TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/6 L504 2165998-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2021
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Entscheidungsdatum

06.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L504 2165998-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2021, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 09.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit muslimischen Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus der Provinz Al-Qadisiyya stammt.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation aus dem Herkunftsstaat Folgendes an (Auszug aus der Niederschrift):

„(…)

11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund):

Als Sunnit werde ich von den schiitischen Milizen verfolgt sollte ich mich nicht ihnen anschließen werde ich getötet. Ich habe keine weiteren Fluchtgründe.

[…..]

14. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Das ich getötet werde.

14.1. Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen?

Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen?

Wenn ja, welche?

Ich werde als Sunnit von den Schiiten verfolgt.
(…)“

Sie sei ledig, heiße XXXX und habe bisher keine Ehe geschlossen. Den Reisepass habe sie im Meer verloren.

Am 16.08.2016 langte eine Information über die Umschreibung des Führerscheins der bP ein und wurde mitgeteilt, dass die bP lt. Führerschein den im Spruch genannten Namen führt.

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde = bB) brachte die bP am 21.10.2016 zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen, die sie im Falle der Rückkehr erwarte, im Wesentlichen Folgendes vor (Auszug aus der Niederschrift):

„(…)
LA: Nennen Sie bitte Ihre Daten zu Name, Familienstand, Geburtsdatum, Geburtsort,

Staatsbürgerschaft, Volksgruppe, Religionszugehörigkeit!

AW: XXXX , Irak, Araber, Moslem Schiit

Die anwesenden Personen werden der Verfahrenspartei (AW) vorgestellt und deren Funktion/Aufgabe im Verfahren erklärt. Die Verfahrenspartei wird darauf hingewiesen, dass

Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann. Der Verhandlungsgegenstand wird der Verfahrenspartei erläutert.

Sie werden zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) und Mitwirkung an der Klärung Ihrer Identität und Alter in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA und dafür ausreichend vorhandener Zeit eingehend und das den nunmehrigen Angaben eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt belehrt und ebenso zur Strafbarkeit der Vorlage falscher Beweismittel einschließlich der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage bei sonstigen straf- und verfahrensrechtlichen Folgen.

Ebenso wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Sie jegliche Ladungstermine im gesamten Verfahren vor dem BFA befolgen müssen, da Sie sonst riskieren, dass ein Festnahmeauftrag gegen Sie erlassen werden kann.

Es wird ihnen weiters mitgeteilt, dass der anwesende Dolmetscher gemäß § 52 Abs 4 AVG bestellt und beeidet wurde.

LA: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können. Ich möchte sicher sein

können, das alles, was Sie gesagt haben, auch so gemeint wurde. Wenn Sie während der Befragung etwas trinken möchten, sagen Sie das bitte.

AW: Ja das werde ich.

LA: Diese Einvernahme wird in Arabisch durchgeführt. Sie gaben an, arabisch gut zu sprechen bzw. dass es Ihre Muttersprache ist. Ist das in Ihrem Sinne oder haben Sie irgendwelche begründbare Bedenken gegen den anwesenden Dolmetscher oder den Sie einvernehmenden Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl?

AW: Ich habe keine Bedenken.

LA: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?

AW : Ja.

[…]

LA: Bei dieser Einvernahme handelt es sich um eine Fortsetzung der bis jetzt durchgeführten Befragungen. Es geht jetzt vorwiegend um die Darstellung Ihres Fluchtgrundes. Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

AW: Ja, es hat jedoch ein Missverständnis in der Erstbefragung gegeben. Ich bin Schiit, nicht Sunnit.

LA: Hat sich seit der Erstbefragung an den Gründen Ihrer Flucht aus dem Irak etwas geändert?

AW: Nein, es hat sich nichts geändert.

LA: Sie sind nach wie vor gläubiger Moslem?

AW: Nein.

LA: Sind Sie verheiratet?

AW: Nein.

LA: Haben Sie Kinder?

AW: Nein.

LA: Haben Sie eine gesetzliche Vertretung von Personen im Irak übernommen?

AW: Nein.

LA: Gibt es mittlerweile weitere Angehörige in Österreich oder im Raum der EU?

AW: Nein.

LA: Haben Sie Kontakt zu ihren Eltern, den Geschwistern oder anderen Angehörigen oder Freunden im Irak?

AW: Ja, meine Mutter ruft mich jeden 2. Monat an. Mit meinem Vater habe ich Probleme und deswegen keinen Kontakt.

LA: Wie heißen Ihre Eltern bzw. Geschwister und wo leben sie?

Vater: XXXX aufhältig

Mutter: XXXX aufhältig

Bruder: XXXX aufhältig

Schwester: XXXX aufhältig

Schwester: XXXX aufhältig

Schwester: XXXX aufhältig

LA: Sie gaben an, dass Sie und Ihre Familie aus dem Irak stammen. Wie lebten Sie dort?

Gibt es ein eigenes Haus, Grundstücke, eine Landwirtschaft?

AW: Meine Eltern haben gemeinsam 4 Häuser und einen Bauernhof.

LA: Wie lange haben Sie im Irak gelebt?

AW: Bis zu meiner Ausreise im Mai 2015.

LA: Wo haben Sie im Irak vor Ihrer Flucht gelebt? Nennen Sie mir die genaue Adresse!

AW: Bezirk: XXXX , Irak

LA: Woher stammen die Eltern, welche Provinz, welcher Distrikt?

AW: beide aus XXXX

[…]

LA: Haben Sie im Irak gearbeitet?

AW: Ja, ich habe im Laden meiner Mutter Öl gewechselt bzw. verkauft.

LA: Wie hieß dieser Laden in der Sie tätig waren und wo befindet sich diese?

AW: Das war auf der Hauptstraße in XXXX .

LA: Wieviele Mitarbeiter waren in diesem Laden beschäftigt?

AW: 2 Cousins meiner Mutter und ich.

LA: Den Alltag im Irak konnten Sie soweit finanziell ohne weitere Probleme bestreiten?

AW: Finanziell hatte ich keine Probleme.

LA: Wann genau hatten Sie den Entschluss gefasst den Irak zu verlassen?

AW: Nach dem 13.05.2015.

LA: Wann sind Sie dann genau aus dem Irak ausgereist?

AW: XXXX legal mit einem Flugzeug.

LA: Fühlen sich ihre Eltern und Ihre Geschwister dort denn sicher, nachdem Sie ja geflüchtet sind?

AW: Meine Eltern und Geschwister waren in XXXX nicht mehr in Sicherheit und sind anschließend nach XXXX umgezogen. Nachgefragt dort ja, aber sie müssen aufpassen. Mein Vater will nicht, dass mich meine Mutter kontaktiert.

LA: Ist jemand von Ihren Geschwistern in XXXX zurückgeblieben?

AW: Nein, meine Geschwister befindet sich alle bei meinen Eltern in XXXX .

LA: Sie wurden vom Bundesamt angeschrieben dass Sie Dokumente vorlegen sollen.

Insbesondere Dokumente, die Ihre Identität bezeugen. Haben Sie solche Dokumente oder sonstige Dokumente die Sie heute noch vorlegen wollen?

AW: Ich habe bereits alles vorgelegt. Ich habe sonstige Dokumente die ich heute vorlegen möchte:

? Kopie der Verstoßung aus dem Stamm XXXX . (Ergeht an alle Stämme im Irak)

? Kopie Haftbefehl der Polizei

? Foto von mir und meiner Freundin (Foto wird gesichtet und retourniert)

LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

AW: Den habe ich im Meer verloren. nachgefragt Mein Reisepass war in einem Rucksack und dieser ging über Bord.

LA: Schildern Sie mir bitte die konkrete Fluchtroute mit Nennung der verwendeten Verkehrsmittel unter Berücksichtigung aller Zeitangaben von ihrer Heimat bis nach Österreich.

AW: Ich habe meine Heimat am XXXX legal mit einem Flugzeug von XXXX nach Istanbul/ Türkei verlassen – Nach 4 Tagen bin ich weiter schlepperunterstützt mit dem Schlauchboot auf die Insel Samos gereist - In Samos wurde ich von der Polizei aufgegriffen, ED behandelt und bin dann anschließend 6 Tage in einem Camp untergebracht – ich bekam danach einen Landesverweis - danach fuhr ich mit einer Fähre nach Athen und weiter mit einem Taxi nach Thessaloniki - von dort bin ich dann schlepperunterstützt mit dem Auto und auch zu Fuß nach Mazedonien – an der Grenze zu Serbien wurde ich von der serbischen Polizei aufgegriffen, geschlagen und zurückgeschoben – am 2. Tag versuchte ich es erneut – in Serbien bin ich dann mit einen VAN nach Österreich (vermutlich über Ungarn) – dort wurden wir von der Polizei aufgegriffen.

LA: Sie reisten durch verschiedene sichere Länder wie die Türkei. Warum blieben Sie nicht dort?

AW: Ich konnte nicht in der Türkei bleiben. Dort gibt es keine Hilfe bzw. Unterkunft. Und die Leute die in Griechenland bleiben, müssen jahrelang in einem Camp leben.

LA: Warum wählten sie ausgerechnet Österreich dazu aus, um Asyl zu beantragen?

AW: Ich wollte ein sicheres europäisches Land. Als ich von der Polizei aufgegriffen worden bin blieb ich da. Nachgefragt ich bin dort nur durchgereist und in Serbien hat mich die Polizei geschlagen.

LA: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft hier in Österreich vor?

AW: Ich will hier arbeiten wie alle anderen Menschen in Österreich und in Frieden leben.

LA: Wie hoch waren die Kosten der Reise gesamt?

AW: ca. € 8000.--

LA: Woher nahmen Sie das Geld für die Reise?

AW: Meine Mutter hat es mir gegeben.

LA: Wie viel haben Sie monatlich verdient?

AW: ca. USD 800.- (von der Mutter für seine Arbeit)

LA: Wie viel Geld benötigten Sie im Irak im Monat ca. für Ihr Leben?

AW: Ich habe immer um die USD 400.-- davon gespart.

LA. Was haben Sie mit dem restlichen Geld gemacht?

AW: Das hat meine Mutter für mich auf die Seite gegeben.

LA: Wer hat diese Reise für Sie organisiert?

AW: Zuerst ich und ab der Türkei mittels Schlepper.

Die Einvernahme wird für 10 Minuten pausiert.

LA: Kommen wir jetzt zu dem Grund, aus dem sie den Irak verlassen mussten und Sie nicht in den Irak zurück können? Bitte erzählen Sie.

AW: Beginn der freien Erzählung:

Ich hatte eine Freundin namens XXXX . Ich hatte mit ihr eine zweijährige Beziehung. Ich habe zweimal um ihre Hand angehalten aber ihre Eltern haben uns den Segen nicht erteilt. Der Grund war, dass XXXX ihren eigenen Cousin heiraten hätte sollen. Dadurch dass ihr Cousin zuvor um ihre Hand angehalten hat, darf sie keinen anderen heiraten. Ich habe dieses Mädchen wie verrückt geliebt und ich konnte diese Beziehung nicht beenden. Sie lebt mit ihrer Mutter und ihr Bruder lebt im Haus daneben. Am 13.05.2015 hat sie mich angerufen und mich gebeten sie um 2000 Uhr zu besuchen. Ich blieb dort bis 2200 Uhr und wie ich sie dann verließ, sah ich ihren Bruder bei der Tür und bin weggelaufen. Ihr Bruder ist ein Polizist und als er mich wegrennen sah, schoss er mit der Pistole in die Luft. Ich bin weggelaufen und fuhr dann anschließend mit dem Taxi zu meinem Cousin. Ich erfuhr von meinem Cousin, dass mein Vater ihn bereits angerufen hat und ihm sagte, dass ich Probleme habe.

Mein Cousin sagte mir, dass ich mich bei ihm zuhause verstecken soll, bis er herausfindet was das Problem ist. Er ging zu meinem Vater und nach 2 Stunden und hat mir gesagt, dass es für mein Problem, keine Lösung gibt. Ich erfuhr das der Cousin meiner Freundin XXXX (Mitglied der XXXX ) mit anderen bewaffneten Männern bei uns zuhause waren und nach mir suchten. Dieser Cousin war der gleiche, welcher um ihre Hand angehalten hat. Sie sagten meinen Vater, dass sie mich umbringen werden und sie werden allen Stämmen sagen, dass ich versucht haben soll die XXXX zu vergewaltigen. Mein Vater sagte denen, sie dürfen alles machen was sie wollen und er mich von unserem Stamm verstoßen. Mein Cousin sagte mir, dass er mich nach XXXX bringen wird, und ich kann mich dort verstecken. Er gab mir eine neue SIM-Karte, dass ich ihn kontaktieren kann. Am 15.05.2015 hat mich mein Cousin angerufen und mich gefragt wo mein Reisepass ist. Ich sagte ihm, dass mein Reisepass in meinem Zimmer ist und dass ich Geld bei meiner Mutter habe. Am nächsten Tag kam mein Cousin wieder mit dem Reisepass und dem Geld, welches ich bei meiner Mutter hatte, zu mir. Er sagte mir, dass es einen Haftbefehl für meine Person gibt und dass ich das Land verlassen soll. Er gab mir ein Flugticket und ich verließ darauf das Land. Der Freund hat mich durch die Flughafenkontrolle geschleust. Die vorgelegten Kopien habe ich von meinem Cousin erhalten. Mein Cousin sagte mir, ich soll nie wieder zurückkommen und dass ich in keinen anderen Bereich im Irak leben kann, da ich aufgrund des Haftbefehl automatisch an die Polizei in XXXX übergeben werde. Mein Vater wird bzw. will mir nicht helfen. Ich bekam im Juni 2015 einen Anruf von meinem Cousin, wo er mir sagte, dass es ein Treffen der Stämme gegeben hat und mein Vater mich offiziell verstoßen hat. Kein Mensch wird mir im Irak helfen, da diese Person sonst sein Leben riskieren würde.

Ende der freien Erzählung.

LA: Ist das der einzige Grund bzw. waren das alle Ihre Gründe, weshalb Sie den Irak verlassen mussten bzw. nicht in den Irak zurückkehren können?

AW: Ich habe keine anderen Gründe.

LA: Haben Sie versucht von anderen staatlichen Institutionen Schutz zu bekommen?

AW: Ich habe es nicht versucht, weil mir keiner außer dem Stamm helfen kann.

LA: Welchen Stamm ist Ihre Freundin zugehörig?

AW: Dem Stamm XXXX .

LA: Ich bin mit den Fragen zu den Fluchtgründen soweit fertig. Wollen Sie dazu noch etwas sagen? Haben Sie alle Ihre Gründe geltend gemacht? Hatten Sie genug Zeit und Möglichkeit, alle Ihre Gründe geltend zu machen?

AW: Ich will nichts ergänzen. Ich hatte genügend Zeit alle meine Gründe geltend zu machen.

LA: Haben Sie nun alle Ihre Gründe genannt, wegen derer Sie nicht in den Irak zurück können?

AW: Ja.

LA: Sie leben in einer betreuten Unterkunft der Grundversorgung. Stimmt das?

AW: Ja, in XXXX .

LA: Haben Sie außerhalb der Betreuungsstelle bereits soziale Kontakte zur österreichischen Gesellschaft?

AW: Ja, ich habe Freunde in XXXX . Nachgefragt XXXX . Sie spricht etwas Arabisch. Sie hilft mir beim Lernen. Sie hat in einem Flüchtlingslager in Linz gearbeitet. Sonst Spiele ich mit einigen Fußball.

LA: Betätigen Sie sich bei karitativen Organisationen oder anderen Vereinen?

AW: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit Behörden, Polizei, Gericht oder anderen Institutionen gehabt?

AW: Nein.

LA: Wurden Sie schon einmal strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt? Hatten Sie Probleme mit Verwaltungsbehörden aufgrund schwerer Verwaltungsstraftaten?

AW: Ja, nur im Irak (siehe Haftbefehl).

LA: Haben Sie sich jemals im oder außerhalb vom Irak politisch betätigt, gehören Sie irgendeiner politischen Organisation oder Partei an?

AW: Nein

LA: Gab es jemals eine konkrete Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

AW: Nein.

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit?

AW: Nein.

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Nationalität?

AW: Nein.

LA: Gab es jemals eine Verfolgung Ihrer Person alleine aufgrund Ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe?

AW: Nein.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Schwierigkeiten/Probleme mit irakischen oder internationalen Behörden (Polizei, Gericht etc.)?

AW: Ja. Aber nur das was ich bereits erklärt habe.

LA: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Probleme – außer den genannten – mit privaten Personen, Personengruppen, Banden, kriminellen Organisationen?

AW: Nein.

LA: Gibt es außer den genannten Problemen und Befürchtungen sonst noch irgendwelche Sie betreffende Schwierigkeiten, die noch nicht zur Sprache gekommen sind?

AW: Mein Vater wollte eigentlich auch, dass ich meine Cousine heiraten soll und deswegen hat er diese Entscheidung unterstützt.

LA: Die Verständigung mit dem Dolmetscher war immer gut?

AW: Ja, ganz gut.

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Befragung gemachten Angaben, insbesondere zu ihrer Person, Ihrem Reiseweg oder betreffend vorhandener Dokumente, Fluchtgrund etwas berichtigen, ergänzen oder hinzufügen? Sie werden nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind und dass hervorkommende Widersprüche, Abweichungen von bereits getätigten Angaben oder sonstige Tatsachenabweichungen ihre Glaubwürdigkeit maßgeblich beeinflussen.

AW: Ich will nur in Frieden leben.

LA: Ich beende somit die Einvernahme. Wollen Sie noch ergänzende Angaben machen, die noch nicht zur Sprache gekommen sind und ihrer Ansicht nach für das Verfahren wesentlich sein könnten?

AW: Nein.

[…]

LA: Wollen Sie diese landeskundliche Feststellungen ausgehändigt haben?

AW: Nein.

Anmerkung: Die obigen Angaben werden dem Antragsteller rückübersetzt.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

LA: Wurde alles aufgeschrieben und richtig protokolliert was Sie mündlich angegeben haben? Sollte das nicht der Fall sein, so können Sie jetzt noch weitere Angaben tätigen, Sie können auch sonst noch Aussagen treffen, die Sie Ihrer Meinung nach in der Entscheidung des Bundesasylamtes berücksichtigt haben wollen. Erläuternd darf dazu angemerkt werden, dass Sie in weiterer Folge in diesem Verfahren keine neuen Sachverhalte mehr vorbringen können, diese würden nicht mehr berücksichtigt werden. Weiter wird festgehalten, dass die Verständigung in Arabisch problemlos war, Sie alles verstanden haben und auch alles so schildern konnten, wie Sie wollten.

AW: Ja

LA: Wollen Sie eine Kopie der Niederschrift?

AW: Ja

(…)“

Die bP brachte am 05.07.2017 zu ihren aktuellen Verhältnissen sowie zu den von der bB übermittelten Länderfeststellungen eine Stellungnahme ein. Es fänden sich in den Länderfeststellungen keine Informationen zu den Stämmen der bP ( XXXX ) bzw. ihrer Freundin ( XXXX ). Aufgrund des Verstoßes könne die bP jederzeit getötet werden und komme eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht. Es fänden sich in den Länderfeststellungen auch Hinweise darauf, dass es für die bP als schiitischen Araber in der kurdischen Autonomieregion lebensgefährlich sei.

Vorgelegt wurde vor der bB:

?        Irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis im Original

?        Irakischer Personalausweis im Original

?        Teilnahmebestätigung – Deutsch für AsylwerberInnen AnfängerInnen vom 06.07.2016

?        Haftbefehl XXXX in Kopie; ausgestellt am XXXX

?        Brief Stamm XXXX ; ausgestellt am XXXX

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.).

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (III.).

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (IV.).

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit ihrer persönlichen Situation keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse würden demnach nicht vorliegen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung mit der angegebenen Frist für die freiwillige Ausreise verfügt.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Ausgeführt wurde, dass die bP eine Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe vorgebracht habe. Die bP habe detailliert und glaubwürdig ihr Fluchtvorbringen geschildert. Die Länderberichte würden die zunehmende Eskalation des inter-konfessionellen Bürgerkriegs im Irak belegen und sei dadurch das Vorbringen der bP belegt. Die Erstbefragung sei gesetzlich nicht einmal dafür gedacht, die Fluchtgründe eines Asylwerbers erschöpfend darzustellen. Es sei in Bezug auf die Ergänzungen bzw. Berichtigungen der bP kein Vorwurf zu machen, da die vorgeworfenen Diskrepanzen zudem ohnehin nur geringfügig wären. Die vorgelegten Beweismittel seien nicht entsprechend untersucht worden. Die bP sei aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, der Herkunft und der Religionszugehörigkeit bereits Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Die bP könne weder staatlichen Schutz erhalten, noch stünde ihr eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Schließlich stünden Rückkehrentscheidung und Ausweisung im Widerspruch zu Art. 8, 2 und 3 EMRK. Es wurde ua. der Antrag gestellt, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasst.

Mit Schreiben vom 30.10.2018 wurde ein klinisch-psychologischer Befundbericht vom 03.10.2018 über den Verein Hemayat vorgelegt.

Mit Schreiben vom 20.12.2018 wurde die Vertretung der bP vom BVwG aufgefordert, die Wohnanschrift der bP zu übermitteln, da diese gemäß Schreiben der bB vom 12.12.2018 aus der Grundversorgung wegen unbekannten Aufenthalts abgemeldet worden ist.

Mit Schreiben vom 31.12.2018 wurde eine Meldebestätigung über die Vertretung der bP übermittelt.

Mit Schreiben vom 08.04.2020 und 25.05.2020 langten Unterlagen zur Überstellung der bP aus Ungarn, wo sie am XXXX aufgegriffen worden ist, ein.

Mit Schreiben vom 01.12.2020 langte ein Abschlussbericht der LPD betreffend des Verdachts auf Diebstahl und Nötigung durch die bP zum Nachteil von XXXX ein. Letztgenannte gab an, dass sie mit der bP liiert gewesen sei und ihr die bP im November 2019 ein Handy weggenommen habe, weil ihr die Ex-Frau der bP geschrieben habe. Während der Haft der bP in Ungarn habe sie sich von der bP getrennt und sei sie dann von der bP am Telefon bedroht worden. Die bP bestritt dies.

Am 20.11.2020 langte das gegen die bP ergangene Strafurteil wegen Schlepperei ein.

Die Vollmacht zum MigrantInnenverein wurde mit 11.03.2021 gekündigt.

Mit Schriftsatz vom 24.03.2021 wurde die bP vom BVwG im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht gem. § 15 AsylG, § 39 Abs 2a AVG, aufgefordert Fragen zum aktuellen Stand ihres Privat- und Familienlebens in Österreich zu beantworten und Angaben zu machen, ob sich seit Einbringung der Beschwerde in Bezug auf ihre Problemlage im Herkunftsstaat eine Änderung ergeben hat. Gleichzeitig wurde sie darin aufgefordert allfällige Behauptungen zu diesen Punkten, soweit als möglich, durch Bescheinigungsmittel nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.

Die bP brachte eine schriftliche Stellungnahme mit 07.04.2021 ein. Vorgelegt wurde ein europäischer Führerschein und eine Einstellungszusage vom 10.12.2020.

Mit Schriftsatz vom 19.05.2021 wurden den Parteien vom BVwG im Rahmen des Parteiengehörs Berichte übermittelt, die das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der aktuellen asyl- und abschiebungsrelevanten Lage zugrunde legt und wurde zur Stellungnahme binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert.

Die bP brachte keine schriftliche Stellungnahme ein.

Am 04.06.2021 wurde von der neuen Vertretung der bP Akteneinsicht genommen.

Am 10.06.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine Verhandlung durch. Das Bundesamt blieb entschuldigt fern.

Die Befragung der bP in der Verhandlung gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

„(…)

Zum Zeitpunkt der Verhandlung von der beschwerdeführenden Partei persönlich erwartete Rückkehrprobleme im Herkunftsstaat

Sind Sie über die aktuelle Lage in Ihrem Herkunftsstaat informiert? Wenn ja, woher beziehen Sie ihre Informationen?

P: Im Irak gibt es nur Milizen, sie machen alles. Die Polizei ist machtlos.

RI wiederholt die Frage.

P: Über das Internet informiere ich mich, manchmal erfahre ich auch etwas von meiner Mutter.

Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Ihrer Mutter?

P: Vor ca. einer Woche. Nachgefragt ob die Mutter über eigene Probleme berichtet gebe ich an, dass sie nicht über eigene Probleme berichtet. Sie hat nur damals wegen mir mit meinem Vater Probleme gehabt. Dann ließ sie sich scheiden, sonst hat sie keine Probleme.

Erwarten Sie aktuell bei einer Rückkehr in Ihre Herkunftsregion im Herkunftsstaat noch Probleme? Wenn ja, geben Sie bitte detailliert und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich derzeit bei einer Rückkehr erwarten würden.

Ich werde getötet, weil meine Familie wird mich sofort nehmen und der anderen Familie übergeben. Diese Familie wird Rache auf mich ausüben.

(Ende der freien Rede)

Haben Sie damit jetzt alle Probleme genannt, die Sie persönlich aktuell im Falle einer Rückkehr in den Irak erwarten würden?

Ja, nur das, was ich Ihnen erzählt habe. Das wird mir zu 100 Prozent passieren.

Vorhalte / Fragen:

Sie haben beim Bundesamt zwei Schreiben als Beweismittel abgegeben. Hatten Sie diese Schreiben bei der Einreise nach Österreich schon bei sich?

Nein, ich habe sie später bekommen.

Wie sind Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich zu diesen Schreiben gekommen?

Mein Cousin, der mir bei der Ausreise geholfen hat, hat mir beide Schreiben bzw. Dokumente nach meiner Ankunft in Österreich per WhatsApp geschickt. Danach hat er den Kontakt mit mir abgebrochen. Nachdem er mir die beiden Dokumente schickte, sagte er mir, dass er mir diese Dokumente schickt, damit ich weiß, dass ich keine Chance mehr habe in den Irak zurückzukehren. Er hat Familie und will keine Probleme wegen mir bekommen, er will keinen Kontakt mehr mit mir haben. Nachgefragt: Diese Dokumente wurden an alle Clanangehörigen verteilt. Nachgefragt wie der Cousin in Besitz des Haftbefehles kam, gebe ich an, dass er beim Sicherheitsamt arbeitet und er zu diesen Dokumenten ganz einfach kommen kann.

Haben Sie sich diese Schreiben durchgelesen bevor Sie diese bei der Behörde abgegeben haben?

Ja.

Stimmt alles, was darinsteht?

Ja.

Welches Delikt wird Ihnen im Haftbefehl vorgeworfen?

Ich kenne mich mit den Paragrafen und den Gesetzen nicht gut aus. Aber die Brüder des Mädchens, mit dem ich eine Beziehung hatte, arbeiten bei der Polizei und sind sehr mächtig. Sie haben diese Delikte gegen mich geschrieben, damit sie mich einfacher festnehmen können im Falle einer Rückkehr in den Irak.

Das Ausstellungsdatum des Schreibens vom Stamm ist der 07.06.2010. Das passt mit Ihrer Fluchtgeschichte die Sie beim Bundesamt präsentierten zeitlich überhaupt nicht zusammen. Was sagen Sie dazu?

Ich kenne mich mit den Dokumenten auch nicht gut aus, ich habe nicht auf das Datum geschaut. Ich habe nur den Inhalt gelesen und habe es den Behörden gegeben.

D kontrolliert über Aufragt des RI das Stammesschreiben auf seine Richtigkeit hinsichtlich des Ausstellungsdatums. D legt dar, dass das Datum richtig lautet: XXXX .

In der Niederschrift der Erstbefragung steht Folgendes zu ihrem Fluchtgrund:

„Als Sunnit werde ich von den schiitischen Milizen verfolgt. Sollte ich mich nicht Ihnen anschließen werde ich getötet. Ich habe keine weiteren Fluchtgründe.“

Das passt aber nicht zu Ihren Fluchtgründen die Sie 16 Monate später beim Bundesamt angaben. Was sagen Sie dazu?

Nein, das stimmt nicht. Beim BFA war das der allererste Punkt, den ich korrigiert habe. Die Erstbefragung dauerte nicht einmal 20 Minuten, die Dolmetscherin war aus Libanon. Ich bin mir nicht sicher, ob sie Kurdin oder aus Syrien war, es musste alles schnell gehen. Außerdem komme ich aus dem Süden und die Menschen aus dem Südirak sind Schiiten. Wie kann ich als Sunnit in einer schiitischen Stadt leben. Das war sicher ein Fehler.

Haben Sie das damals angegeben, was in der Niederschrift zu Ihrem Fluchtgrund steht?

Nein.

Was haben Sie dann angegeben?

Die Dolmetscherin hat gesagt, ich soll nur meine Daten angeben und meine Stadt woher ich komme. Sie macht das alles schnell, weil sie schnell fertig werden müssen.

Zur Frage 14.1. ob Sie im Falle der Rückkehr mit Sanktionen zu rechnen hätten ist protokolliert:

„Ich werde als Sunnit von den Schiiten verfolgt“. Was sagen Sie dazu?

Das stimmt auch nicht. Nachgefragt: Ich habe das nicht erwähnt.

Sind die anderen Angaben, die in der Erstbefragung stehen, richtig?

Wie ich vorher erwähnt habe, ich habe meine Daten, woher ich komme, wann und wo ich geboren bin und meine Reiseroute nach Österreich angegeben. Sonst habe ich nichts angegeben. Diese Daten haben gestimmt.

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Aktueller Gesundheitsstatus.:

Sind Sie derzeit wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Österreich in medizinischer Behandlung?

Nein, zurzeit nicht. Früher war ich es, aber jetzt nicht mehr.

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Rückkehrentscheidung:

Sie haben über Aufforderung des BVwG bereits schriftlich Fragen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich beantwortet. Diese Stellungnahme wird zum Inhalt dieser Verhandlungsschrift erklärt.

In der Stellungnahme vom 07.04.2021 steht, dass Sie traditionell verheiratet sind und Sie sprechen darin auch von Kindern. Welchen Aufenthaltstitel haben diese?

Ja, das stimmt. Nachgefragt: Ich kenne mich nicht aus, aber ich weiß, dass sie diesen grauen Konfessionsreisepass haben. Ich denke, sie haben einen Aufenthalt von 5 Jahren. Sie sind anerkannt Flüchtlinge. Ich habe auch noch zwei Kinder und diese besitzen denselben Status wie ihre Mutter.

Welche Staatsangehörigkeit haben diese?

Die irakische.

Sind Sie der leibliche Vater dieser Kinder?

Ja. Nachgefragt, ich kann eine Geburtsurkunde vorlegen.

P legt vor:

-Lastschriftanzeige des BG XXXX vom 16.11.2020

-Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft

Wer hat die Obsorge der Kinder?

Die Mutter meiner Frau. Nachgefragt: Meine Frau hat sie nicht, weil sie unter 18 Jahre alt war. Jetzt ist sie aber über 18 Jahre und arbeitet.

Wann und wo lernten Sie Ihre Ehegattin kennen?

2016 über das Internet habe ich sie kennengelernt. Nachgefragt: Ich habe sie 2017 persönlich in Österreich kennengelernt. Wir leben seit 2018 zusammen.

Warum ist Ihre Ehegattin an einer anderen Adresse gemeldet, als die Kinder?

Weil meine Frau derzeit arbeitet, sie hat ihre eigene Wohnung auf ihrem Namen. Das hat sie mir erzählt. Ich weiß wirklich nicht warum die Kinder an einer anderen Adresse gemeldet sind.

Wie gestaltet sich der persönliche Kontakt aktuell zu Ihren Kinder und Ihrer Ehegattin?

Es ist alles super und gut. Ich werde immer besucht im Gefängnis. Meine Frau kommt mit meinen Kindern.

Sie verbüßen derzeit eine Haftstrafe wegen Schlepperei. Das Gerichtsurteil liegt hierorts auf, wollen Sie dazu etwas sagen?

Ich kann mich nur entschuldigen und es tut mir wirklich leid, dass ich so etwas getan habe. Ich war gezwungen um etwas Geld zu verdienen, weil ich meinen Kindern etwas kaufen wollte. Ich hatte kein Geld. Es ist schwer für einen Vater, wenn seine Kinder etwas von ihm wollen und er sich das nicht leisten kann. Ich entschuldige mich dafür. Ich sollte das nicht machen zu Österreich, weil das Land mir nur Gutes getan hat. Es tut mir leid. Das war das erste und letzte Mal in meinem Leben.

RI merkt an, dass sich die P in der Verhandlung weitgehend in deutscher Sprache unterhalten kann.

(…)“

In der Verhandlung legte die bP vor:

?        Lastschriftanzeige in der Pflegschaftssache seiner Kinder

?        Beurkundung über die Anerkennung der Vaterschaft hinsichtlich des 2020 geborenen Kindes

Am Ende der Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren durch Beschluss gem. § 39 Abs 3 AVG für geschlossen erklärt.

Seither erfolgte seitens der Verfahrensparteien zum Ermittlungsverfahren keine Äußerung mehr.

Mit Schreiben vom 14.06.2021 wurde der Beschluss des LG XXXX über die vorzeitige bedingte Entlassung gemäß § 46 StGB übermittelt. Die bP wird am 09.07.2021 entlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Name und Geburtsdatum (wie im Einleitungssatz des Spruches angeführt) stehen (lt. Bundesamt) fest.

Die bP ist der Volksgruppe der Araber und dem muslimischen Glauben zugehörig.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Irak.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Sie wohnte vor ihrer Ausreise in XXXX , Provinz al-Qadisiyya wo sie geboren wurde und nach der Grundschule ein Gymnasium besuchte. Zuletzt arbeitete sie bei ihrer Mutter in deren Geschäft mit und erhielt dafür ein Gehalt.

1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat:

Die Eltern der bP leben nach wie vor im Irak, die Mutter ist lediglich zeitweise in der Türkei aufhältig. Sowohl die Mutter als auch der Vater verfügen im Irak über Häuser. Die Mutter lebt von den Einkünften aus ihren Häusern (Vermietung) und Geschäften, welche sie im Irak besitzt. Die bP gehört dem schiitischen Clan der XXXX an. Jedenfalls mit der Mutter, welche die bP auch bei der Ausreise finanziell unterstützte, hält die bP nach wie vor Kontakt. Die bP kann damit in einem der Häuser ihrer Verwandten Unterkunft nehmen. Darüber hinaus leben Geschwister der bP in der Heimatstadt. Ein Bruder studiert, eine Schwester ist verheiratet und eine Schwester besucht die Schule.

1.4. Ausreisemodalitäten:

Es liegt ein EURODAC Treffer Kategorie 2 zu Griechenland vom XXXX vor (beim illegalen Überqueren einer Außengrenze der Union aufgegriffen) vor.

Sie reiste am XXXX legal mit einem Flugzeug aus dem Irak in die Türkei. Nach 4 Tagen reiste sie weiter schlepperunterstützt mit dem Schlauchboot auf die Insel Samos. In Samos wurde sie von der Polizei aufgegriffen, ED behandelt und anschließend 6 Tage in einem Camp untergebracht. Danach fuhr sie mit einer Fähre nach Athen und weiter mit einem Taxi nach Thessaloniki - von dort reiste sie schlepperunterstützt mit dem Auto und auch zu Fuß nach Mazedonien über Serbien nach Österreich.

Zum Verbleib des heimatsstaatlichen Reisepasses gab sie an, diesen im Meer verloren zu haben.

Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht dargelegt, dass ihr dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder, dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.

1.5. Aktueller Gesundheitszustand:

Die bP hat im Verfahren keine aktuell behandlungsbedürftige Erkrankung dargelegt.

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich:

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes

Die bP begab sich ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels spätestens am 09.06.2015 in das Bundesgebiet.

Mit der am selben Tag erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich

In Österreich lebt XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, Inhaberin eines Konventionspasses, mit welcher die bP zwischen 31.03.2020 bis 14.09.2020 zusammen in einer Wohnung gemeldet war. Die bP ist mit dieser traditionell verheiratet und hat zwei Kinder ( XXXX , beide StA. ungeklärt lt. ZMR bzw. Irak lt. bP). Die Beziehung wurde nach der erstinstanzlich negativen Entscheidung eingegangen. Die Frau arbeitet und leistet die bP keinen Unterhalt.

Grad der Integration

Die bP hat keinerlei ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet und ist auch kein Mitglied in einem Verein. Sie hat an Deutschkursen teilgenommen und spricht gut Deutsch.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und gesetzlich erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (vgl. zB https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) oder Abhängigkeit von staatlichen Leistungen

Die bP lebt von staatlichen Leistungen und war lediglich von November 2017 bis März 2018 als Selbstständiger gemäß Sozialversicherungsauszug gemeldet. Während des überwiegenden Aufenthalts erhielt sie damit Leistungen aus der Grundversorgung.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Familienleben; die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Die bP hat diese Anknüpfungspunkte während einer Zeit erlangt, in der der Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet stets prekär war.

Bindungen zum Herkunftsstaat

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat – im Gegensatz zu Österreich – problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie wurde somit im Herkunftsstaat sozialisiert und kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens einschließlich der gegebenen sozialen Unterstützungsnetzwerke. Sie ist auch aktuell noch an der Lageentwicklung in ihrem Heimatstaat interessiert. Es leben dort auch noch insbes. Familienangehörige, Verwandte und zahlreiche Angehörige ihres Clans.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheint folgende Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

01) LG XXXX

§§ 114 (1), 114 (3) Z 2, 114 (4) 1. Fall FPG

Datum der (letzten) Tat 07.02.2020

Freiheitsstrafe 20 Monate

Demnach hat die bP als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Mitgliedern der Vereinigung die rechtswidrige Ein- und Durchreise in Bezug auf mindestens 2 Fremde, die nicht zum Aufenthalt in der EU berechtigt sind, in und durch einen Mitgliedstaat der EU und Österreich mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, gefördert und zwar

A)       indem die bP eine Schlepperfahrt im Jänner 2020 durch eine weitere Person, welche 7 Fremde in das von ihr gelenkte Fahrzeug in Ungarn aufnahm und über den Grenzübergang nach Österreich beförderte mitorganisierte und das Vorausfahrzeug, in dem sich weitere Personen befanden, zur Verfügung stellte;

B)       mit dem Mittäter im Dezember 2019, indem sie sieben Fremde in das von ihr gelenkte Fahrzeug in Ungarn aufnahm und über den Grenzübergang nach Österreich förderte, während weitere Personen in einem Vorausfahrzeug der bP das Fahrzeug zur Verfügung stellten;

Damit hat die bP das Verbrechen der Schlepperei begangen. Festgehalten wurde zudem, dass eine diversionelle Erledigung nicht möglich war und es einer Verurteilung bedurfte, um der Begehung strafbarer Handlungen durch die bP und auch durch andere entgegenzuwirken, insbesondere um der um sich greifenden Schlepperkriminalität wirkungsvoll Einhalt zu gebieten. Als mildernd wurde das Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel bewertet, als erschwerend das Zusammentreffen strafbarer Handlungen und die mehrfachen Deliktsqualifikationen.

Die Vorhaft seit 16.06.2020 wurde auf die Haftstrafe angerechnet.

Mit Beschluss des LG XXXX über die vorzeitige bedingte Entlassung nach 2/3 der Strafe gemäß § 46 StGB wurde der bP vorzeitige Haftentlassung mit 09.07.2021 gewährt. Demgemäß war die bP im Anstaltsbetrieb beschäftigt, wo sie eine zufriedenstellende Arbeitsleistung erbrachte. Ordnungsstrafen wurden nicht verhängt und bestehe bei Entlassung eine Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeit. Aus der Stellungnahme des sozialen Dienstes ergäbe sich, dass die bP gut Deutsch.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise (bei strafmündigen Personen) gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 1 iVm Abs 7 FPG).

Die beschwerdeführende Partei verletzte – trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre gesetzlich auferlegte Mitwirkungs- und Verfahrensförderungsverpflichtung im Asylverfahren.

Sie versuchte dadurch die entscheidenden staatlichen Instanzen zur Erlangung von internationalen Schutz zu täuschen.

Verfahrensdauer

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 09.06.2015 gestellt und erging der Bescheid vom Bundesamt am 12.07.2017. Nach eingebrachter Beschwerde erging mit heutigem Erkenntnis die Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

Die Dauer des Beschwerdeverfahrens liegt an dem Umstand, dass die bP zu einer Zeit des unvorhersehbaren Massenzustromes von Fremden einreiste, der zu einer Überlastung der Behörden/des BVwG führte.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen / nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von der bP vorgebrachten Problemen, die sie persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwartet:

a)       Betreffend ihrer persönlichen Sicherheit / Verfolgung im Herkunftsstaat:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft zu erachtenden Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion XXXX , mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

Aus der derzeitigen Lage ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der bP als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht.

b)       Betreffend ihrer Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse im Herkunftsstaat:

Die bP hat hinsichtlich ihrer persönlichen Versorgungssituation im Falle der Rückkehr zuletzt in der Verhandlung persönlich keine konkrete Problemlage vorgebracht (VHS S 6f).

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln auch vor der Ausreise schon in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie wird dies auch bei Rückkehr wieder tun können und verfügt darüber hinaus über ein familiäres Netzwerk, welches sie unterstützen kann.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat

Aus nachfolgend genannten Quellen (einschließlich darin zitierter Berichte) ergeben sich folgende Feststellungen bzw. Einschätzungen/Schlussfolgerungen über die relevante Lage, wobei zur Beurteilung der aktuellen und entscheidungsrelevanten Situation jeweils den jüngsten Erkenntnisquellen besondere Bedeutung zugemessen werden und ältere im Wesentlichen der Übersicht über die Lageentwicklung dienen.

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Quellen (einschließlich darin zitierter Berichte):

?        EASO, Irak, Zentrale sozioökonomische Indikatoren, September 2020

?        EASO Country Guidance Irak, Comon analysis and guidance note, January 2021

?        EASO, Informationsbericht Irak, Sicherheitslage, Oktober 2020

?        ACLED, Iraq, Second Quarter 2020

?        Musings on Iraq, Security in Iraq Nov. 2020

Politik allgemein

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten. (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak, 17.04.2020)

Ethnisch- religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung

Der Irak hat ca. 40 Millionen Einwohner. Etwa 75–80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15–20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.

Etwa 95-98 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 % sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten.

Der Irak hat eine sehr junge Bevölkerungsstruktur. 0-14 Jahre: 37.02% (M 7,349,868/F 7,041,405), 15-24 Jahre: 19.83% (M 3,918,433/F 3,788,157), 25-54 Jahre: 35.59% (M 6,919,569/F 6,914,856), 55-64 years: 4.23% (M 805,397/F 839,137), 65 Jahre und älter: 3.33% (M 576,593/F 719,240).

Ca. 70 % der Bevölkerung leben in städtischen Gebieten.

Die Arbeitslosenquote beträgt bei Personen im Alter von 15-24 Jahre ca. 25 %.

(https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html,Abfrage 21.01.2021).

Sicherheitskräfte

Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, demontierte die Koalitions-Übergangsverwaltung das irakische Militär und schickte dessen Personal nach Hause. Das aufgelöste Militär bildete einen großen Pool für Aufständische. Stattdessen wurde ein politisch neutrales Militär vorgesehen (Fanack 2.9.2019).

Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur, sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) (USDOS 11.3.2020). Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren auch die Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, die sich aus etwa 40, überwiegend schiitischen Milizgruppen zusammensetzt, und die kurdischen Peshmerga der Kurdischen Region im Irak (KRI) (GS 18.7.2019).

Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle (USDOS 11.3.2020; vgl. GS 18.7.2019).

Rechtschutz

Die irakische Gerichtsbarkeit besteht aus dem Obersten Justizrat, dem Obersten Gerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission, dem Zentralen Strafgericht und anderen föderalen Gerichten mit jeweils eigenen Kompetenzen (Fanack 2.9.2019). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 12.1.2019).

Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vgl. AA 12.1.2019; USDOS 11.3.2020). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein (USDOS 11.3.2020). Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt (AA 12.1.2019). Zudem ist die Justiz von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Str

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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