TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/10 95/20/0741

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Veröffentlicht am 10.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §13 Abs1;
AsylG 1991 §13 Abs2;
AVG §9;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 23. Bezirk in Wien, Haeckelstraße 4, dieses wiederum vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 1995, Zl. 4.347.366/1-III/13/95, betreffend die Zurückweisung der Berufung in einer Asylsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die mit einem "in eventu" gestellten Wiedereinsetzungsantrag verbunden gewesene Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen die seinen Antrag auf Asylgewährung vom 14. August 1995 abweisende Entscheidung des Bundesasylamtes vom 7. September 1995 als verspätet zurückgewiesen. In der Berufung hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, daß die Behörde erster Instanz den Bescheid entgegen den Vorschriften des Zustellgesetzes nicht seinem frei gewählten Rechtsvertreter, sondern ausschließlich dem Jugendwohlfahrtsträger zugestellt habe. Er sei in seinem Recht auf Bestellung eines Rechtsanwaltes weder durch § 151 Abs. 2 ABGB noch durch das AsylG 1991 beschränkt. Da er gemäß § 13 Abs. 1 2. Satz AsylG den Asylantrag selbst stellen könne, habe er auch das Recht, einen Zustellbevollmächtigten bzw. einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Der zu seiner Einvernahme geladene Vertreter des Amtes für Jugend und Familie habe "sich nicht gegen die Bestellung von Frau Dr. B als Rechtsvertreter ausgesprochen".

Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung damit, daß der Bescheid des Bundesasylamtes dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen, dem zuständigen Amt für Jugend und Familie am 11. September 1995 zugestellt und dagegen innerhalb der 14-tägigen Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG kein Rechtsmittel erhoben worden sei. Die erst am 27. September 1995 eingebrachte Berufung sei demgemäß als verfristet zurückzuweisen gewesen.

Die vorliegende Beschwerde ficht den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an und führt dazu - zusammengefaßt - aus: Der (nach Inhalt des Asylantrages unbegleitet eingereiste und damals noch nicht 19 Jahre alte) Beschwerdeführer habe am 11. August 1995, vertreten durch die von ihm beauftragte Rechtsanwältin Dr. B, beim Bundesasylamt den Asylantrag eingebracht. Das Bundesasylamt habe gemäß dem Asylgesetz das Amt für Jugend und Familie "zum gesetzlichen Vertreter im Asylverfahren bestellt" und es sei auch eine Vertreterin dieser Behörde bei der niederschriftlichen Einvernahme anwesend gewesen. Dabei sei der Asylantrag und die vom Beschwerdeführer zu dessen Einbringung erteilte Bevollmächtigung vom Amt für Jugend und Familie genehmigt worden; eine Genehmigung sei auch im Rahmen eines Telefonates zwischen der Rechtsvertreterin und der Vertreterin der Jugendwohlfahrtsbehörde erfolgt. Da der Beschwerdeführer bereits mit dem Asylantrag die Bevollmächtigung seiner Rechtsvertreterin bekannt gegeben habe, wäre das Bundesasylamt verpflichtet gewesen, den Bescheid seiner Bevollmächtigten zuzustellen. Die am 11. September 1995 vorgenommene Zustellung des Asylbescheides an den Jugendwohlfahrtsträger sei somit nicht rechtswirksam gewesen. Die Berufungsfrist habe erst mit Übermittlung des Asylbescheides durch den Jugendwohlfahrtsträger an die ausgewiesene Rechtsvertreterin am 13. September 1995 zu laufen begonnen. Demgemäß sei eine Fristversäumnis nicht vorgelegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die 14-tägige Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG beginnt mit der rechtswirksamen Zustellung des anzufechtenden Bescheides. Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 Asylgesetz 1991 zur selbständigen Stellung des Asylantrages rechtlich in der Lage war, demgemäß den Asylantrag auch durch eine vom ihm frei bevollmächtigte Person einbringen konnte. Im übrigen oblag jedoch die Vertretung des Asylwerbers dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger, der gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Interessen des Beschwerdeführers von Amts wegen wahrzunehmen hat. Im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides am 11. September 1995 war der Beschwerdeführer daher im Grunde des § 13 Abs. 1 Asylgesetz 1991 prozeßunfähig, und es konnte demgemäß auch eine Zustellung an die von ihm zur Einbringung des Asylantrags bevollmächtigte Rechtsvertreterin rechtswirksam nicht erfolgen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. September 1996, Zl. 96/20/0400). Richtig ist, daß dann, wenn für eine Partei im Verwaltungsverfahren ein sich auf die erteilte Vollmacht berufender Rechtsanwalt einschreitet und die belangte Behörde keinen Zweifel hat, daß Inhalt und Umfang der Vollmacht für das von ihr abzuführende Verfahren gelten soll, die Behörde zur Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung aber nur geltend gemacht, daß er mit seinem Asylantrag in erster Instanz die durch ihn selbst erfolgte Bevollmächtigung seiner Rechtsvertreterin dem Bundesasylamt bekannt gegeben und die Vertreterin des Jugendamtes dieser Bevollmächtigung bei der Einvernahme nicht widersprochen habe. Daß aber eine über § 13 Abs. 1 Satz 2 Asylgesetz 1991 (Asylantragstellung) hinausgehende Genehmigung des Einschreitens der vom Beschwerdeführer selbst bevollmächtigten Rechtsvertreterin durch das Jugendamt (ausdrücklich) erfolgt wäre, wurde weder in der Berufung behauptet noch findet sich dafür ein Hinweis im Protokoll über die niederschrifliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Verfahren vor der Asylbehörde erster Instanz. Einer Genehmigung der Bevollmächtigung durch den Asylwerber zur Asylantragstellung bedurfte es nicht und hätte eine solche auch keine rechtliche Wirkung (siehe oben zitiertes hg. Erkenntnis). Die in der Beschwerde erstmals aufgestellte Behauptung, ein Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers habe die Bevollmächtigung zur weitergehenden Vertretung im Asylverfahren anläßlich der Einvernahmetagsatzung bzw. in einem Telefonat mit der Rechtsvertreterin (ausdrücklich) genehmigt, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar. Die nachträglich, nach Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes am 11. September 1995 an den Jugendwohlfahrtsträger durch diesen erfolgte schriftliche Bevollmächtigung der Rechtsvertreterin zur Einbringung der Berufung und des Wiedereinsetzungsantrages ändert nichts daran, daß die Behörde erster Instanz an den gesetzlichen Vertreter (mangels Mitteilung einer über die Asylantragstellung hinausgehenden Bevollmächtigung der frei gewählten Rechtsanwältin durch den Jugendwohlfahrtsträger) zuzustellen hatte und zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung am 27. September 1995 die mit der zuvor erfolgten Zustellung an den Jugendwohlfahrtsträger rechtswirksam in Gang gesetzte 14-tägige Berufungsfrist abgelaufen war, sodaß die belangte Behörde die Berufung mit Recht als verspätet zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Allgemein Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit Minderjährige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200741.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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