Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Februar 1996, Zl. MD-VfR-B XVIII-28-35/95, betreffend Parteistellung in einem Bauverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich des mit Bescheid vom 24. Februar 1994 bewilligten Vorhabens der Errichtung eines Wohnhauses mit einem Kellergeschoß, Erdgeschoß, erster Stock sowie erstes und zweites Dachgeschoß für acht Wohnungen und eine Büroeinheit (Haus 1) und eines Einfamilienhauses (Haus 2) auf der Liegenschaft EZ 387, KG X, wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tage, Zl. 94/05/0174, verwiesen.
Gegenstand des Bauansuchens der M-GesmbH vom 1. August 1994 ist das Ansuchen um Planwechsel, betreffend im wesentlichen das Haus 2 (Einfamilienhaus, dessen Errichtung mit dem oben genannten Bescheid bewilligt worden war). Begehrt wurde eine Abänderung insoferne, als das Stiegenhaus von der rechten Grundgrenze abgerückt und in der linken vorderen Ecke ein gedeckter Vorplatz geschaffen werden soll. Weiters werde die hintere Längswand im ersten Stock und im Dachgeschoß 30 cm stark ausgeführt und die Raumeinteilung abgeändert. Im Dachgeschoß sollen zwei zusätzliche Gaupen angeordnet werden. Beim Haus 1 soll die Außenmauer der Tiefgarage von der linken Grundgrenze um 40 cm abgerückt und als 30 cm starke Stahlbetonwand ausgeführt werden.
Diese Abweichung genehmigte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (im folgenden: MA 37), mit Bescheid vom 6. April 1995. Die Nachbarn wurden diesem Verfahren nicht beigezogen.
Mit Schriftsatz vom 3. Mai 1995 beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung der Parteistellung und die Zustellung des Bewilligungsbescheides. Die Errichtung einer Gaupe würde Nachbarinteressen beeinträchtigen; die zulässige Gebäudehöhe würde überschritten werden.
Den Antrag "zur Erlangung der Parteistellung" und auf Bescheidzustellung wies die MA 37 mit Bescheid vom 7. Juni 1995 ab. Bei den mit Bescheid vom 6. April 1995 bewilligten Maßnahmen handle es sich um Änderungen im Hausinneren des Hauses 2 und Aufbauten im Dachgeschoß; bei den Aufbauten handle es sich um zulässige raumbildende Gebäudeteile im Sinne des § 81 Abs. 6 Bauordnung für Wien (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1992; im folgenden: BO). Die im § 134a BO aufgezählten subjektiv öffentlichen Nachbarrechte würden nicht verletzt werden, weshalb eine mündliche Verhandlung nicht zwingend notwendig sei.
In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, bei Beurteilung der Parteistellung gemäß § 134 Abs. 3 zweiter Satz BO komme es nur darauf an, daß die Rechtssphäre des Nachbarn berührt werde. Entscheidend sei allein die abstrakte Möglichkeit der Rechtsverletzung. Aufgrund des Nachbarrechtes auf Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe bestehe auch ein Rechtsanspruch auf Einhaltung der Bestimmung des § 81 Abs. 6 BO. Der vorgenommene Aufbau könne nicht mehr als "Gaupe" angesehen werden. Um Aufzugstriebwerksräume und Stiegenhäuser im unbedingt notwendigen Ausmaß könne es sich nicht handeln, weil seinerzeit die Bewilligung ohne derartigen Aufbau erteilt wurde.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 BO vor, die ihm zugewandte Front des verfahrensgegenständlichen Baues, an dem die Fassadenänderung vorgesehen sei, sei über 37 m von der gegenüberliegenden Straßenfront entfernt. Es komme daher keine Berührung von subjektiv öffentlichen Rechten des Beschwerdeführers in Betracht. Dem entgegnete der Beschwerdeführer, es komme im Hinblick auf sein aus § 134a lit. b BO resultierendes Nachbarrecht nicht darauf an, ob und welche Distanz zu dem in Frage stehenden Gebäudeteil zwischen seiner Liegenschaft und der des Nachbarn bestehe. Außerdem bewirkten die bewilligten Baumaßnahmen eine Gebäudeerhöhung.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides insofern ab, daß anstelle der Worte "zur Erlangung der Parteistellung" nunmehr die Worte "auf Feststellung der Parteistellung" zu treten hätten; im übrigen wurde die Berufung abgewiesen und der angefochtene Bescheid in der abgeänderten Form bestätigt. Die belangte Behörde verwies auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Nachbar ausschließlich hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften über die Gebäudehöhe an der jeweils seinem Grundstück zugekehrten Front ein subjektiv-öffentliches Recht habe. Daher könne nur hinsichtlich der Nordansicht des gegenständlichen Gebäudes ein Rechtseingriff gegeben sein.
Diese Nordfassade befinde sich ca. 32 m hinter der Straßenfront des Hauses 1 zur H-Gasse; das Grundstück des Beschwerdeführers sei auf der gegenüberliegenden Seite der H-Gasse situiert und zwar schräg gegenüber, sodaß sich lediglich die verlängerte Grundgrenze des Grundstückes des Beschwerdeführers auf ca. 6 m mit dem verfahrensgegenständlichen Grundstück überschneide. Aufgrund der großen Entfernung des betroffenen Baues von der Liegenschaft des Beschwerdeführers (über 37 m - dazu komme noch die Breite der Verkehrsfläche -) könnten subjektiv öffentliche Nachbarrechte des Beschwerdeführers nicht berührt werden. Aus § 134 Abs. 3 BO lasse sich erkennen, daß Verkehrsflächen über 20 m Breite bereits eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten des gegenüberliegenden Nachbarn ausschließen. Auch die Lage des Grundstückes des Beschwerdeführers schräg gegenüber lasse keine Berührung seiner subjektiv öffentlichen Rechte als Nachbar erwarten.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in der dagegen erhobenen Beschwerde in seinem Recht auf Stattgebung der Berufung, auf Parteistellung im Baubewilligungsverfahren und in seinen Nachbarrechten nach der Bauordnung für Wien sowie in seinem Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verfahrens verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 134 Abs. 3 BO lautet:
Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien.
Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln.
Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben.
Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG).
Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaften eine gemeinsame Grenze haben oder nur durch Fahnen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen.
In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Gebäude oder der geplanten baulichen Anlage liegen.
Durch die Novelle LBGl. Nr. 34/1992 wurde nunmehr klargelegt, welche Liegenschaft als "benachbart" anzusehen ist; danach ist auch die Liegenschaft des Beschwerdeführers eine "benachbarte" Liegenschaft, weil die H-Gasse nur rund 10 m breit ist. § 134 Abs. 3 zweiter Satz BO stellt aber nicht allein auf diese räumliche Nähe ab, sondern fordert weiters, daß die Eigentümer jener Liegenschaften durch den geplanten Bau in ihren Rechten (§ 134a BO) berührt sein können. Diese Bestimmung lautet:
"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
a)
Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;
b)
Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
c)
Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d)
Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;
4)
Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden."
Aus nachstehenden Gründen ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, daß das gegenständliche Änderungsvorhaben nicht geeignet war, Interessen des Beschwerdeführers zu berühren:
Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Recht auf Einhaltung einer bestimmten Gebäudehöhe dahin eingeschränkt ist, daß der Nachbar nur eine Verletzung der ihm zugewendeten Gebäudefront durchsetzen kann (siehe die Nachweise bei Hauer, der Nachbar im Baurecht5, 214). Wenn aber im vorliegenden Fall schon die Hinterfront des 5 m von der Straße entfernten Gebäudes (Haus 1) Interessen gegenüberliegender Nachbarn nicht berührt, dann kann die Interessenberührung umso weniger stattfinden, wenn es um die Front eines Hauses geht, das mit seinem größeren Teil hinter dem die Flächenbegrenzung des § 76 Abs. 10 BO vollständig ausnützenden Gebäude errichtet wird.
Durch die Möglichkeit des § 81 Abs. 2 BO, die zulässige Gebäudehöhe um 3 m zu überschreiten, wenn das Gebäude nicht an den im § 81 Abs. 1 genannten Fluchtlinien liegt, macht der Gesetzgeber deutlich, daß die zulässige Gebäudehöhe in einer Relation zum Abstand zu diesen Linien stehen soll; genauso wird diese Überschreitungsmöglichkeit an der (Seiten-) Grenze davon abhängig gemacht, daß ein größerer Seitenabstand als 3 m eingehalten wird. Die Interessenberührung des Nachbarn in seinem Recht auf Einhaltung der Gebäudehöhe ist somit umso intensiver, je näher das Gebäude an der Nachbargrenze liegt.
Insbesondere erlaubt § 79 Abs. 3 BO nicht, die geschützte Interessenssphäre des Nachbarn beliebig auszuweiten, solange nur die im letzten Satz des § 134 Abs. 3 genannten örtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Aus § 79 Abs. 3 BO ergibt sich unter Bedachtnahme auf eine allfällige Überschreitungsmöglichkeit nach § 81 Abs. 2 BO, daß der Abstand der Gebäude von den Nachbargrenzen umso größer sein muß, je höher die festgesetzte Bauklasse ist. Wenn nach dieser Bestimmung dem Nachbarn bei einem Abstand des Vorhabens zu seiner Grenze von 6 m eine Gebäudehöhe bis zu äußerstenfalls 15 m zugemutet werden kann, dann kann bei einem Gebäude, dessen Firsthöhe (laut aktuellem Einreichplan) 9,20 m beträgt und das in einem Abstand von 37 m zur nördlichen Grundgrenze situiert ist (wozu noch die Breite der Verkehrsfläche kommt), eine Beeinträchtigung des aus § 134a lit. b BO resultierenden Nachbarrechtes nicht mehr gegeben sein.
Es ist zwar richtig, daß aus § 134 Abs. 3 fünfter Satz BO nicht geschlossen werden kann, die Parteistellung des Nachbarn sei davon abhängig, ob das Vorhaben weniger als 20 m von der Grundstücksgrenze entfernt ist, weil ansonsten die Gegenüberstellung zum letzten Satz dieser Bestimmung keinen Sinn hätte. Selbst wenn aber die örtliche Voraussetzung nach dem fünften Satz dieser Bestimmung vorliegt, ist noch immer zu prüfen, ob im Sinne des dritten Satzes des § 134 Abs. 3 BO eine Interessenberührung überhaupt möglich ist.
Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer durch das Änderungsvorhaben der Bauwerber in seinen Rechten nicht berührt werden kann, weshalb ihm im Verfahren zur Genehmigung des Planwechsels keine Parteistellung zukam. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050113.X00Im RIS seit
03.05.2001