Entscheidungsdatum
21.06.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L504 2159456-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 AsylG 2005, §§ 52, 46, 55 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 30.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit muslimisch-sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus dem Ort XXXX im Gouverment Diyala, stammt.
Aus dem unbestritten gebliebenen Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
„(…)
Sie stellten am 30.04.2015 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bzgl. des bisherigen Verfahrensganges wird auf den Akteninhalt verwiesen!
Im Rahmen der Erstbefragung haben Sie am 30.04.2015 bei der LPD XXXX bzgl. Ihrer Fluchtgründe nachfolgende Angaben gemacht:
„Ich wurde von unbekannten Milizen verfolgt und in meinem Auto mit einer Pistole angeschossen. Ich wurde auch öfters angerufen und bedroht. Man verlangte von mir einen hohen Geldbetrag. Nach der Flucht wurde auch unsere Wohnung aufgebrochen und verwüstet. Dies sind meine Fluchtgründe“
Bei einer weiteren Einvernahme beim Bundesamt f. Fremdenwesen u. Asyl (BFA) am 12.04.2017 haben Sie nachfolgende Angaben gemacht:
„[…]
F: Verstehen Sie den Dolmetscher? Geht es Ihnen gut und können Sie sich auf die Einvernahme konzentrieren?
A: Ja.
F: Sind Sie gesund und nehmen Sie Medikamente?
A: Ich bin gesund und nehme keine Medikamente.
F. Können Sie irgendwelche Beweismittel in Vorlagen bringen?
A: Ja:
Einen irakischen Personalausweis mit der Nr. XXXX in Original,
Einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis mit der Nr. XXXX /Q in Original, ausgestellt am XXXX
Einen irakischen Dienstausweis, Ministerium für Elektrizität (assistierender technischer Leiter), ausgestellt am XXXX
Eine Sterbeurkunde des Bruders ( XXXX ) der Partei, ausgestellt am XXXX
Eine Kopie der Personalausweises des verstorbenen Bruders
Diverse Teilnahmebestätigungen in Österreich
Polizeiliche Protokolle vom Jahr 2008 bezüglich des Todes des Bruders
Anmerkung: Die an diesem Tag zur Einvernahme vorgelegten Dokumente werden in Kopie zum Akt gelegt und nach der EV der Partei retourniert.
[…]
F: Gibt es irgendwelche Gründe, die der heutigen Einvernahme entgegensprechen?
A: Nein.
F: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert. Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?
A: Ja.
F: Stimmen die Angaben, die Sie in der Erstbefragung gemacht haben?
A: Ja es stimmt alles.
F: Wie heißen Sie und wo und wann sind Sie geboren?
A: Ich heiße XXXX und bin am XXXX , im Irak geboren.
F: Welcher Staatangehörigkeit gehören Sie an?
A: Ich bin irakischer Staatsangehöriger.
F: Werden Sie ausschließlich im Irak verfolgt?
A: Ja, nur im Irak.
F: Haben Sie im Irak von sich aus jemals eine Polizeidienststelle, ein Gericht oder sonstige Sicherheitsbehörden (insb. auch Militärbehörden) aufgesucht?
A: Nein.
F: Sind Sie jemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und wurden strafrechtlich verurteilt?
A: Nein.
F: Hatten Sie jemals Probleme mit der Polizei, weiteren (Sicherheits)Behörden, dem Militär oder Gerichten?
A: Nein.
F: Haben Sie sich im Irak religiös oder politisch betätigt?
A: Nein.
F: Haben sich Ihre Familienangehörigen religiös oder politisch betätigt?
A: Nein.
F: Hatten Sie Kontakt mit Islamisten?
A: Nein.
F: Verstehen Sie den Dolmetscher? Können Sie sich konzentrieren?
A: Ja.
F: Wo waren Sie zuletzt im Irak wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr Lebensmittelpunkt?
A: Ich lebte in der Stadt XXXX , in der Ortschaft XXXX , in der Provinz XXXX im Viertel XXXX , im Irak.
F: Um welche Unterkunft hat es sich dabei gehandelt, steht diese im Eigentum von Ihnen oder von Familienangehörigen?
A: Es war ein Miethaus.
Anmerkung: Partei konnte die Ortskenntnis glaubhaft machen.
F: Wer hat noch dort mit Ihnen gewohnt?
A: Meine Mutter und meine Geschwister.
F: Wer wohnt derzeit dort?
A: Meine Mutter und mein Bruder, XXXX , mein Bruder ist behindert.
F: Wie lange haben Sie an der oben angeführten Adresse gewohnt?
A: Seit dem Jahr 2006 bis zum 30.12.2014 (Ausreise).
F: Wie heißt Ihr Vater, wie alt ist er und wo lebt er?
A: Mein Vater heißt XXXX , geb. 1932. Befragt gebe ich an, dass mein Vater einen Laden für XXXX hatte und er ist irakischer Staatsangehöriger. Befragt gebe ich an, dass mein Vater 1994 eines natürlichen Todes verstorben ist.
F: Wie heißt Ihre Mutter, wie alt ist sie und wo lebt sie?
A: Meine Mutter heißt XXXX , geb. 1956. Befragt gebe ich an, dass meine Mutter Hausfrau und irakische Staatsangehörige ist. Derzeit lebt sie an der oben angeführten Adresse.
F: Haben Sie Geschwister? Wie viel Geschwister haben Sie?
A: Ich habe sechs Brüder und vier Schwestern.
Meine Brüder heißen:
XXXX , geb. 1984 und er lebt im Irak, in
XXXX , geb. 01.06.1972 und er ist in den Irak zurückgekehrt, weil sein Sohn entführt wurde
XXXX , geb. 1980 er ist in Österreich und ist anerkannter Flüchtling
XXXX , geb. 1991 er ist in Österreich und er ist Asylwerber
XXXX , er wurde 2006 durch Milizen getötet
XXXX , geb. 1982 und er verstarb als Kind im Jahr 1987 eines natürlichen Todes
Meine Schwestern heißen:
XXXX , geb. 1970 und sie lebt im Irak, im selben Viertel wo meine Mutter wohnt
XXXX , geb. 1974 und sie ist in Österreich und ist subsidiär schutzberechtigt
XXXX , geb. 1978 und sie lebt im Irak, im selben Viertel wo meine Mutter wohnt
XXXX , geb. 1989 und sie lebt im irak, im selben Viertel wo meine Mutter wohnt
F: Wie finanzieren sich Ihre Geschwister den Lebensunterhalt im Irak?
A: Meine Mutter bekommt eine Rente, meine Schwestern werden von ihren Ehemännern versorgt, mein Bruder XXXX ist Tagelöhner.
F: Wo im Irak leben noch Verwandte von Ihnen?
A: Ich verfüge über Onkeln und Tanten und Cousinen und Cousins in der Ortschaft XXXX .
F: Haben Sie noch Kontakt mit Ihrer Familie und Ihrer Verwandtschaft im Irak?
A: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass ich ein gutes Verhältnis mit meiner Verwandtschaft habe.
F: Hat Ihre Familie und Ihre Verwandtschaft Problem im Irak oder werden Sie verfolgt?
A: Nein. Die Personen, die mich verfolgt haben besuchen meine Mutter alle drei Monate und durchsuchen das Haus. Meine Mutter wird aber nicht verfolgt.
F: Sind Sie verheiratet?
A: Nein.
F: Haben Sie Kinder?
A: Nein.
F: Welche Sprachen sprechen Sie?
A: Ich beherrsche die arabische Sprache in Wort und Schrift und ein wenig Deutsch.
F: Haben Sie Schulen besucht? Wann haben Sie die Schule beendet?
A: Ich habe 9 Jahre die Schule im Irak besucht und eine dreijährige Ausbildung als Elektriker.
F: Wie haben Sie sich ihren Lebensunterhalt im Irak finanziert?
A: Ich war Angestellter beim XXXX , seit 19 Jahren.
F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?
A: Ich bin Araber.
F: Gehören Sie einem Stamm an?
A: XXXX . Befragt gebe ich an, dass ich keine Probleme mit meinem Stamm hatte.
F: Welche Religion haben Sie?
A: Moslem (Sunnit)
F: Wann konkret haben Sie den Irak zuletzt verlassen und wann sind Sie in Österreich eingereist?
A: Ich habe den Irak am 30.12.2014 legal mit dem Flugzeug in die Türkei verlassen. Selbstverständlich bin ich von den Beamten im Irak kontrolliert worden. Danach bin ich am 30.04.2015 illegal in Österreich eingereist. Befragt gebe ich an, dass ich nach der genannten Einreise in Österreich nicht mehr im Irak war.
F: Wo ist Ihr Reisepass?
A: Den habe ich im Meer verloren.
F: Mit wem sind Sie nach Österreich eingereist?
A: Mit meinem Bruder XXXX und meinem Neffen Raed.
F: Haben Sie nach der Antragstellung auf internationalen Schutz das österreichische Staatsgebiet verlassen?
A: Nein.
F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?
A: Ja.
[…]
F: Fühlen Sie sich wohl, können Sie sich konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?
A: Ja.
FLUCHTGRUND:
F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe?
A: Die Geschichte beginnt im Jahr 2006. Ich war beim XXXX angestellt. Meine Aufgabe war die Wartung der Leitungen und Stromanlagen. Im Jahr 2006 begann dieser konfessionelle Konflikt im Irak. Mein Bruder wurde von den Todesschwadronen getötet, er wurde an einer Straßensperre angehalten und erschossen. CA. 100 Meter vor der Sperre. Da ich beim XXXX angestellt war und die Wartung der Anlagen zu meinen Aufgaben zählt, muss ich auch in schiitische Gebiete fahren. Auf den Weg dorthin wurde ich zweimal angehalten. Ich war damals in Begleitung von Kollegen, die haben sich für mich eingesetzt und die Milizen haben dann von ihrem Vorhaben Abstand gehalten.
Von 2006 bis 2014 habe ich Schleichwege genommen und bin immer den Kontrollpunkten und Straßensperren ausgewichen. Im Jahr 2014 hatte ich Nachtdienst. Auf den Weg von der Arbeit nach Hause so gegen 12 Uhr, kam ein Auto hinter mir und es wurde auf mich geschossen. Meine hintere Scheibe wurde zerstört, es war ein Firmenauto von mir. Ich konnte fliehen und nach Hause. Nach meiner Ankunft zu Hause wurde ich angerufen. Man hat mich beschimpft und bedroht, die drohten mich umzubringen. Die Nacht habe ich bei meinen Nachbarn am Dach verbracht.
Das war am 28.12.2014. Ich hab dann ein Ticket gebucht und bin ausgereist.
F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?
A: Nein.
F: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!
A: Soll ich meinen Fluchtgrund wiederholen?
Wiederholung der Frage! Sie schildern einen abstrakten Sachverhalt, Ihr Vorbringen lässt Details und Einzelheiten vermissen. Machen Sie mir konkrete Angaben über Ihren Fluchtgrund!
A: Nachdem auf mich geschossen wurde, wurde ich angerufen. Das heißt es war kein Zufall, ich war das Ziel. Als ich in der Türkei war, wurde das Haus gestürmt, sie dachten nicht, dass ich ausreise. Das Haus wurde gestürmt und verwüstet, sie waren auf der Suche nach mir. Bis jetzt wird das Haus immer wieder durchsucht.
Vor drei Monaten wurde das Haus das letzte Mal durchsucht, sie wollten sogar meinen geistig behinderten Bruder mitnehmen um mich zu zwingen. Vor drei Monaten haben die auch eine Geldsumme verlangt um mich zu verschonen.
Wiederholung der Frage! Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten und Details vermissen, Ihr Vorbringen ist so nicht glaubhaft, was sagen Sie dazu?
A: Am 28.12.2014 hatte ich Nachtdienst, ich war auf der Straße, ich habe auf einen Strommast gearbeitet. Ab 12 Uhr sind wir auf Abruf zu Hause und sind nicht am Arbeitsort. Ich war fertig mit der Arbeit, wollte nach Hause. Plötzlich wurde von hinten auf mein Fahrzeug geschossen. Als es passiert ist bin ich schnell gefahren. Ich bin nach Hause mit dem Dienstfahrzeug, ich übernachtete am Dach des Nachbarn. Sofort nach meiner Ankunft wurde ich daheim angerufen, sie haben mich verbal bedroht und beschimpft, Arbeitskollegen sind gekommen und haben das Auto abgeholt, ich habe ein Ticket gebucht und ausgereist.
F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?
A: Nein.
F: Wann wurde das Geld verlangt?
A: Vor drei Monaten, ca. im Jänner 2017.
F: Wurde sonst noch einmal Geld verlangt?
A: Nein, nur dieses einmal.
F: Beschreiben Sie mir die Situation, als auf Sie geschossen wurde und Sie mit dem Auto geflohen sind im Detail!
A: Ich saß im Auto und bin gefahren und plötzlich wurde die hintere Scheibe von Schüssen getroffen. Ich habe Gas gegeben und bin nach Hause gefahren.
F: Wie lange haben der Beschuss und die Autofahrt mit der Verfolgung angedauert?
A: Der Beschuss war kurz, es war in der Nähe meines Hauses, ca. zwei Minuten. Gerettet hat mich die Polizeistation in der Nähe meines Hauses.
F: Sie werden Opfer eines solch tragischen Ereignisses, beschreiben Sie mir Einzelheiten und Details, Gefühle von Ihnen, wie haben Sie diese Situation erlebt?
A: Ich hatte große Angst. Ich hatte Todesangst, ich war am Ende.
Wiederholung der Frage! Beschreiben Sie mir diesen Tathergang mit allen Details, an die Sie sich erinnern können. Veranschaulichen Sie diese Verfolgung!
A: Wenn man Auto fährt rechnet man nicht, dass man beschossen wird. Es war 24:00 die Straße war leer, ich hörte Schüsse und die hintere Scheibe ging zu Bruch. Ich glaube ich bin noch am Leben, weil das Dienstfahrzeug hoch ist. Die, die auf mich geschossen haben war ein weißes nicht hohes Fahrzeug. Als ich beim Polizeizentrum war, welche gegenüber unseres Hauses liegt sind die Verfolger weggefahren. Dann wurde ich gleich angerufen, ca. ein paar Minuten nachdem ich zu Hause war.
F: Wie oft hat man Sie telefonisch bedroht?
A: Nur dieses eine Mal.
F: Warum sind Sie nicht zur Polizei, wenn diese Station gegenüber Ihrem Haus liegt und die Verfolger auch Angst vor dieser zeigten?
A: Viele der Polizisten gehören zu den Milizen. Bei uns ist es so, die Männer gehen nicht oft zur Polizei.
F: Warum hatten dann die Verfolger Angst vor der Polizei?
A: Nicht alle sind Angehörige der Milizen.
F: Mit welcher Waffe wurde, auf Sie geschossen?
A: Mit einer Kalaschnikov AK 47.
F: Bei der Erstbefragung sagten Sie, sie wurden mit einer Pistole beschossen?
A: Nein habe ich nicht.
F: Machen Sie mir Angaben rund um die Verfolger!
A: Ich weiß nichts über sie.
F: Um welche Milizen handelt es sich?
A: Ich weiß es nicht.
F: Warum wurden Sie verfolgt, warum haben die Milizen ein solches Interesse an Ihnen?
A: Nur wegen meiner Konfession.
F: Warum wurde dann Ihre Mutter weiterhin aufgesucht und Geld verlangt, wenn Sie nicht mehr im Land waren?
A: Die haben eigentlich nichts erreicht und erst abgelassen, wenn wir eine Summe zahlen.
F: Der Sohn Ihres Bruders ist wieder bei Ihrem Bruder?
A: Ja.
F: Wenn diese Milizen gegen Sunniten ist, wie kann es sein, dass Ihre Mutter und Ihre Schwestern noch weiterhin leben?
A: Es werden die Männer verfolgt.
F: Beschreiben Sie mir den Telefonanruf im Detail!
A: Die haben mich beschimpft, danach die Sunniten und uns für alle Probleme verantwortlich gemacht. Die haben gesagt, diesmal bist du uns entkommen, beim nächsten Mal bist du dran. Ich sagte immer, ich habe nichts gemacht, die haben mich weiter beschimpft, ich habe dann aufgelegt und bin zum Nachbarn.
Wiederholung der Frage! Beschreiben Sie mir den Telefonanruf im Detail, auch Ihre Gefühle!
A: Ich verspürte große Angst. Sofort nach meiner Ankunft, nicht einmal Minuten wurde ich angerufen, beschimpft und bedroht. Ich habe dann aufgelegt. Das Auto stand vor der Tür, Arbeitskollegen habe das genommen.
F: Die Arbeitskollegen sind Sunniten?
A: Nein Schiiten, auch mein Chef ist Schiit.
F: Von welchem Flughafen sind Sie ausgereist?
A: Bagdad.
F: Wie weit ist Ihr Wohnort vom Flughafen Bagdad entfernt, fuhren Sie mit dem Auto?
A: Ja ich fuhr mit dem Auto, ich bin ca. zwei Stunden gefahren.
F: Kontrollieren die Milizen Ihre Umgebung und Bagdad?
A: Ja, es ist ein Netzwerk, die kontrollieren dies alles.
F: Sind diese Milizen sehr mächtig?
A: Ja.
F: Wie konnten Sie dann legal ausreisen?
A: Nicht mal zwei Tage nach dem Vorfall, bin ich ausgereist.
F: Sie wurden kein einziges Mal von Milizen kontrolliert wurden?
A: Ich bin kurz vor Sonnenaufgang losgefahren mit einem Taxi, ich wurde nicht kontrolliert. Zu dieser Zeit ist es nicht wahrscheinlich, dass man kontrolliert wird.
F: Haben Sie Verwandte oder Bekannte in Bagdad?
A: Nein.
F: Wie konnten Sie einer Verfolgung durch die Miliz bis ins Jahr 2014 entgehen, Sie haben immerhin weiter in Ihrem Beruf gearbeitet?
A: Wie gesagt, zwei dreimal wurden wir bei der Arbeit kontrolliert, Kollegen haben sich für mich eingesetzt. Wenn ich erfahre, dass ein Kontrollpunkt ist, bin ich ausgewichen. Ich habe das ausgehalten, weil meine ganze Familie von meinem Gehalt abhängig ist.
F: Wie hat der Hersteller der Anlagen, die Sie gewartet haben geheißen?
A: Es gab alte ungarische Stromwechselanlagen. Auch eine irakische Marke, hergestellt in Japan, indische Geräte und türkische.
F: Nennen Sie mir einen konkreten Hersteller?
A: Eine irakische Firma namens ALKADISIA. Die anderen Namen weiß ich nicht.
F: Woher bezogen Sie die Ersatzteile?
A: Die waren am Arbeitsort.
F: Von welchem Hersteller wurden diese Ersatzteile bezogen?
A: Das weiß ich nicht. Ich war in einer Zweigstelle, wir bekamen das von der Zentrale.
F: In welcher Einheit wird die Stromstärke gemessen?
A: Ampere.
F: Wohin kehrte Ihr Bruder in den Irak zurück?
A: Im selben Viertel, in der selben Ortschaft, aber in ein anderes Haus. Die Person, an die mein Bruder verkauft hat um das Lösegeld zu bezahlen, hat meinem Bruder das Haus wieder vermietet.
F: Waren Sie bei der Polizei, haben Sie Anzeige erstattet?
A: Nein. Ich habe kein Vertrauen in die Polizei.
F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in den Irak? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück in den Irak geschickt werden würden?
A: Die würden mich töten.
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Irak Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Möchten Sie das?
A: Nein, das brauche ich nicht.
F: Möchten Sie noch etwas angeben?
A: Ich warte schon seit zwei Jahren auf die Einvernahme, wäre mein Leben nicht in Gefahr, wäre ich schon längst zurückgekehrt.
F: Konnten Sie sich konzentrieren?
A: Ja.
F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden? Vom Inhalt als auch von der Sprache?
A: Ja.
F: Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen und wurden Sie gut behandelt?
A: Ja.
Es wurden etwaige Tippfehler nachträglich korrigiert.
[…]
Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:
Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:
- Einen irakischen Personalausweis mit der Nr. XXXX in Original,
- Einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis mit der Nr. XXXX /Q in Original, ausgestellt am XXXX
- Einen irakischen Dienstausweis, Ministerium für Elektrizität (assistierender technischer Leiter), ausgestellt am XXXX
- Eine Sterbeurkunde des Bruders ( XXXX ) der Partei, ausgestellt am 01.09.2006
- Eine Kopie der Personalausweises des verstorbenen Bruders
- Diverse Teilnahmebestätigungen in Österreich
- Polizeiliche Protokolle vom Jahr 2008 bezüglich des Todes des Bruders
Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
- Ihre niederschriftlichen Einvernahmen im Asylverfahren
- Die im Akt befindlichen EKIS-Auszüge
- Die Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA zu Ihrem Herkunftsland Irak
- Sämtliche weitere Bestandteile und Inhalte des Verwaltungsaktes
- Strafregisterauszug
- ZMR-Auszug
- GVS-Auskunft
- Einsichtnahme in den Asylakt Ihres Bruders XXXX , geb. XXXX , IFA XXXX
- Einsichtnahme in den Asylakt Ihres Bruders XXXX , geb. XXXX , IFA XXXX
- Einsichtnahme in den Asylakt Ihrer Schwester XXXX , geb. XXXX , IFA XXXX
(…)“
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.).
Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (III.).
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (IV.).
Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (V.).
Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit ihrer persönlichen Situation keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse würden demnach nicht vorliegen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung mit der angegebenen Frist für die freiwillige Ausreise verfügt.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Eingangs wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 16 Abs. 1 BFA-VG normierte zweiwöchige Frist geäußert und angeregt, die Aufhebung dieser Norm beim VfGH zu beantragen. Sodann wird im Wesentlichen ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren moniert und versucht, den vom Bundesamt aufgezeigten Widersprüche entgegen zu treten. Abschließend wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2021 wurde die bP vom BVwG im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht gem. § 15 AsylG, § 39 Abs 2a AVG, aufgefordert Fragen zum aktuellen Stand ihres Privat- und Familienlebens in Österreich, ihres Gesundheitszustandes, Daten von in Österreich befindlichen Angehörigen zu beantworten und Angaben zu machen, ob sich seit Einbringung der Beschwerde in Bezug auf ihre Problemlage im Herkunftsstaat eine Änderung ergeben hat. Gleichzeitig wurde sie darin aufgefordert allfällige Behauptungen zu diesen Punkten, soweit als möglich, durch Bescheinigungsmittel nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.
Die belangte Behörde wurde im gleichen Schriftsatz als Verfahrenspartei aufgefordert darzulegen inwiefern sie ihren Antrag auf Abweisung der Beschwerde, nunmehr unter Berücksichtigung der aktuellen Lage im Herkunftsstaat, zu begründen beabsichtige.
Die belangte Behörde brachte keine schriftliche Stellungnahme ein.
Die bP übermittelte mit Schreiben vom 11.03.2021 eine Stellungnahme zum ergänzenden Ermittlungsverfahren.
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 24.03.2021 wurde den Parteien vom BVwG im Rahmen des Parteiengehörs Berichte übermittelt, die das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der aktuellen asyl- und abschiebungsrelevanten Lage zugrunde legt und wurde zur Stellungnahme binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert.
Das Bundesamt brachte keine schriftliche Stellungnahme ein. Die bP übermittelte mit Schreiben vom 07.04.2021 eine Stellungnahme zu den übermittelten Länderberichten.
Am 15.04.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine Verhandlung durch. Aufgefordert, in der Verhandlung alle Probleme anzugeben, die sie aus aktueller Sicht im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet, gab sie Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
„(…)
Sind Sie über die aktuelle Lage in Ihrem Herkunftsstaat informiert? Wenn ja, woher beziehen Sie ihre Informationen?
Ja, auf den Social Media Seiten, dort wird eh alles gesagt, was los ist.
Erwarten Sie aktuell bei einer Rückkehr in Ihre Herkunftsregion im Herkunftsstaat noch Probleme? Wenn ja, geben Sie bitte konkret und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich derzeit bei einer Rückkehr erwarten würden.
Würde ich zurückgehen, dann würde ich sterben. Wenn ich hier sterben würde, dann würde man meinen Leichnam finden, im Irak nicht. 18 Jahre habe ich gearbeitet, ich habe dort sehr gut verdient. Ich habe alles hinter mir gelassen, meinen Verdienst, meine Familie, meine Freunde, weil wäre ich dortgeblieben, wäre ich tot gewesen.
(Ende der freien Rede)
Haben Sie damit jetzt alle Probleme genannt, die Sie persönlich aktuell im Falle einer Rückkehr in den Irak erwarten würden?
Ich gehe auf keinen Fall zurück und wenn ich hier sterben würde, dann sterbe ich.
RI wiederholt die Frage.
Ja.
Vorhalte / Fragen:
Sprechen wir über das Ereignis wo Sie mit dem Auto verfolgt wurden. Sie gaben beim Bundesamt an, dass dies gegen Mitternacht gewesen sei. Gab es auf der Fahrt wo das Auto hinter Ihnen fuhr Straßenbeleuchtung?
Im Irak ist es so, dass die Elektrizität mal da und mal weg ist, es ist nicht immer dasselbe.
RI wiederholt die Frage ob zum konkreten Zeitpunkt die Straßenbeleuchtung eingeschaltet war.
Ja.
War das eine kurvige Strecke? Sind dort Berge auf der Fahrtstrecke?
Nein, es gab keine Kurven und keine Berge, es war eine gerade Straße.
Mit welchem Auto waren Sie unterwegs, Marke, Type, Leistung?
Es ist ein Asus aus Japan und es ist ein Servicewagen. Wie viele PS das Auto hatte kann ich nicht sagen, da ich kein Autoexperte bin.
Erzählen Sie mir bitte dieses Erlebnis wo ihnen dieses Auto nachfuhr und auf Sie geschossen wurde so detailliert wie es noch Ihrer Erinnerung entspricht:
Ich hatte Nachtdienst bis um 12 Uhr und wenn man bis um 12 Uhr Dienst hat, dann kann man mit dem Auto nachhause fahren, aber über das Handy erreichbar sein. Während ich mit dem Auto fuhr hörte ich Schüsse, diese kamen von einer Kalaschnikov, das hintere Fenster des Wagens brach. Ich bin dann schnell gefahren. In der Nähe meines Hauses ist eine Polizeistation als ich dort in die Nähe kam haben sie sich zurückgezogen. (Ende der freien Rede)
War die Straße asphaltiert?
Ja.
Haben Sie erkennen können von wo aus dem Auto auf Sie geschossen wurde?
Unsere Fahrzeuge sind von links, der Fahrer sitzt links, also ist das andere Fahrzeug von meiner linken Seite gekommen. Das Auto war hinter mir, als auf mich geschossen wurde. Die Schüsse kamen von der Beifahrerseite.
Blieb das Auto immer hinter Ihnen bei dieser Fahrt?
Sie haben versucht mich zu überholen, aber ich bin schneller gefahren und sie haben es nicht geschafft. Ich habe ihnen nicht die Chance gegeben, wenn sie mich überholt hätten, dann hätten sie mich getötet.
Haben Sie das Auto hinter Ihnen nur im Spiegel gesehen?
Ja.
Wie weit war das Auto ungefähr hinter Ihnen als die Schüsse fielen?
Ein paar Meter, ich habe das Auto gar nicht bemerkt. Ich habe es erst bemerkt, als das Glas kaputtgegangen ist.
Wie konnten Sie erkennen, dass – so Ihre Angaben in der Einvernahme beim BFA - mit einer „Kalaschnikov AK 47“ auf Sie geschossen wurde?
Ich war beim Militär.
Bei der Erstbefragung gaben Sie an, dass mit einer Pistole auf Sie geschossen wurde!
Der Dolmetscher war ein Jordanier oder Palästinenser und ich habe das Wort „rashash“ verwendet, wenn wir das sagen, dann meinen wir Kalaschnikov. Eine Pistole würden Schüsse nicht so hintereinander schießen wie eine Kalaschnikov, das ist der Fehler des Dolmetschers nicht meiner.
Wieso fuhr Ihnen dann das Auto nicht mehr nach?
Als ich bei meinem Haus angekommen bin. Dort ist die Polizeistation. Als sie diese gesehen haben, haben sie sich zurückgezogen.
Warum sind Sie ausgerechnet nachhause zu Ihrem Haus geflüchtet?
Das Haus war am nächsten zu mir, ich war ja schon auf dem Weg von der Arbeit nachhause.
Haben Sie dann diesen Vorfall bei der Polizei angezeigt?
Nein.
Warum nicht?
Die Polizei und das Militär dort sind mit den Milizen gemischt. Es könnte sein, dass wenn ich dort hingehe um eine Anzeige zu machen, dass sie mich verletzen und mir etwas antun.
Wissen Sie wer Sie aus welchem Grund mit dem Auto verfolgt und auf Sie geschossen hat?
Wir haben die Sunniten und Schiiten, sie bekommen Listen, in diesen Listen stehen manchmal 50 manchmal 100 Namen. Diese Namen müssen getötet werden oder werden entführt. Es geht immer um Geld. Wenn man sie entführt, dann fordert man Geld. Und sogar wenn das Geld bezahlt wird, wenn man Glück hat kommt man frei, aber meistens wird man trotzdem getötet. Dreiviertel der Menschen, die im Irak getötet wurden, wurden auf diese Weise getötet. Es geht um die Sunniten und die Schiiten. Mein Bruder war 19 Jahre alt, 2006. Er war gerade Student in einem College für Lehramt. Das ist der Vorfall von 2006. Man hat ihn auf offener Straße exekutiert.
Was haben Sie unmittelbar danach gemacht als Sie zu Hause eintrafen?
Sie haben mich angerufen und haben mich beschimpft. Ich habe aufgelegt und habe bei den Nachbarn übernachtet.
Können Sie sich erinnern was dabei konkret zu Ihnen gesagt wurde?
Es waren Beschimpfungen, es wurde mir gesagt, dass sie mich dieses Mal nicht getötet haben, aber nächstes Mal werden sie mich erwischen.
Haben Sie den Anruf am Handy oder am Festnetztelefon entgegen genommen?
Am Handy.
Sind Ihre Brüder XXXX und XXXX auch wegen Probleme mit schiitischen Milizen 2015 ausgereist?
Ja.
XXXX kehrte bereits im Oktober 2015 wieder freiwillig in den Irak zurück, XXXX kehrte 2019 freiwillige in den Irak zurück. Was sagen Sie dazu?
Riads Sohn wurde entführt, daher musste er 2015 zurück um sein Haus zu verkaufen und seinen Sohn freizukaufen, das ist der Grund warum er in den Irak zurückkam. Meine Mutter ist nach Indien und hatte dort eine Wirbelsäulenoperation. Sieben Wirbeln wurden zusammengeschraubt und wurde dort behindert. Als das XXXX gehört hat, hat er sich gedacht, dass niemand da ist um seiner Mutter und XXXX zu helfen, daher war er gezwungen zurückzukommen. Ich habe ärztliche Befunde meiner Mutter über die Operation und ihre Behinderung.
Wieso ist es Ihren zurückgekehrten Brüdern trotz behaupteter Verfolgung möglich im Irak zu leben und Ihnen nicht?
XXXX geht nicht aus dem Haus. XXXX muss ab und zu aus dem Haus gehen, weil er seine Familie ernähren muss aber er ändert seine Adresse immer wieder.
[…]
Rückkehrentscheidung:
Sie haben über Aufforderung des BVwG bereits schriftlich Fragen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich beantwortet. Diese Stellungnahme wird zum Inhalt dieser Verhandlungsschrift erklärt.
Gibt es seither etwas Neues, dass sie diesbezüglich vorbringen oder bescheinigen wollen?
Nein.
Haben Sie in Österreich schon erfolgreiche eine A1 oder A2 Deutschprüfung abgelegt?
Ich habe den A1 Kurs gemacht, aber nicht die Prüfung. Der A2 Kurs, am 17. ist die Einschreibung, wegen Corona mussten wir warten.
RI stellt folgende Aufforderung auf Deutsch an den BF: Beschreiben Sie mir bitte auf Deutsch was Sie in diesem Raum hier sehen.
BF schaut die Dolmetscherin an und versteht die Frage offensichtlich nicht.
Frage bzw. Aufforderung wird von der Dolmetscherin übersetzt.
Mann, Frau, Tisch, Stuhl, Water, Lampe, Computer.
(auf Deutsch) Erzählen Sie mir etwas über sich selbst.
BF versteht die Frage nicht.
RI hält fest, dass die Sprachkenntnisse nach ho Ansicht nicht das Niveau A1 erreichen.
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Ich beabsichtige meine Befragung zu beenden. Wenn Sie glauben etwas Wichtiges zu Ihrem Asylverfahren vergessen zu haben, hätten Sie nun noch Gelegenheit dies noch zu sagen:
Ich habe alles beantwortet, jede Frage die mir gestellt wurde habe ich gänzlich beantwortet.
RI räumt den (anwesenden) Vertretern Gelegenheit ein sich zu den Beweisthemen des gesamten Ermittlungsverfahrens zu äußern.
BFV: Keine Fragen.
(…)“
Am Ende der Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren durch Beschluss gem. § 39 Abs 3 AVG für geschlossen erklärt.
Seither erfolgte seitens der Verfahrensparteien zum Ermittlungsverfahren keine Äußerung mehr.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Identität und Herkunftsstaat:
Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen lt. Bundesamt fest.
Die bP wurde vor der Einreise nach Österreich in Ungarn registriert und hat sie dort einen anderen Namen und ein anderes Geburtsdatum angegeben.
Die bP ist der Volksgruppe der Araber und dem islamisch-sunnitischen Glauben zugehörig.
Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Irak.
1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:
Die bP ist in Diyala geboren und absolvierte dort ihre Schulbildung.
Sie lebte gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem geistig behinderten Bruder in einem angemieteten Haus in XXXX , Gouvernment Diyala.
Die bP arbeitete während ihrer Studienzeit in Restaurants und mit Abschluss des Studiums seit 1997 beim XXXX .
1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:
Die bP hat laut eigenen Angaben in der Verhandlung eine Mutter, 3 Brüder und 4 Schwestern. Der Vater ist 1994 eines natürlichen Todes gestorben.
Im Heimatort der bP XXXX leben aktuell die Mutter im gleichen Haus wie die bP. Die Miete bezahlt sie durch ihre Rente. Der geistig behinderte Bruder F. lebt bei ihr. Der Bruder R. lebt im gleichen Ort in einem gemieteten Haus. Er verdient den Lebensunterhalt mit dem Handel oder auch als Arbeiter.
Der Bruder I. lebt seit seiner Rückkehr aus Österreich bei der Mutter und unterstützt diese und den Bruder.
3 Schwestern leben ebenfalls in der Umgebung im gleichen Ort.
Das Verhältnis zu den Familienangehörigen im Irak ist gut.
1.4. Ausreisemodalitäten:
Die bP ist am 30.12.2014 legal per Flugzeug von Bagdad in die Türkei geflogen. Von dort reiste sie über mehrere Länder schlepperunterstützt bis nach Österreich.
In Griechenland hielt sie sich einen Monat auf und wurde dort auch erkennungsdienstlich behandelt. Am 14.04.2015 wurde die bP von den ungarischen Behörden beim illegalen Grenzübertritt betreten und zurück nach Serbien geschickt. Sie gab dabei eine falsche Identität und ein falsches Geburtsdatum an.
Die Reisekosten gab sie mit € 5.000,00 an
Hinsichtlich des Verbleibs des heimatsstaatlichen Reisepasses gab sie an „auf der Flucht nach Griechenland verloren“ (EB) bzw „habe ich im Meer verloren“ (EV).
1.5. Aktueller Gesundheitszustand:
Die bP hat in der Verhandlung keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt. Es kamen keine Umstände hervor, wonach sie aus gesundheitlicher Sicht im Irak aktuell nicht am Erwerbsleben teilnehmen könnte. In der mündlichen Verhandlung, bejahte sie zudem auch ihre physische und psychische Verhandlungs- bzw. Aussagefähigkeit.
Sie gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an.
1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich:
Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes
Die bP begab sich ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels am 30.04.2015 in das Bundesgebiet.
Mit der am selben Tag erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.
Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG grds. eine Verwaltungsübertretung dar.
Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich
Seit Dezember 2014 hält sich ein Bruder samt Familie (Gattin und Kinder) mit Asylstatus in Wien auf. Eine Schwester hält sich als subsidiär Schutzberechtigte seit August 2015 ebenfalls in Wien auf. Eine über das normale Maß zw. Erwachsenen hinausgehende Bindung zu diesen kam nicht hervor. Die Geschwister wohnen in verschiedenen Städten.
Grad der Integration
Die bP legte Teilnahmebestätigungen über von Interface (Wiener Flüchtlingshilfe) angebotene Kurse für Deutsch als Fremdsprache vor. Darüber hinaus wurde eine Teilnahmebestätigung an einem Alphabetisierungskurs im Ausmaß von 156 Unterrichtseinheiten für die Kursstufe A1, Teilnahmebestätigungen an einem Alphabetisierungskurs im Ausmaß von 156 und 144 Unterrichtseinheiten in der Maßnahme Sprache und Mehr ab Tag 1 samt Abschlusszertifikat , eine Bestätigung über eine Beratung durch die Wiener Bildungsdrehscheibe vom 05.03.2021, eine bedingte Einstellungszusage vom 05.03.2021 in einem Restaurant als Küchenhilfe, eine bedingte Einstellungszusage vom 06.03.2021 als Vollzeitkraft, zwei Empfehlungsschreiben, eine Teilnahmebestätigung am Modul „Polizei & Sicherheit“, eine Teilnahmebestätigung am Start Wien-Charta Workshop und Info Modul Sozial, Infomodul Wohnung, Infomodul Gesundheit, vorgelegt.
Praktische Sprachkenntnisse in Deutsch sind nach Wahrnehmung des BVwG in der Verhandlung in geringem Ausmaß vorhanden.
Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und gesetzlich erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (vgl. zB https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) oder Abhängigkeit von staatlichen Leistungen
Ab Asylantragstellung am 01.05.2015 ist sie wirtschaftlich auf Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung angewiesen.
Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienleben; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Die Anknüpfungspunkte hinsichtlich ihrer Geschwister hat die bP schon im Heimatstaat gehabt; die übrigen Anknüpfungspunkte hat sie während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war.
Die wesentlichen Bemühungen zur Integration fanden überwiegend erst nach Abweisung des Antrages durch das Bundesamt (04.05.2017) statt. Nachweisbare Bemühungen zur wirtschaftlichen Integration ergeben sich erst in den letzten Monaten vor der Beschwerdeverhandlungen nach Einleitung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens. So stammen die bedingten Einstellungszusagen und die Empfehlungsschreiben aus 3/2021.
Bindungen zum Herkunftsstaat
Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Sie ist auch aktuell noch an der Lageentwicklung in ihrem Heimatstaat interessiert. Es leben dort auch noch insbes. Familienangehörige, Verwandte und zahlreiche Angehörige ihres Clans. Mit den Familienangehörigen im Irak hat sie darüber hinaus auch noch Kontakt und ein gutes Verhältnis. Zwei Brüder und die Mutter wohnen im von der bP angemieteten Haus.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.
Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.
Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.
Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG).
Die beschwerdeführende Partei verletzte – trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungs- und Verfahrensförderungsverpflichtung im Asylverfahren.
Sie versuchte dadurch die entscheidenden staatlichen Instanzen zur Erlangung von internationalen Schutz zu täuschen.
Verfahrensdauer
Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 30.04.2015 gestellt und erging der Bescheid vom Bundesamt am 04.05.2017. Nach eingebrachter Beschwerde wurde am 15.04.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt und mit heutigem Tag ein Erkenntnis ausgefertigt.
1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet:
a) Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:
aa) zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsstaat:
Die behauptete und als ausreisekausal dargestellte persönliche Bedrohung im Zusammenhang mit ihrer Religionszugehörigkeit im Jahr 2014 ist, so wie von ihr dargestellt, nicht glaubhaft.
Eine durch Milizen verursachte Verfolgung bzw. das Bestehen einer realen Gefährdung von Leib und/oder Leben der bP war vor der Ausreise nicht gegeben.
bb) zum aktuellen Zeitpunkt:
Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft zu erachtenden Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion XXXX , mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.
Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.
b) Betreffend ihrer Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse im Herkunftsstaat:
Die bP hat hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr keine konkrete Problemlage vorgebracht.
Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln auch vor der Ausreise schon in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie hat in der Verhandlung persönlich kein Vorbringen erstattet, wonach sie aktuell im Falle der Rückkehr diesbezüglich konkrete Probleme erwarten würde. Dies ergibt sich auch nicht aus der Berichtslage.
c) Betreffend ihrer aktuellen Versorgungssituation im Hinblick Erlangung medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat:
Sie ist gesund und gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an. Es ergibt sich kein Sachverhalt, wonach aus der Pandemie resultierend für die bP die reale Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK bestünde.
1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat
Aus nachfolgend genannten Quellen (einschließlich darin zitierter Berichte) ergeben sich folgende Feststellungen bzw. Einschätzungen/Schlussfolgerungen über die relevante Lage, wobei zur Beurteilung der aktuellen und entscheidungsrelevanten Situation jeweils den jüngsten Erkenntnisquellen besondere Bedeutung zugemessen werden und ältere im Wesentlichen der Übersicht über die Lageentwicklung dienen.
* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak, 17.03.2020
* EASO, Informationsbericht Irak, Zentrale sozioökonomische Indikatoren; für Bagdad, Basra und Erbil, September 2020
* ACLED Bericht 2. Quartal 2020
* EASO Informationsbericht Irak, Sicherheitslage, Oktober 2020
* Musings on Iraq: Sicherheit im Irak November 2020, v. 03.12.2020
* ACCORD – Themendossier: Schiitische Milizen, 02.10.2020
Politik allgemein
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.
Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten. (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak, 17.03.2020)
Ethnisch- religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung
Der Irak hat ca. 40 Millionen Einwohner. Etwa 75–80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15–20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.
Etwa 95-98 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 % sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten.
Der Irak hat eine sehr junge Bevölkerungsstruktur. 0-14 Jahre: 37.02% (M 7,349,868/F 7,041,405), 15-24 Jahre: 19.83% (M 3,918,433/F 3,788,157), 25-54 Jahre: 35.59% (M 6,919,569/F 6,914,856), 55-64 years: 4.23% (M 805,397/F 839,137), 65 Jahre und älter: 3.33% (M 576,593/F 719,240).
Ca. 70 % der Bevölkerung leben in städtischen Gebieten.
Die Arbeitslosenquote beträgt bei Personen im Alter von 15-24 Jahre ca. 25 %.
(https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html,Abfrage 21.01.2021).
Sicherheitskräfte
Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, demontierte die Koalitions-Übergangsverwaltung das irakische Militär und schickte dessen Personal nach Hause. Das aufgelöste Militär bildete einen großen Pool für Aufständische. Stattdessen wurde ein politisch neutrales Militär vorgesehen (Fanack 2.9.2019).
Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur, sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) (USDOS 11.3.2020). Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren auch die Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, die sich aus etwa 40, überwiegend schiitischen Milizgruppen zusammensetzt, und die kurdischen Peshmerga der Kurdischen Region im Irak (KRI) (GS 18.7.2019).
Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle (USDOS 11.3.2020; vgl. GS 18.7.2019).
Allg. Mensch