Entscheidungsdatum
18.08.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L504 2167288-1/21E
L504 2167285-1/17E
L504 2167289-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, 2. XXXX I, geb. XXXX , StA. Irak, 3. XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.06.2021, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 AsylG 2005, §§ 52, 46, 55 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Die beschwerdeführenden Parteien [bP1 - 3] stellten am 25.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Es handelt sich dabei um ein Ehepaar mit zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigem Sohn (Anm: nunmehr volljährig), welche ihren Angaben nach Staatsangehörige des Irak mit muslimisch-schiitischen Glaubensbekenntnis sind, der Volksgruppe der Araber angehören und aus Bagdad stammen.
Behördliches Ermittlungsverfahren bei der bP1:
Bei der niederschriftlichen Befragung vor der PI Schwechat Wiener Straße vom 26.09.2015 die bP1 ( XXXX ) vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt zum Fluchtgrund und zu einer allfälligen Rückkehrgefährdung Folgendes an:
„F: Warum haben Sie Ihr Land verlassen (Fluchtgrund)?
A: Meine Familie und ich wurden von bewaffneten Männern bedroht. In meiner Heimat herrscht Krieg und es gibt keine Sicherheit mehr. Bewaffnete Männer drangen in unser Haus ein und bedrohten meine Familie mit dem Tod. Sie raubten uns $ 54.000.-, € 1.100.-, IrakD 2.000.000.- und ein halbes Kilo Gold. Einige Tage später verbrannten sie unser Geschäft. Ich habe alle Polizeiberichte bei mir und wir flohen von unserer Heimat.
F: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
A: Ich habe Angst um meine Familie und um mein Leben.
F: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung,
unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?
A: Keine.“
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die bP1 vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 30.05.2017 im WesentlichenFolgendes an:
„(…)
F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
A: Ja. Ich konnte aber nicht alles sagen und auch nicht vorlegen. Der damalige Dolmetscher hat gesagt, dass ich das heute machen soll.
F: Wurden Ihre Angaben so wie Sie es gesagt haben korrekt protokolliert und rückübersetzt?
A: Ja.
[…]
LA: Haben Sie irgendwelche Beweismittel, die Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
Vorgelegt werden:
Im Original:
4 Ausweise der Handelskammer Bagdad ausgestellt für ein Jahr = Bestätigung, dass ich im Irak Händler bin für Keramik und für Gesundheitsartikel, davon ist ein Buch von 1986 die drei Karten sind neueren Datums
2 Führerscheine ein internationaler und ein nationaler
1 Heiratsurkunde: XXXX ausgestellt vom Gericht für persönliche Angelegenheiten in Bagdad, Stadtbezirk XXXX .
Je 1 Kopie des Staatsbürgerschaftsnachweises des Ast und dessen Frau.
Im Original: 1 Sterbeurkunde des Sohnes und die Dokumente der Ermittlungen:
Daten: Ammar XXXX , geb. 1992 verstorben: XXXX ist gleichzeitig das Ausstellungsdatum, verstorben aufgrund einer terroristischen Explosion in Bagdad, ausgestellt vom Gesundheitsministerium.
1 Schreiben des Gerichtes: Bestätigung über den Tod ohne nähere Angaben der Todesursache.
1 Schreiben des Polizeizentrums: mit Namen und dass Ammar ein Opfer ist.
1 Lageplan der Explosion vom Richterrat ausgestellt vom Dezember 2006
1 Liste der Namen der Getöteten, insgesamt 44 Personen stehen auf dieser Liste.
Eine Mappe von Unterlagen ausgestellt vom Richterrat vom XXXX .2015, weitere aus den Jahren 2012, 2013, 2014. Es handelt sich um Anzeigen und Ermittlungen
1 Mappe mit diversen ärztlichen Unterlagen, vom Irak, Libanon und Österreich,
1 Schulbesuchsbestätigung Mittelschule XXXX für den Sohn XXXX , Zeugnisse aus dem Irak für XXXX
VP: Ich hatte drei Besitztümer im Irak, lege heute einen Auszug aus dem Grundbuch meines Grundstückes vor, weiters besitze ich ein Haus und ein Geschäft.
Es gibt einen Unterschied zu meiner Erstbefragung: Da habe ich nichts über meinen Bruder erzählt.
1 Deutschkursbestätigung liegt bei mir zuhause. Für einen inoffiziellen Kurs habe ich keine Bestätigung.
Anmerkung: Sämtliche Dokumente und Unterlagen wurden von dem (der) beeideten Dolmetscher(in) eingesehen und die wesentlichen Inhalte übersetzt.
LA: Waren Sie vor Ihrer Flucht schon einmal im Ausland?
VP: Aufgrund meiner Händlertätigkeit war ich in China, in Indien, Spanien, Jordanien und Ägypten, Türkei in Frankreich auf der Durchreise und zu Pilgerzwecken in Saudi Arabien.
LA: Wann haben Sie Ihr Heimatland endgültig verlassen?
VP: Am 24.09.2015 bin ich in Österreich angekommen, ich glaube ich bin am XXXX aus dem Irak ausgereist.
LA: Legal oder illegal?
VP: Legal.
LA: Welche Staatsangehörigkeit, Volkgruppen- und Religionszugehörigkeit haben Sie?
VP: Ich bin Iraker, Araber und Schiit.
LA: Wurden Sie jemals auf Grund Ihrer Volksgruppen oder Religionszugehörigkeit persönlich verfolgt?
VP: Nein, damit habe ich kein Problem.
[…]
LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?
VP: Nein.
LA: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?
VP: Nein.
LA: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen?
VP: Nein.
LA: Haben Sie in anderen Staaten um Asyl angesucht?
VP: Nein.
LA: Haben Sie Verwandte, die in Österreich leben?
VP: Nein, nur Freunde.
LA: Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder in Österreich.
VP: Ehefrau: XXXX , geb. XXXX , IFA:1088767409
Sohn: XXXX , geb. XXXX , IFA:1088760310
LA: Wie ist Ihr allgemeiner Gesundheitszustand?
VP: Es geht mir gesundheitlich nicht so gut und ich nehme 10 Tabletten pro Tag.
LA: Woran leiden Sie?
VP: Ich habe diverse Bypass, weil ich Probleme mit den Venen habe und zwar in den Beinen, im Brust- und im Bauchbereich.
LA: Seit wann werden Sie behandelt?
VP: Seit 2011 dauert die Behandlung, die schon im Irak begonnen hat.
LA: Wo waren Sie vor Ihrer Flucht wohnhaft?
VP: Seit meiner Geburt habe ich im Familienverband bis 2013/ 2014 in XXXX im Zentrum von Bagdad im eigenen Haus gelebt und dann bin ich mit meiner Frau und meinem Sohn nach XXXX gezogen, wo ich bis zu meiner Ausreise in einem gemieteten Haus gelebt habe.
LA: Beschreiben Sie Ihre allgemeinen Lebensverhältnisse in Ihrem Herkunftsland.
VP: In der zweiten Mittelstufe habe ich die Schule verlassen, dann habe ich mit meinen Onkeln gearbeitet, 1985/86 habe ich mein eigenes Geschäft eröffnet und selbständig gearbeitet. Ich habe nur während meiner Zeit beim Militär nicht gearbeitet.
LA: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?
VP: Durch meine Arbeit. Unsere wirtschaftliche Lage war sehr gut.
LA: Womit haben Sie die Flucht bestritten?
VP: Ich hatte genügend Geld durch meine Arbeit. Ich bin mit ca 6000,- US-Dollar hier angekommen, die ich auch wieder zurückerhalten habe.
LA: Haben Sie noch Verwandte die in Ihrem Herkunftsland leben?
VP: Vater: XXXX , verstorben 1982;
Mutter: XXXX , geb. 1939;
4 Töchter: XXXX , geb. 1987, XXXX , geb.1988, XXXX , geb. 1990, XXXX , geb. 1991; Meine Töchter sind verheiratet.
2 Söhne: XXXX , geb. 1989, lebt in Jordanien. XXXX verstorben 2007;
3 Schwestern: XXXX , verstorben 1994, XXXX geb. 1972, XXXX , geb. 1974;
9 Brüder: XXXX , geb 1959, XXXX , geb. 1960, XXXX , geb. 1963, XXXX , geb. 1964,
XXXX , geb. 1968, XXXX , geb. 1970, XXXX , geb. 1976, XXXX , geb. 1978,
XXXX , geb. 1981;
Ein Bruder XXXX ist vom Weg abgekommen, daher haben wir alle Probleme. Er kommt in diesen Ermittlungsunterlagen vor. Meine Familie hat nichts gegen mich, aber man gerät da hinein und es sind die Milizen, die den Staat regieren.
LA: Wie geht es Ihrer Familie derzeit?
VP: Es geht ihnen soweit gut, die Männer verdienen. Ein Schwiegersohn ist Rechtsanwalt, einer ist Chef in einem Lokal einer ist im Sportbereich tätig. Sie leben in Bagdad, aber in einer anderen Gegend als meine Brüder. Es geht ihnen allen soweit gut.
LA: Wie oft haben Sie Kontakt mit Ihren Angehörigen im Herkunftsland?
VP: Ca täglich.
LA: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen und einen Asylantrag gestellt haben von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß. Ihre Angaben im Asylverfahren werden vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet. Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.
VP: Zuerst ist mein Sohn getötet worden, da habe ich das noch durchgehalten. 2011 bin ich am Kopf angeschossen worden von Leuten, die ich nicht kannte. 2012 sind dann die Bewaffneten zu mir nach Hause gekommen. Von da ab ist es bis 2015 immer schlimmer geworden, wo sie mir mein Geschäft abgebrannt haben. Ich habe dann eine Anzeige gemacht und infolge dessen sind sie dann zu mir gekommen. Der Sohn von meinem Bruder, er ist größer, der war da bei diesem Vorfall dabei, aber normalerweise erkennt man diese Menschen nicht, weil sie vermummt sind. Ich habe zuerst nicht gewusst, dass er da dabei war. Ich habe das erst hinterher erfahren, dass er dabei war und dann habe ich auch gegen ihn Anzeige erstattet.
LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
VP: Ja. Die gesundheitlichen Probleme nahmen ihren Ursprung mit dem Kopfschuss, da war ich drei Monate im Krankenhaus und bekam Probleme mit den Beinen.
LA: Sie sagten, Ihr Bruder XXXX wäre vom Weg abgekommen. Was meinen Sie damit?
VP: Er ist bei einer dieser Schwadronen dabei, die töten. Nachgefragt heißen sie ASAIB AHL AL HAQQ bzw. JEISH AL-MAHDI. Genau kann ich nicht sagen bei welcher er dabei ist.
LA: Wann war der Vorfall mit dem Kopfschuss?
VP: Das war 2011, da ist ein Auto stehengeblieben. Ich war auf dem Nachhauseweg. Ich habe das Bewusstsein verloren und im Krankenhaus hat man mir gesagt, dass ich am Kopf angeschossen wurde.
LA: Können Sie mir dazu Genaueres sagen? Wer waren diese Männer?
VP: Ich weiß nicht, warum das gewesen ist und ich weiß nicht, wer das war. Es war aufgrund des Konfliktes zwischen den Sunniten und Schiiten.
LA: Schildern Sie mir bitte genauer den Vorfall 2012!
VP: Es war im Ramadan 2012. Ich bin da immer wieder zum Sonnenuntergangsgebet in die Moschee beten gegangen. Beim Eingang muss man das Handy ausschalten und abgeben. Als ich es wieder eingeschalten habe, sah ich, dass mein Schwiegersohn namens XXXX angerufen hat. Er hat gesagt, dass es einen Überfall auf mein Haus gab. Ich habe gefragt, was ist mit meiner Familie. Er sagte, hab keine Angst, sie haben nur das Geld genommen, deiner Familie ist nichts passiert. Ich bin dann so schnell wie möglich nachhause gefahren. Da waren viele Leute um unser Haus herum. Ich bin dann rein, habe meine Frau völlig verängstigt vorgefunden. Nach einer halben Stunde kam der Offizier und hat meinen Sohn und meine Frau befragt. Er war im zweiten Stock und meine Frau war unten. Sie haben an der Tür geklopft, normalerweise öffnet meine Frau nicht, aber sie haben gesagt sie wären die Nachbarn, da hat sie die Tür geöffnet, man hat sie an den Haaren gepackt und auf die Seite gestellt. Dann haben sie meine Tochter an den Haaren zur Mutter gebracht, meinem Sohn, der damals noch klein war, haben sie die Waffe an den Kopf gehalten. Mein Sohn hat die Art der Waffe erkannt. Sie hatten auch noch Messer mit. Sie haben gesagt, es würde nichts passieren, wenn sie das Geld und Gold herausrücken würden. Meine Frau hat dann gesagt, das ist im Kasten. Sie haben dann die 54.000,- US-Dollar genommen, die ich nach Spanien schicken wollte. 1100,- Euro, die ich von meiner Spanienreise hatte und 1 Million irakische Dinar. Danach sind sie ins Auto und weggefahren. Sie haben meiner Familie nichts getan.
LA: Wie viele Männer waren das?
VP: Es waren vier Männer und eine Frau, die Frau war nur dabei um an der Tür zu stehen, damit meine Frau aufmacht.
LA: Wer waren diese Männer?
VP: Ich kannte diese Leute nicht, aber 2013 habe ich eine Vorladung wegen der Ermittlungen bekommen. Dann hat man mich gefragt, ob zu dem und zu dem Zeitpunkt mein Haus überfallen worden wäre und ich habe ja gesagt. Sie haben dann gefragt, ob ich weiß wer das war. Sie sind dann ganz langsam mit der Sprache herausgerückt um mir keinen Schock zu verpassen Sie haben gesagt, dass mein Bruder dabei war. Ich habe mich die ganze Zeit schon gefragt, warum sie gerade unser Haus überfallen, die Nachbarn haben ja auch Geld. Da wurde mir klar, dass meine Familie über mich Bescheid wusste. Das Geld war mir egal, aber meine Frau leidet noch immer unter den Folgen des Überfalls.
LA: Wurden diese Männer verhaftet?
VP: Ich habe ja eine Anzeige erstattet und mein Bruder war acht Monate in Haft, aber nicht wegen meiner Geschichte, sondern weil er einen Offizier getötet hat und wegen einer anderen Geschichte.
LA: Gibt es nur diesen einen Bruder, der kriminell ist?
VP: Nur er, die anderen arbeiten, mit den anderen gibt es keine Probleme. Ich wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben.
LA: Wurden andere Ihrer Familienmitglieder bedroht bzw. beraubt?
VP: Nur ich, weil ich der einzige Händler bin. Obwohl ich allen immer gegeben habe.
LA: Wie ist die wirtschaftliche Lage Ihrer anderen Familienmitglieder?
VP: Es ist ein großer Unterschied zwischen uns. Es haben alle Arbeit und es geht ihnen gut, aber meine finanzielle Lage ist besonders gut.
LA: Ist es da nicht üblich, dass man sein Vermögen bei einer Bank deponiert?
VP: Im Irak gab es eine neue Regierung, die Zustände waren nicht so gut und ich wollte diese 50.000,- US-Dollar über das HAWALA System nach Spanien überweisen. Meine Frau hat auch ihr ganzes Gold an die Räuber abgegeben.
LA: Verfügen Sie noch über Vermögen im Irak?
VP: Ich habe kein Geld mehr im Irak oder Spanien. Ich habe diese Handelsbeziehung eingestellt.
LA: Sind diese Männer vorher oder nachher auch in die benachbarten Häuser eingedrungen?
VP: Es gab immer wieder bewaffnete Überfälle in unserem Gebiet, aber man weiß nicht, wer das ist.
LA: Wurde Ihr Bruder anlässlich des Überfalls auf Ihr Haus verurteilt?
VP: Die Milizen haben ihren Einfluss überall, daher wurde er auch nur acht Monate verurteilt. Man hat das dann aus Mangel an Beweisen eingestellt. Die richtigen Kriminellen kommen ungeschoren davon, aber die kleinen Verbrecher verschwinden bei der Polizei.
LA: Hätten Sie Ihren Wohnsitz auch innerhalb des Iraks verändern können?
VP: Habe ich ja auch, ich bin verzogen, aber da haben sie meinen Sohn bedroht. Nach den Bedrohungen haben sie mein Geschäft angezündet.
LA: Was ist dabei passiert?
VP: Ein Monat bevor ich weggegangen bin am 11.8.2015 haben sie mein Geschäft abgebrannt. Ich habe Anzeige erstattet gegen meinen Neffen, er ist der Sohn eines anderen Bruders namens Ammar, und heißt XXXX . Am gleichen Tag sind sie dann zu mir nachhause gekommen und haben das Haus beschossen.
LA: Wie wissen Sie, wer das war?
VP: Ich weiß nicht wer mein Geschäft abgebrannt hat, aber die Bedrohung kam durch meinen Neffen XXXX , der meinen Sohn XXXX angerufen hat und ihn bedroht hat.
LA: Können Sie sich erklären, warum das passiert ist?
VP: Weil ich ja eine Anzeige gegen meinen Bruder gemacht habe und er acht Monate im Gefängnis war und weil ich wusste, dass er ein Krimineller war.
LA: Sie sagten Ihr Bruder wurde ja nicht wegen des Raubes verurteilt, sondern wegen des Mordes. Warum also wollte sich XXXX an Ihnen rächen?
VP: Ich habe ja Anzeige gegen ein Familienmitglied gemacht und auch meine Frau hat eine Anzeige gemacht.
LA: Wie wurde Ihr Sohn bedroht?
VP: Über das Telefon.
LA: Was hat er daraufhin gemacht?
VP: Er hat mir das nur gesagt. Er ist jetzt in Jordanien, kurz nachdem wir weggegangen sind, ist auch er weggegangen.
LA: Was hat man zu ihm gesagt?
VP: Sie haben zu ihm gesagt, warum beschmutzt dein Vater das Ansehen unserer Familie, warum zeigt er seine Verwandten an? Sie haben gesagt, dein Vater wird nicht ungeschoren davonkommen, wir werden ihn nicht weiterarbeiten lassen.
LA: Der Raub war 2012, dann wurde 2015 Ihr Geschäft niedergebrannt. Ihre Anzeigen 2013 2014 bezogen sich auf welche Personen, oder waren das Anzeigen gegen „unbekannt“?
VP: Das waren Anzeigen gegen meinen Bruder. Das waren Ermittlungen gegen meinen Bruder, da habe ich erfahren, dass er involviert war und so habe ich Anzeige gegen ihn erhoben.
LA: Also haben sich diese Anzeigen auf den Vorfall 2012 bezogen? Verstehe ich Sie richtig?
VP: Ja.
LA: Gab es in letzter Zeit Vorfälle im Bereich Ihrer Familie (Verfolgung)?
VP: Ich weiß es nicht, weil ich keinen Kontakt zu ihnen habe. Meinen Töchtern und deren Familien ist nichts passiert.
LA: Aus welchem Grund sind Sie ohne Ihre übrigen Kinder geflohen?
VP: Die Mädchen sind ja verheiratet und haben ihre Männer und Kinder, mein Sohn ging nach Jordanien. Meine Töchter gehören zu den Familien Ihrer Männer, ihnen passiert nichts, während ich bedroht werde.
LA: Haben Sie jemals an Kampfhandlungen teilgenommen?
VP: Nein. Ich mag das nicht.
LA: Möchten Sie die Feststellungen des BFA Ihr Heimatland betreffend von der(m) anwesenden Dolmetscher(in) übersetzt bekommen?
VP: Ich weiß Bescheid.
LA: Was würde passieren, wenn Sie in den Irak zurückkehren müssen?
VP: Nur Gott weiß, was passieren würde, aber mein Leben und das Leben meines Sohnes sind in Gefahr. Meine Frau wäre auch in Gefahr.
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
VP: Ich konnte alles vorbringen.
LA: Wie haben Sie die (den) Dolmetscher(in) verstanden?
VP: Sehr gut.
Anmerkung: Rückgefragt gibt die (der) Dolmetscher(in) an, dass die sprachliche Zuordnung nach Irak aus Ihrer Sicht unzweifelhaft ist.
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Ja.
LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?
VP: Ja.
(…)“
Behördliches Ermittlungsverfahren bei der bP2 ( XXXX ):
Die bP2 hat zum Fluchtgrund in der Erstbefragung vorgebracht:
„Ich habe wegen dem Krieg bereits einen Sohn verloren. Als wir vor einigen Wochen ausgeraubt wurden und mein Sohn bedroht wurde, beschlossen wir zu fliehen.“
Im Falle der Rückkehr habe sie Angst um ihre Familie und um ihr Leben. Es gebe keine Hinweise darauf, dass ihr bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde, sie hätte im Falle der Rückkehr auch mit keinen Sanktionen zu rechnen.
Vor der Behörde hat die bP2 im Wesentlichen vorgebracht:
„LA: Wurden Sie jemals auf Grund Ihrer Volksgruppen oder Religionszugehörigkeit persönlich verfolgt?
VP: Wir wurden verfolgt indem unser Sohn getötet wurde, unser Geschäft verbrannt wurde, das Haus gestürmt wurde und mein Mann angeschossen wurde. Das war nicht aufgrund der Religion bzw. Volksgruppenzugehörigkeit sondern von Seiten der Milizen.
[…]
F: Warum haben Sie Ihr Land verlassen (Fluchtgrund)?
A: Ich habe wegen dem Krieg bereits einen Sohn verloren. Als wir vor einigen Wochen ausgeraubt wurden und mein Sohn bedroht wurde beschlossen wir zu fliehen.
F: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
A: Ich habe Angst um meine Familie und um mein Leben.
F: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung,
unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?
A: Keine.
[…]
LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?
VP: Nur mit den Milizen.
[…]
VP: Der Bruder von meinem Mann ist der Anführer von einer Miliz. Nachdem was passiert ist, haben wir Anzeige erstattet. Sie haben meinen Sohn XXXX mit dem Tod bedroht und sie haben Geld verlangt und ich habe ihnen alles gegeben nur damit sie meinen Sohn nicht umbringen. Nachdem der Bruder meines Mannes aus dem Gefängnis herausgekommen ist, hat er uns bedroht. Er hat gedroht, dass er unseren Sohn entführt. Dann haben wir das Haus dort hinter uns gelassen und sind nach XXXX gegangen. Nach einiger Zeit haben sie das Geschäft von meinem Mann abgebrannt. Dann hat mein Mann wieder Anzeige erstattet und nach diesen Bedrohungen mussten wir weg. Unser Sohn konnte nicht vor die Tür gehen, wir haben ihn in die Schule geführt und wieder abgeholt. Aufgrund dieser Umstände haben mein Mann und ich gesundheitliche Probleme bekommen. Wir waren am Ende unserer Kräfte es gab immer wieder telefonische Bedrohungen und auch auf das Geschäft haben sie „verboten“ darauf geschrieben. Das war der Grund, warum wir weggegangen sind.
LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
[…]
VP: Dieser Bruder hat jemanden getötet, dann haben uns die Behörden verständigt, dass er diesen Angriff auf unser Haus gemacht hat.
LA: Was ist bei diesem Angriff passiert?
VP: Es war im Ramadan am Abend, es hat jemand an die Tür geklopft und eine Frau hat gesagt ich bin deine Nachbarin. Dann habe ich aufgemacht und sie haben das Haus gestürmt.
LA: Wer war das?
VP: Zwei Leute sind hereingekommen haben die Waffen auf mich gerichtet und haben mich in ein Eck gedrängt, zwei Leute sind von hinten gekommen. Sie haben Geld und Gold verlangt, das wollte ich ihnen erst nicht geben, aber nachdem sie die Waffen gegen meinen Sohn gerichtet haben, habe ich ihnen alles gegeben.
LA: Wo befand sich Ihr Sohn?
VP: Ich war im Wohnzimmer, eine Tochter war im Zimmer, eine Tochter war in der Küche. Ich hatte Angst um sie. Mein Sohn hat bei mir im Wohnzimmer gesessen und hat Fernsehen geschaut.
LA: Wann war der Vorfall mit dem Raub?
VP: Das war 2012.
[…]
LA: Was können Sie mir zu dem Brand des Geschäftes Ihres Mannes erzählen? Wann war das? Wer war das?
VP: Er war acht Monate im Gefängnis ab 2013 und ist dann nachgefragt nach 8 Monaten 2014 rausgekommen und von da an hat er uns bedroht.
LA: Schildern Sie mir diese Bedrohung genauer.
VP: Er hat uns telefonisch bedroht und hat auf das Geschäft „verboten“ geschrieben.
LA: Wie oft hat er sie telefonisch bedroht?
VP: Einmal meinen Mann und einmal meinen großen Sohn. Meinen Sohn hat er 2015 bedroht und aus Folge darauf hat er auch das Geschäft abgebrannt.
LA: Wie wissen Sie, dass Ihr Schwager den Brandanschlag verübt hat?
VP: Wir wussten das nicht, aber die Behörden haben gesagt, dass er jemanden umgebracht hat, jemanden entführt hat und eine Vorgeschichte hat.
LA: Aus welchem Grund sind Sie nur mit Ihrem jüngeren Sohn geflohen?
VP: Die Mädchen sind verheiratet, sind bei ihren Männern, der große Sohn ist nach Jordanien gegangen und der kleine Sohn ist mit uns gekommen.
LA: Hätten Sie Ihren Wohnsitz auch innerhalb des Iraks verändern können?
VP: Nein, das ist eine große Miliz. Selbst wenn wir in eine andere Provinz gegangen wären, hätte diese Bedrohung nicht aufgehört.
LA: Gab es in letzter Zeit Vorfälle in Bereich Ihrer Familie (Verfolgung)?
VP: Nein. Die Mädchen sind nicht verfolgt. Die Verfolgung betraf uns. Die Mädchen leben in einer anderen Gegend mit ihren Männern.
LA: Ist nur der eine Schwager ein Mitglied der Miliz?
VP: Es gibt noch den Sohn eines anderen Bruders, der XXXX heißt.
Mein Schwager gehört nachgefragt der ASAIB Miliz an.
LA: Gab es Probleme mit XXXX ?
VP: Grundsätzlich hatten wir keine Probleme mit ihm. Sogar seine großen Brüder haben Angst vor ihm.
LA: Ihr Gatte hat noch weitere Brüder. Was ist mit ihnen?
VP: Sie sind nicht so, aber sie mischen sich nicht ein, weil sie Angst haben.
LA: Was hat Ihr Schwager Ihnen angedroht?
VP: Er hat gedroht, dass er meinen großen Sohn mit dem Messer umbringen würde.
LA: Wie wurde Ihr Gatte bedroht?
VP: Er hat gesagt, dass er das Geschäft anzünden wird, dass er unseren Sohn entführen wird und meinen Gatten selbst umbringen wird.
(…)“
In Bezug auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung zwölfjährige bP3 brachte die bP2 als gesetzliche Vertreterin vor, dass dieser Sohn keine eigenen Fluchtgründe habe und für ihn die gleichen Gründe wie für die Mutter gelten würden.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde für die bP1-3 folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (I.).
Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (III).
Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (IV.).
Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit ihrer persönlichen Situation keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Relevante Abschiebungshindernisse würden demnach nicht vorliegen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht gegeben sein und werde daher eine Rückkehrentscheidung mit der angegebenen Frist für die freiwillige Ausreise verfügt.
Gegen diese Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Eingangs wurde im Wesentlichen der Sachverhalt wiedergegeben.
In Folge wird ausgeführt, dass bP1 Schutzgeldzahlungen stets verweigert und sich immer wieder an die Polizei gewandt habe, jedoch sei ihr staatlicher Schutz nicht zuteil geworden. Sofern sich das Bundesamt vorrangig auf die Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme stützt, widerspreche dies den gesetzlichen Vorgaben. Die bP1 sei bei der Erstbefragung verzweifelt und durcheinander gewesen. Auch sei sie angehalten worden, sich kurz zu halten. Der Raubüberfall und die Zerstörung des Geschäftes 2015 seien kausal für die Ausreise gewesen. Die Verfolgungssituation durch den Bruder XXXX sei nicht wesentlich gewesen, weshalb sie diesen unerwähnt ließ. Zum Vorwurf, das bP 1 nur mutmaßte, dass deren Bruder und ein Neffe an den Angriffen auf ihre Familie beteiligt gewesen sei, sei anzumerken, dass bP 1 die beiden nicht persönlich bei den Angriffen gesehen, sondern von deren Beteiligung erst später erfahren habe. Die Drohbotschaften konnte sie aber direkt ihren Verwandten zuordnen. Der Bruder der bP wurde, wie die belangte Behörde auf S 49 festhält, auch nicht wegen dieser Delikte verurteilt. Wenn die belangte Behörde ausführt, dass es sich bei Wahrunterstellung des Vorbringens der bP um eine nicht asylrelevante private Verfolgung handeln würde, so übersieht sie dabei mehrere Punkte: Erstens seien die Asaib Ahl al-Haqq Milizen zum Teil in das staatliche Verwaltungshandeln eingegliedert und übernehmen hoheitliche Aufgaben. Zweitens könne auch private Verfolgung von Asylrelevanz sein, wenn keine staatliche Schutzfunktionen bestehen und kein Rechtsschutz möglich sei. Dies sei im Fall des Irak, dessen Verwaltung in den Länderberichten als dysfunktional bezeichnet werde, zutreffend. Drittens handle es sich bei der Verfolgung durch die Asaib Ahl al-Haqq Milizen niemals nur um eine private Verfolgung aus kriminellen Motiven. Die genannte Miliz sei nämlich ihrem Wesen nach eine religiös-politische Miliz, die die Anliegen der Schiiten und wohl auch die Anliegen des Iran vertrete. Wer von dieser Miliz verfolgt wird, dem wird von der Miliz eine oppositionelle politische bzw religiöse Gesinnung zumindest unterstellt. Daher erweist sich das Vorbringen der bP als asylrelevant. Überdies unterlasse es die belangte Behörde festzuhalten, wo die bP eine IFA finden könnten. Wenn die belangte Behörde den bP im Rahmen der Beweiswürdigung zur Rückkehr vorhält, dass diese wieder in Bagdad leben könnten, so verkennt sie Wesentliches. Ein Sohn der bP sei bereits einem Anschlag in Bagdad zum Opfer gefallen. Die bP 1 habe einen Anschlag nur durch Glück überlebt. Die übrigen bP wurden mit Waffengewalt in Bagdad überfallen. Bagdad sei der unsicherste Ort im Irak. Eine Rückkehr widerspräche den Bestimmungen zum subsidiären Schutz. Die bP können auch keinen Schutz von Seiten der irakischen Sicherheitskräfte erwarten. Für die bP bestehe daher auch keine innerstaatliche Fluchtalternative im Irak.
Beim Bundesverwaltungsgericht langten am 24.08.2017 folgende Dokumente ein:
- Schulbesuchsbestätigung der NS f. d. Schuljahr 2015/2016 bP3 betreffend
- ergänzende differenzierende Leistungsbeschreibung betreffend bP3 für das Schuljahr 2016/2017
- Kopie eines Reisepasses und eines Personalausweises von bP1
Ferner langten am 23.07.2018 folgende Dokumente ein:
- Herzschrittmacher Kontrolle des LKH G. vom 10.01.2018 bP1 betreffend
- Kurzarztbrief des LKH G. vom 16.04.2017 bP1 betreffend
- Teilnahmebestätigung Deutschkurs Alpha A0 vom 11.09.2017 bis 23.10.2017 betreffend bP2
Mit Schreiben des BVwG vom 27.11.2020 wurden die seitens der bP1 vorgelegten Schriftstücke einer Übersetzung zugeführt. Mit E-Mail vom 18.01.2021 langten die übersetzten Schriftstücke beim BVwG ein. Im Wesentlichen ergibt sich daraus,
- dass am XXXX ein Grundstück in XXXX , Bagdad verkauft wurde
- die bP1 und bP2 am XXXX geheiratet haben
- der Sohn XXXX am XXXX durch einen Terrorakt einer Autobombenexplosion im Bezirk Al-Hurria verstorben ist
- dass bP1 betreffend des Todes ihres Sohnes am 16.01.2007 eine Anzeige bei der Polizeiinspektion in XXXX erstatte hat
- dass einem Bericht der Polizeiinspektion in XXXX vom 03.12.2006 an den Untersuchungsrichter in XXXX zur Folge, am 03.12.2006 zwei Autobombenexplosionen im Bezirk XXXX stattgefunden hätten und die Aussagen der Verletzten aufgenommen wurden
- die bP1 hat am 11.08.2015 eine Klage beim Untersuchungsrichter in XXXX wegen der am 07.08.2015 durch XXXX in Brand gesetzte Lager im Bezirk XXXX , eingebracht. XXXX hat eine Nachricht an bP3 gesandt, in der er seine Zugehörigkeit zur Miliz Asaeb erwähnte
- das Haus des XXXX XXXX wurde am 15.12.2013 durch das Büro für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität durchsucht und XXXX XXXX festgenommen. Dabei wurde eine Kalaschnikov sichergestellt
- dass XXXX XXXX am 18.02.2014 vom Amt der Kriminalitätsbekämpfung über den bewaffneten Raub auf das Haus von bP1 befragt wird
- den Ermittlungsunterlagen zur Folge wird XXXX XXXX der Vorfall des Raubes auf das Haus der bP im August 2012 zur Last gelegt
- eine Aufforderung des Bezirksrichters in XXXX vom 15.04.2014, dass die Erbschaft des am 21.01.2007 verstorbenen Ammar Ali Hadi aufgeteilt wurde
- am 16.12.2013 benachrichtigte das Büro für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität den Untersuchungsrichter im Zentralgericht, dass der Festnahmeauftrag gegen den Angeklagten XXXX XXXX durchgeführt wurde, das Haus durchsucht und über die Untersuchung eine Niederschrift aufgenommen wurde. Es wurden eine Kalaschnikov, ein Magazin und Kugeln sicher gestellt. Um Bekanntgabe des Verfahrensstandes von XXXX XXXX wird ersucht
- dass XXXX im Bezirk XXXX entführt und seine Freilassung durch Lösegeld erwirkt wurde
- Festnahmeauftrag vom 12.12.2013 über XXXX XXXX , wegen der Anzeige in der Direktion für Terrorbekämpfung, organisierter Kriminalität XXXX
- einer am 31.12.2006 ausgestellten Sterbeurkunde zur Folge ist Ammar XXXX am 31.12.2006 um 10 Uhr durch eine Explosion verstorben
- der oberste Justizrat des Bundesberufungsgerichtes Bagdad XXXX hat mit Beschluss vom 22.07.2014 beschlossen, dass die Beweise für den XXXX XXXX zu Last gelegten Raubüberfall auf das Haus der bP1 am 08.08.2012 nicht ausreichten um diesen zu verurteilen.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2021 wurden die bP vom BVwG im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht gem. § 15 AsylG, § 39 Abs 2a AVG, aufgefordert Fragen zum aktuellen Stand ihres Privat- und Familienlebens in Österreich zu beantworten und Angaben zu machen, ob sich seit Einbringung der Beschwerde in Bezug auf ihre Problemlage im Herkunftsstaat eine Änderung ergeben hat. Gleichzeitig wurden sie darin aufgefordert allfällige Behauptungen zu diesen Punkten, soweit als möglich, durch Bescheinigungsmittel nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.
Die belangte Behörde wurde im gleichen Schriftsatz als Verfahrenspartei aufgefordert darzulegen inwiefern sie ihren Antrag auf Abweisung der Beschwerde, nunmehr unter Berücksichtigung der aktuellen Lage im Herkunftsstaat, zu begründen beabsichtige.
Zudem wurden den Parteien vom BVwG im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 02.06.2021 Berichte übermittelt, die das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der aktuellen asyl- und abschiebungsrelevanten Lage zugrunde legt.
Die bP1 teilte in ihrer Stellungnahme mit, dass am 17.07.2018 ihr Enkelkind entführt worden sei. Nach Zahlung von $ 30.000,00 sei dieses wieder freigelassen worden, woraufhin die Familie nach Jordanien geflüchtet sei. Sechs Monate später seien ihnen 3 Töchter ( XXXX ) gefolgt, da die Situation unerträglich geworden sei. Der letzte Wohnort sei in Bagdad, XXXX , PLZ XXXX , Hausnummer 1/4 gewesen. Der bP1 wurde ein Herzschrittmacher eingesetzt, weswegen sie Medikamente nehme. Der erlernte Beruf von bP1 sei Tischler. Sie hatte im Irak Geschäfte für Baumaterialien und für Fliesen. Sie habe einen A1 Deutschkurs besucht. Sie besitze einen Führerschein, welchen sie zum Umschreiben bei der Führerscheinstelle eingereicht habe. Sie habe in F. 5 Jahre für die Gemeinde gearbeitet, bis sie nach P umgezogen sei. Als sie nach Österreich kam, hatte sie Barmittel von $ 3165, irak. Dinar 174.750, € 1.323 und 45 türk. Lira, welche ihr nach Überprüfung wieder ausgefolgt wurden. Sie werde von der Caritas unterstützt. Sie möchte sich selbständig machen. In der Freizeit gehe sie ihren Hobbys nach. Sie hatte noch nie Probleme mit den Behörden. Sie habe seit ihrer Asylantragstellung Österreich nicht verlassen. Ihre Reisepässe und Ausweise befinden sich bei den österreichischen Behörden. Sie seien integriert und habe Freunde, denen sie manchmal hilft.
In Bezug auf die aktuelle Problemlage für die bP gab bP1 dabei an, sie können nicht in die Irak zurück, da die Miliz Almehdi Arme gefährlich sei und von der Regierung unterstützt werde.
Die bP1 legte folgende Dokumente vor:
- Bericht der Kardiologie und Intensivmedizin einer ICD Kontrolle vom 24.11.2020
- Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1.1 vom 11.09.2017 bis 24.10.2017
- Teilnahmebestätigung Deutschkurs intensiv A1 vom 03.10.2016 bis 23.12.2016
- Bestätigung der Gemeinde F, wonach bP1 länger als 5 Jahre 2 Donnerstage im Monat für die Stadtgemeinde F diverse Arbeiten im Wirtschaftshof erledigt hat
- Rezept des LKH Hochsteiermark B v. 15.01.2019
- Unterstützungsschreiben ihres Quartiergebers, 2017
Am 23.06.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP eine Verhandlung durch. Das Bundesamt blieb entschuldigt fern.
Die Befragung der bP1-3 in der Verhandlung gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
„(…)
Versorgungs- u. Wohnsituation vor der Ausreise im Hks.:
bP1:
Dem vorgelegten Grundbuchsauszug nach haben Sie ihr Haus in XXXX Mitte 2011 verkauft. Warum haben Sie damals das Haus verkauft?
Nein, das Haus habe ich nicht verkauft. Ich habe es nur verlassen. Ich wollte als Beweis einen Grundbuchauszug haben. Nachgefragt: Ich bin nach wie vor Eigentümer des Hauses, es ist aber leer.
Haben Sie in diesem Haus bis zur Flucht aus dem Irak gewohnt? Warum ausgerechnet dort?
Nein, bis 2013 oder 2014 habe ich dort gelebt. Dann habe ich in einem Miethaus in einem anderen Haus in XXXX in Bagdad gewohnt. Ich wollte dort Sicherheit haben und damit mich die Madhi Miliz dort nicht erreicht. Für sie war es schwer mich dort zu erreichen. Dieser neue Ort war eher ein sunnitisches Gebiet.
Wie weit ist das Haus in XXXX von jenem Haus in XXXX ungefähr entfernt?
Ca. 6 Kilometer.
Stehen die beiden Häuser in der Stadt Bagdad?
Ja.
Warum war es für die Madhi Miliz schwer, Sie dort zu erreichen?
Ich meinte, dass war für mich selber schwer zwischen den Sunniten zu leben. Es gab auch viele Checkpoints bis zu diesem Ort, welche die Miliz gehindert haben, dort hin zu kommen. Jetzt hat die Madhi Miliz die Macht überall und kann überall hinkommen.
Bis wie lange vor der letzten Ausreise aus dem Irak haben Sie noch gearbeitet?
Ich glaube es war bis Juni 2014, als sie mein Lager angezündet haben.
War das mit dem Lager in dem selben Jahr, als Sie aus dem Irak geflüchtet sind?
Nein, ich bin 2015 ausgereist.
Das Lager wurde also ca. ein Jahr davor, 2014, angezündet. Stimmt das?
Ja, stimmt.
Wurde noch ein weiteres Mal das Lager von Ihnen angezündet?
Nein, nur einmal.
________________________________________
Ausreise:
Hat Sie bei der letzten Ausreise aus dem Irak jemand finanziell unterstützt?
Nein, damals hatte ich noch Schulden bei der Bank im Irak in Höhe von ca. 54 000 EUR für die spanische Fabrik XXXX . Ich habe das Geld dann schon bezahlt und dann reiste ich aus. Ich versuchte weiter die verbrannte Ware in meinem Lager zu verkaufen, aber das funktionierte nicht. Nachgefragt: In Spanien besitze ich nichts, aber ich habe die Ware immer wieder von Spanien gekauft.
Mit wem von Ihrer Familie sind Sie 2015 in die Türkei geflogen?
Mit meiner Frau und meinem Sohn.
Gab es am Flughafen in Bagdad ein Problem bei der Ausreise?
Nein, weil die Madhi Miliz damals noch nicht so viel Macht hatte und sie haben auch nicht geglaubt, dass ich den Irak verlassen werde.
Haben Sie in der Türkei bei türkischen Behörden oder UNHCR um Schutz angesucht? Wenn nein, warum nicht?
Nein, weil ich Angst hatte, dass sie mich dort erreichen und einer der zu dieser Bande gehört, war auch mein Bruder.
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Aktuelles soz. Umfeld im Hks.:
Clan/Stammeszugehörigkeit
Gehören Sie und Ihre Ehegattin in Ihrem Herkunftsstaat einem Stamm an? Wenn ja, wie viele Mitglieder hat dieser und wo leben diese überwiegend? Sind dies Sunniten oder Schiiten oder beide oder ev. auch andere Konfessionen vermischt?
Ja, dem Klan XXXX Meine Ehegattin gehört zu XXXX . Mein Klan hat vielleicht 500 000 Mitglieder. Sie würden vielleicht nachfragen, wie mich mein Stamm nicht schützen könnte im Irak. Der Klan XXXX besteht aus Sunniten und Schiiten. Sie leben in Mosul, Babil und Bagdad.
Familienangehörige
Beim Bundesamt haben Sie Angaben über Familienangehörige und deren Aufenthaltsort gemacht.
Wo leben diese aktuell, wie sind deren Wohn- und Eigentumsverhältnisse und wie finanzieren diese derzeit ihr Leben? Haben Sie zu diesen seit der Ausreise Kontakt? Wenn ja, berichten diese über Probleme?
Eigene Kinder:
Sohn XXXX : Lebt in Jordanien, vor unserer Ausreise 2015, wegen der gleichen Lage die wir dort erlebt haben, er hat geheiratet, er bekam Drohungen auf sein Handy, er ist aus Angst ausgereist, er war ein wichtiger Angestellter beim Unterrichtsministerium. Nachgefragt warum sich mein Sohn für Jordanien als Fluchtort entschied gebe ich an, wegen der arabischen Sprache und damit er dort gleich arbeiten kann. Seine Frau hatte auch Einfluss auf ihn.
Tochter XXXX : lebt seit Juli 2018 in Jordanien, vorher lebte sie in Bagdad, aber in einem anderen Stadtviertel nicht im selben wie wir, meine vier Töchter haben den Irak verlassen, ein Sohn meiner Tochter XXXX wurde entführt und sie hat 30 000 USD für die Freilassung bezahlt.
Tochter XXXX : lebt in Jordanien.
Tochter XXXX : lebt in Jordanien.
Eltern:
Mutter: ist 2019 verstorben.
Geschwister:
Bruder XXXX : Ist verstorben.
Bruder XXXX : lebt in Bagdad, XXXX und XXXX betreiben Fliesenlegen und verkaufen Baustellenmaterial, sie waren damals meine Mitarbeiter, jetzt wurden sie Händler.
Bruder XXXX : lebt in Bagdad, er ist psychisch krank, aber lebt bei einer von meinen Schwestern.
Bruder XXXX : lebt in der Türkei mit seiner Familie.
Bruder XXXX : lebt in Bagdad.
Bruder XXXX : lebt in Bagdad, er ist Textilverkäufer, er ist zwar Ingenieur, aber verkauft Textilware.
Bruder XXXX : lebt in Frankreich.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu den oben angeführten Brüdern?
Ich habe keinen Kontakt zu ihnen, sie versuchten über XXXX mich zu erreichen, aber diesen Kontakt habe ich auch abgebrochen. Nachgefragt warum gebe ich an, dass ich früher einen guten Kontakt zu ihnen hatte, bis auf XXXX . Nachdem ich diese Lage gesehen habe, habe ich einfach den Kontakt abgebrochen. Ich will nicht, dass sie von mir etwas wissen.
Bruder XXXX : lebt in Bagdad, er ist ein Milizenführer der Madhi Miliz. Nachgefragt ob ich aktuelle Informationen über ihn habe gebe ich an, dass ich ab und zu auf Facebook schaue. Ich lese nur etwas über ihn auf Facebook.
2 Schwestern: ( XXXX ): leben in Bagdad.
Stehen Sie seit der Ausreise noch mit irgendjemanden im Irak noch in Kontakt?
Nein.
Verwandte:
Wo leben in Ihrem Heimatstaat Verwandte von Ihnen?
Ich habe mehrere Cousins, welche in Bagdad und anderen Provinzen leben. Meine Tanten und Onkeln sind bereits verstorben, ich habe aber mehrere Cousins.
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Zum Zeitpunkt der Verhandlung von der beschwerdeführenden Partei persönlich erwartete Rückkehrprobleme im Herkunftsstaat:
Erwarten Sie aktuell bei einer Rückkehr in Ihre Herkunftsregion im Herkunftsstaat noch Probleme? Wenn ja, geben Sie bitte detailliert und vollständig alle Probleme an, die Sie persönlich für sich derzeit bei einer Rückkehr erwarten würden.
Im Irak kann ich nicht mehr leben, dort sind viele Milizen, die Menschen töten und Besitze überfallen bzw. wegnehmen. Das Leben für mich und meinen Sohn steht im Irak in Gefahr. Damals war unser Name nicht am Flughafen registriert, aber jetzt bin ich mir sicher, dass er dort registriert ist.
(Ende der freien Rede)
Vorhalte / Fragen:
Wieso können Ihre Brüder im Irak in Bagdad unbehelligt leben und Sie und Ihre Familie nicht?
Ich habe meine eigenen Fluchtgründe, die ich bereits erzählt habe. Das alles steht bei meiner letzten Einvernahme. Die allgemeine Lage im Irak ist sehr schlecht und jeder verlässt den Irak, wenn er kann.
Ihre Ehegattin hat im Asylverfahren angegeben, dass ihr die Personen die sie zu Hause 2012 überfallen haben unbekannt waren. Sie haben die Anzeige gegen unbekannte Täter erstattet. Im Mai 2014 haben Sie Ihren Bruder XXXX beschuldigt. Wie kamen Sie darauf, dass Ihr Bruder XXXX darin verwickelt war?
Die Kräfte von einer Terrorbekämpfungsgruppe haben ihn damals festgenommen, das war wegen einem anderen Vorfall. Bei der Festnahme gab er zu, dass er beim Vorfall meines Hauses 2012 beteiligt war.
Hatten Sie nach dem Urteil im Juli 2014 bis zur Flucht im Irak im September 2015 noch irgendwelche sicherheitsrelevanten Probleme?
Mein Lager wurde angezündet, wie ich bereits sagte. Jemand hat auch auf mein Haus geschossen. Auch einer meiner Neffen hat sich der XXXX -Gruppe angeschlossen. Ich habe sie angezeigt und am gleichen Tag am Abend haben sie auf mein Haus geschossen.
Erzählen Sie mir bitte genauer wie dieses Ereignis, wo auf Ihr Haus geschossen wurde, abgelaufen ist:
Ich habe sie in der Früh angezeigt, am Abend waren viele Schüsse auf mein Haus. Man konnte auch die Fenster nicht aufmachen, da die Schüsse von 5 oder 6 Waffen zu hören waren. Wir, die ganze Familie, gingen zu Boden, damit uns nichts passiert.
Was haben Sie getan, nachdem die Schüsse aufhörten?
Ich habe nichts getan, ich wollte nur weg.
Haben Sie wegen des Beschusses vom Haus auch Anzeige erstattet?
Nein.
Warum nicht?
Es gibt keine Gesetze dort. Ich frage mich selber, weil ich in der Früh eine Anzeige machte, woher sie das wussten, da sie am selben Abend auf mein Haus geschossen haben.
Ist es richtig, dass ein Schwiegersohn von Ihnen im Irak Rechtsanwalt ist?
Ja, der Mann meiner Tochter XXXX . Sie haben den Irak aber schon verlassen.
Wie sind Sie in Besitz der gesamten Gerichtsunterlagen gekommen, welche Sie im Asylverfahren vorgelegt haben?
Ich habe es damals von der Polizei bekommen, bei der Anzeige bekam ich eine Kopie.
Wie kamen Sie darauf, dass Ihr Bruder XXXX das Lager angezündet hat?
Mein Neffe XXXX hat meinen Sohn Samer gedroht, das Lager anzuzünden und dieser Neffe arbeitet mit XXXX . Ich muss selber ein Verbrecher wie sie werden, damit ich im Irak leben kann. Ich will kein Verbrecher werden.
Warum sind Sie nicht schon nach dem Raubüberfall im Jahr 2012 geflüchtet?
Damals hatte ich keine Probleme und wusste nicht wer mein Haus überfallen hat. Erst nach Jahren erfuhr ich davon.
War Ihre gesamte Familie durch den Bruder XXXX gefährdet?
Ja, weil meine Frau hat damals eine Aussage gegen XXXX gemacht.
Warum verblieben Ihre anderen Kinder nach Ihrer Ausreise noch länger im Irak?
Meine Töchter waren mit ihren Männern verheiratet, sie lebten in anderen Orten. Sie sind dann geflüchtet, als es für sie gefährlich wurde. XXXX hat vor mir den Irak verlassen. Der Sohn von meiner Tochter XXXX wurde entführt.
Wiederholte Aufenthalte in Beirut:
Ihren vorgelegten Bescheinigungsmitteln ist zu entnehmen, dass Sie wiederholt in Beirut zur medizinischen Behandlung waren. Haben Sie die Behandlung dort jeweils selbst bezahlt?
Ja, ich war in einem privaten Krankenhaus.
Waren Sie im Jahr der Flucht 2 Mal in Beirut? Ein Befund stammt nämlich vom 16.03.2015, der andere vom 28.04.2015.
Nein, 2011 und 2014 war ich in Beirut wegen einer Operation.
Ihren Unterlagen nach stammt ein Befund vom 16.03.2015 (AS 179), ein weiterer Befund stammt ebenfalls aus Beirut vom 28.04.2015 (AS 219).
Nein, 2015 war ich nicht in Libanon. Ich war nur 2014 und 2011 dort. Es kann sein, dass die Berichte aus Österreich oder Bagdad sind.
Richter zitiert aus dem Aktenbescheinigungsmittel, dass beide zu diesem Zeitpunkt in Beirut ausgestellt wurden.
Ich habe mich geirrt zwischen April und 2014, weil April der vierte Monat ist. Ich war aber im April 2015 in Beirut. Nachgefragt gebe ich an, dass ich einmal in Beirut war, aber das hat lange gedauert mit der Operation von meinem Fuß.
Waren Sie 2015 alleine in Beirut?
Nein, meine Frau war mit. Nachgefragt wo XXXX in dieser Zeit war gebe ich an, dass er bei seinen Schwestern in Bagdad blieb.
Warum kehrten Sie dabei wieder nach Bagdad zurück, im April 2015, wenn es im Irak so gefährlich für Sie war?
Ich hatte keine Hoffnung mehr zu überleben, weil mein Fuß schwarz wurde und meine Operation schwer war. Sie wollten mir damals den Fuß abnehmen.
Warum sind Sie im September 2015 nicht in den Libanon geflüchtet?
Die Täter im Irak könnten in die Nachbarländer kommen und mich dort finden.
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Aktueller Gesundheitsstatus.:
Sind Sie derzeit wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Österreich in medizinischer Behandlung?
Ich habe einen Herzschrittmacher. Ich habe ein bis zwei Mal im Jahr eine Kontrolle deswegen. Nachgefragt, ich habe den Herzschrittmacher erst in Österreich bekommen. Trotzdem arbeite ich 9 Stunden für die Gemeinde. Ich habe 5 Jahre in Fronleiten gearbeitet. Ich habe dafür von der Gemeinde Taschengeld bekommen.
P legt vor:
-drei Auszahlungsbescheinigungen der Marktgemeinde XXXX
Verstehe ich das richtig, dass Sie aktuell erwerbsfähig sind und auch körperliche Arbeiten verrichten können?
Ja, richtig. Möchten Sie ein Video sehen, welches zeigt wie ich arbeite?
RI verzichtet auf Besichtigung des Videos, da dies außer Streit steht.
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Rückkehrentscheidung:
Sie haben über Aufforderung des BVwG bereits schriftlich Fragen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich beantwortet. Diese Stellungnahme wird zum Inhalt dieser Verhandlungsschrift erklärt.
Gibt es seither etwas Neues, dass sie diesbezüglich vorbringen oder bescheinigen wollen?
Nein.
Woher nehmen Sie das Geld für den Rechtsanwalt?
Ich habe keinen privaten Anwalt, das ist von der Landesregierung oder Hilfsorganisationen, Diakonie. Ich weiß es nicht.
Frage bzw. Aufforderung auf Deutsch:
Erzählen Sie mir bitte etwas über sich selbst:
Arbeiten (P spricht auf Arabisch): Ich verstehe nicht alles genau was Sie sagen, ich verstehe, dass Sie sagen, was ich arbeite.
Richter stellt fest, dass seiner Ansicht nach die Sprachkenntnisse unterhalb des Niveau A1 liegen.
Ich beabsichtige meine Befragung zu beenden. Wenn Sie glauben etwas Wichtiges zu Ihrem