TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/10 94/15/0124

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Veröffentlicht am 10.10.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Dr. W in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 17. Mai 1994, Zl. 93-GA6-DWi/93, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO für eine rückständige Abgabenschuldigkeit (Rückforderungsbetrag an Investitionsprämie für das dritte Vierteljahr 1985 in Höhe von S 3,479.928,--) der G-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: GmbH) als deren ehemaliger Geschäftsführer zur Haftung herangezogen. Der beigegebenen Begründung zufolge erblickte die belangte Behörde eine schuldhafte, für den Abgabenausfall bei der GmbH ursächliche Pflichtverletzung des Beschwerdeführers darin, daß er das Schreiben der S-AG vom 22. Jänner 1987 nicht alsbald nach Erhalt dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht habe; dadurch habe er die Uneinbringlichkeit der rückgeforderten Investitionsprämie im haftungsgegenständlichen Umfang verursacht.

Das in Rede stehende Schreiben der S-AG an die GmbH steht im Zusammenhang mit der vorangegangenen Lieferung einer Fertigungsanlage für Jalousietüren an letztere und lautet auszugsweise wie folgt:

"Bezugnehmend auf unsere langwierigen Verhandlungen, in denen nach Ihrer Darstellung der einwandfreie Produktionsablauf trotz unsern Bemühungen bis Ende 1986 nicht erreicht wurde und um den Disput zu einem Ende zu bringen, sind wir bereit, in unsere vereinbarte Funktionsgarantie einzutreten. Zu diesem Zweck erteilen Ihnen hiemit Gutschrift über S 8,699.820,-- die mit den restlichen noch offenen Lieferantenverbindlichkeiten von Ihnen uns gegenüber in gleicher Höhe zu verrechnen ist. Wir gehen davon aus, daß wir damit viel Entgegenkommen gezeigt haben und die Angelegenheit im Sinne der Lieferantenkulanz erledigt ist."

Während der Beschwerdeführer in seiner Berufung die Rechtsansicht vertreten hatte, bei der erwähnten Gutschrift habe es sich nicht um eine der GmbH gewährte Preisminderung, "sondern um das Einstehen für eine Garantie und die Abgeltung eines Schadenersatzanspruches", welcher der GmbH gegenüber der S-AG "für Anlaufschwierigkeiten und dem damit verbundenen Produktionsausfall zugestanden wäre", gehandelt, meint die belangte Behörde in der dem angefochtenen Bescheid beigegebenen Begründung, es stehe "unzweifelhaft" fest, daß durch die erwähnte Gutschrift eine Änderung hinsichtlich jener Kosten eingetreten sei, die als Grundlage für die Geltendmachung der erhöhten Investitionsprämie maßgeblich gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer auch die Bemerkung, daß die mit dem Verkauf der Jalousien befaßt gewesene Tochtergesellschaft der GmbH hiebei "einen Preisnachlaß bis zu 50 % gewähren mußte", enthaltenden Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung ist unter anderem eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung sowie die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, läßt der angefochtene Bescheid eine Begründung dafür vermissen, weshalb unzweifelhaft feststehe, daß durch die erwähnte Gutschrift von S 8,699.820,-- eine Änderung hinsichtlich der für die Geltendmachung der erhöhten Investitionsprämie maßgeblichen Kosten eingetreten sei. Da aus dem einzig als Beweismittel hiefür in Betracht kommenden Schreiben der S-AG nicht hervorgeht, ob die der GmbH gewährte Gutschrift nicht zumindest teilweise einen diese Beurteilung insoweit ausschließenden

SCHADENERSATZ FÜR FOLGESCHÄDEN DER LIEFERUNG EINER MANGELHAFTEN

PRODUKTIONSANLAGE darstellt, hätte die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer zur Klärung dieses Sachverhaltselementes im Abgabenverfahren verlangte Zeugeneinvernahme des Wirtschaftsprüfers Dr. H durchführen müssen. Daß dies unterblieben ist, belastet den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensfehler. Nur wenn diese Zeugenaussage im Zusammenhalt mit dem Schreiben der S-AG Beweis für eine Minderung der Anschaffungskosten der Fertigungsanlage gemacht hätte, wäre die belangte Behörde nämlich berechtigt gewesen, dem Beschwerdeführer das Unterlassen einer entsprechenden Mitteilung als Verstoß gegen seine Offenlegungspflicht und damit als schuldhaftes Verhalten anzulasten. Infolgedessen mußte dieser Bescheid, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf das übrige Beschwerdevorbringen näher einzugehen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994150124.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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