TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/10 95/20/0498

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Veröffentlicht am 10.10.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A S R in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. März 1995, Zl. 4.345.959/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 28. Dezember 1994 in das Bundesgebiet auf dem Luftwege ein und beantragte nach einem mehrtägigen Aufenthalt im Transitraum des Flughafens Schwechat am 31. Dezember 1994 die Gewährung von Asyl, wobei er im gesamten erstinstanzlichen Verfahren seinen Namen mit "S R" angab. Er schilderte seine Fluchtgründe anläßlich seiner am 3. Jänner 1995 durchgeführten niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt im wesentlichen dahingehend, er habe in Teheran ein Damenbekleidungsgeschäft besessen. Etwa 1 1/2 Monate vor seiner Ausreise sei ein Freund in sein Geschäft gekommen und habe ihn gebeten, Poster des Sohnes des Schah zu verstecken, weil Revolutionswächter hinter ihm her seien. Sein Freund verteile diese Poster, der Beschwerdeführer könne jedoch nicht sagen, ob sein Freund einer Gruppierung oder Organisation angehöre. Gerade als er die ihm übergebenen 20-30 Stück Poster in den Safe habe geben wollen, seien Revolutionswächter ins Geschäft gekommen und hätten ihn gemeinsam mit seinem Freund festgenommen und die Poster beschlagnahmt. Im Safe hätten sich auch westliche Videokassetten befunden, wobei es sich um Spielfilme in westlicher Sprache gehandelt habe, die er sich von Bekannten ausgeliehen gehabt habe. Die Revolutionswächter hätten ihnen die Augen verbunden und sie an einen anderen Ort gebracht, wo er jeweils eine Stunde mit 2 bis 3-stündiger Unterbrechung verhört und dabei auch mißhandelt worden sei. Drei Tage und Nächte sei er verhört und geschlagen worden. Am Nachmittag des dritten Tages habe er eine Ohnmacht vorgetäuscht, sodaß er in ein Krankenhaus gebracht und in einem Krankenzimmer untergebracht worden sei, dessen Fenster nicht vergittert gewesen sei. Die zwei Revolutionswächter seien vom Arzt aufgefordert worden, vor der Tür zu warten. Als der Arzt in den Nebenraum gegangen sei, sei der Beschwerdeführer durch das geöffnete Fenster des Krankenzimmers geflüchtet. Das Krankenzimmer habe sich etwa 1,5 m vom Boden entfernt (ebenerdig) befunden. Er sei anschließend zur hinteren Wand des Krankenhauses gelaufen und habe dort eine Wand von 2 m Höhe mit einem etwa 50 cm hohem Metallgitter überklettert und sei dann mit einem Privattaxi in die Nähe des Hauses eines Freundes gefahren. Diese körperliche Leistung habe er trotz seines durch die Vernehmungen geschwächten Gesamtzustandes aufgrund seiner Todesangst leisten können. Er habe sich nach seiner Flucht eine Nacht bei diesem Freund aufgehalten, anschließend sei er von ihm in dessen Villa gebracht worden, wo er sich bis zum

25. oder 26. Dezember 1994 aufgehalten habe. Dieser Freund habe auch seine Ausreise organisiert. Auf eingehendere Befragung schilderte der Beschwerdeführer im weiteren nähere Details des von ihm behaupteten Krankenhausaufenthaltes sowie der Flucht daraus.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. Januar 1995 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, aus im einzelnen näher dargelegten Erwägungen können seinen Angaben zu seinen Fluchtgründen Glaubwürdigkeit nicht zuerkannt werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger nunmehriger Offenlegung seiner richtigen Personalien Berufung. Er bekräftigte dabei seine in erster Instanz gemachten Aussagen, kritisierte jedoch die Erwägungen des Bundesasylamtes zur Beweiswürdigung als unrealistisch und verwies darauf, die Behörde habe von der wirklichen Lage im Iran offenbar nicht die geringste Kenntnis. Die von ihm geschilderten Brutalitäten gegen verletzte, bewußtlose Gefangene seien durchaus üblich und an der Tagesordnung. Hätte dies die belangte Behörde nicht nachvollziehen können, so hätte sie diesbezüglich etwa durch Anfragen an AI oder andere Menschenrechtsvereinigungen ermitteln müssen. Sie habe dies jedoch nicht getan, sodaß das zur Bescheiderlassung führende Verfahren mit schwerwiegenden Mängeln behaftet sei.

In einem Ermittlungsverfahren zur Klärung der Identität des Beschwerdeführers gab dieser anläßlich einer ergänzenden Befragung durch das Bundesasylamt am 2. März 1995 an, sein Name sei A, er habe einen falschen Namen angegeben, weil ihm dies sein "Schlepper" empfohlen habe; jetzt habe er keine Angst mehr, abgeschoben zu werden und nenne aus diesem Grunde seinen richtigen Namen. In der Folge wurde er im einzelnen zu einem dem Bundesasylamt zugekommenen "travel-document", welches in Tokyo am 4. Oktober 1994 ausgestellt worden war, detailliert einvernommen. Dabei behauptete der Beschwerdeführer, vor etwa drei Monaten die Kopie seiner Geburtsurkunde und 4 Photos seinem Cousin nach Tokyo geschickt zu haben, damit dieser ein solches Dokument für ihn besorge. Er habe dieses Dokument bis zum Tag seiner Vernehmung nicht in Händen gehabt. Er habe keinen besonderen Grund für die Ausstellung eines solchen Dokumentes gehabt. Auf den Vorhalt, dieses Dokument sei bereits am 4. Oktober 1994 ausgestellt worden, dies widerspreche seinen Zeitangaben, erklärte der Beschwerdeführer: "Das kann nicht sein." Auch den Vorhalt, wie seine Unterschrift auf das Dokument, das er angeblich noch nie selbst in Händen gehabt habe, gekommen sei, da auch die Kopie dieser Urkunde seine Unterschrift enthalte, antwortete der Beschwerdeführer: "In Dubai hatte ich das Dokument schon in meinen Händen und unterschrieb unterhalb des Lichtbildes." Über Vorhalt, er habe zuvor behauptet, das Dokument selbst nie in Händen gehalten zu haben, gab er die Antwort: "Wann habe ich das behauptet?" Auf den Vorhalt, auf dem in Kopie vorliegenden Dokument werde ein anderes Geburtsdatum und ein anderer Geburtsort genannt, als er nunmehr angegeben habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Ich verstehe das selbst nicht." Auf mehrmalige Frage, wann er das Original des "travel-documents" erstmals in Händen gehalten habe, antwortete der Beschwerdeführer zuletzt, dieses habe er in Dubai erhalten, er habe es etwa 14 Tage nach Ausstellung erhalten, zu welchem Zeitpunkt er sich in Dubai aufgehalten habe. Er habe sich "vor etwa 4 Monaten" (Anmerkung: ausgehend vom Datum der Niederschrift 2. März 1995, daher im Dezember 1994) 15 bis 20 Tage dort aufgehalten. Er korrigierte auch seine zunächst gemachte Aussage, sich in Dubai als Tourist aufgehalten zu haben dahingehend, er sei illegal in diesen Staat eingereist, weil er einen Reisepaß nicht bekommen hätte, weil er keinen Militärdienst geleistet habe. Über Vorhalt zu seiner Ersteinvernahme und den dortigen Angaben, wonach er im Jahr 1990 einen Monat Militärdienst geleistet habe, gab der Beschwerdeführer an: "Ja, das stimmt. Ich wurde jedoch diesbezüglich nie belangt."

Ausgehend davon begründete die belangte Behörde ihren abweislichen Bescheid - wie auch schon das Bundesasylamt - damit, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, glaubwürdig darzulegen, daß er vor seiner Ausreise aus dem Iran einer staatlichen Beeinträchtigung aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründe ausgesetzt gewesen sei oder eine solche zu gewärtigen gehabt hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges rügt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zunächst als Mangelhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens, die belangte Behörde bleibe den Nachweis schuldig, worauf sich ihre Kenntnis, selbst im Iran sei es üblich, Verletzte oder Ohnmächtige in entsprechenden Fahrzeugen (Krankenwagen) ins Krankenhaus zu bringen, stütze, sodaß eine den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Überprüfung der erstinstanzlichen (von der belangten Behörde übernommenen) Beweiswürdigung verwehrt werde. Die belangte Behörde habe auch übersehen, daß es im Rahmen des Verwaltungsverfahrens der Behörde obliege, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und allenfalls die Partei entsprechend anzuleiten. Dem sei dadurch nicht entsprochen, daß die Behörde auf widersprüchliche Ermittlungsergebnisse in "unwesentlichen Randbereichen" verweise und unter Hinweis auf diese Widersprüche jegliche oder zumindest erforderliche Ermittlungstätigkeiten zur Klärung der Verfolgungssituation im Heimatland des Beschwerdeführers unterlassen habe.

Diese gegen die belangte Behörde gerichteten Vorwürfe sind unzutreffend, zumal sich aus den Verwaltungsakten ergibt, daß nicht nur die erstinstanzliche Befragung des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen, sondern auch jene im Berufungsverfahren zu der erstmals in diesem Zeitpunkt aufgetauchten Frage nach seiner wahren Identität akribisch und in dem sichtbaren Bemühen durchgeführt wurden, den wahren Sachverhalt aufzudecken. Gerade die die Identität seiner Person betreffenden, letztlich unaufgeklärt gebliebenen Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers betreffen demzufolge keineswegs lediglich "unwesentliche Randbereiche", sodaß die unter anderem auch darauf gestützten Erwägungen der belangten Behörde im Zusammenhang mit den nachvollziehbaren und den Gesetzen der Logik durchaus folgenden, von der belangten Behörde im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG übernommenen Darlegungen des Bundesasylamtes zur Beweiswürdigung daher der vom Verwaltungsgerichtshof lediglich im eingeschränkten Kognitionsbereich vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung durchaus standhalten.

Unter dem Gesichtspunkt einer - offenbar gemeinten - inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt der Beschwerdeführer, es sei innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft bekannt, daß der iranische Staat seit mehreren Jahren massive Menschenrechtsverletzungen begehe, dies insbesondere unter dem Einfluß islamischer Fundamentalisten, und nicht zuletzt durch den anhaltenden Kriegszustand mit dem Irak grundlose Verhaftungen, Folterungen und politisch motivierte Morde an der Tagesordnung seien. Die Brutalität, mit der dabei gegen Zivilpersonen und ziviles Eigentum vorgegangen werde, sei auch durch Medien und internationale Berichte dokumentiert.

Damit kann der Beschwerdeführer aber die Argumentation der belangten Behörde, seiner Darstellung fehle die Glaubwürdigkeit, nicht entkräften, da eben die belangte Behörde aus Gründen, die auch vor dem Hintergrund der behaupteten allgemeinen Verhältnisse im Iran nicht als unschlüssig zu erkennen sind, im vorliegenden Fall nicht vom Vorliegen gegen den Beschwerdeführer gerichteter Menschenrechtsverletzungen ausgegangen ist.

Insgesamt ergeben sich daher gegen die von der belangten Behörde vorgenommenen Erwägungen zur Beweiswürdigung keine Bedenken, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200498.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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