Kopf
BESCHLUSS
Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch die Richter Mag Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag Rak und Mag Straßl in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien [1] F***** P***** (21 C 923/19x), [2] M***** S*****, (21 C 924/19v), [3] S***** S*****, [4] R***** Z*****, [5] J***** D***** (alle 21 C 925/19s), [6] G***** B***** (21 C 926/19p), [7] L***** W*****, [8] D***** S*****, [9] A***** K*****, [10] C***** N*****, [11] R***** H*****, [12] D***** G*****, [13] M****** A***** (alle 21 C 40/20w), [14] F***** GmbH (21 C 42/20i), [15] V***** M***** (21 C 43/20m), [16] T***** F***** (21 C 47/20z), alle vertreten durch Dr Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, [17] V***** G*****, (21 C 974/19x), vertreten durch HEGH Hawel – Eypeltauer – Gigleitner – Huber & Partner, Rechtsanwälte GesbR in Linz, wider die jeweils beklagte Partei L***** GmbH, vertreten durch Brenner & Klemm, Rechtsanwälte in Wien, wegen jeweils EUR 250,-- sA (nur hinsichtlich der klagenden Partei zu [14] EUR 500,-- sA) infolge Rekurses der klagenden Parteien zu [1] bis [16] gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 27.04.2020 21 C 923/19x-10, (Rekursinteresse: [richtig] EUR 2.420,30) in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kosten-entscheidung (Spruchpunkt 10.) dahin abgeändert, dass sie zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu [1] bis [16] die folgendermaßen bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters zu ersetzen:
[a] der klagenden Partei zu [1] EUR 423,44 (darin EUR 63,07 USt und EUR 45,-- Barauslagen);
[b] der klagenden Partei zu [2] EUR 423,44 (darin EUR 63,07 USt und EUR 45,-- Barauslagen);
[c] der klagenden Partei zu [3] EUR 286,52 (darin EUR 40,91 USt und EUR 41,03 Barauslagen);
[d] der klagenden Partei zu [4] EUR 286,52 (darin EUR 40,91 USt und EUR 41,03 Barauslagen);
[e] der klagenden Partei zu [5] EUR 286,52 (darin EUR 40,91 USt und EUR 41,03 Barauslagen);
[f] der klagenden Partei zu [6] EUR 423,44 (darin EUR 63,07 USt und EUR 45,-- Barauslagen);
[g] der klagenden Partei zu [7] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[h] der klagenden Partei zu [8] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[i] der klagenden Partei zu [9] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[j] der klagenden Partei zu [10] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[k] der klagenden Partei zu [11] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[l] der klagenden Partei zu [12] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[m] der klagenden Partei zu [13] EUR 176,52 (darin EUR 25,97 USt und EUR 20,64 Barauslagen;
[n] der klagenden Partei zu [14] EUR 549,42 (darin EUR 80,90 USt und EUR 64,-- Barauslagen;
[o] der klagenden Partei zu [15] EUR 423,44 (darin EUR 63,08 USt und EUR 45,-- Barauslagen);
[p] der klagenden Partei zu [16] EUR 423,44 (darin EUR 63,08 USt und EUR 45,-- Barauslagen).“
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu [1] bis [16] die mit EUR 419,54 (darin EUR 69,92 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Den Gegenstand der insgesamt neun verbundenen Verfahren bildeten Ansprüche gemäß Art 7 Abs 1 lit a EU-FluggastVO in Höhe von jeweils EUR 250,-- samt Zinsen von insgesamt 18 Fluggästen, die über eine Buchung für den Flug OE 105 von Palma de Mallorca (PMI) nach Wien (VIE) am 21.10.2019 verfügten, mit dem die Fluggäste ihr Endziel mit einer mehr als dreistündigen Verspätung erreichten. Im Folgenden bleibt das die Klägerin zu [17] betreffende Verfahren zu 21 C 974/19x des Bezirksgerichtes Schwechat außer Betracht, weil jene nicht Partei des Rekursverfahrens ist.
Von den übrigen 17 Fluggästen, die allesamt durch denselben Rechtsanwalt vertreten werden, machten fünf – die Kläger zu [1], [2], [6], [15] und [16] – ihre Ansprüche jeweils mit einer eigenen Klage geltend, während die Kläger zu [3] bis [5] sowie die Kläger zu [7] bis [13] ihre Ansprüche jeweils gemeinsam eingeklagten; die Klägerin zu [14] machte in einer weiteren Klage die ihr abgetretenen Ansprüche der übrigen beiden Fluggäste geltend. In jedem dieser acht Verfahren erstatteten die Kläger nach der Klage einen vorbereitenden Schriftsatz (jeweils ON 6). In der Tagsatzung vom 27.04.2020 (ON 7) verband das Erstgericht sämtliche Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
Anlässlich des Verhandlungsschlusses in dieser Tagsatzung legten die Kläger für jedes der verbundenen Verfahren eigene vorgefertigte – die Verbindung noch nicht berücksichtigende – Kostennoten, wobei jedoch auf einer der Kostennoten händisch der Tarif für die Verrichtung der Tagsatzung auf Grundlage des Gesamtstreitwert für sämtliche Kläger zu [1] bis [16] (EUR 4.250,--) unter Berücksichtigung eines 50-%igen Streitgenossenzuschlags verzeichnet wurde.
Die Beklagte rügte diese Art der Kostenverzeichnung (§ 54 Abs 1a ZPO), indem sie sich gegen die Vergütung der einzelnen Mahnklagen aussprach, weil die Ansprüche der Kläger mittels einer einzigen gemeinsamen Klage hätten geltend gemacht werden können.
Mit dem – nur mehr – im Kostenpunkt angefochtenen Urteil gab das Erstgericht den Klagebegehren zur Gänze statt und verhielt die Beklagte, den Klägern zu [1] bis [16] die mit insgesamt EUR 2.352,24 (darin EUR 313,54 USt und EUR 471,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen. Zur Kostenentscheidung, die es dem Grunde nach auf § 41 Abs 1 ZPO stützte, führte das Erstgericht zur Höhe begründend zusammengefasst aus: Aufgrund des Umstands, dass die Kläger zu [1] bis [16] durch denselben Rechtsanwalt vertreten seien, und deren zwischen 27.11.2019 und 17.01.2020 eingebrachte Klagen und deren Schriftsätze – mit Ausnahme der Klage der Klägerin zu [14] die ergänzendes Vorbringen zur Abtretung der Ansprüche enthalte – wortgleich seien, hätten sämtliche Kläger ihre Ansprüche kostenschonend in einer einzigen Klage gemeinsam geltend machen können. Die Kläger hätten auch kein Vorbringen erstattet, warum es notwendig und zweckmäßig gewesen wäre, die völlig identen Ansprüche, die auf einem völlig identen Sachverhalt beruhen, mit gesonderten Klagen geltend zu machen; ein Grund dafür sei auch nicht erkennbar. Die Kläger wären in ihrer materiellen und prozessualen Rechtssphäre bei gemeinsamer Klagsführung auch nicht schlechter gestellt gewesen als bei getrennter Einklagung. Allgemein sei der Kostenersatz auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten beschränkt. Bestehe die Möglichkeit kostensparendere Prozesshandlungen vorzunehmen, die formal und inhaltlich zum selben Ergebnis führen, könne die Partei nur jene Kosten beanspruchen, die den gleichen Zweck mit geringerem Aufwand erreicht hätten. Es seien daher nur jene Kosten zuzusprechen, die den Klägern zu [1] bis [16] bei gemeinsamer Einklagung entstanden wären.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Kläger zu [1] bis [16] aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet werde, ihnen Kosten von insgesamt EUR 4.772,54 zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt den Rekurs „zurück- bzw abzuweisen“.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
Die Rekurswerber argumentieren im Wesentlichen, dass die Beauftragungen des Klagevertreters durch die einzelnen Kläger zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt seien, sowie dass jene Kläger, die gemeinsam gebucht hätten, ohnehin eine gemeinsame Klage eingebracht hätten. Es sei ihnen – auch angesichts der Insolvenzgefahr in der Luftfahrtbranche – nicht zuzumuten mit der Klagsführung zuzuwarten, um zu sehen, ob allenfalls weitere Fluggäste den gleichen Klagevertreter mit der Klagsführung beauftragen würden.
Die Rekursgegnerin schließt sich im Wesentlichen der Argumentation des Erstgerichts an und führt ergänzend insbesondere aus, dass selbstverständlich keine Verpflichtung zur gemeinsamen Einklagung existiere; dass aber eine getrennte Einklagung, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich sei, Kostenfolgen nach sich ziehe.
Das Rekursgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 16.02.2021 zu 22 R 297/20m die Auffassung vertreten, dass mehrere Fluggäste eines Fluges, die Ansprüche aus der EU-FluggastVO geltend machen und überdies durch denselben Rechtsanwalt vertreten sind, auch in kostenrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht angehalten sind, ihre Ansprüche gemeinsam einzuklagen. Die Rechtsprechung verneint nämlich die Verbindungspflicht bei Klagehäufungen von Streitgenossen im Wesentlichen mit der Überlegung, dass eine gemeinsame Willensbetätigung aller handelnden Rechtssubjekte nötig ist, und im Fall des Scheiterns einer gemeinsamen Aktion dies nicht jeder einzelnen Person vorgehalten werden kann. Die gemeinsame Einklagung setze somit das Einverständnis sämtlicher Kläger voraus; und es könne einem Kläger nicht zur Last fallen, sollte sich ein anderer Streitgenosse gegen die gemeinsame Einklagung aussprechen. Eine aus § 41 ZPO ableitbare Verbindungspflicht kann somit bei Klagehäufung durch Streitgenossen im Gegensatz zu Klagen einer Partei, die nicht von der Möglichkeit der Verbindung mehrerer Ansprüche gemäß § 227 ZPO Gebrauch gemacht hat, nicht angenommen werden (vgl Landesgericht Eisenstadt vom 23.11.2004, 13 R 275/04w). An dieser Rechtsansicht hält das Rekursgericht fest. Es besteht auch in Hinsicht auf den Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten grundsätzlich keine Obliegenheit, mit anderen Anspruchstellern aus dem selben anspruchsbegründenden Sachverhalt das Einvernehmen zur Bildung einer Streitgenossenschaft zu suchen. Da jede Partei ihren Prozessvertreter frei wählen kann, kann auch die Identität des Klagevertreters eine solche Obliegenheit nicht begründen.
Der Rekursgegnerin ist zuzubilligen, dass aber durchaus Fälle denkbar sind, in denen schon die äußeren Umstände – etwa eine idente Buchungsnummer, ein gemeinsamer Nachname oder eine gemeinsame Wohnadresse – nahelegen, dass die Kläger in einem engen persönlichen Verhältnis zueinander stehen, das indiziert, dass einer gemeinsamen Einklagung grundsätzlich nichts im Wege gestanden wäre. In einem solchen Fall wäre es vertretbar, von den Klägern die Behauptung und Bescheinigung zu verlangen, aus welchen Gründen eine gemeinsame Einklagung nicht möglich oder zumindest nicht tunlich gewesen wäre. Ein solcher Fall, der offenbar auch der vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu 1 R 126/07t zugrunde lag, ist hier aber nicht gegenständlich. Die einzigen beiden Kläger, bei denen aufgrund der gemeinsamen Wohnadresse ein persönliches Naheverhältnis indiziert ist, nämlich die Kläger zu [3] und [4], haben – gemeinsam mit der Klägerin zu [5]; ebenso wie die Kläger zu [7] bis [13] – ihre Ansprüche ohnehin in einer gemeinsamen Klage geltend gemacht.
Damit war dem Rekurs insoweit Folge zu geben, als den Klägern neben den anteiligen gemeinschaftlich angesprochenen Kosten für die Tagsatzung auch die Kosten für ihre jeweiligen Klagen (einschließlich der vollen Pauschalgebühr) und vorbereitenden Schriftsätze zu ersetzen sind. Sofern einzelne der Kläger schon bei Klagseinbringung gemeinschaftlich aufgetreten sind, sind ihnen die Kosten der Klagen und Schriftsätze anteilig zuzusprechen.
Lediglich hinsichtlich der Kläger zu [3] bis [5] ist der Rekurs im Ausmaß von insgesamt rund EUR 10,-- nicht berechtigt, ohne dass sich diese – offenbar auf einem Rechenfehler der Rekurswerber beruhende – Differenz zwischen Rekursbegehren und zuzusprechendem Betrag aufklären ließe.
Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet auf §§ 43 Abs 2 erster Fall, 50 Abs 1 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 2, 528 Abs 2 Z 3 ZPO.
Textnummer
EKO0000060European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00119:2021:02200R00236.20S.1222.000Im RIS seit
10.01.2022Zuletzt aktualisiert am
10.01.2022