Entscheidungsdatum
07.12.2021Norm
AVG §13 Abs2Spruch
W227 2248107-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX als Erziehungsberechtigter des mj. XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 4. Oktober 2021, Zl. 9131.103/0079-Präs3a1/2021, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Am 4. September 2021 (einem Samstag) zeigte der Beschwerdeführer bei der Bildungsdirektion für Wien die Teilnahme seines mj. schulpflichtigen Sohn an häuslichem Unterricht an.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bildungsdirektion für Wien die Anzeige zur Teilnahme an häuslichem Unterricht gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz (SchPflG) i.V.m. § 56 Abs. 1 Wiener Schulgesetz wegen Verspätung zurück (Spruchpunkt I.), ordnete an, dass der schulpflichtige Sohn des Beschwerdeführers seine Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatten Schule i.S.d. § 5 SchPflG zu erfüllen habe (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer als Erziehungsberechtigter gemäß § 24 Abs. 1 SchPflG verpflichtet sei, im Schuljahr 2021/2022 für die Erfüllung der Schulpflicht seines Sohnes an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule i.S.d. § 5 leg. cit. zu sorgen habe (Spruchpunkt III.) und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aus (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die Bildungsdirektion für Wien im Wesentlichen aus, dass die Teilnahme an häuslichem Unterricht der Bildungsdirektion vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen sei. Im Schuljahr 2021/2022 habe das Schuljahr in Wien am 6. September 2021 begonnen. Die Amtsstunden der Bildungsdirektion für Wien ergäben sich aus der im Internet abrufbaren Homepage der Bildungsdirektion für Wien sowie deren Amtstafel, wo jeweils Beginn und Ende der Amtsstunden kundgemacht seien. Die Frist zur Einbringung der Anzeige zur Teilnahme an häuslichem Unterricht habe demnach am Freitag, 3. September 2021 um 15:30 Uhr geendet. Die Anzeige zur Teilnahme an häuslichem Unterricht für den schulpflichtigen Sohn des Beschwerdeführers sei jedoch erst am 4. September 2021 übermittelt und daher verspätet eingebracht worden.
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen ausführt:
Sein Sohn befinde sich bereits seit dem Schuljahr 2018/2019 im häuslichen Unterricht und der Erfolg des häuslichen Unterrichts widerspiegle sich in sehr guten Schulnoten.
Die Anzeige sei nach bestem Wissen und Gewissen vor Schulbeginn eingebracht worden, nämlich am 4. September 2021. Schulbeginn sei in Wien im Schuljahr 2021/2022 erst am 6. September 2021 gewesen.
Im Gesetz werde nicht darauf hingewiesen, ob es sich bei der Einbringung vor Schulbeginn um Wochen- oder Werktage handle. Außerdem sei die Anzeige nur vor Schulbeginn einzubringen, diese müsse nicht auch bereits vor Schulbeginn bei der Behörde einlangen.
Die Amtsstunden der Bildungsdirektion für Wien seien auf der Homepage direkt unter „Externistenprüfungen-Privatschule“ bzw. „häuslicher Unterricht“ nicht unter „Amtsstunden“, sondern unter „Amtskassa“ ausgewiesen.
4. Am 9. November 2021 legte die Bildungsdirektion für Wien dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
XXXX ist am XXXX geboren und damit schulpflichtig. Er hat seinen dauernden Aufenthalt in Österreich.
Die Amtsstunden der Bildungsdirektion für Wien sind im Zeitraum von Montag bis Freitag (ausgenommen gesetzliche Feiertage), jeweils von 07:30 bis 15:30 Uhr festgelegt. Schriftliche Ansuchen werden ausschließlich während der Amtsstunden entgegengenommen, außerhalb der Amtsstunden eingebrachte Anbringen gelten erst mit Wiederbeginn der nächsten Amtsstunde als eingebracht.
Das Schuljahr 2021/2022 hat in Wien am 6. September 2021 begonnen.
Erst am Samstag, dem 4. September 2021 zeigte der Beschwerdeführer für seinen Sohn XXXX die Teilnahme an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 bei der Bildungsdirektion für Wien per E-Mail an.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unstrittigen Verwaltungsakt und der am 7. Dezember 2021 unter Kontakt,Bildungsdirektion Wien (bildung-wien.gv.at) abgerufenen Website der Bildungsdirektion für Wien.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchpunkt A)]
3.1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.
Gemäß § 3 SchPflG dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.
Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.
Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß § 11 Abs. 3 erster Satz SchPflG haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Schulzeitgesetz beginnt das Schuljahr im Bundesland Wien am ersten Montag im September und dauert bis zum Beginn des nächsten Schuljahres.
Gemäß § 33 Abs. 4 AVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.
Gemäß § 13 Abs. 2 AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.
3.1.2. Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (siehe etwa VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 01.09.2017, Ra 2016/03/0055, jeweils m.w.N.). Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die „Sache“ des bekämpften Bescheides im Sinne des § 27 VwGVG (siehe VwGH 16.03.2016, Ra 2015/04/0042; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077).
Beschwerdegegenstand ist fallbezogen die Zurückweisung der Anzeige des Beschwerdeführers vom 4. September 2021.
Wie sich aus § 11 Abs. 3 SchPflG ergibt, ist die Teilnahme eines Kindes an häuslichem Unterricht für jedes neue Schuljahr der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen.
Bei der Frist des § 11 Abs. 3 SchPflG handelt es sich um eine gesetzliche Frist, die von der Behörde nicht verändert – insbesondere nicht erstreckt – werden kann (siehe Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014] § 33 Rz 11 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). So gebietet es das Interesse der Schulverwaltung an einer entsprechenden organisatorischen Vorsorge, aber auch das Interesse des Kindes an einem geordneten Unterricht, die Teilnahme an häuslichem Unterricht zu einem möglichst frühen Zeitpunkt – spätestens allerdings noch vor Beginn des Schuljahres – der Bildungsdirektion anzuzeigen. Eine verspätete Anzeige ist daher zurückzuweisen (siehe Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage 2015, FN 6a zu § 11 SchPflG mit Hinweis auf VwGH 28.09.1992, 92/10/0160; siehe zusätzlich VwGH 20.06.1994, 94/10/0061).
Bei schriftlichen Anbringen sind grundsätzlich die – im Internet und an der Amtstafel kundzumachenden – Amtsstunden zu beachten: nur während dieser ist die Behörde zur Entgegennahme der Anbringen bzw. zur Empfangsbereithaltung von Empfangsgeräten verpflichtet. Sofern die Behörde Anbringen außerhalb der Amtsstunden bzw. Parteienverkehrszeiten entgegennimmt, sind diese rechtsgültig eingebracht. Die Bereitschaft zur Annahme außerhalb der festgesetzten Zeiten wird grundsätzlich anzunehmen sein, wenn die Behörde Empfangsgeräte in Betrieb belässt bzw. einen Einlaufkasten bereitstellt. Diesfalls gelten fristgebundene Anbringen auch außerhalb der festgesetzten Zeiten noch als fristwahrend eingebracht, sofern sie vor Ende der Frist eingebracht werden. Die Behörde kann ihre Annahmebereitschaft jedoch ausschließen. Dies kann sie gemäß § 13 Abs. 2 AVG entweder im Internet kundmachen oder durch einen entsprechenden Hinweis auf dem Einlaufkasten bewirken. Diesfalls gilt das Anbringen erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (siehe etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 11. Auflage, Rz 157 mit Hinweis auf VwGH 23.01.2018, Ra 2017/05/0296). Darin liegt keine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz, ist doch durch die Kundmachung im Internet sichergestellt, dass sich die Parteien über die Voraussetzungen für ein rechtzeitiges Einlangen ihrer Anbringen umfassend informieren können (siehe dazu etwa VwGH 19.09.2016, Ra 2016/11/0098; 23.05.2012, 2012/08/0102).
Dass auch eine Pflicht für unvertretene, rechtsunkundige Parteien besteht, sich derartige Informationen zu beschaffen, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Irrtümern in Wiedereinsetzungsverfahren bereits wiederholt dargelegt (siehe etwa VwGH 12.07.2012, 2012/02/0146, 0147, m.w.N.).
3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Die Bildungsdirektion für Wien machte gemäß § 13 Abs. 2 zweiter Satz AVG im Internet unter der Rubrik „Kontakt“ u.a. ausdrücklich bekannt, dass ihre Amtsstunden im Zeitraum von Montag bis Freitag (ausgenommen gesetzliche Feiertage), jeweils von 07:30 bis 15:30 Uhr festgelegt sind, und dass außerhalb der Amtsstunden eingebrachte Anbringen erst mit Wiederbeginn der nächsten Amtsstunde als eingebracht gelten.
Durch diese Kundmachung im Internet stellte die Bildungsdirektion für Wien sicher, dass sich die Parteien über die Voraussetzungen für ein rechtzeitiges Einlangen ihrer Anbringen umfassend informieren können.
Das Schuljahr 2021/2022 hat in Wien am 6. September 2021 begonnen.
Aufgrund der kundgemachten Amtsstunden der Bildungsdirektion für Wien wäre eine Anzeige zum häuslichen Unterricht fristwahrend bis zum Freitag, 3. September 2021, 15:30 Uhr, einzubringen gewesen.
Unstrittig zeigte der Beschwerdeführer jedoch erst am Samstag, 4. September 2021 per E-Mail die Teilnahme seines Sohnes an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2021/2022 an. Sie gilt damit erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am Montag, 6. September 2021, um 07:30 Uhr als eingebracht. Damit langte sie erst nach Beginn des Schuljahres 2021/2022 bei der Bildungsdirektion für Wien ein.
Sie ist daher verspätet und war zu Recht von der Bildungsdirektion für Wien als verspätet zurückzuweisen.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Ein gesonderter Abspruch über die aufschiebende Wirkung erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung. Abgesehen davon stellte der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]
3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass hier die Anzeige zur Teilnahme an häuslichem Unterricht als verspätet zurückzuweisen ist, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
allgemeine Schulpflicht Amtsstunden Anzeigepflicht Frist häuslicher Unterricht öffentliche Schule Schuljahr verspätete Anzeige ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W227.2248107.1.00Im RIS seit
07.01.2022Zuletzt aktualisiert am
07.01.2022