TE OGH 2021/12/15 11Os129/21m

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Frank als Schriftführerin in der Strafsache gegen ***** H***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Satz StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 27. Mai 2021, GZ 50 Hv 13/21z-113, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stani, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Greil zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Ausspruch des Verfalls aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verfall wird abgewiesen.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Strafausspruch wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Satz StGB schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er am 19. Juni 2003 in G***** mit Gewalt gegen ***** P***** diesem fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er den Raub unter Verwendung von Waffen verübte und ***** P***** durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde (§ 84 Abs 1 StGB), indem er dem Genannten eine volle Bierflasche gegen den Kopf schlug, ihn durch einen kräftigen Stoß zu Boden brachte, ihm mit einem Brett sowie einem Kantholz Schläge versetzte und ihm anschließend 2.990 Euro abnahm, wobei er ***** P***** eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit sowie eine – mit einer Arbeitsunfähigkeit und schmerzbedingten Beeinträchtigungen in der Dauer von sieben Monaten verbundene – an sich schwere Verletzung, nämlich einen Unterschenkeltrümmerbruch am rechten Bein, eine Rissquetschplatzwunde am Kopf, Hautabschürfungen, massive Hämatome am Kopf und am Körper sowie Kratz- und Schnittwunden an den Armen und am Oberkörper zufügte.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4]       Die Mängelrüge reklamiert einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall – vgl RIS-Justiz RS0119089) zwischen den Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO – US 4: Gewaltausübung „als“ der Angeklagte „das Geldbündel in den Händen hatte“) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) dazu, wann genau die Sachwegnahme erfolgte und der Angeklagte Gewalt gegen das Opfer einsetzte.

[5]       Da Raub aber auch bei gewaltloser Mitgewahrsamserlangung zu bejahen ist, wenn der Täter beim Ergreifen der Sache die Gewalt als Tatmittel von vornherein einkalkuliert hatte (Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 9/1 und 65 mwN; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 142 Rz 22; RIS-Justiz RS0093704) und – vom Nichtigkeitswerber argumentativ vernachlässigt (vgl aber RIS-Justiz
RS0119370) – die Tatrichter beim Angeklagten vom Vorsatz auf Gewaltanwendung bei einem Abwehrverhalten des zunächst in einem PKW schlafenden Opfers ausgingen (US 4 f, 8, 10), spricht die Beschwerde keine entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0117499, RS0106268).

[6]       Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.

[7]       Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – erneut übereinstimmend mit der Generalprokuratur – davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Verfallsausspruch nach § 20 Abs 3 StGB (US 2) von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet:

[8]       Das Erstgericht hat 2.990 Euro (als dem vom Angeklagten durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswert entsprechenden Geldbetrag) gemäß § 20 Abs 3 StGB für verfallen erklärt (US 2 und 11).

[9]       Vermögensrechtliche Anordnungen unterliegen
– unabhängig vom hier auch in Bezug auf die Subsumtion der betreffenden Tat anzustellenden Günstigkeitsvergleich (RIS-Justiz RS0119545 [T12]) – dem Günstigkeitsvergleich (§§ 1, 61 StGB).

[10]     Der Verfall in der vom Erstgericht angewandten Fassung trat erst am 1. Jänner 2011 in Kraft (BGBl I 2010/108). Zur Tatzeit (19. Juni 2003) stand als vergleichbare vermögensrechtliche Anordnung die – nach dem Nettoprinzip zu berechnende – Abschöpfung der Bereicherung in Geltung (§ 20 StGB idF BGBl I 2002/134). Diese war nach § 20a Abs 1 StGB aF ausgeschlossen, soweit der Bereicherte zivilrechtliche Ansprüche aus der Tat befriedigt oder sich dazu in vollstreckbarer Form vertraglich verpflichtet hatte, er dazu verurteilt worden war oder zugleich verurteilt oder die Bereicherung durch andere rechtliche Maßnahmen beseitigt wurde. Eine Abschöpfung hatte (anders als Verfall nach § 20 StGB idgF – RIS-Justiz RS0129916) demnach in dem Umfang zu unterbleiben, in welchem der Bereicherte zugleich mittels Adhäsionserkenntnisses zur Befriedigung von zivilrechtlichen Ansprüchen aus der Tat verurteilt wurde (vgl RIS-Justiz RS0090556; Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 74 f).

[11]           Da hier zugleich ein betraglich konformer Zuspruch an den Privatbeteiligten erging, war die Abschöpfung der Bereicherung nach Tatzeitrecht – weil ausgeschlossen – günstiger, sodass der Verfallsausspruch als nichtig (Z 11 erster Fall) ersatzlos aufzuheben und der hier gestellte Antrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen war.

[12]     Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel („die Unbescholtenheit“ – § 34 Abs 1 Z 2 StGB), den Umstand, dass der Angeklagte die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich bisher wohl verhalten hat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) und die teilweise geständige Verantwortung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), als erschwerend hingegen die Erfüllung der zweifachen Qualifikation des § 84 Abs 1 StGB.

[13]           Zwar ist nach dem Berufungsvorbringen die alkoholbedingte Berauschung des Angeklagten zur Tatzeit (§ 35 StGB) als mildernd heranzuziehen. Allerdings ließ das Erstgericht unberücksichtigt, dass der Angeklagte angesichts des Überfalls auf das zunächst noch schlafende Opfer heimtückisch gehandelt (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB) und bei Begehung der Tat die anfängliche Wehrlosigkeit des ***** P***** ausgenützt (§ 33 Abs 1 Z 7 StGB) hat (Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 20), was erschwerend zu veranschlagen ist.

[14]           Die vom Erstgericht gefundene Sanktion entspricht demnach dem Schuldgehalt der Tat. Für eine Herabsetzung besteht kein Anlass. Der gezielte heftige Angriff auf das zunächst schlafende Opfer spiegelt einen intensiven Täterwillen, sodass spezialpräventive Gründe gegen die begehrte Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB sprechen (vgl auch Flora in WK2 StGB § 41 Rz 10 f).

[15]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E133469

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00129.21M.1215.000

Im RIS seit

12.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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