TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/15 W117 2231022-1

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Entscheidungsdatum

15.12.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Satz1
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs4 Z1

Spruch


W117 2231022-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom 29.04.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 602754002/200365150, sowie die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 erster Satz FPG stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft von 05. 05. 2020 bis 20.05.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 4 Z. 1 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV idgF dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 767,60 Euro Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 29. April 2020 ordnete das BFA gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an, die im Anschluss an die Entlassung aus der Strafhaft ab 5. Mai 2020 vollzogen wurde.
Die gegen diesen Bescheid und die darauf gegründete Anhaltung erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis W117 2231022-1/7E vom 20. Mai 2020 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 Z 1 und 9 FPG ab. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 Z 1 und 9 FPG stellte das BVwG des Weiteren fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen. Demzufolge verpflichtete es den Beschwerdeführer zum Aufwandersatz an den Bund und wies sein Kostenersatzbegehren ab. Schließlich sprach das BVwG noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer außerordentliche Revision, welcher der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis, Ra 2020/21/0264, vom 19.11.2020 „wegen der aufgezeigten, (teilweise) auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhenden Ermittlungs- und Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes“ stattgab.

Begründend führte er unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer

„wie das BVwG im angefochtenen Erkenntnis nun offenbar unterstellte - nach seiner Entlassung aus der Strafhaft in der Zeit bis zum Verlassen des Bundesgebietes sofort wieder straffällig werde. Eine solche Annahme wäre somit vom BVwG eigenständig zu begründen gewesen, zumal sie auch im Widerspruch zum sachverhaltsmäßigen Vorbringen in der Beschwerde (Bereuen der Straftat, tadellose Führung im Strafvollzug, Freigänge und Ausgänge ohne Vorfälle, Bestätigung des Sozialen Dienstes über regelkonformes und sehr positives prosoziales Verhalten gegenüber Insassen und Bediensteten) steht“.

Und weiter:

„Im Übrigen wurde auch die maßgebliche Prämisse für die angenommene neuerliche Delinquenz des Revisionswerbers, er sei zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht in der Lage, nicht nachvollziehbar begründet. Die diesbezügliche Behauptung des BVwG im Rahmen der Beweiswürdigung, der Revisionswerber habe es unterlassen, in der Beschwerde „auch nur ansatzweise vorzubringen, wer für seinen Lebensunterhalt aufkommt“, ist nämlich aktenwidrig. Vielmehr brachte der Revisionswerber in der Beschwerde vor, er verfüge über ausreichende Barmittel (insgesamt 4.250 €), um seinen Unterhalt bis „zum Tag seiner Abschiebung bzw. Ausreise nach Nigeria“ zu finanzieren.

In diesem Zusammenhang wird in der Revision außerdem noch zu Recht darauf verwiesen, dass die Verhinderung von Straftaten keinen zulässigen Schubhaftzweck darstellt (vgl. zur Annahme, aufgrund der Mittellosigkeit des Fremden bestehe die Gefahr, er werde seinen Lebensunterhalt durch die Begehung von Delikten gegen fremdes Vermögen bestreiten, VwGH 20.10.2011, 2008/21/0191, mit dem Hinweis auf VwGH 17.3.2009, 2007/21/0542). Das BVwG stellte zwar - anders als noch das BFA im Schubhaftbescheid - nicht direkt darauf ab, sondern versuchte aus der Gefahr der Begehung von (nicht näher spezifizierten) Straftaten auf ein mögliches Untertauchen, also auf eine Umgehung oder Behinderung der Rückkehr oder Abschiebung im Sinne der Z 1 des § 76 Abs. 3 FPG, zu schließen. Diese bloße Annahme wurde aber ebenfalls nicht nachvollziehbar begründet (…). Nicht nachvollziehbar, zumindest in der vorliegenden verkürzten Form, ist im Übrigen auch die Herstellung eines Bezuges zwischen der angenommenen „Gefährlichkeit“ des Revisionswerbers und dem Fluchtgefahrtatbestand der Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG (siehe dazu VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0021, Rn. 31).

Aber auch die Annahme einer qualifizierten Ausreiseunwilligkeit des Revisionswerbers wurde vom BVwG nicht schlüssig begründet. (…)

Das BVwG verwies in diesem Zusammenhang zwar noch darauf, dass der Revisionswerber seinen Reisepass nicht vorgelegt habe, es blieb jedoch eine Begründung dafür schuldig, weshalb dem inhaftierten Revisionswerber diesbezüglich ein solcher Vorwurf zu machen sei, dass deshalb berechtigter Weise auf eine beabsichtigte Behinderung der Außerlandesbringung geschlossen werden könnte.

Zu Recht wird in der Revision noch bemängelt, das BVwG habe die Nichtanwendung gelinderer Mittel ebenfalls nicht (ausreichend) begründet. (…)

Der Revisionswerber hatte - in dem vom BVwG übernommenen Teil der Beschwerde - nämlich vorgebracht, er könne entweder in seiner Mietwohnung oder bei einem Freund, aber auch bei seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Staatsbürgerin, und ihrer Tochter im Kleinkindalter, Unterkunft nehmen und er verfüge über ausreichende Barmittel (siehe dazu schon oben Rn. 14).“

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

Feststellungen:

Der 1986 geborene Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, kam Ende November 2012 mit einem Visum nach Österreich. Er verfügte durchgehend über Aufenthaltstitel, und zwar zunächst vom 29. November 2012 bis 29. November 2016 als Studierender und nach seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin ab 30. November 2016 (befristet bis 30. November 2020) als Familienangehöriger. Diese Ehe wurde mittlerweile geschieden.

Er spricht fließend Deutsch.


Der Beschwerdeführer wurde straffällig und deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. August 2018 wegen des als Beitragstäter begangenen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall sowie Abs. 4 Z 3 SMG und wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs.erster, zweiter und dritter Fall sowie Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt, die er unter Anrechnung der Untersuchungshaft vom 5. März 2018 bis zu seiner bedingten Entlassung am 5. Mai 2020 verbüßte.

Der Beschwerdeführer wies eine tadellose Führung im Strafvollzug auf und absolvierte zahlreiche Freigänge und Ausgänge ohne Vorfälle. Das LG Linz bewilligte im Hinblick auf die tadellose Führung des Beschwerdeführers im Strafvollzug mit Beschluss vom 21.4.2020 die frühzeitige Entlassung des BF aus der Strafhaft mit 5.5.2020 bereits nach zwei Jahren und zwei Monaten.

Zufolge dieses Beschlusses „verhält sich der Strafgefangene regelkonform und zeigt ein sehr positives, prosoziales Verhalten gegenüber den Insassen als auch den Bediensteten. Die bedingte Entlassung wird vom sozialen Dienst befürwortet, die Anordnung einer Bewährungshilfe jedoch empfohlen.“

Der Beschwerdeführer wurde am 5.5.2020 direkt von der Strafhaft in die Schubhaft überstellt.

Im Hinblick auf diese Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein mit sechs Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren stellte das BFA noch fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2019 als unbegründet ab. Die in der Folge erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. März 2020, Ra 2020/21/0035, mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zurück.

Der Beschwerdeführer verfügte über einen gültigen nigerianischen Reisepass und ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt bis zum Tag seiner Abschiebung bzw. Ausreise nach Nigeria zu finanzieren, nämlich über einen Betrag von EUR 1750,00 auf seinem Haftkonto sowie über einen Betrag von etwa EUR 2.500 auf seinem BAWAG-Konto.

Er hätte statt in Schubhaft angehalten zu werden, entweder in seiner eigenen Mietwohnung (für die er nach wie vor einen Schlüssel besitzt und in welcher sich sowohl seine Effekten, als auch sein Reisepass befindet) oder bei seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Staatsbürgerin, und ihrer Tochter im Kleinkindalter, Unterkunft nehmen können.

Entscheidungsgrundlagen:

?        gegenständliche Aktenlage;

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus der gegenständliche Aktenlage; im Besonderen waren die vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Ausführungen im Zusammenhang mit dem Nichtvorliegen von die Schubhaft rechtfertigender Fluchtgefahr zu berücksichtigen; siehe auch rechtliche Beurteilung.

Von der Durchführung einer Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG iVm § 21 Abs. 7 BFA-VG abzusehen, da der Sachverhalt auf Grund der eindeutigen Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

(…);

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

(…)

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

(…)

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter. Da der Beschwerdeführer fließend Deutsch spricht, bedurfte es keiner Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung.

Zu Spruchpunkt I.: (Schubhaftbescheid, Anhaltung)

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) in der geltenden Fassung wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

(…)

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

(…)

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

(…)

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

(…);

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

§ 77 FPG:

(1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. […]

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.          sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Da sich im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich vor dem Hintergrund der in der Beschwerde aufgezeigten Umstände im Zusammenhang mit der vorzeitigen Entlassung („tadellose Führung im Strafvollzug, Freigänge und Ausgänge ohne Vorfälle, Bestätigung des Sozialen Dienstes über regelkonformes und sehr positives prosoziales Verhalten gegenüber Insassen und Bediensteten“), aus dem bisherigen strafbaren Verhalten nicht ohne weiteres die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuerlicher Straftaten (zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes) mit anschließendem Untertauchen ableiten lässt, ist der ursprünglichen Annahme von Fluchtgefahr die Grundlage in einem wesentlichen Punkt entzogen. Dies auch insofern, als der Beschwerdeführer insgesamt über ausreichende Barmittel verfügt, um seinen Unterhalt bis zum Tag seiner Abschiebung bzw. Ausreise nach Nigeria zu finanzieren.

Berücksichtigt man weiters, dass sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aus der Aktenlage keine qualifizierte Ausreiseunwilligkeit und der Nichtvorlage des Reisepasses noch keine mangelnde Kooperationsbereitschaft (ohne weitere nähere Begründung) ableiten ließ, so kann nicht weiter vom Bestehen von Fluchtgefahr ausgegangen werden.

In diesem Zusammenhang ist aber auch noch auf die Möglichkeit der alternativen Sicherung durch Anwendung eines gelinderen Mittels hinzuweisen – der Beschwerdeführer hätte sich, wie schon im ursprünglichen Erkenntnis zugrunde gelegt, in Kombination mit einer periodischen Meldeverpflichtung entweder in seiner eigenen Mietwohnung oder bei seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Staatsbürgerin, und ihrer Tochter im Kleinkindalter, aufhalten können.

Vor dem Hintergrund des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes war daher der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass mit eigener Schubhaftbeschwerde vom 18.08.2020 zur Zahl L527 2231022 die Anhaltung ab dem 21.05.2020 (bis zum Entlassungszeitpunkt 07.07.2020) bekämpft wurde.

Zu Spruchpunkt A) II. und III. (Kostenbegehren):

In der Frage des Kostenanspruches – beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen – ist § 35 VwGVG die maßgebliche Norm; diese lautet:

§ 35 VwGVG

(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Da die beschwerdeführende Partei vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind gegenständlich §35 Abs. 4 Z 3 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat;

(…)

 

 

§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet entscheidungswesentlich:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz im beantragten Umfang – auch für Barauslagen und Aufwand – also in der Gesamthöhe von € 767,60 zuzusprechen. In logischer Konsequenz zu Spruchpunkt III. war daher das Kostenbegehren der Verwaltungsbehörde als unterlegener Partei (im Sinne des § 35 Abs. 3 VwGVG) gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG zu verwerfen (Spruchpunkt III.).

Zu Spruchpunkt B. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu obigen Spruchpunkten zu entnehmen ist, warf die ausschließliche Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren – vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung gelinderes Mittel Kostenersatz Meldeverpflichtung Rechtsanschauung des VwGH Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W117.2231022.1.00

Im RIS seit

11.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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