TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/2 G305 2160606-1

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Veröffentlicht am 02.12.2021
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Entscheidungsdatum

02.12.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G305 2160606-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter im Beschwerdeverfahren von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralph FORCHER, in 8010 Graz, gegen die Beschwerdevorentscheidung der XXXX Gebietskrankenkasse (nunmehr der Österreichischen Gesundheitskasse) vom XXXX .2017, GZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und die angefochtene Beschwerdevorentscheidung aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse nunmehr der Österreichischen Gesundheitskasse (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX .2016, GZ: XXXX wurde ausgesprochen, dass Herr XXXX , geb. XXXX (im Folgenden: BF) als ehemaliger Geschäftsführer der XXXX , XXXX (im Folgenden: XXXX ), welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der XXXX , FN XXXX (im Folgenden: Primärschuldnerin) war, der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 58 Abs. 5 ASVG und § 83 ASVG für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge auf dem Beitragskonto XXXX aufgrund von Meldeverstößen gemäß § 111 ASVG den Betrag von EUR 14.123,41 zuzüglich Verzugszinsen in dem gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 7,88 % p.a. aus dem Betrage von EUR 10.454,88 schulde.

2. Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass er ohne Zweifel davon ausgegangen sei, dass es sich bei XXXX (im Folgenden: Erstmitbeteiligte oder kurz: MB1) und XXXX (im Folgenden: Zweitmitbeteiligte oder kurz: MB2) nicht um Dienstnehmerinnen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG handle, diese auch zuvor schon im Unternehmen tätig gewesen seien und sich das Thema „Qualifizierung als Dienstnehmer im Sinne des ASVG“ während seiner Geschäftsführertätigkeit nicht gestellt habe. Auch bei der GPLA, die vom Finanzamt durchgeführt worden sei, sei dies nicht thematisiert worden.

3. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom XXXX .2017, GZ: XXXX wies die belangte Behörde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG ab.

4. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der fristgerecht eingelangte Vorlageantrag.

5. Am XXXX .2020 und am XXXX .08.2020 fand beim Bundesverwaltungsgericht je eine mündliche Verhandlung statt.

6. Mit Erkenntnis G302 2160606-1/18E vom 25.08.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

7. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

8. Mit Erkenntnis vom XXXX .2021, XXXX hob der VfGH das Erkenntnis G302 2160606-1/18E wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf.

9. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.08.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung G302 abgenommen und der Gerichtsabteilung G305 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Vom XXXX .2011 bis XXXX .2013 war der Beschwerdeführer selbständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX . Im gleichen Zeitraum war auch XXXX (im Folgenden: XXXX ) selbständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX .

1.2. Die XXXX war unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Primärschuldnerin.

1.3. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2013, XXXX wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und galt die Primärschuldnerin damit als aufgelöst. Am XXXX .2016 wurde das Konkursverfahren gemäß § 139 IO mit einer Quote von 16,09 % aufgehoben.

1.4. Für den Zeitraum XXXX .2009 bis XXXX .2012 führte die zuständige Abgabenbehörde eine GPLA bei der Primärschuldnerin durch; letztere wurde am XXXX .2013 ohne Beanstandungen von behördlicher Seite abgeschlossen.

1.5. Nachdem die damals für die Primärschuldnerin als „selbständig Erwerbstätige“ tätige Erstmitbeteiligte und Zweitmitbeteiligte Anträge auf Nachversicherung stellten, führte die belangte Behörde eine weitere, den Zeitraum XXXX .2009 bis XXXX .2013 betreffende GPLA durch, anlässlich der festgestellt wurde, dass es sich bei der Erstmitbeteiligten und bei der Zweitmitbeteiligten um freie Dienstnehmerinnen gehandelt hätte.

1.6. Mit Bescheid vom XXXX .2015, Zl. XXXX , sprach die belangte Behörde gemäß § 410 Abs. 1 Z 2 iVm. § 4 Abs. 4 ASVG und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a) AlVG aus, dass die Erstmitbeteiligte im Zeitraum von XXXX .2011 bis XXXX .2013 und die Zweitmitbeteiligte im Zeitraum von XXXX .2012 bis XXXX .2013 auf Grund ihrer Tätigkeit für die Primärschuldnerin der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen seien (Spruchpunkt I.). Ausgesprochen wurde weiters, dass die Primärschuldnerin wegen der im Zuge der bei ihr stattgefundenen gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben festgestellten Meldedifferenzen gemäß §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG verpflichtet sei, die in den Beitragsabrechnungen vom XXXX .2014, XXXX .2014 und XXXX .2015 sowie in den Prüfberichten vom XXXX .2014, XXXX .2014 und XXXX .2015 zur Dienstgeberkontonummer XXXX angeführten allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge, Zuschläge im Betrag von insgesamt EUR 29.702,36 nachzuentrichten.

1.7. Dieser Bescheid wurde der Erst- und der Zweitmitbeteiligten sowie dem Masseverwalter zugestellt.

1.8. Gegen diesen Bescheid erhob der Masseverwalter der Primärschuldnerin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Nachdem dieser jedoch die Beschwerde zurückgezogen hatte, stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren zur Zl. G305 2116246-1 mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.01.2016 ein.

1.9. Damit erwuchs der Bescheid der belangten Behörde am XXXX .2015 in Rechtskraft.

1.10. Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Zeitraums XXXX 2011 bis XXXX 2013 bestand am XXXX .2016 aufgrund der nachträglich im Zuge der GPLA zur Sozialversicherung angemeldeten Dienstnehmer auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin ein Rückstand in Höhe von EUR 14.123,41 samt Verzugszinsen gerechnet bis XXXX .2016.

1.11. Mit Schreiben der belangten Behörde vom XXXX .2016 wurde der Beschwerdeführer über seine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für rückständige Sozialversicherungsbeiträge informiert und aufgefordert, Einwände gegen sein Verschulden fristgerecht darzulegen. Gleichzeitig wurde ihm eine Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG der Primärschuldnerin übermittelt.

1.12. Die XXXX (im Folgenden XXXX ) und XXXX haben sich verpflichtet, einen Betrag von Euro 20.000,00 an die Insolvenzmasse zu leisten, womit sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Insolvenzmassen der Primärschuldnerin, der XXXX , der XXXX und XXXX endgültig bereinigt und verglichen sein sollten. Der angeführte Betrag wurde auch tatsächlich an das Insolvenzkonto geleistet.

1.13. Die Beiträge wurden zur Insolvenz der Primärschuldnerin angemeldet, wurden als Insolvenzforderung eingeordnet und mit der allgemeinen Quote bedient und in Anrechnung gebracht.

1.14. Mit Erkenntnis vom XXXX hob der VfGH das zur Zl. G302 2160606-1/18E ergangene Erkenntnis des BVwG, mit welchem die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid als unbegründet abgewiesen wurde, auf.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben dargestellte Verfahrensgang, wie auch der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den am XXXX .2020 und XXXX .2020 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlungen. Im Zuge dessen wurden der BF, der weitere Geschäftsführer XXXX zum Sachverhalt vernommen sowie die Beweismittel und der vorliegende Akteninhalt mit dem rechtsfreundlichen Vertreter und einem Vertreter der belangten Behörde erörtert.

2.2. Die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit des BF beruhen auf dem Firmenbuchauszug zu FN XXXX . Das Ende der Geschäftsführertätigkeit wurde im Firmenbuch mit XXXX .2013 vermerkt, während der BF angab, dass die Geschäftsführertätigkeit tatsächlich mit XXXX .2013 geendet habe. Da sich der Haftungszeitraum des angefochtenen Bescheides nur bis XXXX 2013 erstreckt und der BF selbst angab, bis XXXX .2013 als Geschäftsführer tätig gewesen zu sein, konnte eine Feststellung über den nachfolgenden Zeitraum unterbleiben.

2.3. Die Feststellungen zur Gesellschaftereigenschaft der XXXX beruhen auf dem Firmenbuchauszug zu FN XXXX .

2.4. Die Qualifizierung der Erst- und der Zweitmitbeteiligten als freie Dienstnehmerinnen beruht auf dem rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde XXXX .2015, Zl. XXXX , welcher nach Zurückziehung der dagegen erhobenen Beschwerde schließlich in Rechtskraft erwuchs.

2.5. Die Höhe der aushaftenden Beträge ergeben sich aus der Rückstandsaufstellung der belangten Behörde zum Beitragskonto XXXX und wurden vom BF, nach Einschränkung des Haftungszeitraums auf XXXX 2013 nicht weiter bestritten.

2.6. Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren ergeben sich aus der Einsichtnahme in den Akt des LGZ XXXX zu XXXX .

2.7. Die Aufhebung des Erkenntnisses G302 2160606-1/18E ergibt sich aus dem Erkenntnis des VfGH vom XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchteil A) Stattgebung der Beschwerde:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den, durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den, den Vertretern auferlegten Pflichten gehören insbesondere die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese gemäß § 111 ASVG iVm. § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind (VwGH vom 17.12.2015, Zl. 2013/08/0173).

Voraussetzung für die Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner. Steht noch nicht einmal eine teilweise ziffernmäßig bestimmbare Uneinbringlichkeit fest, kommt eine Geltendmachung der Haftung noch nicht in Betracht (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).

Weitere Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sind neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit (vgl VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

3.3. Auf den Beschwerdefall bezogen:

3.3.1. Der BF war unstrittig von XXXX .2011 bis XXXX .2013 selbständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX (unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Primärschuldnerin) und kann somit grundsätzlich zur Haftung von aushaftenden Sozialversicherungsbeiträgen der Primärschuldnerin aufgrund von Meldepflichtverletzungen in diesem Zeitraum herangezogen werden.

3.3.2. Rechtsansicht des VfGH - Stattgebung der Beschwerde

Der VfGH gab der Beschwerde des BF statt und hob mit Erkenntnis XXXX vom XXXX das die Beschwerde abweisende Erkenntnis des BVwG vom 25.08.2020 auf.

Auszugsweise lautet das Erkenntnis des VfGH wie folgt:

„Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechts-lage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

Die angefochtenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes sprechen jeweils über die Haftung der Beschwerdeführer für Beitragsschulden ab, die zwar (gegebenenfalls) während der Geschäftsführung durch die Beschwerdeführer ihren Ursprung haben, über deren – strittigen – Bestand aber erst mit dem Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse vom XXXX 2015 abgesprochen wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdeführer keine Geschäftsführungsfunktion mehr innehatten, weshalb sie in dieser Funktion keinen Einfluss mehr auf den Ausgang dieses Verfahren nehmen konnten. Sie hatten auch keine Parteistellung im diesbezüglichen Verfahren, der Bescheid wurde ihnen nicht zugestellt und sie hatten keine Rechtsmittelbefugnisse.

Das Bundesverwaltungsgericht ist aber ungeachtet dessen davon ausgegangen, dass die Rechtskraft des Bescheides der XXXX Gebietskrankenkasse vom XXXX 2015 auch gegenüber den Beschwerdeführern wirke, weshalb die strittige – und für die Frage des Bestandes von Beitragsschulden maßgebliche – Frage der Qualifikation des Vertragsverhältnisses der Primärschuldnerin zu XXXX und zu XXXX nicht mehr zu prüfen sei.

Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass der Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse vom XXXX 2015 in der vorliegenden Konstellation gegenüber den Beschwerdeführern keine bindende Wirkung entfalten konnte (vgl. VwGH 31.5.2000, 94/08/0095). Im Allgemeinen darf ein Verfahren nämlich nicht an Ergebnisse eines anderen Verfahrens gebunden werden, an welchem sich der Betroffene nicht beteiligen konnte (vgl. VfSlg. 13.646/1993). Das Bundesverwaltungsgericht hat daher, indem es den Beschwerdeführern in der vorliegenden Konstellation die Rechtskraft des Bescheides der XXXX Gebietskrankenkasse vom XXXX 2015 entgegengehalten und ihnen damit eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der für die Frage des Bestandes von Beitragsschulden maßgeblichen Frage der Eigenschaft von XXXX und XXXX als selbständig Erwerbstätige oder als freie Dienstnehmer verweigert und somit in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungen unterlassen hat, sein Erkenntnis mit Willkür belastet.

Die Beschwerdeführer sind somit jeweils durch die von ihnen angefochtene Entscheidung im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.“

3.3.3. Aus dem Erkenntnis des VfGH ist ableitbar, dass die Haftung des BF im gegenständlichen Fall zu verneinen ist, daher war zur Herstellung der Rechtsansicht des VfGH spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Beschwerdevorentscheidung aufzuheben.

4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zudem ist auf die beschwerdefallbezogene Judikatur des VfGH, XXXX vom XXXX zu verweisen.

Schlagworte

Bindungswirkung Ersatzentscheidung Geschäftsführer Haftung Rechtskraft Willkür

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G305.2160606.1.00

Im RIS seit

11.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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