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25/01 StrafprozessNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrages auf Aufhebung einer Bestimmung der StPO betreffend Vorschriften für die Einbringung eines Antrages auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens wegen fehlender LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG, begehrt der Antragsteller, "§195 Abs2 StPO in der geltenden Fassung", "in eventu in dieser Bestellung den Satz 1 sowie Satz 3, in eventu die Wortfolgen 'binnen 14 Tagen' […], 'nach Zustellung' […], 'und die zur Beurteilung seiner fristgemäßen Einbringung notwendigen Angaben zu enthalten'", als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
§195 Abs2 Strafprozeßordnung 1975 – StPO 1975, BGBl 631/1975, idF BGBl I 26/2016 lautet:
"Antrag auf Fortführung
§195.
[…]
(2) Der Antrag ist binnen vierzehn Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§194) oder im Fall eines fristgerecht eingebrachten Verlangens nach §194 Abs2 nach Zustellung der Einstellungsbegründung, wurde jedoch das Opfer von der Einstellung nicht verständigt, innerhalb von drei Monaten ab der Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Der Antrag eines minderjährigen Opfers bedarf keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Der Antrag hat das Verfahren, dessen Fortführung begehrt wird, zu bezeichnen und die zur Beurteilung seiner fristgemäßen Einbringung notwendigen Angaben zu enthalten. Überdies sind die Gründe einzeln und bestimmt zu bezeichnen, aus denen die Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes oder die erheblichen Bedenken abzuleiten sind. Werden neue Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so gilt §55 Abs1 sinngemäß.
[…]"
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Die Staatsanwaltschaft Wien stellte am 9. April 2021 ein Ermittlungsverfahren gegen die mitbeteiligte Partei des Anlassverfahrens ein (§190 Z2 StPO).
2. Am 11. Juni 2021 stellte der Antragsteller einen Antrag an das Landesgericht für Strafsachen Wien auf Anordnung der Fortführung des Ermittlungsverfahrens (§195 Abs1 StPO).
3. Die Staatsanwaltschaft Wien gab dazu am 14. Juni 2021 eine Stellungnahme ab (§195 Abs3 StPO) und meinte darin unter anderem, dass der Fortführungsantrag vom 11. Juni 2021 als unzulässig zurückzuweisen sei (§196 Abs2 StPO), weil er entgegen §195 Abs2 StPO keine Angaben zur Beurteilung seiner fristgemäßen Einbringung enthalte.
4. In Bezug auf diese Stellungnahme brachte der Antragsteller am 1. Juli 2021 eine Äußerung beim Landesgericht für Strafsachen ein, aus deren Anlass er den auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag stellte.
4.1. Zur Zulässigkeit dieses Antrages führt der Antragsteller aus, dass mit der Ablehnung der Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Wien eine entschiedene Rechtssache vorliege. Der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG sei rechtzeitig mit dem "funktionalen Rechtsmittel" an das Gericht, nämlich seiner Äußerung vom 1. Juli 2021, gestellt worden.
4.2. In der Sache behauptet der Antragsteller, dass die Bestimmung des §195 Abs2 StPO gegen Art18 B-VG, Art7 B-VG und Art6 EMRK verstoße.
IV. Erwägungen
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG iVm §62a VfGG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
3. Gemäß dem mit BGBl I 2/2008 eingefügten Art90a B-VG sind Staatsanwälte zwar "Organe der Gerichtsbarkeit"; aber auch nach Schaffung dieser Bestimmung sind Staatsanwälte keine Richter und Staatsanwaltschaften keine Gerichte (VfSlg 19.350/2011; VfGH 3.3.2015, G47/2015). Eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft gemäß §195 Abs3 StPO ist keine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache im Sinne von Art140 Abs1 Z1 litd B-VG und §62a VfGG.
4. Dem Antragsteller fehlt es somit an der Legitimation zur Antragstellung nach Art140 Abs1 Z1 litd B-VG und §62a VfGG, weshalb der Antrag zurückzuweisen ist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Parteiantrag, VfGH / Legitimation, StrafprozessrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G218.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2022