TE Vfgh Erkenntnis 1994/11/28 B19/94, B20/94

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Veröffentlicht am 28.11.1994
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art83 Abs2
RundfunkG §28

Leitsatz

Aufhebung zweier Bescheide der Rundfunkkommission wegen Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgrund unrichtiger personeller Besetzung der entscheidenden Kollegialbehörde

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 36.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mag. F G wandte sich mit einer Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita Rundfunkgesetz (RFG), die am 13. Oktober 1993 bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (RFK) einlangte, gegen die Berichterstattung über den Vertrag von Maastricht in der Fernsehsendung "Zeit im Bild" (ZiB) vom 12. Oktober 1993 um

19.30 Uhr sowie in der Sendung "Mini-ZiB".

Die RFK wies diese Beschwerde mit ihrem Bescheid vom 10. November 1993, Z562/6-RFK/93, wegen Mangels der Antragslegitimation zurück.

1.1.2. Gegen diesen Bescheid ergriff Mag. F G Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG, in welcher er die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptete und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrte. Diese Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof zu B20/94 protokolliert.

1.2.1. Mit einer weiteren Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita RFG, die bei der RFK am 3. November 1993 einlangte, wandte sich Mag. F G gegen Details der Berichterstattung über den beabsichtigten Beitritt Österreichs zur EG in der Fernsehsendung "Wurlitzer" vom 29. Oktober 1993.

Die RFK wies diese Beschwerde mit ihrem Bescheid - gleichfalls - vom 10. November 1993, Z562/5-RFK/93, wegen fehlender Antragslegitimation zurück.

1.2.2. Auch gegen diesen Bescheid ergriff Mag. F G Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG, in welcher er die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend machte und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrte. Diese Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof zu B19/94 protokolliert.

1.3. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten beider Verfahren vor, verzichtete aber darauf, Gegenschriften zu erstatten.

2. Über die - gemäß §187 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden wurde erwogen:

2.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug iSd Art144 Abs1 Satz 2 B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. zB VfGH 27.9.1993 B1121/92).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, sind die Beschwerden zulässig.

2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG (auch) durch die unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (vgl. VfSlg. 11108/1986, 11336/1987, 11338/1987).

2.2.2. §28 Abs1 und 2 RFG lauten:

"(1) Zur Entscheidung über die während eines Zeitraumes von drei Monaten einlangenden Beschwerden werden jeweils zu Jahresbeginn Senate, bestehend aus fünf Mitgliedern, gebildet. Drei Mitglieder der Senate werden aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder der Kommission und je ein weiteres Mitglied wird aus dem Kreis der vom Zentralbetriebsrat sowie von der Hörer- und Sehervertretung vorgeschlagenen Mitglieder der Kommission vom Vorsitzenden der Kommission in Anwesenheit des Vorsitzenden-Stellvertreters sowie eines Beamten des Bundeskanzleramtes als Schriftführer durch das Los bestimmt. Für jedes Mitglied eines Senates ist nach dem gleichen Verfahren ein Ersatzmitglied zu bestellen, das im Falle der Verhinderung des Mitgliedes während des Verfahrens an dessen Stelle tritt.

(2) Den Vorsitz im Senat führt der Vorsitzende der Kommission, sofern er ihm angehört, ansonsten der Vorsitzende-Stellvertreter. Ist auch dieser nicht Mitglied des Senates, so ist der Senatsvorsitzende von dem Senat aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder zu wählen."

Die RFK legte über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs das Protokoll über die "Senatszusammensetzung im Jahre 1993" vor; es sieht vier Senate vor, von denen der Senat III/93 "für die in der Zeit vom 25. Juli 1993 bis 24. Oktober 1993 einlangenden Beschwerden" zuständig war; der Senat IV/93 war entsprechend für Beschwerden zuständig, "die in der Zeit vom 25. Oktober 1993 bis 24. Jänner 1994" einlangen würden.

Für die bei der RFK am 13. Oktober 1993 eingelangte Beschwerde (betreffend ZiB und Mini-ZiB) war somit der Senat III/93, für die am 3. November 1993 eingelangte Beschwerde (betreffend die Sendung "Wurlitzer") der Senat IV/93 zuständig.

Der Senat III/93 setzte sich aus den richterlichen Mitgliedern Dr. J (Ersatzmitglied Dr. K), Dr. J (Dr. F) und Dr. H (Dr. A) und den nichtrichterlichen Mitgliedern Dr. B (Prof. F) und Dr. P (R) zusammen. Entsprechend bestand der Senat IV/93 aus den richterlichen Mitgliedern Dr. F (Dr. A), Dr. J (Dr. H) und Dr. F (Dr. K) und den nichtrichterlichen Mitgliedern E (Dr. M) und Dr. S (Dr. M).

2.2.3.1. Dem Verwaltungsakt ist zu entnehmen, daß zunächst die Mitglieder des Senats III/93 in der geschilderten Zusammensetzung von der Beschwerde, die am 13. Oktober 1993 eingelangt war, in Kenntnis gesetzt wurden. Ein späterer Aktenvermerk lautet:

"Dr. V wird an der Verhandlung teilnehmen, da sowohl Dr. J und auch sein Ersatzmitglied Dr. F verhindert sind. Dr. H wird vertreten durch Dr. A, da sie sich bei der Terminvereinbarung im Krankenstand befand und eine Genesung nicht absehbar war. Dr. B wird vertreten durch sein Ersatzmitglied Dr. F, da er ebenfalls zu dem genannten Termin verhindert ist. Der Senat setzt sich daher aus folgenden Mitgliedern zusammen: Dr. J, Dr. V, Dr. A, Dr. F, Dr. P."

In dieser Zusammensetzung wurde mit dem Bescheid vom 10. November 1993, Z562/6-RFK/93, über die Beschwerde betreffend ZiB und Mini-ZiB entschieden.

2.2.3.2. Am 4. November 1993 wurde die am Vortag eingelangte zweite Beschwerde den Mitgliedern des Senats III/93 übermittelt; es wurde angekündigt, daß die mündliche Verhandlung darüber im Anschluß an die zur ersten Beschwerde anberaumte Verhandlung stattfinden werde. Tatsächlich entschied dann ein Senat, der aus Dr. A, Dr. H, Dr. V, Dr. P und Prof. F bestand.

2.2.4. An der Erlassung des erstgenannten Bescheids (zu B20/94 angefochten) war somit Dr. V beteiligt, der dem Senat III/93 weder als Mitglied noch als Ersatzmitglied angehörte.

An der Erlassung des zweiten Bescheids (zu B19/94 angefochten) hat kein einziges Mitglied und haben nur zwei Ersatzmitglieder des zuständigen Senats IV/93 (Dr. A und Dr. H) mitgewirkt.

2.2.5. Daraus folgt, daß die hier entscheidende Kollegialbehörde in unrichtiger personeller Besetzung einschritt. Der Beschwerdeführer wurde daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt; auf das Beschwerdevorbringen braucht im einzelnen nicht mehr eingegangen zu werden.

Die RFK wies in den Vorlageschriftsätzen darauf hin, daß die Bildung vollständiger, dem RFG entsprechend zusammengesetzter Senate innerhalb der vom RFG gebotenen Fristen "schwer möglich" sei. Es sei daher üblich, im Falle der Verhinderung eines Mitglieds und seines Ersatzmitglieds auf ein anderes Mitglied der Kommission zurückzugreifen, dabei aber darauf zu achten, daß drei Senatsmitglieder dem Richterstand und je ein weiteres Mitglied aus dem Kreis der vom Zentralbetriebsrat und der von der Hörer- und Sehervertretung vorgeschlagenen Mitglieder entnommen würden.

Damit behauptet die RFK nicht einmal, die erkennenden Senate seien gesetzmäßig zusammengesetzt gewesen; vielmehr legt sie nur dar, weshalb - ihrer Ansicht nach - die Regelungen des RFG unzweckmäßig sind.

2.3. Die angefochtenen Bescheide waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils 3.000 S, zusammen 6.000 S, enthalten.

2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Rundfunk, Rundfunkkommission, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B19.1994

Dokumentnummer

JFT_10058872_94B00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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