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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des HW in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. April 1995, Zl. Wa-231/94, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. April 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der BH Melk vom 3. Oktober 1994, mit welchem dem Beschwerdeführer gemäß § 12 des Waffengesetzes 1986 (WaffG) der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Die belangte Behörde stützte sich hiebei auf folgenden
festgestellten Sachverhalt:
Strafgerichtliche Verurteilungen:
"01) LG SALZBURG 36 E VR nnnn/90 HV aa/90 RK 31.08.1990 RK 31.08.1990 PAR 88/1 U 4 (Anm.: fahrlässige Körperverletzung), 80 (Anm.: fahrlässige Tötung) STGB 4 M FREISTR BEDINGT, PROBEZEIT 3 J. VOLLZUGSDATUM 31.08.1990.
02) BG YBBS U xxx/93 VOM 23.11.1993 RK 04.01.1994 PAR 83/1 STGB PAR 36 ABS 1/1 WAFFG 90 TAGS ZU JE 150 S (13500 S) IM NEF 45 T FREISTR. VOLLZUGSDATUM 04.01.1994."
Aus dem zur zweiten Verurteilung beigeschafften Gerichtsakt gehe hervor, daß der Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Ybbs bestraft worden sei, weil er
"1.) am 31.05.1993 in Y seine Tochter MW dadurch, daß er auf sie einschlug und sie auch würgte, wodurch diese eine Kratzspur am Hals und Körper verletzt wurde und
2.) am 11.06.1993 in Y zwei Pistolen, somit Faustfeuerwaffen, ohne hiezu befugt zu sein besessen hatte."
Darüber hinaus hätten die Gattin und die Tochter des Beschwerdeführers im wesentlichen übereinstimmend angegeben, daß sie der Beschwerdeführer am 11. Juni 1993 verbal mit dem Umbringen bedroht habe, er sei insbesondere unter dem Einfluß von Alkohol aggressiv und gewalttätig. Seine Tochter gab an, er habe sie wiederholt geschlagen und ihr vor ca. zwei Jahren auch das Nasenbein gebrochen. Die Gattin habe angegeben, der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit den verbalen Drohungen aus der Garage eine Pistole geholt und diese im Vorhaus auf den Boden gelegt.
Im gerichtlichen Strafverfahren gemäß § 107 StGB (gefährliche Drohung) zogen beide ihre zuerst erteilte Ermächtigung zur Strafverfolgung zurück und enthielten sich der Aussage.
Im gegenständlichen Verfahren hätten Gattin und Tochter des Beschwerdeführers anläßlich ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme bei der BH Melk die im Zuge der Vorerhebung gemachten Angaben vollinhaltlich bestätigt. Sie hätten aber auch angegeben, daß sich die Situation insofern wesentlich geändert habe, daß der Beschwerdeführer mittlerweile keine derartigen Handlungen mehr setze, nicht mehr trinke und das gemeinsame Leben mittlerweile normal und ruhig geworden sei. Der Vorfall vom 1. Juni 1993 habe sich auf Grund einer schwierigen wirtschaftlichen und persönlichen Lage ereignet.
Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren die Angaben seiner Gattin und Tochter bestritten. Die belangte Behörde schenkte aber im Rahmen der Beweiswürdigung den Angaben der Zeugen mehr Glauben.
Sie leitete aus diesen Feststellungen ab, daß Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, der Beschwerdeführer könnte durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Das wiederholt aggressive Verhalten in Verbindung mit gefährlichen Drohungen und dem demonstrativen Auflegen einer Faustfeuerwaffe im Vorraum des Hauses verpflichte die Behörde zur Erlassung des Waffenverbotes.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 520/1994, hat die Behörde einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte.
Diese Vorschrift dient, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits wiederholt ausgeführt hat (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/01/0140, vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0128, vom 22. Jänner 1992, Zl. 91/01/0175, und vom 7. November 1995, Zl. 94/20/0326), der Verhütung einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen (d.i. "gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch" - vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 91/01/0244, und vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0337) und setzt nicht voraus, daß bereits tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung durch jene Person erfolgt ist, gegen die das Waffenverbot verhängt wird. Vielmehr genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, daß von der Waffe ein die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender gesetz- oder zweckwidriger ("mißbräuchlicher") Gebrauch gemacht werden könnte. Hiebei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schußwaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1992, Zl. 91/01/0175, sowie vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0246, und vom 7. November 1995, Zl. 94/20/0326).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Rechtskraft der von der belangten Behörde zitierten Verurteilungen. Die belangte Behörde konnte auf Grund der Bindungswirkung einer strafrechtlichen rechtskräftigen Verurteilung zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer die zugrundeliegenden Taten begangen hat.
Insoferne der Beschwerdeführer die Ausführungen der belangten Behörde betreffend die Vorgänge um die angezeigte gefährliche Drohung des 11. Juni 1993 als unschlüssig bekämpft, ist ihm zunächst zu entgegnen, daß er in der Beschwerde nicht dartut, welche "vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel" nicht gewürdigt worden seien, ist doch die belangte Behörde sowohl auf die ihn belastenden Angaben der Gattin und der Tochter als auch seine dagegenstehenden Aussagen eingegangen. Mit der bloßen Wiederholung der bereits im Verfahren geäußerten Gegendarstellung des Beschwerdeführers kann jedoch die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die den Angaben der Gattin und der Tochter des Beschwerdeführers im Gegensatz zu den Angaben des Beschwerdeführers den Vorzug gegeben hat, nicht ausreichend erschüttert werden. Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang mit der Rüge, die belangte Behörde hätte kein "Leumundszeugnis" eingeholt, durch welches bestätigt worden wäre, daß "gegen den Beschwerdeführer noch nie etwas vorgefallen ist und es sich bei dieser Person um keinen gefährlichen Menschen handelt, der äußerst aggressiv wäre", meint, ist angesichts der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen unverständlich.
Im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers ist aus den Angaben der Zeuginnen auch der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt zu erkennen, daß der Beschwerdeführer sie verbal bedroht und eine Waffe im Vorraum des Hauses aufgelegt hat.
Der Verwertung der diesbezüglichen Angaben der Gattin und der Tochter stand aus rechtlicher Sicht auch nicht entgegen, daß die Genannten die Ermächtigung zur gerichtlichen Strafverfolgung zurückgezogen haben, weil dies für das Verwaltungsverfahren nicht von Bedeutung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0128).
Aber auch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken. Denn als Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, daß eine Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte, sind jedenfalls Delikte gegen das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit und der widerrechtliche Waffenbesitz anzusehen. Auch fahrlässige Handlungen (insbesondere ist hier die Verurteilung gemäß § 80 StGB - fahrlässige Tötung - hervorzuheben) können u.U. zur Abrundung des Gesamtbildes in die Wertung einbezogen werden, da unter mißbräuchlicher Verwendung (im Sinne einer "zweckwidrigen Verwendung") auch Handlungen umfaßt sind, die auf der Außerachtlassung der im Umgang mit Waffen gebotenen Sorgfalt beruhen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/20/0326). Bereits eine allein auf den vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen basierende Prognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG führte im konkreten Fall zum Ergebnis, daß die Annahme gerechtfertigt ist, daß der Beschwerdeführer durch die mißbräuchliche Verwendung von Waffen im Sinne der Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdem Eigentum die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Die Aggressionshandlungen des Beschwerdeführers vom 11. Juni 1993 bestärken die obige Prognose.
Das - nunmehrige - von den Zeuginnen geschilderte Wohlverhalten des Beschwerdeführers betrifft einen zu kurzen Zeitraum, um daraus eine gegenteilige, für den Beschwerdeführer günstigere Prognose ableiten zu können.
Insoweit der Beschwerdeführer einen fehlerhaften Gebrauch des freien Ermessens der Behörde rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß in Anwendung des § 12 Abs. 1 WaffG der Behörde kein Ermessen zusteht, weil bei Feststehen der Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot zu verhängen ist. Zutreffend verweist auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, daß die Beantwortung der Frage, ob die Annahme gerechtfertigt sei, daß eine Person durch die mißbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, eine Wertungsfrage ist, die mit "Ermessen" nichts zu tun hat (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1988, Zl. 88/01/0065, und die dort wiedergegebene Judikatur).
Insoweit schlußendlich der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 und 2 WaffG verweist, wurde bereits oben ausgeführt, daß bei ihm die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 WaffG vorliegen, die strenger sind als die für eine Verneinung der von § 6 WaffG geforderten Verläßlichkeit.
Insgesamt erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200326.X00Im RIS seit
25.04.2001Zuletzt aktualisiert am
25.08.2011