TE Vfgh Beschluss 1994/11/28 KI-5/94

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Veröffentlicht am 28.11.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art138 Abs1 lita
B-VG Art138 Abs1 litc

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr sowie dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien mangels Zuständigkeit des VfGH

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Erkenntnis vom 9. Juni 1992, B349/92, (s. auch die ähnliche Entscheidung VfSlg. 13055/1992), hatte der Verfassungsgerichtshof einen (im Devolutionsweg ergangenen) Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr aufgehoben, mit dem - gestützt auf das Gelegenheitsverkehrsgesetz, BGBl. 85/1952 in der damals geltenden Fassung, (iVm einer auf diesem Gesetz beruhenden Verordnung des Landeshauptmannes von Wien) - ein Ansuchen der nunmehr antragstellenden Gesellschaft um Erteilung einer Konzession zum Betrieb des Taxi-Gewerbes mit dem Standort Wien abgewiesen worden war.

Die antragstellende Gesellschaft begehrt nunmehr die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes und schildert den zugrundeliegenden Sachverhalt zusammengefaßt wie folgt:

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (im folgenden kurz: Bundesminister) hätte nach der oben erwähnten aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes den Ersatzbescheid zur Bewilligung der beantragten Konzession erlassen müssen. Mit Schreiben vom 10. September 1992 habe der Bundesminister jedoch mitgeteilt, nicht mehr zuständig zu sein, da die Kompetenz auf den unabhängigen Verwaltungssenat übergegangen sei. Nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist habe die antragstellende Gesellschaft gegen den Bundesminister Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Säumnisbeschwerde mit Beschluß vom 24. Februar 1993, Zl. 93/03/0008, als unzulässig zurück. Er begründete diese Entscheidung damit, daß seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. 452/1992 (betreffend die Änderung von Vollzugszuständigkeiten des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) nicht mehr der eben genannte Bundesminister (als Devolutionsbehörde) in der Angelegenheit der einschreitenden Gesellschaft zuständig sei und daher seine Entscheidungspflicht weggefallen sei. Hergeleitet wurde dieses Ergebnis im wesentlichen aus ArtVI Z2 des erwähnten Bundesgesetzes BGBl. 452/1992 (durch den dem §15 GelegenheitsverkehrsG ein Absatz 4 angefügt wurde) iV mit der Übergangsbestimmung des ArtXII Abs1 des genannten Bundesgesetzes aus 1992; die Entscheidungsbefugnis komme aufgrund dieser Rechtslage nunmehr dem unabhängigen Verwaltungssenat zu (zu den Details s. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes).

Am 23. März 1993 hat die antragstellende Gesellschaft ihren Angaben zufolge Säumnisbeschwerde gegen den unabhängigen Verwaltungssenat Wien (wiederum beim Verwaltungsgerichtshof) eingebracht. Am 14. Juni 1993 habe der unabhängige Verwaltungssenat Wien dem Verwaltungsgerichtshof bekanntgegeben, "daß er sich für unzuständig erachte".

2. Da der Verwaltungsgerichtshof unanfechtbar entschieden habe, daß der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr für die Bescheiderlassung unzuständig sei und der Unabhängige Verwaltungssenat Wien dargelegt habe, ebenfalls unzuständig zu sein, liege - so die antragstellende Gesellschaft - ein negativer Kompetenzkonflikt vor. Der (auf Art138 Abs1 lita B-VG bzw. §46 Abs1 VerfGG gestützte) Antrag lautet auf "Entscheidung dieses Kompetenzkonfliktes mit dem weiteren Begehren, die dem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen Akte aufzuheben".

3. "Belangte Behörden" seien laut Antragsvorbringen das "Bundesministerium" (richtig: der Bundesminister) für öffentliche Wirtschaft und Verkehr einerseits sowie der Unabhängige Verwaltungssenat Wien andererseits.

II. 1. Nach Art138 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (lita), zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten (insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst) sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten (litb), ferner zwischen den Ländern untereinander sowie zwischen einem Land und dem Bund (litc).

2. a) Die einschreitende Gesellschaft ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sie mit ihrer Bezugnahme auf Art138 Abs1 lita B-VG (und in der Folge auf §46 Abs1 VerfGG) irrt:

Sowohl der Inhalt des Antrages als auch die darin angeführte Parteienbezeichnung (s. oben, Pkt. I.3.) belegen nämlich, daß die einschreitende Gesellschaft die Klärung eines Kompetenzkonfliktes zwischen zwei Verwaltungsbehörden beantragt. Sollte die antragstellende Gesellschaft davon ausgegangen sein, daß der Unabhängige Verwaltungssenat Wien als Gericht zu qualifizieren wäre, ist sie auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1993, G68/92, zu verweisen. Darin wurde ausgeführt, daß die unabhängigen Verwaltungssenate keine Gerichte, sondern Verwaltungsbehörden im Sinne des B-VG sind; dies ergibt sich aus Art130 Abs1 und Art144 Abs1 B-VG, die von "Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate" sprechen.

Ein Kompetenzkonflikt nach Art138 Abs1 lita B-VG scheidet somit aus, weil Gerichte überhaupt nicht streitbeteiligt sind.

b) Aber auch unter Bezugnahme auf die litc des Art138 Abs1 B-VG könnte dem vorliegenden Antrag kein Erfolg beschieden sein:

Diese Bestimmung betrifft (wie schon zuvor erwähnt) nur Kompetenzkonflikte zwischen den Ländern untereinander oder zwischen Ländern und dem Bund. Im vorliegenden Fall liegt ein Zuständigkeitsstreit zwischen Verwaltungsbehörden im Sinn dieser Bestimmung nicht vor. Nach dem Antragsvorbringen (s. oben, Pkt. I.) handelt es sich vielmehr (allenfalls) um eine Meinungsverschiedenheit innerhalb der Bundesvollziehung, nicht aber um einen Zuständigkeitsstreit zwischen dem Bund und dem Land Wien (vgl. VfSlg. 3531/1959; VfGH 19.3.1993 B19/93, KI-1/93; 30.11.1993 KI-4/93; 30.11.1993 B1422/93, KI-10/93).

3. Der Antrag war somit wegen offenkundiger Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen. Das etwaige Fehlen weiterer Antragsvoraussetzungen war bei diesem Ergebnis nicht mehr zu prüfen.

4. Dieser Beschluß konnte ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden (§19 Abs3 Z2 lita VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Unabhängiger Verwaltungssenat, Gericht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:KI5.1994

Dokumentnummer

JFT_10058872_94K00I05_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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