TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/10 94/15/0093

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Veröffentlicht am 10.10.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §240 Abs3;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §26 Z4 litb;
EStG 1988 §26 Z4 litc;
EStG 1988 §26 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der B-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 5. April 1994, Zl. 1349-2/93, betreffend Nachforderung von Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum vom 1. Jänner 1989 bis 31. Dezember 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer bei der Beschwerdeführerin für den Streitzeitraum abgeschlossenen LOHNSTEUERPRÜFUNG stellte der Prüfer unter anderem fest, daß jene einerseits für die Privatnutzung ihres Pkws Mercedes 500 SE durch den Dienstnehmer J.S. keinen Sachbezug versteuert und andererseits die demselben Dienstnehmer gezahlten Trennungsgelder als nicht zu versteuernde Leistungen im Sinne des § 26 EStG 1988 behandelt hatte. Der Prüfer ermittelte den sich daraus und auf Grund weiterer Tatbestandsverwirklichungen ergebenden Nachforderungsbetrag an lohnabhängigen Abgaben.

Das Finanzamt nahm sodann die Beschwerdeführerin mit HAFTUNGS- UND ZAHLUNGSBESCHEID für diese Abgaben (Lohnsteuer:

S 363.366,--, davon strittig S 361.280,--, Dienstgeberbeitrag:

S 45.090,--, davon strittig S 44.604,--, und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag: S 3.207,--, davon strittig: S 3.172,--) in Anspruch.

In ihrer dagegen erhobenen BERUFUNG führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, dem an ihr zu 25 % beteiligten Dienstnehmer J.S. sei der genannte Pkw mit Ausnahme von zwei privaten Urlaubsfahrten in den Jahren 1991 und 1992 (Fahrtstrecke: 1.240 bzw. 1.150 km) ausschließlich für betriebliche Fahrten zur Verfügung gestanden. Die J.S. im Streitzeitraum gezahlten Trennungsgelder seien gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 ungeachtet des Umstandes, daß der Genannte an allen Arbeitstagen vom Familienwohnsitz und Firmensitz in L zu den rund 130 bis 150 km entfernen Baustellen in Tirol mit dem Pkw an- bzw. rückgereist sei, im Hinblick auf die Unzumutbarkeit dieser Reisebewegungen einkommensteuerfrei.

In seiner abweislichen BERUFUNGSVORENTSCHEIDUNG traf das Finanzamt im wesentlichen die folgenden Sachverhaltsfeststellungen:

1) ZUM SACHBEZUG PKW:

Im Prüfungszeitraum habe die Beschwerdeführerin J.S. einen firmeneigenen Pkw der Marke Mercedes 500 SE zur Verfügung gestellt. Dieser Pkw sei nach den Aussagen des Berechtigten im Zuge der Lohnsteuerprüfung grundsätzlich nur durch ihn selber sowohl für Dienst- als auch für Privatfahrten benutzt worden. J.S. habe seine privat gefahrenen Kilometer mit ca. 2.000 bis 3.000 km jährlich geschätzt. Ein Fahrtenbuch sei nicht geführt worden. Für regelmäßige Dienstfahrten zu Baustellen habe J.S. auf den Namen seiner Ehegattin und seiner Tochter zugelassene Pkws benutzt.

2) ZU DEN TRENNUNGSGELDERN:

Die in der Berufung erwähnte Möglichkeit der Auszahlung eines Taggeldes an Stelle eines Trennungsgeldes an J.S. sei tatsächlich nicht wahrgenommen worden. Auch gehe aus den diese Vorgänge betreffenden Aufzeichnungen nicht eindeutig hervor, ob J.S. tatsächlich regelmäßig Anspruch auf die vollen Tagessätze gehabt hätte.

Die Beschwerdeführerin stellte hierauf den ANTRAG AUF ENTSCHEIDUNG DURCH DIE ABGABENBEHÖRDE ZWEITER INSTANZ und führte darin im wesentlichen folgendes aus:

1) ZUM SACHBEZUG PKW:

Die in der Berufungsvorentscheidung erwähnte Aussage des J.S. über den Umfang der jährlichen Privatfahrten habe sich nur auf die beiden Urlaubsfahrten bezogen. Für die wenigen Privatfahrten des J.S. seien zwei private Pkws zur Verfügung gestanden. Der allfällige Nachweis, daß der Pkw Mercedes 500 SE abgesehen von den beiden erwähnten Urlaubsfahrten nicht ausschließlich betrieblich benutzt worden sei, sei trotz Fehlens eines Fahrtenbuches von der Abgabenbehörde zu erbringen.

2) ZU DEN TRENNUNGSGELDERN:

Die Beschwerdeführerin wiederholte ihre schon in der Berufung dargelegte Rechtsansicht, "daß trotz der täglichen Heimfahrt (ergänze: des J.S.) die kollektivvertraglich zustehenden Trennungsgelder beim gegebenen Sachverhalt steuerfrei zu stellen sind".

Mit dem ANGEFOCHTENEN BESCHEID wurde die Berufung in den dargestellten Punkten abgewiesen. Nach Darstellung des Sachverhaltes und der Rechtslage führte die belangte Behörde zum Pkw-Sachbezug zusamenfassend aus, die Beschwerdeführerin habe die Richtigkeit ihrer Behauptung, daß ihr Dienstnehmer J.S. mit dem Pkw Mercedes 500 SE abgesehen von den beiden erwähnten Urlaubsfahrten keine privaten Fahrten unternommen habe, nicht nachgewiesen; die Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin wegen des J.S. im Streitzeitraum zugeflossenen Sachbezuges sei daher nicht rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin hafte auch für die auf die J.S. im Streitzeitraum gewährten Trennungsgelder entfallenden lohnabhängigen Abgaben, weil der Tatbestand des § 26 Z. 4 EStG 1988 voraussetze, daß das Trennungsgeld anläßlich einer Dienstreise gezahlt werde; davon könne aber angesichts des Umstandes, daß J.S. an Arbeitstagen stets von seinem Familienwohnsitz zu den Baustellen an- und rückgereist sei, nicht die Rede sein, obwohl diese Reisebewegungen J.S. nicht hätten zugemutet werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf zwei weitere im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin erstattete Schriftsätze erwogen:

1) ZU DEM IN DER PRIVATNUTZUNG DES PKWS DER

BESCHWERDEFÜHRERIN DURCH J.S. GELEGENEN SACHBEZUG:

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Sachbezuges unter Verletzung ihrer amtlichen Ermittlungspflicht nicht festgestellt und solcherart die entscheidungsrelevanten Fragen offengelassen. Die Beschwerde vermißt insbesondere Feststellungen darüber, ob J.S. "die Berechtigung zu Privatfahrten zustand" und ob er "selbständig über den Gebrauch des Pkw entscheiden konnte bzw. ob und wie das Recht, eine laufende, private Nutzung des Pkws eingeräumt wurde" und ob "überhaupt durch J.S. Privatfahrten durchgeführt wurden". Im Zusammenhang mit dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Ausmaß der privaten Nutzung des Pkws der Beschwerdeführerin durch J.S. rügt die Beschwerde auch eine mangelhafte Bescheidbegründung und eine aktenwidrige Beurteilung der Aussage des J.S.

Das Abgabenverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits die Abgabenbehörde die Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit trifft (§ 115 BAO), andererseits aber der Abgabepflichtige in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) dazu verhalten ist, die Richtigkeit der in seinen Anbringen dargetanen Umstände zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen (§ 138 BAO). Das Abgabenverfahren ist daher durch ein Zusammenspiel amtswegiger Ermittlung und Mitwirkung der Partei charakterisiert, wobei sich beide Teile in dem Bemühen zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu ergänzen und gegenseitig zu unterstützen haben. Wo für beide Seiten die Grenze für dieses Bemühen liegt, läßt sich allerdings nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter sorgfältiger Beachtung aller konkreten Umstände entscheiden. Die amtswegige Ermittlungspflicht findet dort ihre Grenzen, wo der Abgabenbehörde weitere Nachforschungen nicht mehr zugemutet werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, die Partei aber zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterläßt (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 89/16/0225, m.w.N.). Auf die Mitwirkung an der Aufklärung kann insbesondere dann nicht verzichtet werden, wenn Verhältnisse vorliegen, die nur der Abgabepflichtige aufklären kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/16/0120).

Im vorliegenden Fall liegen angesichts des Umstandes, daß für den Pkw Mercedes 500 SE der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum kein Fahrtenbuch geführt wurde, Verhältnisse vor, die nur von der Beschwerdeführerin bzw. ihrem Dienstnehmer J.S. hätten geklärt werden können. Der sich daraus ergebenden "erhöhten" Mitwirkungspflicht trug die Beschwerdeführerin aber im Abgabenverfahren nicht Rechnung. Sie unterließ es sogar, zu ihrem Standpunkt Beweisanträge zu stellen. Solcherart fällt aber der belangten Behörde keine Verletzung ihrer amtlichen Ermittlungspflicht zur Last. Auch die Beweiswürdigung der belangten Behörde, derzufolge die in der Berufungsvorentscheidung erwähnte Sachverhaltsdarstellung des J.S. im Zuge der Lohnsteuerprüfung eher glaubhaft erscheine als das spätere Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren weist keine Unschlüssigkeit auf.

Da weiters das schon vom Finanzamt der Beschwerdeführerin bekanntgegebene AUSMAß der privaten Nutzung ihres Pkws durch J.S. im Berufungsverfahren nicht bekämpft wurde, liegt auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

2) ZU DEN TRENNUNGSGELDERN:

Gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum maßgebenden Fassung gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht Beträge, die aus Anlaß einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer

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so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, daß ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz).

Kehrt der Arbeitnehmer täglich von der Arbeitsstätte an seinen ständigen Wohnort zurück, so stellt sich die Frage der Zumutbarkeit nicht, weil die eben zitierte Gesetzesstelle nur Zahlungen an Arbeitnehmer von der Einkommensteuerpflicht ausnimmt, die vom Arbeitgeber an tatsächlich nicht an ihren ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) zurückkehrende Arbeitnehmer geleistet werden (siehe hiezu Quantschnigg-Schuch, Rz 27.2 zu § 26 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).

Abgesehen davon, daß das eben Gesagte auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung wäre, steht einer Beurteilung unter dem der Beschwerde vorschwebenden Gesichtspunkt, daß nach dem maßgebenden Kollektivvertrag anstelle des Trennungsgeldes auch eine Reisekostenentschädigung (Taggeld) alternativ hätte beansprucht werden können, der Umstand entgegen, daß § 26 Z. 4 EStG 1988 keine Handhabe dafür bietet, den Rechtsgrund für die Auszahlung einzelner Lohnbestandteile abweichend vom erklärten Willen des Arbeitgebers in eine steuerlich günstigere Gestaltung umzudeuten (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. September 1994, Zlen. 91/13/0081, 0082).

Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994150093.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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