TE OGH 2021/10/21 3Ob146/21y

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Veröffentlicht am 21.10.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B*****, M.A., *****, 2. Dkfm. A*****, beide vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dipl.-Ing. C*****, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung, über den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Mai 2021, GZ 38 R 65/21x-32, womit der als „Berufung“ bezeichnete Rekurs der klagenden Parteien gegen den irrig als Urteil bezeichneten Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 22. Dezember 2020, GZ 3 C 106/19x-26, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (hierin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen je zur Hälfte zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Das Erstgericht wies die auf Vornahme näher bezeichneter Bauarbeiten zur Rückgängigmachung von am Mietobjekt des Beklagten vorgenommenen Veränderungen gerichtete Klage der Liegenschaftseigentümer wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs mit „Urteil“ zurück.

[2]       Das als „Berufungsgericht“ angerufene Rekursgericht wies die später als 14 Tage nach Zustellung der erstgerichtlichen Entscheidung eingebrachte, von ihm als Rekurs gewertete „Berufung“ der Kläger als verspätet zurück. Es ließ den Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung nachträglich unter Hinweis auf divergierende Rechtsprechung zu.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Der (richtig:) Rekurs der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit des Rekurses:

[4]       Ein Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen wurde, ist zwar grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO anfechtbar. Richtet sich ein Rechtsmittel jedoch gegen einen Zurückweisungsbeschluss, der im anhängigen Verfahren auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden. Dies wurde bereits mehrfach für die hier vorliegende Konstellation bejaht, in der eine „Berufung“ gegen eine Klagezurückweisung vom Gericht zweiter Instanz in einen Rekurs umgedeutet und wegen Verspätung zurückgewiesen worden war. Das Rechtsmittel ist daher ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als „Vollrekurs“ zulässig (vgl 4 Ob 233/16t mwN).

2. Zur Berechtigung des Rekurses:

[5]       2.1. Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich die Zulässigkeit einer Anfechtung allein nach der vom Gesetz vorgeschriebenen Entscheidungsform (RS0041880). Ob und mit welchem Rechtsmittel eine Entscheidung anfechtbar ist, hängt daher nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (vgl RS0041880 [T1]). Hat das Erstgericht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs unrichtigerweise in Urteilsform zurückgewiesen, so steht dagegen nur der Rekurs offen (vgl RS0040285). In einem solchen Fall ist eine Umdeutung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich möglich (vgl 8 Ob 56/19x; RS0036324 [T15]). Ein Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst nicht die Rechtsmittelfrist, weil auch Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von Notfristen führen können (vgl RS0036324 [T14]).

[6]       2.2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Gericht zweiter Instanz nicht abgewichen, indem es die „Berufung“ der Kläger gegen das „Urteil“ des Erstgerichts als Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss wertete. Am Entscheidungswillen des Erstgerichts, die Klage zurück- (und nicht ab-)zuweisen, kann schon angesichts des Spruchs seiner Entscheidung kein Zweifel bestehen. Gegenteiliges ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den Entscheidungsgründen. Die tragende Begründung des Erstgerichts ist nämlich die Unzulässigkeit des Rechtswegs für die Klage; dass es darüber hinaus (für den Fall der Unrichtigkeit seiner primär vertretenen Rechtsansicht) die vom Beklagten eingewendete Verjährung bejahte und überdies ausführte, dass der Rechtsvorgänger der Kläger den von diesen beanstandeten Baumaßnahmen des Beklagten zugestimmt habe, kann daran nichts ändern.

[7]       2.3. Auf die vom Rekursgericht referierte Kritik von Klicka (Die „verfehlte Entscheidungsform“ im Zivilprozess – neue Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 2020/65) an der Anwendung der „streng objektiven Theorie“ in mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs kommt es hier schon deshalb nicht an, weil diese Ausführungen nur den – hier aber gerade nicht vorliegenden – Fall einer Klageabweisung in Urteilsform betreffen, aufgrund dessen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu klären war, ob sich (bloß) aus den Entscheidungsgründen des Erstgerichts unzweifelhaft ein in Wahrheit auf Klagezurückweisung gerichteter Entscheidungswille ergab (vgl 10 Ob 6/19h, 8 Ob 56/19x und 9 Ob 22/16z).

[8]            3. Der Rekurs muss daher erfolglos bleiben.

[9]       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E133437

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00146.21Y.1021.000

Im RIS seit

10.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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