TE OGH 2021/10/22 8Ob93/21s

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Veröffentlicht am 22.10.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, als Verfahrenshelfer, wegen 11.956,56 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 8.816,56 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungs- und Rekursgericht vom 23. März 2021, GZ 22 R 273/20f-43, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 23. Oktober 2020, GZ 5 C 2/17b-34, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. Oktober 2020, GZ 5 C 2/17b-35, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin und der Beklagte standen von Oktober 2012 bis Oktober 2017 in einer Lebensgemeinschaft. Im Dezember 2015 erwarben sie eine Liegenschaft mit einem Haus, das sie teilweise (Gastlokal) an die Eltern der Klägerin verpachteten. Dafür nahmen die Parteien gemeinsam einen Kredit auf. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt mit den beiden gemeinsamen Kindern (geboren 2013 und 2015) in Karenz war und nur über ein geringfügiges Nebeneinkommen verfügte, vereinbarten die Streitteile, dass die Finanzierung der Liegenschaft und Rückzahlung des Kredits durch den Beklagten alleine erfolgt und die Klägerin den Beklagten finanziell unterstützt, wenn sie wieder arbeiten geht.

[2]            Aufgrund des Alkoholkonsums des Beklagten verschlechterte sich die Beziehung im Laufe der Zeit. Zwischen 16. und 22. 10. 2017 nötigte der Beklagte die Klägerin zur Duldung des Beischlafs und zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung, wobei es bei letzterer Tat beim Versuch blieb. Wegen dieser strafbaren Handlungen wurde der Beklagte rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt. Aufgrund der sexuellen Übergriffe kam es bei der Klägerin zu einer depressiven Reaktion und zu psychisch verursachten körperlichen Störungen.

[3]            Unstrittig ist, dass die Klägerin am 25. 10. 2017 den gemeinsamen Haushalt verließ und die Lebensgemeinschaft beendete. Die gemeinsame Liegenschaft wurde im Dezember 2019 verkauft und nach Begleichung aller offenen Verbindlichkeiten ein Betrag von jeweils ca 10.000 EUR an den Beklagten und die Klägerin ausgezahlt.

[4]       Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung eines restlichen Schmerzengeldes von 11.956,56 EUR sA für das durch die sexuellen Übergriffe des Beklagten erlittene Leid.

[5]       Der Beklagte bestritt und wendete diverse Gegenforderungen ein, unter anderem – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse einen auf § 1358 ABGB gestützten Rückforderungsanspruch in Höhe von 7.445,15 EUR, weil er von 15. 11. 2017 bis 15. 11. 2019 sämtliche nicht aus den Pachtzinseinnahmen tilgbaren Kreditraten für die Liegenschaft von insgesamt 14.890,30 EUR aus seinem Einkommen beglichen habe. Nach dem Verkauf der Liegenschaft brachte er vor, er habe insgesamt 60.212,38 EUR an Kredit einschließlich Kosten für die laufende Buchhaltung (18,58 EUR) und den Abschlusssaldo des Stromversorgungsunternehmens (33,80 EUR) zurückbezahlt. Davon entfielen 30.106,19 EUR auf die Klägerin. Dazu komme die Hälfte der Kaufpreisrestforderung von 9.300 EUR, die er beglichen habe, sowie ein Überschuss von 900 EUR aus dem Verkauf des Inventars, der zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, womit alleine aus dem Liegenschaftsverkauf eine Kompensandoforderung von 40.306,19 EUR resultiere. Die Streitteile hätten mit dem Erwerb des gemeinsamen Hauses, zumindest konkludent, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Bei Auflösung dieser Gesellschaft seien daher entsprechend §§ 1175 ff ABGB die Gewinne und Verluste aufzuteilen.

[6]       Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 8.816,56 EUR zu Recht und „die eingewendete Gegenforderung“ nicht zu Recht besteht, verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 8.816,56 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 3.140 EUR sA sowie ein Zinsenmehrbegehren ab. Aufgrund der festgestellten Vereinbarung, dass der Beklagte die Finanzierung der Liegenschaft und Rückzahlung für den Kredit alleine übernehme, sei eine bereicherungs- oder gesellschaftsrechtliche Rückabwicklung ausgeschlossen.

[7]       Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die vertragliche Regelung habe jedenfalls für die Zeit der aufrechten Lebensgemeinschaft Bereicherungsansprüche ausgeschlossen. Dass diese Vereinbarung nur für den Fall oder unter der Bedingung geschlossen worden wäre, dass die Lebensgemeinschaft aufrecht bleibt, sei nicht behauptet worden; ebenso wenig eine Vereinbarung darüber, was zu geschehen habe, wenn sich die Streitteile trennen. Dass die Voraussetzungen für die Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht vorgelegen seien, ergebe sich letztlich auch daraus, dass das einzig allenfalls vom Vermögen der Streitteile abtrennbare und einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zuordenbare Vermögen [ie die Liegenschaft] inzwischen unstrittig aufgeteilt worden sei. Der Beklagte habe nicht behauptet, dass die Aufteilung des Verkaufserlöses [gemeint des Überschusses] zur Hälfte an ihn und zur Hälfte an die Klägerin gegen seinen Willen erfolgt sei. Ein Begehren auf Auszahlung dieser der Klägerin zugewiesenen Hälfte des Erlöses scheitere also schon an der inzwischen erfolgten einvernehmlichen Veräußerung und Aufteilung des Erlöses. Das auf den durch die nach Beendigung der Lebensgemeinschaft geleisteten Darlehensrückzahlungen verschafften Nutzen gerichtete Begehren des Beklagten sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte durch sein strafbares Verhalten selbst die Erreichung des von ihm verfolgten Zwecks wider Treu und Glauben vereitelt habe, sodass er seinen Ersatzanspruch nach § 1435 ABGB zur Gänze verloren habe.

[8]       Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil – soweit ersichtlich – weder zur Aufteilung des Liegenschaftserlöses nach Beendigung der Lebensgemeinschaft noch zu der Frage höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe, ob eine Rückforderung der nach dem Auszug der Lebensgefährtin geleisteten Darlehensrückzahlungen für die im Miteigentum stehende Liegenschaft im Rahmen der condictio causa data causa non secuta ausgeschlossen sei, wenn ein als Verstoß gegen Treu und Glauben zu wertendes strafbares Verhalten zur Beendigung der Lebensgemeinschaft geführt habe.

Rechtliche Beurteilung

[9]       Die von der Klägerin beantwortete Revision des Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10]     1. Der Revisionswerber wendet sich inhaltlich nur mehr gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über seine Gegenforderungen, soweit sie die Finanzierung der gemeinsamen Liegenschaft, insbesondere die Darlehensrückzahlungen und Betriebskosten, betreffen. Auf alle anderen, vor allem im Zusammenhang mit Ausgaben für die laufende Lebensführung der ehemaligen Lebensgefährten stehenden, Gegenforderungen kommt der Beklagte in der Revision nicht mehr zurück (vgl RIS-Justiz RS0043338).

[11]           Er setzt auch der Beurteilung der Vorinstanzen nichts entgegen, dass die festgestellte Vereinbarung zwischen den Streitteilen, wonach die Finanzierung der Liegenschaft und die Rückzahlung des Kredits durch ihn alleine erfolgt, Ausgleichsansprüche zumindest aus der Zeit der aufrechten Lebensgemeinschaft ausschließt (vgl RS0033585), meint aber, dass für die Zeit nach Auflösung der Lebensgemeinschaft keine vertragliche Regelung bestünde.

[12]           Zwar argumentiert er nunmehr auch, dass die Vereinbarung zwischen den Streitteilen nur bis Dezember 2016 Gültigkeit habe, weil die Klägerin wegen Gründung eines eigenen Unternehmens spätestens ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen wäre, ihn finanziell zu unterstützen und an der Zahlung der Kreditraten und der laufenden Betriebskosten mitzuwirken. Dieser Einwand verstößt allerdings – abgesehen davon, dass er mangels Bezifferung der nach Meinung des Beklagten daraus resultierenden Gegenforderung unschlüssig bleibt – gegen das Neuerungsverbot, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[13]           Ausdrücklich spricht der Revisionswerber die von ihm schon in erster Instanz eingewandte Gegenforderung von 7.445,15 EUR für die nach Auflösung der Lebensgemeinschaft geleisteten Kreditraten an. Die diesem Zeitraum zugehörigen Betriebskosten, die er jetzt offenbar zusätzlich zu dem Betrag von 7.445,15 EUR geltend machen will, hat er jedoch nie konkretisiert und spezifiziert (vgl RS0041043). Insoweit fehlt es schon an einer schlüssigen Gegenforderung.

[14]           Auf die zuletzt von ihm in erster Instanz ins Treffen geführte Gegenforderung von 40.306,19 EUR nimmt der Beklagte im Rechtsmittel ziffernmäßig nicht Bezug. Da es an einer näheren Aufschlüsselung der darin enthaltenen Kreditrückzahlungen auf die Zeit vor und nach Auflösung der Lebensgemeinschaft fehlt, ist die vom Beklagten in der Revision vertretene Rechtsauffassung nicht geeignet, diese Gegenforderung zu begründen.

[15]           Obgleich der Beklagte formal den gesamten Klagszuspruch bekämpft, kann den Revisionsausführungen daher überhaupt nur mehr eine konkrete Gegenforderung von 7.445,15 EUR zugeordnet werden.

[16]     2. Der Revisionswerber vermag vor diesem Hintergrund nicht aufzuzeigen, dass die Entscheidung der Vorinstanzen über seine Gegenforderung korrekturbedürftig ist:

[17]           In Ansehung der nach Beendigung der Lebensgemeinschaft der Streitteile durch den Beklagten geleisteten Kreditrückzahlungen (bzw Betriebskosten-zahlungen) scheidet ein Rückgriff auf die condictio causa data causa non secuta analog § 1435 ABGB schon deshalb aus, weil der Beklagte nicht einmal behauptet, diese Zahlungen noch in Erwartung des Fortbestands der Lebensgemeinschaft erbracht zu haben. Worin der (verfehlte) Zweck dieser Leistungen bestehen soll (vgl RS0033855), ist in keiner Weise ersichtlich. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob die Rückforderung im Rahmen der condictio causa data causa non secuta ausgeschlossen ist, wenn der Leistende selbst die Erreichung des von ihm verfolgten Zwecks treuwidrig vereitelt, ist durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt (RS0033767; RS0021833 [T3]) und stellt sich hier auch gar nicht.

[18]           Ebenso wenig kann entgegen der Meinung des Revisionswerbers der geltend gemachte Rückforderungsanspruch auf § 1042 ABGB gestützt werden, weil kein Ersatz nach § 1042 ABGB gebührt, wenn jemand eine eigene Schuld begleicht, es sei denn, diese Verpflichtung ist der eines anderen subsidiär (RS0108671 [T1]; RS0104142 [T1]). Der Beklagte hat die Darlehensrückzahlungen als Solidarschuldner gegenüber der Bank geleistet und (auch in Ansehung der anderen liegenschaftsbezogenen Kosten) keine fremde Schuld erfüllt.

[19]           Die vom Beklagten noch in erster Instanz herangezogene Bestimmung des § 1358 ABGB findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet (RS0112742). Fremde Schuld ist die Verbindlichkeit eines Dritten. Für die Anwendung des § 1358 ABGB genügt es, wenn aus der Sicht des Hauptschuldners eine formell eigene, materiell aber fremde Schuld vorliegt (RS0102645).

[20]           Einschlägig für den Anlassfall ist jedoch die den Regress unter Gesamtschuldnern regelnde Bestimmung des § 896 ABGB (vgl RS0024234): Demnach ist ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, der die ganze Schuld „aus dem Seinigen“ abgetragen hat, berechtigt, auch ohne geschehene Rechtsabtretung von den übrigen den Ersatz zu fordern, und zwar, wenn kein anderes „besonderes Verhältnis“ unter ihnen besteht, zu gleichen Teilen.

[21]     Ob und in welchem Umfang ein Rückgriff stattfindet, bestimmt in erster Linie das zwischen den Solidarschuldnern bestehende Rechtsverhältnis, das insbesondere auch auf einem Vertrag beruhen kann (RS0017522; RS0003080). Die Kopfteilhaftung des § 896 ABGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn sich aus dem besonderen Verhältnis zwischen den Solidarschuldnern nichts anderes ergibt (RS0003080 [T5]).

[22]           Hier besteht eine vertragliche Regelung im Innenverhältnis, die der dem Revisionswerber angestrebten Kopfteilhaftung entgegensteht: Der Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin – bis diese wieder arbeiten geht und über mehr als ein bloß geringfügiges Nebeneinkommen verfügt – zur alleinigen Tragung der Finanzierungskosten für die gemeinsame Liegenschaft verpflichtet.

[23]           Die Prämisse des Beklagten, dass die festgestellte Vereinbarung nur während der aufrechten Lebensgemeinschaft gültig gewesen wäre, ist weder durch sein Vorbringen in erster Instanz noch durch die Feststellungen gedeckt. Bereits das Berufungsgericht hat dem Beklagten entgegengehalten, dass er nie behauptet hat, die Vereinbarung sei nur für den Fall oder unter der Bedingung geschlossen worden, dass die Lebensgemeinschaft aufrecht bleibt. Er hat auch nicht behauptet, dass die Vereinbarung mit Beendigung der Lebensgemeinschaft aufgehoben oder eine andere Vereinbarung geschlossen worden wäre oder die Klägerin ein über Geringfügigkeit hinausgehendes Einkommen verdient hätte. Damit waren die Parteien aber solange an die ursprüngliche Finanzierungsvereinbarung gebunden, bis sie während des erstinstanzlichen Verfahrens eine neue Vereinbarung über die Verteilung des Liegenschaftserlöses, insbesondere über die halbe-halbe Aufteilung des Überschusses, getroffen haben, worauf das Berufungsgericht den Beklagten ebenfalls schon verwiesen hat.

[24]           Selbst wenn die Streitteile in Bezug auf die Anschaffung der Liegenschaft schlüssig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet hätten, wäre dem Beklagten nicht geholfen, weil die Regelungen über die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens und den Ausgleich unter den Gesellschaftern nach § 1216e ABGB (so wie über den Aufwandersatz nach § 1185 ABGB) dispositiv sind (Warto in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1185 Rz 2 und § 1216e Rz 7). Abweichende Vereinbarungen gehen daher auch hier vor.

[25]     3. Da es dem Beklagten insgesamt nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist die Revision zurückzuweisen.

[26]     4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E133442

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00093.21S.1022.000

Im RIS seit

10.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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