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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in F, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995, Zl. 4.342.832/2-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Spruchpunkt 1. des im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Irak, der am 5. Mai 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 6. Mai 1993 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Mai 1993 abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde unter anderem folgendes aus:
"Bezüglich der von Ihnen behaupteten Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion muß festgestellt werden, daß die im Irak in Aussicht gestellte Strafe wegen dieser Delikte allein noch nicht die Annahme eines asylrelevanten Aspektes Ihrer behaupteten Furcht rechtfertigt. Desertion und Wehrdienstverweigerung sind auch in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern mit Strafe bedroht. Die Strenge und Art der angedrohten Strafe ist nicht maßgeblich. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, daß die "Flucht" vor einer wegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt (vgl. VwGH vom 31.05.1989, 89/01/0059).
Auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht im Irak kommt es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung oder Verweigerung hat somit nicht erkennbar den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion, politische Überzeugung usw.) zu treffen. Staatliche Maßnahmen zur Einhaltung der Wehrpflicht sind Ausfluß des Rechtes eines jeden Staates und stellen als solche keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 dar.
Aus Ihrem Vorbringen ist jedenfalls nicht glaubwürdig ableitbar, daß Sie auf Grund eines in der Genfer Konvention bzw. im § 1 Ziffer 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Grundes im Falle Ihrer Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten hätten (siehe VwGH vom 29.06.1994, 93/91/0377 und die dort zitierte Vorjudikatur)."
Gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides vom 31. März 1995 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. ua. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als die Behörde übergeht, daß der Beschwerdeführer bereits anläßlich seiner erstinstanzlichen niederschriftlichen Einvernahme angegeben hat, daß er der armenischen Volksgruppe und Religion angehöre. Als solcher sei er - neben allgemeinen Benachteiligungen - auch während der Ableistung des Militärdienstes benachteiligt worden, weil Saddam Hussein immer darauf bedacht gewesen sei, die Christen an vorderster Front einzusetzen. Deshalb sei er anläßlich seiner vierten Einberufung während des Krieges des Irak gegen Kuwait desertiert, als seine Einheit an die Front verlegt werden sollte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt weder die Flucht vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Militärdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung, DIE BEHANDLUNG WÄHREND DES MILITÄRDIENSTES oder die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion sei infolge eines der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, und das Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0687).
Dadurch, daß der Beschwerdeführer die Benachteiligung während des Militärdienstes aus Gründen seiner christlichen Religion bereits in erster Instanz behauptet hat, hat er mit hinreichender Deutlichkeit auf einen Sachverhalt hingewiesen, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde in einem solchen Fall gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 dazu verpflichtet gewesen wäre, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen, so ihr diese nicht als ausreichend erschienen, und sie deshalb die in der Berufung vorgenommene Konkretisierung der behaupteten Verfolgung des Beschwerdeführers während der Ableistung seines Militärdienstes aus Gründen der Zugehörigkeit zur christlichen Religion nicht hätte außer acht lassen dürfen, verstößt die belangte Behörde durch das Übergehen der genannten Angaben des Beschwerdeführers gegen die Begründungspflicht, als dadurch nicht nachvollziehbar ist, ob die belangte Behörde dem Beschwerdeführer diesbezüglich die Glaubwürdigkeit versagte, aus rechtlichen Erwägungen dieses Vorbringen als unwesentlich ansah oder andere Gründe dazu führten, daß sie nicht darauf einging.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides zur Furcht vor Verfolgung sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200330.X00Im RIS seit
20.11.2000