TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/10 W124 2211070-1

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Veröffentlicht am 10.12.2021
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Entscheidungsdatum

10.12.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W124 2211070-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, dass er am XXXX geboren sei, aus XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Punjab (Indien) stamme, Punjabi spreche, der Volksgruppe der Dalit und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er habe in seinem Herkunftsstaat fünf Jahre die Grundschule besucht und als Maler/Anstreicher gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei als Sympathisant der BSP wegen seiner politischen Gesinnung von Mitgliedern der Akali Dal Partei verfolgt worden. Er habe deswegen einen Streit mit dem Gemeindevorsteher, der der Akali Dal Partei angehöre, gehabt. Dieser habe seine Leute zum BF geschickt, um ihn zu schlagen und schikanieren. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

2.       Am XXXX wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Er gab dabei im Wesentlichen an, er gehöre der Volksgruppe der Malwi-Sikhi sowie der Religionsgemeinschaft der Balmiki an, sei in XXXX geboren und habe bis zu seiner Ausreise im Dorf XXXX gelebt. Während seine Eltern dort im eigenen Haus wohnen würden, befänden sich eine Tante, ein Onkel sowie Cousinen und Cousins des BF in Nachbardörfern. Der BF habe zwar keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten, jedoch ein gutes Verhältnis. Er sei ledig, habe keine Kinder und lebe in keiner familienähnlichen Lebensgemeinschaft. In Indien habe der BF fünf Jahre die Grundschule besucht, jedoch nicht gearbeitet. Er spreche sowohl Punjabi als auch Hindi. Gesundheitlich gehe es ihm gut, er sei jedoch in ärztlicher Behandlung, weil er Drogen genommen habe, und jetzt stattdessen Medikamente nehme. Er wisse zwar den Namen des Medikaments nicht, habe aber eine Bestätigung zu Hause.

Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF folgendes an:

[…]

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe!

VP: Ca. ein Monat vor meiner Ausreise gab es einen heftigen Streit. Ich hatte eine gewaltige Konfrontation mit einigen Personen wo es auch zu Handgreiflichkeiten kam. Später kamen die Verfolger zu mir nach Hause, bedrohten mich, also musste ich das Land verlassen.

LA: Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?

VP: Ja.

LA: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!

VP: Meine Gegner kamen zu mir nach Hause und schlugen meine Familie. Ich hatte Angst, dass wenn ich dort bleibe, sie weiterhin kommen werden und meine Familie weiter belästigen werden also hat mein Vater einen Schlepper aufgesucht, der dann meine Flucht organisiert hat.

Wh. der Frage: Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten und Details vermissen, Ihr Vorbringen ist so nicht glaubhaft, was sagen Sie dazu? Nennen Sie mir alle Einzelheiten, was Sie darüber wissen! (Handgreiflichkeiten, Konfrontation etc.)

VP: Ich habe nicht mehr alles in Erinnerung.

Keine Antwort.

VP: Das ist mit mir passiert. Ich möchte auch keine falschen Angaben machen. An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

VP: Ja, meine Gegner kamen zu mir nach Hause schlugen und bedrohten mich.

LA: Wie oft wurden Sie bedroht oder verfolgt?

VP: Ein einziges Mal. Zuerst hatten wir einen Streit zwischen uns, dann kamen sie zu mir nach Hause und bedrohten und schlugen mich.

LA: Wann fanden diese Vorfälle genau statt? Wie gestalteten sich diese Vorfälle? Machen Sie mir umfangreiche Angaben darüber.

VP: Wann es war weiß ich nicht mehr. Als sie gekommen sind, haben sie meine Eltern angegriffen, dann kamen sie auf mich zu und verprügelten mich.

LA: Mehr können Sie darüber nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie ein konkretes Vorbringen bezüglich der Konfrontation der Bedroher! Schildern Sie mir alle Einzelheiten und Details über diese Konfrontation.

VP: Als sie gekommen sind, sind sie meinen Vater mit Fäusten angegangen.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie mir umfangreiche Angaben über die Bedroher.

VP: Sie waren Mitglieder meiner Partei. Sie waren alle in dieser Partei. Sie waren ehemalige Mitglieder meiner Partei. Ich habe mit ihnen Plakate aufgehängt um für die Partei zu werben. Im Nachhinein sind sie zu einer anderen Partei gegangen und haben mich danach schlecht angesehen. Als die Wahlen stattfanden haben sie in dieser Nacht sehr viel Alkohol getrunken, kamen auf mich zu und stritten mit mir.

Wh. der Frage: Erzählen Sie mir alle Einzelheiten und Details über die Bedroher.

VP: Ich weiß gar nichts mehr über diese Personen

Wh. der Frage! Sie gaben an von Ihren Parteikollegen bedroht worden zu sein, machen Sie mir substantiierte Schilderungen über diese Personen.

VP: An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern, ich wusste nur so viel. Ich habe nichts mehr im Kopf und kann mich nicht mehr erinnern.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie umfangreiche Angaben über Ihre Partei für die Sie tätig sind.

VP: Als die Wahlen stattfangen ging ich mit meinen Parteianhängern zu einzelnen Häusern um sie von unserer Partei zu überzeugen, damit sie unsere Partei wählen.

Wh. der Frage: Erstatten Sie umfangreiche Angaben über Ihre Partei für die Sie tätig sind. (Name der Partei, Vorsitzender der Partei, Parteiprogramm)

VP: Ich habe neu begonnen in der Partei. Als ich angefangen habe, haben die Probleme begonnen. Befragt gebe ich an, dass es die BSP Partei ist. Der Vorsitzende heißt XXXX , an das Parteiprogramm oder mehr kann ich mich nicht mehr erinnern.

Wh. der Frage! Sie können keine genauen Angaben über Ihre politische Tätigkeit und die Partei machen! Machen Sie mir umfangreiche Angaben über Ihre Partei. Schließlich wären Sie für diese Partei tätig.

VP: Ich war neu, mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ich war ein Neuling.

LA: Mehr können Sie nicht mehr angeben?

VP: Nein.

LA: Machen Sie umfangreiche Angaben über die Oppositionsparteien.

VP: Ich habe keine Ahnung ob die Partei Probleme mit anderen hat.

Wh. der Frage: Wenn Sie für Ihre Partei tätig sind, müssen Sie auch etwas über die Oppositionsparteien erzählen können. Machen Sie detaillierte und umfassende Angaben über die Oppositionspartei.

VP: Ich weiß nur, dass ich in meiner Partei war, mehr weiß ich nicht.

LA: Mehr können Sie über Ihre Partei und die Oppositionsparteien nicht angeben?

VP: Stimmt, ich weiß es nicht.

LA: Waren Sie bei einer anderen Polizeiinspektion oder der Oberbehörde der Polizei oder haben Sie sich einen Rechtsanwalt genommen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie sich einen Anwalt genommen?

VP: Nein.

LA: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?

VP: Meine Gegner werden erneut zu mir nach Hause kommen, sie werden mich schlagen oder vielleicht auch ermorden. Ich weiß nicht was sie mit meiner Familie getan haben, ich habe keinen Kontakt mehr zu ihnen.

[…]

In Österreich werde der BF von XXXX unterstützt, arbeite nicht und mache auch sonst nichts in seiner Freizeit. Er habe bisher keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Er habe weder Freunde noch nehme er in sonstiger Weise am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teil.

In seiner Einvernahme legte der BF eine Terminkarte für eine integrative Suchtberatung sowie ein in englischer Sprache verfasstes Schreiben vom XXXX des Herrn XXXX (Block President) vor, demzufolge der BF seit etwa fünf Jahren aktives Mitglied der Bhartiya Janta Partei (BJP) sei.

3.       Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF bezugnehmend auf seine Einvernahme vor dem BFA vor, er sei aktives Mitglied der Bahujan Samaj Partei (BSP) und habe der Streit mit der gegnerischen Partei begonnen, als der BF Werbematerialen für BSP verteilt habe. Er gehöre weiters der Volksgruppe der Dalit an, die trotz gesetzlichem Schutz täglich Übergriffen ausgesetzt seien. Der BF habe in der Einvernahme nicht darlegen können, von welcher Partei er verfolgt worden sei oder in welchem Jahr dies stattgefunden bzw. wann er das Land verlassen habe, weil er Erinnerungslücken habe und sich aufgrund seiner langjährigen Drogenabhängigkeit derzeit in Therapie befinde. Es werde beantragt, konkrete, fallbezogene Recherchen sowie ein Expertengutachten einzuholen.

In Österreich habe sich der BF einen großen Freundeskreis aufgebaut, lebe in einer ortsüblichen Unterkunft und sei unbescholten. Weiters sei er krankenversichert, selbsterhaltungsfähig und Mitglied eines Fitnessclubs.

4.       Mit Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Als Frist zur freiwilligen Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA führte im Bescheid im Wesentlichen aus, dass nicht feststellbar gewesen sei, dass der BF in seinem Herkunftsstaat von staatlichen Behörden oder Dritten verfolgt werde bzw. einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Seiner schriftlichen Stellungnahme könne das BFA nicht nähertreten. Er habe in Indien verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, die eine Unterstützungsmöglichkeit darstellen würden, sei nicht unmittelbar lebensbedrohlich erkrankt, erwerbsfähig und habe fünf Jahre die Grundschule in Indien besucht. Er sei mit seiner Heimat vertraut und spreche Punjabi sowie Hindi und somit in seiner Heimat gebräuchliche Sprachen. Es sei demnach nicht davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten könne. In Österreich hingegen verfüge er weder über eine Familie noch über nennenswertes Privatleben und habe keinerlei Integrationsbemühungen gezeigt.

5.       Gegen den Bescheid vom XXXX erhob der BF fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde, die am XXXX beim BFA einlangte.

Der BF brachte im Wesentlichen vor, er leide nachweislich an psychischen Problemen und es sei daher nachvollziehbar, dass er sich an vieles in der Vergangenheit nicht mehr erinnern könne. Er habe jedoch wahrheitsgemäß jene Dinge angegeben, an die er sich noch erinnern könne und habe glaubhaft machen können, dass ihm ein Leben in Indien nicht möglich sei und mit Gefahren verbunden wäre. Sein Fluchtvorbringen rechtfertige auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, auf dessen Grundlage unter Umständen auch die Frage der Glaubwürdigkeit des BF aus einem anderen Blickwinkel zu sehen sein werde.

In Indien sei für den BF weder eine Therapie mit Substituten von Drogen noch die notwendige Behandlung, die er in Österreich durchlaufe, erreichbar, weshalb er bei einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde, die Art. 3 EMRK widerspreche. Der BF habe sein gesamtes Leben im Bundesgebiet aufgebaut und trotz schwieriger Ausgangssituation wirtschaftlich Fuß gefasst, weshalb eine äußert günstige Prognose hinsichtlich des weiteren Aufenthalts getroffen werden könne. Weiters könne er sich bereits auf einfachem Niveau auf Deutsch verständigen und werde seinen Erwerb der Sprache weiter fortsetzen. Er habe sich in Österreich bereits einen Freundeskreis aufgebaut, lebe in einer ortsüblichen Unterkunft und sei unbescholten, weshalb negative Faktoren hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht vorliegen würden.

Der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens.

6.       Das BFA legte die Beschwerde samt der bezughabenden Verwaltungsakten dem BVwG am XXXX vor.

7.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX , AZ XXXX , wurde der BF unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet, gemäß § 20 Abs. 1 und 3 StGB der durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung erlangte Vermögenswert in Höhe von EUR 12.000,- für verfallen erklärt, gemäß § 34 SMG iVm § 26 Abs. 1 StGB das sichergestellte Heroin eingezogen sowie gemäß § 19a Abs. 1 StGB das sichergestellte Mobiltelefon konfisziert.

Der BF habe in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin (beinhaltend zumindest 0,7% Acetylcodein, 12,54% Heroin, 0,3% Monoacetylmorphin) und Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,4% Delta-9-THC und 4,6% THCA), in einer die Grenzmenge um das 25-fache übersteigenden Menge, anderen überlassen. Weiters habe der BF seit Anfang XXXX vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich eine nicht mehr feststellbare Menge Heroin (beinhaltend zumindest 0,7% Acetylcodein, 12,54% Heroin, 0,3% Monoacetylmorphin) und Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,4% Delta-9-THC und 4,6% THCA), ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen. Er habe hiedurch das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG sowie das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG begangen.

Der BF trat seine Strafe am XXXX an.

8.       Am XXXX fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung statt. Die Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

Befragt zu seiner Person gab der BF im Wesentlichen an, er stamme aus dem Dorf XXXX , Bundesland Punjab (Indien), und habe sich bis zu seiner Ausreise dort aufgehalten. Etwa XXXX sei er vor seiner Flucht nach Österreich für ein Jahr nach Dubai gegangen. Er habe in Indien vier Jahre die Grundschule besucht, in einer Ziegelsteinfabrik gearbeitet und sei von seinem Vater finanziell unterstützt worden. An seiner Heimatadresse würden nach wie vor seine Eltern sowie sein Bruder und seine Schwester leben. Mit diesen habe der BF zuletzt zwei Tage vor seiner Festnahme telefoniert. Außer seiner Kernfamilie habe er noch viele andere Verwandte in Indien, die im Punjab in verschiedenen Dörfern leben würden.

Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der BF folgendes an:

[…]

R: Was würden Sie denn befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Ich fürchte mich vor nichts, ich hatte nur einen kleinen Streit mit jemandem.

R: Warum haben Sie dann seinerzeit Indien verlassen? Hat es da irgendwelche Beweggründe dafür gegeben?

BF: Damals hatte ich einen Streit mit Dorfbewohnern, einer von denen war auch ein Verwandter vom Dorfrat. Wir haben regelmäßig gestritten, immer wieder haben sie mich beschimpft, deshalb hat meine Familie gesagt, ich soll das Land verlassen. Es war aber nicht schlimm dort.

R: Haben Sie die Dorfbewohner mit denen Sie einen Streit gehabt haben, bei der Polizei angezeigt?

BF: Habe ich gemacht, aber diese Personen haben der Polizei Geld gegeben.

R: Wenn Sie jetzt nicht im Gefängnis wären, würden Sie freiwillig nach Indien zurückkehren?

BF: Ja.

R: Waren Sie jemals Mitglied einer politischen Partei, waren Sie jemals für eine politische Partei engagiert bzw. aktiv?

BF: Nein.

R: Sie haben nämlich in der Niederschrift vom XXXX beim BFA gesagt, dass Sie Schwierigkeiten gehabt hätten, weil Sie für die BSP Partei begonnen hätten sich zu engagieren. Heute haben Sie in diesem Zusammenhang gar nichts mehr erwähnt und auch diesbezüglich gesagt, dass offensichtlich keine Schwierigkeiten bestanden.

BF: Die Gründe die ich damals angegeben habe sind richtig. Einer der Dorfräte gehörte zur BSP Partei und deshalb hat er immer wieder mit mir gestritten.

R: Warum hat er immer wieder mit Ihnen gestritten, wenn Sie in derselben Partei gewesen sind?

BF: Es gab einen anderen Dorfrat. Dieser gehörte nicht zu unserer Partei. Mit denen haben wir gestritten. Dieser Dorfrat war aber nicht in unserem Dorf aufhältig, sondern in einem anderen Dorf. An den Namen dieses Dorfrates kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich kann mich nicht mehr erinnern in welchem Jahr das stattgefunden hat.

R: Ist es bei Ihnen jemals zu körperlichen Übergriffen gekommen?

BF: Nein. Es gab nur einmal einen Streit, bei dem man meinen Arm verletzt hat.

R: Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten als es zu diesem Übergriff gekommen ist?

BF: Im Dorf.

R: Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt genau aufgehalten?

BF: In der Schule war ich zu diesem Zeitpunkt.

R: Was haben Sie in der Schule gemacht zu diesem Zeitpunkt?

BF: Zu diesem Zeitpunkt haben die Dorfratswahlen stattgefunden. Ich war mit dem Dorfrat in der Schule.

R: Was haben Sie in der Schule mit dem Dorfrat gemacht?

BF: Ich bin dort wählen gegangen.

R: Was haben Sie dann gemacht nachdem Sie dort gewählt haben?

BF: Ich bin von dort nach Hause gegangen, sie waren alle betrunken. Sie haben mich geschlagen.

R: Wer hat Sie geschlagen?

BF: Ich kann nicht angeben wer diese Personen gewesen sind, aber die waren dort anwesend und haben mich geschlagen.

R: Aus welchem Grund haben sie Sie geschlagen, aus welcher Motivation oder aus welchem Beweggrund?

BF: Es gab keinen bestimmten Grund, nur, weil ich nicht zu ihrer Partei gehört habe, haben sie mich geschlagen. Ich bin dorthin gegangen um Sessel aufzuräumen und dabei haben sie mich geschlagen.

R: Wenn Sie sagen Sie haben nicht zu ihrer Partei gehört, haben Sie selbst einer Partei angehört?

BF: Ja.

R: Sie haben heute auf die Frage, ob Sie einer Partei angehört haben, geantwortet, dass Sie keiner Partei angehört haben. Jetzt sagen Sie, dass Sie einer Partei angehören. Was entspricht nun der Wahrheit?

BF: Benutzen Sie nicht so schwierige Worte, ich verstehe das Wort politische Partei nicht. Wir haben Parteien im Dorf, ich weiß nicht, ob sie politisch oder nicht politisch sind.

R: Wie war der Name Ihrer Partei, der Sie angehört haben?

BF: Genau weiß ich es nicht. Ich weiß, dass es mit dem ersten Wort Bhojan geheißen hat. Das zweite Wort hat mit S angefangen, genau weiß ich es nicht.

R: Was war denn der Inhalt dieser Partei?

BF: Ich habe sie nur ab und zu begleitet, sie haben keinen Inhalt gehabt.

R: Sie haben zuerst gesagt Sie sind von der Schule auf dem Weg nach Hause gewesen. Wo hat der Übergriff Ihnen gegenüber genau stattgefunden?

BF: Vor der Schule gab es eine Kreuzung, bei dieser Kreuzung hat dieser Streit stattgefunden.

R: Wann war das in welchem Jahr?

BF: Weiß ich nicht.

R: Wie viele Monate, Jahre vor Ihrer Ausreise war dieser Streit?

BF: 6 Monate vor meiner Ausreise aus Dubai.

R: Hat es nach diesem Vorfall bis zu Ihrer Ausreise aus Indien noch irgendwelche anderen Vorfälle gegeben?

BF: Nein.

R: Wo haben Sie sich in der Zeit zwischen diesem Vorfall bis zu Ihrer Ausreise aus Indien aufgehalten?

BF: In meinem Heimatdorf.

R: Waren Sie in Ihrem Heimatdorf in Ihrem Elternhaus?

BF: Ich habe mich auch ab und zu bei meiner Tante aufgehalten.

R: Bei welcher Tante? War die Tante auch im Heimatdorf?

BF: Meine Tante wohnt in einem Dorf XXXX .

R: Ist das ein Nachbardorf oder ist das Dorf weiter entfernt von Ihrem Heimatdorf?

BF: Es ist etwas entfernt von unserem Dorf.

R: Wie sind Sie denn zu diesem Dorf hingekommen? Sind Sie zu Fuß gegangen oder mit dem Fahrrad gefahren oder dem Auto?

BF: Ich bin mit einem Autobus gefahren.

R: Wie lange hat die Fahrt gedauert von Ihrem Heimatdorf bis zu Ihrer Tante?

BF: Ich kann mich nicht mehr erinnern.

R: Ist es bei Ihrer Tante, als Sie sich dort aufgehalten haben, zu irgendwelchen Vorfällen gekommen?

BF: Nein.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Ich habe dort nichts zu befürchten.

R: Haben sich die angegebenen Probleme die Sie auch beim BFA geschildert haben mittlerweile aufgelöst?

BF: Ja.

[…]

Zu den Fragen seiner persönlichen bzw. privaten Verhältnisse führte der BF aus In Österreich als Zeitungszusteller gearbeitet zu haben, diesbezüglich jedoch nicht über eine arbeitsrechtliche Bewilligung verfügt. Er sei im Bundesgebiet versichert, da die Caritas ihn angemeldet habe und seine Sozialversicherungsbeiträge bezahle. Der BF sei nicht verheiratet, lebe nicht in einer Lebensgemeinschaft, habe in Österreich keine Verwandten und kenne nur Inder, die aus derselben Ortschaft wie er kommen würden. Er spreche nicht Deutsch, habe bisher keinen Deutschkurs besucht und sei nicht Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation.

Es gehe dem BF gesundheitlich gut, er sei jedoch drogenabhängig und nehme derzeit Methadon. Er sei aber in keiner ärztlichen Behandlung.

Auf die Frage in der Beschwerdeverhandlung, ob der BF noch etwas sagen wolle, meinte er ausdrücklich, er wolle nach Indien zurückgeschickt werden.


9. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem BF mitgeteilt, dass er gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren habe.

9.       Gegen den Bescheid vom XXXX erhob der BF fristgerecht am XXXX Beschwerde. Der Entzug seines Aufenthaltsrechts sei verfrüht, da zwar aktenkundig eine gerichtliche Verurteilung erfolgt, jedoch noch nicht geklärt sei, ob noch ein Rechtmittel anhängig sei.

10.      Die Beschwerde vom XXXX reichte das BFA dem BVwG am XXXX nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF ist indischer Staatsangehöriger, gibt an am XXXX im Dorf XXXX , im XXXX , Bezirk XXXX , Punjab (Indien), geboren zu sein, spricht muttersprachlich Punjabi sowie Hindi und gehört der Volksgruppe der Dalit sowie der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er wuchs in dem Dorf auf und lebte mit seiner Familie (seinen Eltern, seiner Schwester und seinem Bruder) bis vor seiner legalen Ausreise dort. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Bevor der BF illegal nach Österreich reiste, und seinen Reisepass an einen Schlepper abgab, verbrachte er etwa ab XXXX ein Jahr in Dubai.

Die Identität des BF kann nicht hinreichend festgestellt werden, er führt jedoch den Namen XXXX .

Der BF besuchte in seinem Heimatsstaat vier Jahre lang die Grundschule und war mit diversen Tätigkeiten in der Lage seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Der BF ist grundsätzlich gesund und leidet an keiner schwerwiegenden Krankheit. Er war drogenabhängig, und nimmt derzeit Methadon ein. Der befindet sich in einer Justizanstalt in Strafhaft. Er ist dort in keiner ärztlicher Behandlung. Dass der BF etwa an schwerwiegenden psychischen Problemen leidet, kam im Verfahren nicht hervor.

In Hinblick auf die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie ist festzuhalten, dass der BF XXXX alt ist und weder an einer schwerwiegenden noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen oder Personen mit (relevanten) Vorerkrankungen fällt. Er leidet insbesondere an keinen (chronischen) Atemwegserkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs oder Fettleibigkeit.

1.2.    Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen im Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus einem der von ihm genannten Gründe – konkret aufgrund von Streitigkeiten mit anderen Dorfbewohnern wegen Parteizugehörigkeiten – seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder ihm aus diesen Gründen im Fall seiner Rückkehr eine Gefahr oder Verfolgung drohe.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Herkunftsstaat des BF infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht gewillt oder in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter durch Privatpersonen abzuwenden.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.3.    Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers

Der BF lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er hat in Österreich keine Verwandten oder nahe Angehörige. In seinem Herkunftsstaat leben nach wie vor seine Eltern, seine Schwester und sein Bruder sowie andere Verwandte. Er hat regelmäßigen Kontakt zu diesen.

Es ist im Verfahren nicht hervorgekommen, dass der BF in Österreich über einen Freundeskreis, der auch österreichische Staatsangehörige umfasst, oder enge soziale Bindungen verfügt. Er ist nicht Mitglied eines Vereins, eines Clubs oder einer sonstigen Organisation. Auch sonst engagiert er sich nicht ehrenamtlich und nimmt nicht auf sonstige Weise am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teil. Der BF absolvierte bisher keinen Deutschkurs und verfügt über keine Deutschkenntnisse. Er war in Österreich bereits illegal erwerbstätig, indem er als Maler und Zeitungszusteller arbeitete, ohne über die dafür erforderliche arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu verfügen. Der BF bezog in der Vergangenheit Leistungen aus der Grundversorgung.

1.4.    Zum strafrechtlichen Fehlverhalten des BF

Mit am selben Tag in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ XXXX , wurde der BF unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es wurde die vom XXXX bis zum XXXX erlittene Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet, gemäß § 20 Abs. 1 und 3 StGB der durch die Begehung der Straftat erlangte Vermögenswert in Höhe von EUR 12.000,- für verfallen erklärt, nach § 34 SMG iVm § 26 Abs. 1 StGB das sichergestellte Heroin eingezogen sowie das sichergestellte Mobiltelefon gemäß § 19a Abs. 1 StGB konfisziert. Der BF findet sich seither in Strafhaft.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin (beinhaltend zumindest 0,7% Acetylcodein, 12,54% Heroin, 0,3% Monoacetylmorphin) und Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,4% Delta-9-THC und 4,6% THCA), in einer die Grenzmenge um das 25-fache übersteigenden Menge, anderen überlassen hat. Er hat im Zeitraum von XXXX verschiedenen Abnehmern in Summe 937 Gramm Heroin und 13 Gramm Cannabiskraut, demnach in einer das 40-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, teils selbst bzw. teils zwecks unmittelbar anschließender Weitergabe an die Abnehmer an Mittelsmänner übergeben. Weiters hat der BF seit Anfang XXXX vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich eine nicht mehr feststellbare Menge Heroin (beinhaltend zumindest 0,7% Acetylcodein, 12,54% Heroin, 0,3% Monoacetylmorphin) und Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,4% Delta-9-THC und 4,6% THCA), ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen.

Bei der Bemessung der Strafe war als erschwerend der lange Tatzeitraum, das vielfache Übersteigen der Grenzmenge (über das 25-fache hinaus) und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd das zu den wesentlichen Punkten reumütige Geständnis sowie der bisher ordentliche Lebenswandel zu werten.

1.5.    Zur Situation im Herkunftsstaat

Zur entscheidungsrelevanten Situation im Herkunftsstaat wird von dem im Zuge der Ladung zur Verhandlung am XXXX übermittelten aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien (Generiert am 11.11.2020, Version 3) ausgegangen:

1.5.1.  COVID-19

Letzte Änderung: 22.10.2020

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

1.5.2.  Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 5.10.2020; vgl. AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 8.2020a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 8.2020a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 8.2020a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 8.2020a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 7.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (9.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 15.10.2020

?        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

?        CIA - Central Intelligence Agency (5.10.2020): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 15.10.2020

?        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

?        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

?        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020

1.5.3.  Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 06.11.2020

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 8.2020a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 7.2020). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 7.2020).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020) und der und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (SATP 8.10.2020). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 4.3.2020). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. 2020 wurden bis zum 1.11. insgesamt 511 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 1.11.2020).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        BBC - British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382, Zugriff 22.7.2020

?        BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019

?        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

?        BPB - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (12.12.2017): Konfliktporträt: Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 18.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025925.html, Zugriff 10.3.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (8.10.2020): Data Sheet -. Punjab, Yearly Fatalities, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 12.10.2020

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (1.11.2020): Data Sheet - India Yearly Fatalities: 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india, Zugriff 3.11.2020

1.5.4.  Punjab

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 9.2020).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, die aufständische Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge werden Kämpfer der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen West-Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der aufständischen Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 9.2020). Im Punjab haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 11.3.2020; vgl. BBC 20.10.2015).

Die Menschenrechtslage im Punjab stellt sich nicht anders als im übrigen Indien dar. Jüngste Berichte internationaler Menschenrechts-NGOs (Amnesty International, Human Rights Watch), aber auch jene des US State Department enthalten keine gesonderten Informationen zum Punjab (ÖB 9.2020).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana weiterhin ein Problem dar (USDOS 11.3.2020).

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.). Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Auch stellen die Sikhs 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 9.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 25 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt in Punjab. Im Jahr 2017 wurden 8 Personen durch Terrorakte getötet, 2018 waren es 3 Todesopfer und im Jahr 2019 wurden durch terroristische Gewalt 2 Todesopfer registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen]. Per 13.10.2020 wurden für Beobachtungszeitraum 2020 keine Opfer von verübten Terrorakten aufgezeichnet (SATP 13.10.2020).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 18.10.2018

?        MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 18.10.2018

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (13.10.2020): Datasheet – Punjab, Data View, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 15.10.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004219.html, Zugriff 13.8.2019

1.5.5.  Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 05.11.2020

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 7.2020) und untersteht den Bundesstaaten (AA 23.9.2020). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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