TE Vfgh Beschluss 2021/9/29 V147/2021

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
V der Tir LReg über die Einstellung Umlegungsverfahrens "Arzl Ost" im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Innsbruck vom 20.01.2021
RaumOG Tir 2016 §77, §93
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung einer Verordnung der Tiroler Landesregierung betreffend die Einstellung eines Umlegungsverfahrens als unzulässig; kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen

1. Mit dem vorliegenden auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 20. Jänner 2021, RoBau-4-101/1/214-2021, kundgemacht am 3. Februar 2021 im Amtsblatt "Bote für Tirol" Nr 38/2021, mit der gemäß §93 Abs1 TROG 2016 das Baulandumlegungsverfahren "Arzl Ost" im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Innsbruck eingestellt wird, wegen Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Bestimmung, nämlich §93 TROG 2016, in eventu wegen Verletzung in seinem Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG als gesetzwidrig aufheben.

2. Hinsichtlich seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, er sei Eigentümer des Grundstückes Nr 2035/4, EZ 1578, KG 81103 Arzl, das von der angefochtenen Verordnung erfasst sei. Durch Einstellung des Baulandumlegungsverfahrens könne das Raumordnungskonzept vereinfacht geändert werden und in weiterer Folge könnte der Antragsteller seinen letzten rechtlichen Schutz in Bezug auf ein bereits anhängiges Abbruchverfahren betreffend die auf seinem Grundstück befindliche bauliche Anlage verlieren. Die angefochtene Verordnung entbehre weiters einer Begründung. Sohin werde er unmittelbar in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht sowie in dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot verletzt.

Zudem sei §93 TROG 2016 als rechtliche Grundlage der angefochtenen Verordnung verfassungswidrig, weil das Umlegungsverfahren Grundstücke betreffe, die im Umlegungsgebiet lägen. Das bedeute, dass mit der Umlegung, aber auch mit deren Verweigerung oder der Einstellung des Verfahrens, die Rechte bestimmter Liegenschaftseigentümer individuell betroffen seien, weshalb mit Bescheid vorzugehen sei. Da das Gesetz dies nicht vorsehe, liege Verfassungswidrigkeit der betreffenden Bestimmung vor.

II. Rechtslage

1. Die §§77 und 93 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 – TROG 2016, LGBl 101/2016, idF LGBl 110/2019 lauten:

"Baulandumlegung

§77

Zweck

Die Baulandumlegung dient der Neuregelung der Grundstücksordnung in einem bestimmten Gebiet, das aufgrund der bestehenden Grundstücksordnung einer geordneten und Boden sparenden Bebauung und einer zweckmäßigen verkehrsmäßigen Erschließung insgesamt nicht zugänglich ist, in der Weise, dass

a) für eine solche Bebauung nach Lage, Größe und Form zweckmäßig gestaltete Grundstücke geschaffen werden sowie

b) die für die verkehrsmäßige Erschließung und für infrastrukturelle Einrichtungen erforderlichen Grundflächen aufgebracht werden.

[…]

§93

Einstellung des Verfahrens

(1) Das Umlegungsverfahren ist durch Verordnung einzustellen, wenn Umstände hervorkommen oder nachträglich eintreten, die den Zweck des Umlegungsverfahrens nicht mehr erreichen lassen.

(2) Das Umlegungsverfahren ist überdies durch Verordnung einzustellen, wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten der Verordnung über die Einleitung des Umlegungsverfahrens ein Umlegungsbescheid erlassen wird oder ein zulässiger Umlegungsvertrag oder ein zulässiges Umlegungsübereinkommen zustande kommt und die Gemeinde oder mindestens die Hälfte der Eigentümer der umzulegenden Grundstücke oder Grundstücksteile, auf die mindestens 50 v. H. der umzulegenden Grundfläche entfallen müssen, die Einstellung des Verfahrens beantragen.

(3) Die Verordnung über die Einstellung des Umlegungsverfahrens ist im Boten für Tirol zu verlautbaren. Sie ist weiters auf der Internetseite des Landes Tirol sowie an der Amtstafel der Gemeinde während zweier Wochen bekannt zu machen. Diese Bekanntmachungen bilden keine Voraussetzung für das Inkrafttreten der Verordnung. Die Gemeinde hat die Bekanntmachung an der Amtstafel der Gemeinde durchzuführen. Die Verordnung ist weiters dem Grundbuchsgericht, der Agrarbehörde und dem Vermessungsamt sofort mitzuteilen. Das Grundbuchsgericht hat daraufhin von Amts wegen die Anmerkung nach §78 Abs8 erster Satz zu löschen.

(4) Mit der Einstellung des Umlegungsverfahrens treten ein allfälliger Bebauungsplan mit den Festlegungen des Erschließungsplanes und ein allfälliger geänderter Flächenwidmungsplan nach §88 außer Kraft. Gleichzeitig treten die zuvor bestandenen Bebauungspläne und Widmungen wieder in Kraft."

2. Die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 20. Jänner 2021, RoBau-4-101/1/214-2021, kundgemacht am 3. Februar 2021 im Amtsblatt "Bote für Tirol" Nr 38/2021, mit der das Umlegungsverfahren "Arzl-Ost" in der Stadtgemeinde Innsbruck eingestellt wird, lautet:

"Aufgrund des §93 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, LGBl Nr 101, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 116/2020, wird verordnet:

§1 Einstellung

Das mit Verordnung des Amtes der Tiroler Landesregierung als Umlegungsbehörde I. Instanz über die Einleitung des Baulandumlegungsverfahrens 'Arzl Ost' in der Stadtgemeinde Innsbruck, Bote für Tirol Nr 841/2009, eingeleitete Umlegungsverfahren wird eingestellt.

Gemäß §93 Abs3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, LGBl Nr 101, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 116/2020, ist hinsichtlich nachfolgender Grundstücke in der KG 81103 Arzl, Bezirksgericht Innsbruck, die Anmerkung der Baulandumlegung gem. §78 Abs8 erster Satz TROG 2016 von Amts wegen zu löschen: EZ 20 – Gst. 1961, EZ 32 – Gste. 1979/2, 2035/1, EZ 71 – Gste. 1954, 1955/2, 2037/1, EZ 81 – Gste. 1936, 1937, EZ 84 – Gst. 1969, EZ 127 – Gst. 1972, EZ 194 – Gste. 1956/10, 2037/2, 2332, 2333, EZ 247 – Gste. 1938, 1939, EZ 625 – Gst. 1959, EZ 699 – Gste. 1988, 1990, EZ 1013 – Gst. 1953/1, EZ 1073 – Gst. 2035/2, EZ 1196 – Gste. 1953/5, 1953/6, EZ 1197 – Gste. 1953/3, 1953/4, EZ 1347 – Gste. 1979/1, 1980, 1981, 2036, EZ 1410 – Gst. 1956/3, EZ 1411 – Gst. 1956/5, EZ 1412 – Gst. 1956/6, EZ 1413 – Gst. 1956/7, EZ 1414 – Gst. 1956/2, EZ 1415 – Gst. 1956/8, EZ 1416 – Gst. 1956/9, EZ 1452 – Gst. 1976, EZ 1459 – Gste. 1944, 1945, EZ 1473 – Gst. 1977, EZ 1474 – Gst. 1983/2, EZ 1475 – Gste .1970, 1971, 1983/1, 1984, 1985, 1986, 1987, EZ 1578 – Gst. 2035/4, EZ 1597 – Gst. 1953/2, EZ 1618 – Gst. 2017, EZ 1647 – Gste. 1940, 1941, 1942, 1943, EZ 1653 – Gst. 1955/1, EZ 1686 – Gst. 1953/7, EZ 1707 – Gst. 1975, EZ 1708 – Gst. 1957/1, EZ 90009 – Gste. 1946, 1947, 1948 ,1949, 1950, 1951, 2038, 2039, 2040, 2041, 2042, 2043, 2044, 2045, EZ 90022 – Gste. 1973, 1974.

§2 Inkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung im Boten für Tirol in Kraft.

(2) Diese Verordnung wird überdies durch Anschlag an der Amtstafel der Stadtgemeinde Innsbruck und auf der Internetseite des Landes Tirol während zweier Wochen bekannt gemacht."

III. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2. Der Antrag ist nicht zulässig:

Durch die angefochtene Verordnung der Tiroler Landesregierung, mit der das Umlegungsverfahren im Bereich "Arzl Ost" im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Innsbruck und damit auch betreffend das Grundstück Nr 2035/4, EZ 1578, KG 81103 Arzl, eingestellt wurde, wird nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen, denn weder durch die Einleitung noch durch die Einstellung eines Umlegungsverfahrens wird eine Änderung der Rechtslage in Bezug auf die betroffenen Grundstücke bewirkt. Ein solcher unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers wäre allenfalls mit der Erlassung eines das Umlegungsverfahren abschließenden Umlegungsbescheides oder mit der Erlassung eines Abbruchbescheides betreffend die auf dem maßgeblichen Grundstück befindliche bauliche Anlage verbunden.

3. Damit fehlt es an einer der für die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG geforderten Voraussetzungen.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Raumordnung, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V147.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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