TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/1 W159 2245374-2

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Veröffentlicht am 01.12.2021
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Entscheidungsdatum

01.12.2021

Norm

BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §55

Spruch


W159 2245374-2/2E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. stattgegeben und diese behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Gambia, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.02.2018 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Nach der Erstbefragung wurde er dazu am 09.08.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er gab zu seinen Fluchtgründen an, dass im Alter von 13 Jahren seine Mutter und ein Jahr später sein Vater verstorben sei. Einen Monat, nachdem sein Vater verstorben sei, habe er Gambia verlassen. Er habe nur eine jüngere Schwester in Gambia und sonst keine Verwandten. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er keine Probleme gehabt. Er sei in Gambia niemals konkret bedroht oder verfolgt worden. Auch bei der Ausreise habe es keine Probleme gegeben, er habe lediglich in Gambia keine Perspektive gehabt. Ein Onkel wurde ausdrücklich nicht erwähnt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2018 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt.

Dieser Bescheid wurde rechtswirksam durch Hinterlegung im Akt am 03.09.2018 zugestellt.

Der Beschwerdeführer stellte nach Anhaltung im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 02.01.2021 den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Zu seinen Fluchtgründen gab er bei der Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei am 02.01.2021 an, dass seine früheren Asylgründe nach wie vor aufrecht seien, es jedoch weitere hinzugekommen seien. Sein Onkel XXXX sei damals, als er seine Heimat verlassen habe, ein ranghoher Offizier bei Militär gewesen und sei vor ca. fünf Monaten verhaftet worden. Beim letzten Regierungsumsturz sei sein Onkel an einem Massaker beteiligt gewesen. Seit seiner Verhaftung suchten Mitglieder der betroffenen Familie nach ihm, um sich an ihm zu rächen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2021 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.08.2021, Zahl XXXX gemäß §§ 68 Abs. 1 AVG, 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG, 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9, 46 und 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom 23.08.2021 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, ein schriftliches Parteiengehör hinsichtlich allfälliger Erlassung einer Rückkehrentscheidung eines Einreiseverbotes und eines Schubhaftbescheides durch.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.10.2021, Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sechs Monaten bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Als mildernd wurde der bisherige ordentliche Lebenswandel und das Geständnis, als erschwerendes Zusammentreffen von zwei Vergehen gewertet.

Am 29.10.2021 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme durch die belangte Behörde. Zunächst wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass er aufgrund der beiden abgewiesenen Asylanträge und der erfolgten Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz unerlaubt in Österreich aufhältig sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass der Zweck seiner Einreise gewesen sei, hier in Österreich zu bleiben, denn er mag Österreich, er habe allerdings in Österreich keinen festen Wohnsitz, sondern lediglich eine Obdachlosenanschrift in XXXX . Er besitze auch keinen gültigen Reisepass und auch keine Geldmittel. Weiters sei er ledig, habe keine Sorgepflichten und keine Familienangehörigen in Österreich.

Der ursprünglich in Schubhaft angehaltene Beschwerdeführer wurde am 09.11.2021 im Hinblick auf die ungewisse Außerlandesschaffung nach Gambia aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 02.11.2021 wurde unter Spruchpunkt I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nicht erteilt und unter Spruchpunkt II. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei, unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, unter Spruchpunkt V. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und unter Spruchpunkt VI. ein auf fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Nach kursorischer Darstellung des Verfahrensganges wurden (kurze) Feststellungen zum Herkunftsland getroffen. Zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht vorlägen, zu Spruchpunkt II., dass kein schützenswertes Familienleben in Österreich habe festgestellt werden können, ebenso wenig ein schützenswertes Privatleben. Es sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen.

Zu Spruchpunkt III. wurde insbesondere ausgeführt, dass keine Gründe im Sinne des § 50 FPG ersichtlich wären und auch nicht von dem Beschwerdeführer behauptet worden wären und sei dem Beschwerdeführer zumutbar in das Heimatland zurückzukehren.

Zu Spruchpunkt IV. und V. wurde ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich sei und daher auch von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen gewesen sei. Zum Einreiseverbot wurde auf § 53 Abs. 3 Z 1 (… zu einer bedingten oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten …) Bezug genommen. Im vorliegenden Fall würden keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte zu Österreich vorliegen. Bei einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens der Lebensumstände und der Lebensumstände daher festzustellen, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Gegen diesen Bescheid erhob der Adressat, vertreten durch die XXXX , gegen sämtliche Spruchpunkte fristgerecht Beschwerde. Dieser wurde insbesondere hervorgebracht, dass der Beschwerdeführer lediglich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden war und er intensive soziale Kontakte in Österreich pflege, insbesondere eine Beziehung zu der österreichischen Staatsbürgerin XXXX und dass er über eine Vielzahl von Bekannten und Freunden verfüge und weiters Mitglied beim Fußballverein XXXX sei. Angeschlossen wurde eine Kopie des Spielerpasses sowie ein Unterstützungsschreiben der XXXX . Außerdem habe der Beschwerdeführer gar keine Reisedokumente und keine Möglichkeit das Bundesgebiet zu verlassen. Es würden auch keine Hinweise auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates bestehen. Der Beschwerdeführer sei bestens integriert und lebe seit fast vier Jahren in Österreich. Er habe keinerlei Anknüpfungspunkte mehr an Gambia und habe Gambia bereits im Alter von 14 Jahren verlassen und sei in der Zwischenzeit Österreich seine „Heimat“ geworden. Die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von fünf Jahren stehe jedenfalls nicht in einem angemessenen Verhältnis zum persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers, zumal er nur einmal straffällig geworden sei, was er sehr bereue. Die Behörde habe auch eine Prüfung der Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Gambia unterlassen und entbehre die Beweiswürdigung der Nachvollziehbarkeit. Die Behörde habe sich auch nicht ausreichend mit den Länderberichten zum Herkunftsstaat, insbesondere mit der Problematik der sozialen Ächtung für Rückkehrer sowie der völlig fehlenden Grundversorgung und des Fehlens eines Sozialsystems in Gambia auseinandergesetzt. Auch sei die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keinesfalls ausreichend begründet worden.

Ausdrücklich wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung insbesondere zur Gefährlichkeitsprognose unter Einvernahme des Beschwerdeführers beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die obigen Darlegungen im Verfahrensgang werden zu Feststellungen erhoben.

Der Verfahrensgang und damit die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der belangten Behörde.

Die gesetzlichen Bestimmungen im BFA-VG zu Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde lauten wie folgt:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1.         der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2.         schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3.         der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4.         der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5.         das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6.         gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7.         der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Der VwGH hat zu § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung vor dem FrÄG 2017 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass dieser das BVwG dazu verpflichtet, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde mit (Teil) Erkenntnis zu entscheiden und zwar sowohl über die Zuerkennung als auch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014; 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 30.06.2917, Fr 2017/18/0026; 20.09.2017, Ra 2017/19/0284; 19.10.2017, Ra 2017/18/0278; 29.11.2017, Ro 2017/18/0002; 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

Das Bundesverwaltungsgericht deutet § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung des FrÄG 2017 so, dass es bei Vorliegen einer Beschwerde in der Hauptsache auch von einer Beschwerde gegen den Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auszugehen hat und dass es (im Sinne der vorzitierten Judikatur des VwGH) diese – sowohl im Fall der Bestätigung dieser Aberkennung als auch im Fall einer Abänderung iSd. Zuerkennung aufschiebender Wirkung – innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist mit Erkenntnis zu erledigen hat (vgl. dazu näher BVwG 10.04.2018, W230 2190973-1, mwN).

Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Der Beschwerdeführer macht ein reales Risiko einer Verletzung der zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen, insbesondere des Art. 8 EMRK geltend, bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um „vertretbare Behauptungen“ handelt.

Der VwGH führt hinsichtlich der Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BVA-VG in ständiger Judikatur dazu wie folgt aus:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes eben außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08. September 2015, Ra 2014/01/022, mwN und viele andere mehr).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach betont, dass gerade bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Verschaffung eines persönlichen Eindruckes im Rahmen einer Beschwerde-verhandlung besonders wichtig ist (z.B. VwGH vom 23.03.2020, Ra2019/14/0334, VwGH vom 25.05.2020, Ra2019/19/0116, jüngst VwGH vom 29.03.2021, Ra2021/18/0071.). Gleiches gilt auch für die Verhängung eines Einreiseverbotes.

Weiters hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde den Sachverhalt (und die Beweiswürdigung) nicht bloß unsubstantiiert bestritten, sondern diesbezüglich ein konkretes und substantiiertes Vorbringen erstattet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher im vorliegenden Fall eine mündliche Beschwerdeverhandlung unter Befragung des Beschwerdeführers sowie allenfalls seiner Freundin sowie des zuständigen Fußballfunktionärs durchzuführen, was innerhalb von einer Wochenfrist nicht möglich ist. Darüber hinaus kann die von der belangten Behörde angenommene Dringlichkeit in Anbetracht der offenbaren Unmöglichkeit einer zeitnahen Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht nachvollzogen werden und führt lediglich dazu, das Bundesverwaltungsgericht zeitlich unter Druck zu setzen.

Im Sinne der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 08.06.2020, Ra 2018/19/0478) war bei Behebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise zu beheben, wobei die allfällige Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise einer finalen Entscheidung über die restlichen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides vorbehalten wird.

Es waren daher die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

Durch die Behebung des angefochtenen Spruchteils V. kommt der Beschwerde somit aufschiebende Wirkung zu. Somit war es nicht mehr erforderlich ausdrücklich der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Im Übrigen ist ein derartiger Antrag gar nicht zulässig (VwGH vom 13.12.2017, Ra 2017/19/003).

Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung mündliche Verhandlung real risk Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2245374.2.00

Im RIS seit

12.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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