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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1995, Zl. 4.343.685/8-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Pakistan, der am 19. November 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 22. November 1993 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. November 1993 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer wurde am 24. November 1993 unter anderem zu seinen Fluchtgründen einvernommen. Die darüber aufgenommene Niederschrift hat folgenden wesentlichen Inhalt:
"Ich bin Staatsangehöriger Pakistans, gehöre keiner Minderheit oder Volksgruppe an, moslemischen Glaubens, ledig und Student.
Seit 1990 bin ich Mitglied der PPP (Pakistan People Partei). Ich bin jedoch kein aktives Mitglied.
Mein Bruder war ebenfalls Mitglied der PPP und verließ im Sommer 1991 Pakistan. Daraufhin wurde ich im September 1991 für ein Monat, im Jänner 1992 für 15 Tage und im März 1992 für 25 Tage im Polizeigefangenenhaus in G inhaftiert.
Während der Haft wurde ich ca. jeden zweiten Tag verhört und nach dem Aufenthaltsort meines Bruders gefragt. Außerdem warf man mir vor, daß ich ein Staatsfeind sei. Die Verhöre dauerten jeweils ca. zwei Stunden. Nach den Verhören wurde ich wieder in meine Zelle zurückgebracht. Manchmal wurde ich auch geschlagen, wenn ich den Polizisten nicht die gewünschten Antworten gab. Ich trug blaue Flecken von den Schlägen davon.
Frage: Hatten Sie in der Zeit, die zwischen den Inhaftierungen lag Probleme?
Antwort: Ich hatte lediglich Probleme mit den Mitgliedern der gegnerischen Partei. Mit der Polizei oder staatlichen Organen hatte ich keine Probleme.
Frage: Welche Probleme hatten Sie mit den Mitgliedern der gegnerischen Partei?
Antwort: Diese wollten sich für die Taten meines Bruders an mir rächen. Mein Bruder war aktiv für die PPP tätig und die Mitglieder der gegnerischen Partei, der Muslim League, hatten meinem Bruder einige Male gesagt, daß er sich nicht mehr für die PPP betätigen solle. Da mein Bruder das Land verlassen hatte, wollten diese nun an mir Rache nehmen.
Auf der Straße sprachen mich verschiedene Mitglieder der Muslim League an und drohten mir, mich anstelle meines Bruders zu töten.
Frage: Was hätte es für einen Sinn Sie anstelle Ihres Bruders zu töten?
Antwort: Ich nehme an, daß die Mitglieder der Muslim League damit bezwecken wollten, daß ich meinem Bruder mitteile, daß ich Angst habe und er vielleicht nach Pakistan zurückkehrt.
Frage: Machten Sie jemals Anzeige bei der Polizei bezüglich der Drohungen?
Antwort: Ich wollte Anzeige machen, doch die Polizisten sagten mir, daß die Drohungen nur wegen meinem Bruder ausgesprochen worden seien und ich keine Angst haben müßte.
Frage: Seit 1991 werden Sie von den Mitgliedern der gegnerischen Partei bedroht. Denken Sie nicht, daß diese die Drohung schon längst wahrgemacht hätten, wenn diese wirklich vorgehabt hätten, Sie zu töten?
Antwort: Anfangs hatte ich nicht so große Angst, doch in letzter Zeit dachte ich, daß sie ihre Drohung wahrmachen würden. Ich denke mir das, weil die Muslim League die letzten Wahlen verloren hat und nun böse ist und außerdem, weil diese möglicherweise erkannten, daß es sinnlos ist mich zu bedrohen, weil mein Bruder nicht nach Pakistan zurückkehrte.
Der ausschlaggebende Grund für meine Flucht war, daß ich Angst hatte, daß die Mitglieder der gegnerischen Partei die Drohung wahrmachen und mich töten.
Andere Fluchtgründe habe ich nicht anzuführen."
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag ab. Es stellte fest, daß am 18. April 1993 die Regierung Pakistans unter Navaz Sharif entlassen und das Parlament aufgelöst worden sei. Bei den Wahlen am 6. Oktober 1993 sei die Pakistan Peoples Partei (PPP) mit Benazir Bhutto als stärkste Partei hervorgegangen. Die Pakistan Muslim League (PML) sei zweitstärkste Partei geworden. Am 13. November 1993 sei der bisherige Außenminister Pakistans zum neuen Präsidenten des Landes gewählt worden. Es gebe keine konkreten Nachweise, daß Anhänger der PPP verfolgt würden.
Die Mitgliedschaft bei der PPP, welche erlaubt und eine staatstragende Partei sei und bei der der Beschwerdeführer nur inaktives Mitglied gewesen sein wolle, könne nicht zur Asylgewährung führen.
Die vom Beschwerdeführer angeführten Inhaftierungen lägen zu lange zurück und seien nicht mehr beachtlich. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Konsequenzen aus seinen Inhaftierungen angeführt, sondern in der Zeit zwischen den Inhaftierungen und nach der letzten Haft im März 1992 keine Probleme mit staatlichen Organen oder der Polizei Pakistans gehabt.
Die behaupteten Drohungen durch Mitglieder der PML habe der Beschwerdeführer nur sehr vage erklärt und sie nicht konkretisieren können. Aus den behaupteten Drohungen könne keine Verfolgung im Sinne der Konvention erkannt werden. Der subjektiv empfundenen Furcht könne keine Bedeutung beigemessen werden. Die Umstände im Heimatland des Asylwerbers müßten auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib des Beschwerdeführers dort unerträglich wäre.
In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer, ihm sei "in der Ersteinvernahme aber keine Gelegenheit gegeben" worden, vorzubringen, daß es zwei Haftbefehle gegen ihn gebe, da ihn die Leute der PML beschuldigten, anläßlich einer Demonstration am 17. August 1993 am Tod eines Demonstranten schuld zu sein. Die Haftbefehle seien wegen dieser Anschuldigung und wegen illegalen Waffenbesitzes erlassen worden. Gegen die falschen Beschuldigungen und die üblichen falschen Zeugenaussagen könne er sich nicht verteidigen, da er nicht positiv seine Unschuld beweisen könne. Dies sei das übliche Schema der politischen Verfolgung in seinem Heimatland. Er habe veranlaßt, daß ihm dokumentarische Beweismittel nachgesendet würden, mit welchen er sein Vorbringen beweisen könne.
Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 7. Februar 1994. Dieser wurde infolge der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, B 708/94-10, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94 (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991), wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung aufgehoben.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1994 bot die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Gelegenheit, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz, welche er im Rahmen seiner Berufung möglicherweise nicht releviert habe, zu ergänzen. Darüber hinaus teilte die belangte Behörde mit, daß sie es als notorische Tatsache ansehe, daß unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten in seinem Heimatland eine Verfolgung von Mitgliedern der PPP aus Gründen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht wahrscheinlich sei. Die PPP sei aus den Parlamentswahlen am 6. Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen und stelle mit Benazir Bhutto auch die Premierministerin Pakistans. Es sei daher davon auszugehen, daß er als einfaches und inaktives Mitglied der PPP im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit keiner politisch motivierten Verfolgung zu rechnen habe.
In der Berufungsergänzung vom 20. Dezember 1994 wiederholte der Beschwerdeführer sowohl den im Verfahren erster Instanz als auch den in der Berufung ergänzten Sachverhalt. Gestützt auf den in der Berufung erstmals erwähnten Haftbefehl rügte der Beschwerdeführer, daß der von der Behörde erster Instanz erhobene Sachverhalt in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedürfe. Des weiteren sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben, weil er bei seiner Einvernahme darauf hingewiesen habe, daß die gegen ihn gesetzte Drohung der PML von der Exekutive nicht zum Einschreiten gegen die Straftäter verwendet wurde. Damit sei ein Zusammenhang zwischen den Interessen der PML und denjenigen der Polizeiorgane offengelegen. Des weiteren sei sein in Österreich lebender Bruder, dem mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1991 Asyl gewährt worden sei, weder zur Identifizierung des Beschwerdeführers herangezogen worden, noch sei der Bruder oder dessen Asylverfahrensakt dazu herangezogen worden, die Umstände der Verfolgung des Beschwerdeführers durch die PML und die Exekutive aufzuklären, obwohl der Zusammenhang der Verfolgung seines Bruders mit seiner eigenen Verfolgung hinreichend dargelegt worden sei. Des weiteren sei Pakistan nicht mit gut funktionierender Gerichtsbarkeit ausgestattet und es gebe reichlich Anlaß, in die staatlichen Stellen Pakistans kein Vertrauen zu setzen. Diesbezüglich verweist der Beschwerdeführer auf Verfolgungen leitender Mitglieder der PPP in den Jahren 1991 und 1992, Berichte über die Situation in Pakistan, erstellt spätestens im Februar 1993, und einen Zeitungsartikel vom 20. August 1993. Zudem legte er zwei Schriftstücke vor, welche Haftbefehle vom 18. August 1993 und 20. November 1993 gegen ihn darstellen sollen.
Die belangte Behörde wies mit dem (Ersatz-)Bescheid vom 15. Februar 1995 die Berufung neuerlich ab. Sie begründete, daß keiner der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in der bereinigten Fassung angeführten Fälle vorliege, auf Grund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre, weshalb gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 auf das über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehende Vorbringen in der Berufung nicht Bedacht genommen werden könne.
Die belangte Behörde übernahm neben den Sachverhaltsfeststellungen auch die rechtliche Beurteilung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 29. November 1993. Selbständig begründete die belangte Behörde, daß unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten im Heimatland des Beschwerdeführers eine Verfolgung von Mitgliedern der PPP aus Gründen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht wahrscheinlich sei. Die PPP sei aus den Parlamentswahlen am 6. Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen und stelle die Premierministerin. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer als einfaches und inaktives Mitglied der PPP im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit keinen politisch motivierten Verfolgungen zu rechnen habe, bzw. daß ihm staatlicher Schutz gegen Übergriffe Privater nicht in diskriminierender Weise versagt werden würde. Zum diesbezüglichen Vorhalt vom 2. Dezember 1994 und der Berufungsergänzung vom 20. Dezember 1994 stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer in der Berufungsergänzung im wesentlichen auf sein bereits in der Berufung releviertes Vorbringen Bezug genommen habe, auf welches bereits gemäß § 20 Asylgesetz 1991 in der geltenden Fassung, BGBl. Nr. 610/1994, nicht habe Bedacht genommen werden können. Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopien von Haftbefehlen seien vom Neuerungsverbot betroffen, da auf Grund ihres Ausstellungsdatums davon auszugehen sei, daß diese dem Beschwerdeführer bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens zugänglich gewesen seien. Doch selbst wenn man nicht auf § 20 Asylgesetz 1991 abstellte, könnte das diesbezügliche Vorbringen nicht zur Asylgewährung führen, da es nicht glaubhaft erscheine, denn der Beschwerdeführer habe die in der Berufung sowie in der Stellungnahme vom 20. Dezember 1994 geäußerten Umstände bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme mit keinem Wort dargetan. Erfahrungsgemäß machten Asylwerber aber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Im übrigen schildere der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme allgemeine Verhältnisse in Pakistan vor den Wahlen im Oktober 1993, die angesichts der politischen Veränderungen nach diesen Wahlen und der Machtübernahme durch die PPP nicht mehr relevant seien. Auf den Vorhalt des Bundesministers für Inneres betreffend diese politischen Veränderungen sei der Beschwerdeführer nicht eingegangen. Deshalb lege die Behörde diesen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrunde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).
Der Beschwerdeführer hat in seiner niederschriftlichen Einvernahme dargetan, daß er außer den Inhaftierungen (deren letzte im März 1992 erfolgte), keine Probleme mit Polizei oder staatlichen Organen mehr gehabt habe. Angesichts dieser Aussage und der Zeitdauer der Einvernahmen des Beschwerdeführers am 24. November 1993 (insgesamt eine Stunde 45 Minuten; davon dauerte die Einvernahme zu den Personalien von 7.30 bis 8.00 Uhr, die Einvernahme zu den Fluchtgründen von 8.30 bis 9.15 Uhr und die Einvernahme zur Fluchtroute von 9.15 bis
9.45 Uhr) ist die in der Berufung dargetane Verfahrensrüge, der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner Ersteinvernahme "keine Gelegenheit" gehabt, vorzubringen, daß es zwei Haftbefehle gegen ihn gebe, nicht geeignet, die behauptete Unvollständigkeit der Einvernahme ausreichend darzutun. Zudem hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, daß es etwaige Verständigungsprobleme mit dem Dolmetsch gegeben habe oder etwa, daß ihm verboten worden wäre, Angaben aus eigenem vorzubringen (was im übrigen auch mit dem Inhalt der Niederschrift nicht vereinbar wäre). Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die aufgenommene Niederschrift mangelfrei zustandegekommen ist. Aber auch aus dem Inhalt der Niederschrift lassen sich keine hinreichend deutlichen Hinweise im Vorbringen des Beschwerdeführers auf einen Sachverhalt erkennen, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt. Denn die letzte von staatlichen Stellen ausgehende behauptete Verfolgungshandlung lag im März 1992, weshalb die belangte Behörde zu Recht von mangelndem zeitlichen Zusammenhang dieser von staatlicher Seite drohenden Verfolgung mit der Ausreise des Beschwerdeführers ausgehen durfte. Überdies hat der Beschwerdeführer ausdrücklich angegeben, daß der ausschlaggebende Grund für seine Flucht die Furcht davor gewesen sei, daß Mitglieder des politischen Gegners PML Morddrohungen hätten wahrmachen können.
In bezug auf die von den Mitgliedern der PML geäußerten Drohungen übersieht der Beschwerdeführer aber, daß eine Verfolgungsgefahr jedenfalls nur dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die vom Beschwerdeführer behaupteten, durch die Flucht seines Bruders ausgelösten Drohungen der PML, sie würden den Beschwerdeführer anstelle seines Bruders töten, hat selbst der Beschwerdeführer zunächst nicht als gegen ihn gerichtete effektive Drohung aufgefaßt. Denn er gab als von ihm angenommenen Zweck der Drohung an, die Mitglieder der PML wollten mit der Drohung erreichen, er solle seinem Bruder mitteilen, daß sich der Beschwerdeführer fürchte und sein Bruder vielleicht nach Pakistan zurückkehre. Abgesehen davon, daß der belangten Behörde zuzustimmen ist, daß die behaupteten Drohungen vom Beschwerdeführer nur sehr vage und unkonkret dargestellt wurden, kann die Erklärung des Beschwerdeführers auf den Vorhalt, daß er angesichts der seit 1991 dauernden Bedrohungen von den Mitgliedern der gegnerischen Partei längst getötet worden wäre, wenn diese dies wirklich vorgehabt hätten, nicht überzeugen. Aus der Tatsache, daß die PML "die letzten Wahlen verloren hat und nun böse ist", kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf eine nun drohende Ernsthaftigkeit der jahrelangen, offenbar bisher nicht ernst gemeinten Morddrohungen geschlossen werden. Auch die Erklärung, daß die PML möglicherweise erkannt habe, daß es sinnlos sei, den Beschwerdeführer zu bedrohen, weil sein Bruder nicht nach Pakistan zurückkehre, läßt die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer derart drohenden Verfolgung nicht erkennen.
Fehlt es aber an einer asylrechtlich relevanten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, so ist es rechtlich unerheblich, ob die staatlichen Behörden dem Beschwerdeführer Schutz vor der von anderen Stellen ausgehenden Verfolgung zu gewähren bereit waren oder nicht.
Damit liegt der behauptete, auf § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 beruhende Verfahrensmangel nach dem Inhalt der erstinstanzlichen Niederschrift nicht vor.
Damit ist der nächste Einwand des Beschwerdeführers zu prüfen, ob die Behörde die anläßlich der Berufungsergänzung vom 20. Dezember 1994 vorgelegten Schriftstücke, welche Haftbefehle gegen den Beschwerdeführer darstellen sollen, zu berücksichtigen hatte. Gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens auch dann anzuordnen, wenn der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren. Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer anläßlich der erstinstanzlichen Einvernahme - welche, wie ausgeführt, hier allein maßgeblich ist - eine von staatlichen Stellen ausgehende Verfolgung nach der letzten Inhaftierung im März 1992 ausdrücklich verneint, obwohl er - wie seine Ausführungen in der Berufung zeigen (er habe "veranlaßt, daß ihm dokumentarische Beweismittel nachgesendet werden", und er habe "in der Ersteinvernahme keine Gelegenheit" zum Vorbringen des die Haftbefehle betreffenden Sachverhaltes gehabt) - bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Einvernahme den in der Berufung vorgebrachten Sachverhalt kannte und ihm auch die Bescheinigungsmittel zugänglich gewesen wären. Es liegt somit kein durch die Haftbefehle eines gegen den Beschwerdeführer "tätigen pakistanischen Gerichtes" (der Beschwerdeführer läßt jede nähere Konkretisierung vermissen, welches Gericht dies sein solle) zu bescheinigendes erstinstanzliches (§ 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991) Tatsachenvorbringen zugrunde. Die angeblichen Haftbefehle waren daher aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen, sodaß der belangten Behörde zu folgen ist.
Damit ist die belangte Behörde aber auch damit im Recht, daß die auf dem in der Berufung neu vorgebrachten Sachverhalt aufbauenden Verfahrensrügen der Berufungsergänzung vom 20. Dezember 1994 - welche in der Beschwerde im übrigen wiederholt werden - ins Leere gehen.
Insofern der Beschwerdeführer die unterlassene Einvernahme seines Bruders zur Identifizierung und über die Verfolgung des Beschwerdeführers rügt, so übersieht er, daß sich aus dem Inhalt der erstinstanzlichen Niederschrift keine Notwendigkeit ersehen läßt, amtswegig den Bruder des Beschwerdeführers einzuvernehmen. Denn der Beschwerdeführer hat angegeben, daß seine Schwierigkeiten in Pakistan erst NACH DER FLUCHT seines Bruders begonnen hätten. Der Beschwerdeführer sagt aber nicht, was sein Bruder für den Zeitraum nach dessen eigener Flucht über die konkrete Situation des Beschwerdeführers in der Heimat hätte aussagen können. Auch in der Berufungsergänzung vom 20. Dezember 1994, in welcher die Unterlassung der Einvernahme des Bruders des Beschwerdeführers erstmalig gerügt wurde, gibt der Beschwerdeführer nicht bekannt, was sein Bruder konkret zur Situation in Pakistan nach dessen eigener Flucht hätte aussagen können. Eine Einvernahme zwecks Identifizierung des Beschwerdeführers kann aber keinen Mangel begründen, weil die belangte Behörde - anders als die Behörde erster Instanz - den Asylantrag des Beschwerdeführers nicht (auch) deshalb abgewiesen hat, weil seine Person nicht feststehe, somit die Einvernahme des Bruders hiezu nicht entscheidungsrelevant war. Eine Einvernahme seines Bruders wurde vom Beschwerdeführer anläßlich seiner erstinstanzlichen Einvernahme auch nicht beantragt.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß bei Feststellung der Flüchtlingseigenschaft die Umstände zu prüfen sind, deretwegen er sein Heimatland verlassen habe, wohingegen später eintretende Verhältnisse in diesem Kontext nicht einzubeziehen gewesen wären, so übersieht er, daß es zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft nicht auf die Situation anläßlich der Ausreise ankommt, sondern darauf, ob dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohte.
Diesbezüglich kann der belangten Behörde angesichts der zu berücksichtigenden Angaben des Beschwerdeführers nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der nunmehrigen politischen Konstellation eine ihm jetzt drohende Verfolgung aus Gründen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 als nicht (mehr) gegeben erachtet hat. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang angemerkt, daß sich die vom Beschwerdeführer vorgelegten allgemeinen Berichte über die Situation in Pakistan auf eine Situation vor dem Machtwechsel zu Gunsten der PPP beziehen und sohin - unabhängig von ihrer sonstigen Verwertbarkeit im Verfahren - für die gegenwärtige Situation keine Aussagekraft besitzen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200174.X00Im RIS seit
20.11.2000