro 2014/12/0018).

3.4. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer jedenfalls am 19.04.2021 von seinem Zwischenvorgesetzten die Weisung bekommen hat, am 20.04.2021 an einem Nachtflug als Bordtechniker teilzunehmen und deshalb unter einem für den 20.04.2021 als Dienstbeginn 09.00 Uhr und als Dienstende 23.00 Uhr angeordnet worden ist. Nicht einmal behauptet hat der Beschwerdeführer, dass er gegen die Weisung remonstriert hat.

Zum Zeitpunkt der Weisungserteilung und am 20.04.2021 bis zum Abtreten vom Dienst war XXXX , allenfalls dessen Vertreter, nachdem XXXX den Dienstort verlassen hat, der Vorgesetzte des Beschwerdeführers, da festgestellt wurde, dass dieser „am Boden und hinsichtlich der Diensteinteilung“ der Vorgesetzte des Beschwerdeführers ist und der Beschwerdeführer sich allenfalls für die Dauer des Briefings und nur in Bezug auf dieses unter dem Befehl von XXXX befunden hat. Nach Ende des Briefings – die Übung hatte noch nicht begonnen – war XXXX bzw. dessen Vertreter oder dessen Vorgesetzter, also der diensthabende Kommandant – Vorgesetzter des Beschwerdeführers. Dieser hat um 16:05, nach Ende des Briefings und vor Beginn der Übung, den Dienstort verlassen und waren daher nur XXXX , dessen Vertreter und das Kommando Vorgesetzter des Beschwerdeführers; daher konnten nur diese dem Beschwerdeführer die Weisung geben, die die Weisung, am Nachtflug teilzunehmen, aufheben konnte.

Dass XXXX das nicht getan hat, ergibt sich aus den Feststellungen; XXXX hat am 20.04.2021 nichts getan, insbesondere hat er nicht die Weisung, am Nachtflug teilzunehmen, aufgehoben. Dass hat der Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Der Vertreter von XXXX ist XXXX ; der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass er diesen informiert hat und XXXX hat nicht einmal angedeutet, dass er XXXX eine entsprechende Weisung gegeben habe (Verhandlungsschrift, S. 18: „…, dass er nicht mitbekommen habe, dass jemand explizit gesagt habe: ‚Du kannst gehen‘. Es habe auch keiner explizit gesagt: ‚Du kannst nicht gehen.‘). Somit hat der Beschwerdeführer von XXXX auch keine Weisung bekommen, die die Weisung, am Nachtflug teilzunehmen, aufgehoben hätte.

Zum Kommando hatte der Beschwerdeführer keinen Kontakt. Daher hat die Weisung des XXXX vom 19.04.2021 am 20.04.2021 an einem Nachtflug als Bordtechniker teilzunehmen den Dienst um 09.00 Uhr zu beginnen und um 23.00 Uhr zu beenden, noch bestanden. Dadurch, dass der Beschwerdeführer den Dienst um ca. 16:05 Uhr verlassen hat, hat er gegen diese Weisung verstoßen.

3.5. Allerdings war das dem Beschwerdeführer, insbesondere wegen seiner besonderen gesundheitlichen Situation und der daraus folgenden Belastung, nicht klar, er hielt seinen – wohl kommunizierten – Weggang vom Dienst für rechtmäßig; als langjähriger Unteroffizier hätte er aber wissen müssen, dass eine Weisung (ein Befehl) eben gilt, bis er (vollständig) befolgt oder aufgehoben wurde und wer seine Vorgesetzten sind. Auch wenn es in der Einheit hinsichtlich eines durch persönliche, plötzlich auftretende Umstände bedingten Weggang vom Dienst offenbar keine einheitlichen Regeln gibt, muss der Beschwerdeführer wissen, dass gerade bei einer befohlenen Übung der Weggang nicht nur gemeldet, sondern auch genehmigt werden muss. Er hat also nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gehandelt.

Trotzdem liegt die Dienstpflichtverletzung, wenn auch in fahrlässiger Begehung, vor, der Beschwerdeführer ist in Klarstellung des Spruches wegen dieser schuldig zu sprechen.

3.6. Zur Strafe ist auszuführen, dass gemäß § 6 Abs. 3 HDG im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden kann, wenn (1.) das Absehen ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und (2.) nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beschuldigten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten.

Die Milderungsgründe – die besondere Situation des Beschwerdeführers, auf die die Vorgesetzten und die Kameraden nicht reagiert haben und den Beschwerdeführer nicht entsprechend beraten bzw. an das Kommando verwiesen haben, die Unbescholtenheit und die lange, ordentliche Dienstleistung sowie das Fehlen klarer Regeln für das Verhalten in der Situation des Beschwerdeführers – überwiegen die (nicht vorhandenen) Erschwernisgründe erheblich.

Im Lichte der bloß fahrlässigen Begehung und des Überwiegens der Milderungsgründe wäre daher die Frage zu stellen, on die Schwelle der disziplinären Vorwerfbarkeit überhaupt überschritten ist, auch wenn die Nichtbefolgung einer Weisung grundsätzlich eine schwere Dienstpflichtverletzung ist.

Da der Beschwerdeführer aber bis heute glaubt, dass sein Verhalten rechtmäßig war, ist – im Schuldspruch – die Rechtswidrigkeit festzustellen. Nach dem Charakter des Beschwerdeführers braucht es aber keine Bestrafung um diesen, nach Feststellung der Rechtswidrigkeit, von einer gleichartigen Tat in Zukunft abzuhalten.

Ebenso sind generalpräventive Gründe, insbesondere beim Luftunterstützungsgeschwader, das nach der Wahrnehmung des erkennenden Richters eine offenbar gute und professionell funktionierende Einheit ist, deren (bei Gericht anwesenden) Mitglieder zu einem sehr großen Anteil lösungsorientiert agieren, die eine Strafe nach Klarstellung der Rechtslage notwendig gemacht hätten, nicht zu erkennen, sodass auch dienstliche Interessen nicht gegen das Absehen von der Strafe sprechen.

3.7. Es ist daher in teilweiser Abweisung und teilweiser Stattgebung der Beschwerde der Spruch des Disziplinarerkenntnisses zu ändern und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es stellen sich keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.

Schlagworte

Abwesenheit vom Dienst Befolgung einer Weisung Bundesheer Dienstpflichtverletzung Disziplinarerkenntnis Fahrlässigkeit Pandemie Schuldspruch ohne Strafe Spruchpunkt - Abänderung Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2244622.1.00

Im RIS seit

11.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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